Jugendhof Seehaus

Jugendhof Seehaus

Das Seehaus Leonberg ist ein Projekt des Jugendstrafvollzugs in freien Formen im Landkreis Böblingen, das ein von Heinrich Schickhardt errichtetes, jetzt denkmalgeschütztes Gebäude für diesen Zweck nutzt.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Seit 1953 bietet § 91 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) einen Weg für einen innovativen Jugendstrafvollzug zwischen geschlossenem und offenem Jugendstrafvollzug: den Jugendstrafvollzug in freien Formen. Diesen Weg ist erstmals das Justizministerium Baden-Württemberg unter Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll gegangen.

Seit 2003 gibt es zwei solcher Einrichtungen in Deutschland: das Projekt Chance in Creglingen und das Seehaus Leonberg. Jugendliche, die bereit sind, an sich zu arbeiten, können sich vom Jugendstrafvollzug aus für das Projekt bewerben. Nach Zustimmung des Anstaltsleiters verbringen sie ihre gesamte Haftzeit im Projekt. Im Seehaus Leonberg erwartet sie ein durchstrukturierter und harter Arbeitsalltag. Um 5:45 Uhr beginnt der Tagesablauf mit Frühsport. Bis 22:00 Uhr sind die Jugendlichen in ein konsequent durchgeplantes Erziehungsprogramm eingebunden. Hausputz, Schule, Arbeit, Berufsvorbereitung, Sport, gemeinnützige Arbeit, Täter-Opfer-Ausgleich, soziales Training und die Vermittlung christlicher Werte und Normen sind fester Bestandteil des Konzepts. Sie dienen dazu, dass die Jugendlichen lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich als gesetzestreue Bürger in die Gesellschaft wiedereingliedern können.

Mit dem baden-württembergischen Jugendstrafvollzugsgesetz ist Jugendstrafvollzug in freien Formen als dritte Vollzugsform neben geschlossenem und offenen Vollzug verankert (§ 27 JStVollzG-Ba-Wü). Im sächsischen und im rheinland-pfälzischen Jugendstrafvollzugsgesetz ist Jugendstrafvollzug in freien Formen ebenso als dritte Vollzugsform verankert (§ 13 Abs. 3 SächsJStVollzG/LJSTVollzG Rheinland-Pfalz). Nach den Entwürfen der meisten anderen Bundesländer kann Jugendstrafvollzug in freien Formen als Vollzugslockerung durchgeführt werden.

Das Projekt in Stichworten

Wiedergutmachung

Im Seehaus Leonberg sollen die Jugendlichen beginnen, den von ihnen angerichteten Schaden wiedergutzumachen. In Seminaren und Gruppengesprächen werden sie mit der Opferperspektive konfrontiert und werden aufgefordert, einen Täter-Opfer-Ausgleich durchzuführen. Durch gemeinnützige Arbeit leisten sie einen symbolischen Ausgleich der Gesellschaft gegenüber.

Das Prinzip Familie

Eine Mitarbeiterfamilie wohnt mit jeweils 5-7 Jugendlichen familienähnlich zusammen. Auf diese Weise soll Familienleben, das die meisten der Jugendlichen nicht kennen, vorgelebt und vermittelt werden.

Positive Gruppenkultur

Die Jugendlichen sollen Verantwortung füreinander übernehmen und einander anleiten. Dadurch sollen sie lernen, für andere da zu sein und sich gegenseitig zu helfen.

Konsequentes Erziehungs- und Trainingsprogramm

In einem durchstrukturierten Tagesablauf werden die Jugendlichen konsequent gefordert. Sie müssen Leistung erbringen. Gleichzeitig werden sie in allen Bereichen (Schule, Arbeit, Sport, Musik, ...) gefördert und sollen sich so später in allen Bereichen in der Gesellschaft einbringen können. In der Seehaus-Schule haben sie die Möglichkeit, sich auf den Schulabschluss vorzubereiten. Sie absolvieren ein Berufsvorbereitungsjahr oder das 1. Lehrjahr in den Bauberufen.

Vermittlung von Werten und Tugenden

Im Seehaus Leonberg wollen die Mitarbeiter christliche Normen und Werte vermitteln. Auf dieser Grundlage aufbauend, werden Grundtugenden wie Fleiß, Ehrgeiz, Ordnung, Disziplin, Höflichkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit, Pflichtbewusstsein und Selbstbeherrschung abverlangt und eingeübt.

Bürgerschaftliches Engagement

Mit dem Jugendstrafvollzug in freien Formen wird ein neuer Weg im Jugendstrafvollzug beschritten. Durch eine enge Kooperation von Landesregierung, Landesstiftung Baden-Württemberg, einem gemeinnützigen Verein der Jugendhilfe, der freien Wirtschaft, der Kirchen und vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen entstand ein innovatives Konzept für einen modernen Jugendstrafvollzug. Auch viele Einzelpersonen setzen sich ehrenamtlich im Jugendhof Seehaus ein oder unterstützen das Projekt finanziell.

Nachsorge

Die Jugendlichen werden auch über ihren Aufenthalt im Jugendhof Seehaus hinaus begleitet, z.B. durch Betreuung durch ehrenamtliche Paten, betreutes Jugendwohnen und eine Verselbständigungs-Wohngemeinschaft.

Das Seehaus

Das Seehaus ist ein bedeutendes Kulturdenkmal. Es liegt an der Solitude-Rennstrecke bei Leonberg. Es hat seinen Namen vom Eltinger See, der die dortigen Seewiesen bedeckt hat.

Geschichte

Der Eltinger See wird schon 1442 erwähnt, ist aber während des Dreißigjährigen Krieges ausgetrocknet. 1523 wird dort ein kleines Haus erwähnt, das als Wohnung eines Forstknechts diente.

Der herzogliche Baumeister Heinrich Schickhardt erbaute dort 1609 das Seehaus. Auftraggeberin war Sibylla von Anhalt, die Mutter von Herzog Johann Friedrich von Württemberg. Sie wohnte von 1608 bis 1614 als Witwe im Leonberger Schloss. Das Seehaus diente wohl als Jagd- und Landsitz. Im Jahre 1609 erbaut Schickhardt „Vorst- und Seehaus Eltingen“ mit Mittelbau, Stallungen, im Westflügel das „Haus des Forstknechts“, im Ostflügel der herrschaftliche Wohnraum über dem Pferdestall. Nach dem Tode Sybilles von Württemberg im Jahre 1614 ist es ein beliebter Landaufenthalt der Fürstlichen Herrschaft.

1679 wird die Seewiesenscheuer gebaut. 1680 wird der Sitz des Forstknechtes vom Seehause nach Eltingen verlegt. Im Westflügel wurde eine Melkerei eingerichtet. 1723 beginnt die Verpachtungen des Seehofes. Erster Pächter ist Hanß Jerg Weber. 1786 wird der „sehr baufälligen“ Westflügels abgerissen. Nach positivem Gutachten des Landesbaumeisters Etzel erteilt der Herzog im Jahre 1796 die Genehmigung zur Aufstockung des Mittelbaus. Das Dach wird abgenommen, ein zweites Stockwerk aufgebaut und das alte (Schickhardt´sches) Dach wieder aufgesetzt.

1833 wird mit Einwilligung des Herzogs das Gut verkauft. Erste Erwerberin ist die Gemeinde Eltingen. 1845 verkauft Eltingen das Anwesen an Freiherrn von Röder, um vom Erlös den Neubau des Rathauses in Eltingen zu finanzieren. Stallungen, Küchenanbau und Kammern werden gebaut. Von Röder gibt es 1906 an seine Tochter ab.

1933 lässt die neue Eigentümerin, Frau von Vischer–Ihingen einen neuen Westflügel bauen. Die Scheuer wird direkt an den Mitteltrakt angesetzt – im Sinne von Schickhardt als hufeinsenförmige Anlage. Es folgt der Anbau von Wohnungen im Mitteltrakt und im Ostflügel in Bauphasen bis 1942. 1984 kauft Familie Seitter das Gut Seehaus.

2003 Prisma e. V. kauft das Gut Seehaus und nutzt den Seehaus Leonberg als Jugendstrafvollzug in freien Formen.

Weblinks

48.76929.04187Koordinaten: 48° 46′ 9″ N, 9° 2′ 30″ O


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