- Jugendstrafvollzugsanstalt Adelsheim
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Die Justizvollzugsanstalt Adelsheim ist eine Justizvollzugsanstalt für Jugendliche des Landes Baden-Württemberg. Sie wurde errichtet, um den Besonderheiten des Jugendstrafvollzugs etwas gerechter zu werden. Sie befindet sich in Adelsheim, einer Kleinstadt im Norden des Landes (Neckar-Odenwald-Kreis, Nordbaden), etwa 40 km nördlich von Heilbronn.
Die JVA ist ca. 10 ha groß und an einen Hang gebaut. Sie wird von einer 1300 m langen und 5,5 m hohen Mauer eingefasst. In der Nähe befindet sich eine Straße mit Siedlungscharakter für die Angestellten/Beamten. Es gibt ca. 240 Mitarbeiter. Viele von ihnen kamen zunächst als Fremde nach Adelsheim.
Aus dem zweiten Konjunkturpaket des Bundes werden für die Sanierung eines Schulgebäudes 1,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. [1]
Geschichte
1974 wurde die neu erbaute JVA (Abkürzung von Justizvollzugsanstalt, in anderen Bundesländern auch JSA für Jugendstrafvollzugsanstalt) in Betrieb genommen. Sie ist für 430 männliche Jugendstrafgefangene im Alter von 14-23 Jahren in ca. 10 Häusern mit bis zu 50 Gefangenen eingerichtet. Es gibt verschiedene Formen des Strafvollzugs der Jugendstrafen. Auch einige mit Modellcharakter.
Seit 1979 kamen die Gerichtsgefängnisse in Mosbach und Tauberbischofsheim (zeitweise) als Außenstellen der JVA hinzu. 1997 wurde auch eine sozialtherapeutische Abteilung für Aggressionstäter aufgebaut.
Ziele und gesetzliche Grundlagen des Strafvollzugs bei Jugendlichen
Im § 91 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) heißt es:
- der Verurteilte soll dazu erzogen werden, künftig einen rechtschaffenen und verantwortungsbewussten Lebenswandel zu führen
- die beruflichen Leistungen des Verurteilten sind zu fördern
- Ausbildungsstätten sind einzurichten
- die seelsorgerische Betreuung wird gewährleistet
- die Beamten müssen für die Erziehungsaufgabe des Vollzugs geeignet und ausgebildet sein
Es gibt die Bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften zum Jugendstrafvollzug (VVJug) und das StVollzG(für den Regelvollzug bei Erwachsenen).
Gebäude, Anlage
Zunächst ist die umlaufende über 5 m hohe glatte Betonmauer beeindruckend. Jedoch im Vergleich zu anderen Vollzugsanstalten ist die JVA eigentlich noch recht hell. Es gibt immerhin Blickkontakt zur grünen Natur außerhalb.
Neben Unterkunftshäusern stehen im Gelände am Hang Werkstätten mit Lagerräumen, Schule, Turnhalle, Sportplätze, ein Versorgungsgebäude, eine Krankenabteilung, Heizung und neben dem Eingang die Verwaltung. Es sind moderne Betonblöcke, etwas überdimensionierte zwei und dreigeschossige Container. Direkt außerhalb des Geländes liegt eine zugehörige Gärtnerei.
Bezogen auf den Ort liegt die Anstalt in einer Randlage in einem Seitental der Seckach.
Formen des Strafvollzugs in Adelsheim
Untersuchungshaft an Jugendlichen und Heranwachsenden. Als Jugendlichen gelten 14- bis 17-Jährige und als Heranwachsende Männer ab 18 Jahren.
Nach der Ankunft kommen die Jugendlichen, die erstmals einsitzen, zunächst für ca. zwei Wochen in den Bereich zentraler Zugang. Hier sollen sie auf die Schul- oder Ausbildungsangebote getestet werden, die für sie evtl. in Frage kommen könnten. Es wird gemeinsam ein Vollzugsplan erstellt. Über die Aufnahme in Adelsheim entscheidet auch die Zugangskommision.
Im halboffenen Vollzug sind die Fenster gitterfrei und die jugendlichen Häftlinge besitzen einen Schlüssel zu ihrem Haftraum (Zelle). Die Haustür bleibt tagsüber offen. Hier sind vor allem die Jugendlichen mit kurzer Haftdauer und minder schweren Delikten untergebracht (etwa 25 %).
Im Haus G3 wird das so genannte „Just Community Projekt“ durchgeführt. Es gibt relativ viele Lockerungen. Außerdem können die Jugendlichen das Gelände mit An- und Abmeldung in Begleitung beziehungsweise in Gruppen von 3 bis 5 Personen stundenweise verlassen und z. B. Einkäufe in Supermärkten machen oder an drei Wochenenden ganz nach Hause fahren.
Grundsätzlich ist zwar jeder jugendliche Strafgefangene zur Arbeit verpflichtet, aber es gibt für länger Inhaftierte auch die Möglichkeit Verpasstes in der Schule aufzuholen beziehungsweise eine Berufsausbildung zu absolvieren. Diese Bildung läuft unter der Bezeichnung: Konzept einer „positiven Gesamtschule“.
Im geschlossenen Vollzug haben die Hafträume Gitter vor den Fenstern und Stahltüren. Um 21:45 Uhr ist Einschluss und der Strom wird bald abgestellt.
Der offene Vollzug findet in der Außenstelle Mosbach, im „Freigängerheim“, statt.
Schulabschluss nachmachen
In kleinen Klassen wird jeder individuell betreut („Sonderschulprinzip“). Das heißt, jeder Schüler erhält genau die Aufgaben, die er am dringendsten üben muss. Neben Elementarunterricht werden auch Aufbaukurse angeboten. Hier wird das Wissen der Grundschule bis zum Anfang der 5. bzw. 6. Klasse vermittelt. An diesen Kursen/Klassen nehmen acht bis neun Schüler teil. Theoretisch sind der Hauptschulabschluss und die mittlere Reife möglich.
Für die zahlreichen nicht der deutschen Sprache mächtigen Jugendlichen werden Deutschkurse angeboten. Ebenfalls gibt es Computerkurse für Anfänger und die Betreuung von Fernkursen.
Im Schuljahr 2000/01 konnten 36 Schüler ihren Hauptschulabschluss nachmachen, 9 die Realschule beenden und ein Schüler das Abitur ablegen.
Vollzugsplan
Ein Vollzugsplan soll folgende Fragen beantworten:
- In welcher Vollzugsform ist der Inhaftierte unterzubringen?
- Wird eine vorzeitige Entlassung angestrebt? Bzw. wann soll mit dem Inhaftierten die Entlassung geplant werden?
- Soll der Inhaftierte eine sozialtherapeutische Behandlung erhalten?
- Ist der Inhaftierte in einem speziellen Drogenbereich unterzubringen?
- Ist der Inhaftierte in speziellen Wohn- oder Behandlungsgruppen unterzubringen?
- Ist er arbeitsfähig? Soll der Inhaftierte eine Arbeit zugewiesen bekommen?
- Soll und wenn ja, wie soll der Inhaftierte schulisch und/oder beruflich ausgebildet bzw. weitergebildet werden?
- Soll der Inhaftierte darüber hinausgehende Hilfs - oder Behandlungsangebote wahrnehmen?
- Sollen vollzugslockernde Maßnahmen gewährt werden? Wenn ja, muss festgelegt werden, welche Lockerungen ab wann gewährt werden sollen.
Der Vollzugsplan ist jedes halbe Jahr fortzuschreiben.
Berufsausbildungen
42,5% der Bestraften kommen ohne Ausbildung in die JVA. Nur 4,1% sind bereits Facharbeiter, 6,2% noch Schüler und 5,9% sind ungelernt Berufstätige oder Arbeitslose.
In Adelsheim gibt es Ausbildungsplätze. Allerdings war das noch kein Grund zum Einzug. Theoretisch besteht die Wahl zwischen Koch, Bäcker, Metzger, Industrieelektroniker, Konstruktions-, Industrie-, Zerspanungs-, Werkzeug- und Kfz-Mechaniker, Teilezurichter, Fräser, Schreiner, Maler/Lackierer, Maurer und Gärtner.
Da die Ausbildungen denen außerhalb der Anstalt gleichkommen sollen, beendet natürlich nicht jeder Jugendliche die im Knast begonnene Ausbildung. Theoretisch könnte er, anschließend an die Haft, von außen jeden Tag bis zum Ausbildungsende in die Anstaltsberufsschule kommen. Das geschieht jedoch sehr selten.
Freizeit, Umschluss
Die JVA bietet folgendes als Freizeitangebote an: Gruppen zum Kreativen Gestalten mit Metall, Holz, Kunststoff, Ton, Gitarren- und Zeichenkurs, Gruppen zum Autogenen Training, EDV-Einführungen (ohne Internetnutzung) und einiges andere, vor allem diverse Sportangebote. Für türkische Insassen wird eine Türkische Gesprächsgruppe angeboten.
Die Jugendlichen müssen dazu einen Antrag stellen und können, sofern keine Regelverstöße vorliegen und die Gruppe noch Plätze hat, daran teilnehmen. Siehe auch: Hafterleichterungen, Urlaub. Je nach Vollzugsform können gruppeneigene oder private Elektrogeräte genutzt werden. Aber keine Handys.
Projekt Chance/Seehaus Leonberg
Seit Herbst 2003 gibt es zwei innovative Einrichtungen des Jugendstrafvollzugs in freien Formen nach § 91 Abs. 3 des Jugendgerichtsgesetzes.
Träger sind Projekt Chance e.V. mit dem Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e.V. als Dienstleister und Prisma e. V.. Die beiden Einrichtungen in Creglingen-Frauental (Klosteranlage) und im Seehaus Leonberg haben jeweils 15 Plätze für junge Jugendstrafgefangene aus der Justizvollzugsanstalt Adelsheim.
Aus Mitteln der Landesstiftung Baden-Württemberg und mit Unterstützung aus der Wirtschaft geht es schwerpunktmäßig um soziale Kompetenz (schulische und berufliche Bildung, Berufsfindung, soziales Training, Sport, Freizeitpädagogik und um eine gute Nachsorge i.S. eines "Integrationsmanagements") sowie um Verantwortung für sich, die begangene Tat und die Gesellschaft.
Im Schnittpunkt von Jugendstrafvollzug und Jugendhilfe wird das Projekt Chance bundesweit beachtet und wissenschaftlich begleitet.
Knastzeitung Experiment
Das „Experiment“ wird von einer betreuten Redaktionsgruppe als Gefangenenzeitung herausgegeben. 2006 ist nach einer zwölfjährigen Unterbrechung der 2. Jahrgang dieser Zeitschrift. Themen sind zur Zeit (vor der Herausgabe der 3. Nummer) die aktuellen Charts, Lifestyle-Tipps, Anstalts-VIP-News oder -Interviews, Drogen, Horoskope.
Ein typisches Problem für so eine 15-20köpfige Redaktion ist die Fluktuation durch die Kürze der Haft am Ort. Zurzeit sind noch 7 der 16 Mitarbeitenden der 1. Nummer (in dieser Staffel) beteiligt. Nebeneffekt: „Die Jugendlichen erwerben Medienkompetenz und lernen sich auszudrücken.“ (Nach dem Pressereferent der Anstalt, K B-D.)
Zahlen, Erfolge, Misserfolge
Zur Strafe führende Delikte: Die Bedeutung des Diebstahls hat etwas abgenommen. Aggressionsdelikte hatten bis 2001 nicht zugenommen. Ein geringer Zuwachs liegt bzgl. der Drogen-Delikte vor. Verurteilungen wegen Raub und Körperverletzung, die ja zu einer Strafhaft ohne Bewährung führen, sind in Adelsheim (aufgrund der Aufnahmekriterien) selten.
In den 80er und Anfang der 1990er Jahre waren weniger als 10 Prozent aller Inhaftierten 14- bis 17jährige Jugendliche, 2001 sind es mit 19 Prozent beinahe doppelt so viele.
Zwischen 1990 und 2001 nahm die Entlassung zum Strafende zu; d. h. es wird häufiger als früher die Gesamtstrafe verbüßt. Auch die Abschiebungen der Gefangenen mit ausländischer Staatsangehörigkeit nach teilweiser oder vollständiger Strafverbüßung nahm zu. Die durchschnittliche Haftdauer betrug um 2000 zwischen 11,5 und 12 Monaten.
Etwa ein Drittel der jungen Häftlinge wird bei Erreichen der Altersgrenzen in den Erwachsenenstrafvollzug des Landes verlegt.
Rückfallquote: 55% der einmal verurteilten Jugendlichen (deutsche Staatsangehörigkeit) haben in den ersten fünf Jahren nach ihrer Entlassung einen Rückfall und werden erneut straffällig (das schließt Deutsche mit Geburt in der GUS ein). Bei den „Nichtdeutschen“ ist die Prozentzahl geringer, was jedoch auch an den Abschiebungen liegen kann.
Die JVA Adelsheim ist nach der Jugendanstalt Hameln die zweitgrößte Jugendstrafvollzugsanstalt in Deutschland.
Literatur
- Florian Klenk: Hirsche und Wölfe. In: Die Zeit, 30. November 2006 Nr. 49/2006. (In Jugendgefängnissen herrscht eine brutale Hierarchie. Vor allem die kleinen Kriminellen müssen um ihre Sicherheit bangen – und manchmal um ihr Leben. Eine Reportage; online)
- Micha Brumlik, Hansjörg Sutter: Rekonstruktion sozial-kognitiver und sozio-moralischer Lernprozesse im Rahmen eines demokratisch geregelten Vollzugs als 'Just Community'. Projektverlängerungsantrag und Zwischenbericht, Heidelberg 1996.
- Werner Greve, Daniela Hosser: Psychische und soziale Folgen einer Jugendstrafe: Forschungsstand und Desiderate. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform 1998, S. 83.
- Rüdiger Busch: Nur die Gedanken sind frei. In: Rhein-Neckar-Zeitung vom 2. Nov. 2006, S. 14
- Elbing, Gehl, Nickolai, Reindl (Hrsg.): Jugendstrafvollzug zwischen Erziehung und Strafe. Saarbrücken, Scheidt, 1993
- Günter Grübl, Joachim Walter: “Russlanddeutsche” im Jugendstrafvollzug. In: BewHi 1999, S. 360
Weblink
- Internetpräsenz der Justizvollzugsanstalt Adelsheim
- Internetpräsenz vom Projekt Chance e.V.
- Internetpräsenz von Prisma e.V./Seehaus Leonberg
- Internetpräsenz vom Projekt Chance Creglingen (CJD)
Einzelnachweise
- ↑ Rhein-Neckar-Zeitung vom 6. März 2009
49.4029638888899.3790555555556Koordinaten: 49° 24′ 11″ N, 9° 22′ 45″ O
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