- Juden in Dresden
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Das Judentum hat in Dresden eine lange Tradition, die bis in die Anfänge der Stadtgeschichte im 13. Jahrhundert zurückreicht.
Inhaltsverzeichnis
Mittelalter
Die erste urkundliche Erwähnung einer jüdischen Gemeinde enthält die Judenverordnung des Meißner Markgrafen Heinrich des Erlauchten von 1265, in der er die Juden unter seinen Schutz stellt, ihnen gleiche Rechte wie den Christen einräumt und sie gegen eine Pauschalzahlung von Zollabgaben befreit. Gleichwohl gingen die antisemitischen Pogrome des Mittelalters auch an den Dresdner Juden nicht spurlos vorüber. Für 1349 ist eine Judenverbrennung dokumentiert; 1430 erfolgte gar die Ausweisung der Juden aus dem sächsischen Staatsgebiet.
Augusteische Epoche
Erst Ende des 17. Jahrhundert gestattete August der Starke aufgrund erhoffter finanzieller Vorteile wieder die Zuwanderung von Juden. 1696 holte er Issachar Berend Lehmann als Hofjuden in seine Dresdener Residenz. Bereits ein Jahr später verschaffte ihm Lehmann 10 Millionen Taler zum Erwerb der polnischen Königskrone. August revanchierte sich, indem er Behrends Familie ein umfassendes Aufenthaltsrecht gewährte. Ab 1718 war sie im Wechselgeschäft sowie als Hoflieferant für Luxuswaren tätig. Allgemein unterlag die Ansiedlung von Juden in Sachsen aber weiterhin erheblichen Restriktionen, die u.a. im Judenmandat von 1746 niedergelegt wurden; ab 1772 durften Juden nur noch in der Altstadt wohnen, und auch dies nur mit besonderer Erlaubnis und erschwerten melderechtlichen Auflagen. Gleichwohl erhielt die Gemeinde 1751 an der Pulsnitzer Straße in der Äußeren Neustadt einen eigenen Friedhof, den Alten Jüdischen Friedhof.
Emanzipation im 19. und 20. Jahrhundert
Eine Verbesserung der Lage war indes nach der bürgerlichen Revolution von 1830 zu verzeichnen, als die Juden in Dresden einer ihrer beiden sächsischen Religionsgemeinschaften einrichten durften. Auch gestattete man ihnen nunmehr den Erwerb von Land zum Zwecke der Errichtung von Bethäusern und Schulen; 1840 etwa wurde die von Gottfried Semper erbaute Dresdner Synagoge geweiht. 1837 setzte sich König Johann in einer Rede vor dem Landtag nachdrücklich für die Emanzipation der Juden ein:
„Mit aller Achtung für die öffentliche Meinung muss ich mich doch für die Juden verwenden. Ich glaube, wir sind es den Juden als Menschen, wir sind es ihnen als Mitbürger schuldig. Ich habe keine andere Sympathie für die Juden, als für alle meine Mitmenschen, und diese kann ich ihnen nicht weigern.“
Erst 1869 aber erhielten Dresden Juden durch ein Gesetz des Norddeutschen Bundes das volle Bürgerrecht. Zeitgleich wurde die zwanzig Jahre lang heftig umkämpfte Einführungsverordnung zu den Grundrechten der Juden in Sachsen verabschiedet.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stieg die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde Dresdens sprunghaft an. Von 1834 (682 Personen) bis 1905 (3.510 Personen) hat sie sich mehr als verfünffacht. Ein Großteil der Gemeinde assimilierte sich weitgehend an die Kultur des neu entstandenen deutschen Kaiserreichs, während die aus Osteuropa zugewanderten Juden in stärkerem Maße der Tradition verhaftet blieben und sich später dem Zionismus zuwandten.
Sehr bald erlangten Dresdens Juden eine zentrale Stellung im örtlichen Bankgewerbe: 1842 befanden sich von den 14 in Dresden ansässigen Banken bzw. Wechselstuben 8 in jüdischem Besitz. 1880 waren es zwar nur noch 12 von 55, worunter sich jedoch gerade die renommiertesten bzw. finanzstärksten befanden. Zu den bedeutendsten jüdischen Bankhäusern der Stadt zählten:
- Bankhaus Bondi & Maron (gegründet 1755; 1937 arisiert und von der Deutschen Bank übernommen)
- Bankhaus Kaskel (Ursprünge in den 1770er Jahren; ab 1872: Dresdner Bank)
- M. Schie (gegründet Anfang 19. Jh.; 1891 durch Gebr. Arnhold übernommen)
- Philipp Elimeyer (gegründet 1829; 1898 Umwandlung in KG mit Schaaffhausenschem Bankverein)
- S. Mattersdorff (gegründet 1853; 1936 „arisiert“ und durch Allgemeine Deutsche Credit-Anstalt übernommen)
- Bankhaus Gebrüder Arnhold (gegründet 1864; 1935/38 arisiert und von der Dresdner Bank übernommen)
- Koppel & Co. (gegründet 1890; bereits 1897 durch Arnhold übernommen)
- Bernhard Gutmann (bis 1921)
Zu den prominentesten Dresdner Juden dieser Zeit gehört auch der Sozialdemokrat Georg Gradnauer, der zunächst als Redakteur beim Vorwärts und der Dresdner Volkszeitung arbeitete, nach dem Ersten Weltkrieg aber zum sächsischen Ministerpräsidenten, zum Gesandten Sachsens in Berlin und schließlich zum Reichsinnenminister aufstieg. Zu dieser Zeit hatte auch eine Reihe berühmter jüdischer Wissenschaftler Lehrstühle in Dresden inne, u.a. Richard von Mises (Aero- und Hydrodynamik), Harry Dember (Physik) und Victor Klemperer (Philologie). Weiter wirkte in Dresden der Maler Laser Segall, der 1910 als Meisterschüler Gottfried Kühls begann und 1919 zum Mitbegründer der Dresdner Sezession-Gruppe wurde. Von 1913–1918 war der Tenor Richard Tauber an der Semperoper engagiert.
Verfolgung unter dem Nationalsozialismus
Beim Machtantritt Adolf Hitlers im Januar 1933 umfasste die jüdische Gemeinde Dresdens etwa 5000 Mitglieder. Sie teilten das Schicksal ihrer Glaubensbrüder im gesamten Reich; von Anfang an unterlagen sie vielfältigen Schikanen wie Umsiedlung in bestimmte Stadtteile, Ausgangsbeschränkungen, „Kontrollen“ und Verhöre durch die Gestapo, willkürlicher Beschlagnahme von Vermögen und dergleichen. Im Zuge der sog. Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde auch die Dresdner, von Gottfried Semper erbaute Synagoge niedergebrannt und geplündert.
Im August 1940 verbot der Regierungspräsident zu Bautzen-Dresden den Juden das Betreten des Königsufers sowie sämtlicher städtischer Parkanlagen. 1941 entzog man jüdischen Ärzten die Approbation; weiter arbeiten durfte in Dresden nur Dr. Willi Katz. 1942 verbot die Dresdner Aufsichtsbehörde den Juden den Erwerb von Blumen und Speiseeis. Ältere Juden wurden gezwungen, bei hochsommerlichen Temperaturen stundenlang in Wintermänteln durch Dresden zu laufen.
Bereits 1942 war die jüdische Bevölkerung Dresdens von 5000 auf 985 Personen geschrumpft. Unter Leitung von Oberregierungsrat Klein und SS-Obersturmführer Henry Schmidt begannen auch die Deportationen der Dresdner Juden in Konzentrations- und Vernichtungslager. Vom 1. Juli 1942 bis 11. Januar 1944 wurden allein 375 ins KZ Theresienstadt gebracht, weitere Transporte erfolgten insbesondere nach Auschwitz und Riga. Bei Kriegsende lebten in Dresden nur noch 41 Juden.
Sehr eindrucksvoll beschreibt der 1912 zum Protestantismus konvertierte, gebürtige Jude Victor Klemperer in seinen Tagebüchern (unter dem Titel Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten. Tagebücher 1933–1945 1995 veröffentlicht) den sich entwickelnden Antisemitismus und Nationalsozialismus in Dresden bis zum Zusammenbruch des Dritten Reichs aus der Sicht eines Betroffenen.
Neubeginn
1950 schuf man durch Umbau eines Gebetshauses auf einem Friedhof in der Fiedlerstraße für die jüdische Gemeinde eine provisorische Synagoge. Gleichwohl erlebten Dresdens Juden auch in der neu gegründeten DDR ein erhebliches Maß an Repression, das sich nicht zuletzt aus antikapitalistischen Vorurteilen speiste, aber auch aus den traditionell guten Verbindungen des Staates Israel zum „Klassenfeind“ USA. Stellvertretend für vieles sei die Verhaftung des Leiters der Dresdner jüdischen Gemeinde, Leon Löwenkopf, durch die SED-Behörden im Jahre 1950 genannt. Auch die Verfolgung des aus dem Raum Dresden stammenden SED-Funktionärs Paul Merker im Zuge der Slansky-Prozesse dürfte zu einem gewisse Maße mit seinem engagierten, seitens der Partei aber unerwünschten Eintreten für jüdische Restitutionsansprüche zusammenhängen.
Nach dem Fall der Mauer erlebte die jüdische Gemeinde Dresden ein gewisses Wachstum aufgrund des Zuzugs osteuropäischer Juden. 1992 wurde der jüdische Kulturverein Hatikva gegründet. Von 1996–2001 errichtete das Saarbrücker Architekturbüro Wandel & Höfer einen Synagogenneubau am Ostende der Brühlschen Terrasse. Heute leben in Dresden etwa 730 Juden, von denen sich 80 dem orthodoxen Judentum zurechnen.
Weblinks
- Judentum-Projekt
- Jüdische Gemeinde Dresden auf: Cafe Schoschana.com
- Kulturverein Hatikva
- Chabad Lubavitch Sachsen
Literatur
- Wiegelmann, Franz Josef: Wi(e)der die Juden. Judentum und Antisemitismus in der Publizistik aus sieben Jahrhunderten – Supplement Dresden. Bernstein-Verlag, Bonn 2007, ISBN 978-3-939431-12-1.
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