Junichirō Koizumi

Junichirō Koizumi
Jun’ichiro Koizumi (2004)

Jun’ichirō Koizumi (jap. 小泉 純一郎; Koizumi Jun’ichirō; * 8. Januar 1942 in Yokosuka, Japan) ist ein japanischer Politiker. Er war der Vorsitzender der Regierungspartei LDP und von 2001 bis 2006 der 87., 88. und 89. Premierminister Japans. Er war der 56. Inhaber dieses Amtes.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Koizumi wurde am 8. Januar 1942 in der Stadt Yokosuka in der Präfektur Kanagawa geboren. Sein Vater Junya Koizumi war Generaldirektor des Verteidigungsamtes und Abgeordneter des japanischen Parlaments in zweiter Generation und sein Großvater Matajiro Koizumi war japanischer Postminister. Koizumi besuchte die Yokosuka-Oberschule und studierte Wirtschaftswissenschaften an der Keio-Universität. Für kurze Zeit studierte er am University College London, bis er im Dezember 1969 aufgrund des Todes seines Vaters nach Japan zurückkehrte.

Koizumi heiratete 1978, wurde aber 1982 geschieden und er schwor, „nie wieder zu heiraten“. Er ist Vater dreier Söhne, von denen zwei (Shinjiro und Kotaro Koizumi) bei ihm leben und ihre Mutter seit der Scheidung nicht mehr gesehen haben. Der jüngste Sohn Miyamoto Yoshinaga ist Student an der Keio-Universität und hat seinen Vater nie getroffen, sein Versuch einer Begegnung anlässlich der Beerdigung seiner Großmutter wurde zurückgewiesen.

Politische Karriere

Nach einem ersten, fehlgeschlagenen Versuch errang Koizumi im Dezember 1972 einen Sitz im japanischen Unterhaus. Er ist Mitglied der LDP und schloss sich innerhalb dieser der Fukuda-Faktion, der heutigen Machimura-Faktion, an, deren Vorsitzender er zwischen 2000 bis 2001 wurde. Seinen Parlamentssitz verteidigte er in zehn weiteren Wahlen.

Koizumis erster wichtiger Posten war der des Parlamentarischen Staatssekretärs für Finanzen 1979. 1998 wurde er, genau wie sein Großvater, Minister für Post und Telekommunikation im Kabinett von Miyazawa Kiichi. Dreimal, unter den Ministerpräsidenten Takeshita Noboru, Uno Sosuke und Ryūtarō Hashimoto, war Koizumi japanischer Gesundheitsminister.

In den Jahren 1995 und 1998 kandidierte er für den Vorsitz der LDP, aber er unterlag jeweils deutlich gegen Ryūtarō Hashimoto und Obuchi Keizō. Im April 2000 wurde Obuchi aufgrund einer schweren Erkrankung durch Mori Yoshiro ersetzt. Koizumi wurde schließlich im dritten Anlauf am 24. April 2001 zum Parteivorsitzenden gewählt. Er besiegte Hashimoto mit 298 gegen 155 Stimmen. Am 26. April 2001 wurde Koizumi Ministerpräsident. Bei den Oberhauswahlen im folgenden Juli gewann seine Koalition 78 von 121 Sitzen.

Bei den Wahlen am 11. September 2005 konnte er seine Mehrheit im Parlament nochmals vergrößern. Mit dem zweitbesten Wahlergebnis in ihrer Geschichte erreichte seine Partei mit 296 Sitzen die absolute Mehrheit. Zusammen mit seinem Koalitionspartner Kōmeitō, welche 31 Sitze gewann, verfügte er sogar über die Zweidrittelmehrheit in der Kammer.

2006 übernahm Shinzō Abe die Nachfolge von Koizumi als Parteivorsitzender und Premierminister. Im September 2008 kündigte Koizumi seinen Rückzug aus der Politik an: er werde bei der kommenden Shūgiin-Wahl nicht wieder kandidieren.[1]

Popularität

Elvis-Fan Koizumi in Graceland (2006)

Nach seinem Amtsantritt erreichte Koizumi zunächst nie da gewesene Popularitätswerte, die seinem für japanische Verhältnisse extrovertierten Wesen und seiner schillernden Vergangenheit zuzuschreiben waren. Zu seinen Spitznamen zählten „Löwenherz“ und „Einzelgänger“. Zudem ist Koizumi ein erklärter Elvis-Presley-Fan. Er drang auf neue Konzepte, die darniederliegende japanische Wirtschaft zu beleben und versuchte, gemeinsam mit den Banken gegen faule Kredite anzugehen, das Postsparwesen zu privatisieren und die Fraktionenstruktur der LDP zu reformieren. Er kündigte eine Periode schmerzhafter Umstrukturierungen an, um eine bessere Zukunft zu gewährleisten. Zu diesem Zwecke beauftragte er einen Wirtschaftsexperten und Kommentator, Heizo Takenaka, damit, das Bankenwesen zu reformieren. Unter seiner Ägide gelang es, den Anteil der nicht bedienten Kredite der japanischen Banken auf die Hälfte des Niveaus von 2001 zu reduzieren. Die japanische Wirtschaft erlebte eine langsame, aber stetige Erholung, und der Aktienmarkt hat deutlich an Wert gewonnen, wodurch die hohe Arbeitslosigkeit und das erhöhte Arm-Reich-Gefälle nicht mehr im Mittelpunkt der Tagesdebatte stehen. Takaneka wurde 2004 zum Minister für Postreform ernannt, und die Reform des japanischen Postsparwesens tritt in ihre entscheidende Phase.

All diese Reformschritte setzte er gegen heftigen Widerstand der „alten Garde“ innerhalb der LDP und der Bürokraten durch. Im Januar 2002 entließ Koizumi nach innerparteilichen Querelen die populäre Außenministerin Makiko Tanaka, die er zunächst als Partnerin in diesem Kampf gut zu nutzen wusste, dann aber fallen ließ, als er ihre weitergehenden Reformbemühungen nicht mehr zu tragen gewillt war. 2003 wurde Koizumi wiedergewählt, und seine Popularität stieg mit der wirtschaftlichen Erholung erneut an. Mit einem Vorschlag, Rentenzahlungen zu Gunsten einer Steuerreform zu kürzen, stieß er allerdings auf starke Ablehnung in der Bevölkerung. Bei den Oberhauswahlen 2004 landete die LDP nur knapp vor der oppositionellen Demokratischen Partei Japans (DPJ). Nach dem Scheitern der Postreform im Oberhaus (2005) schrieb Koizumi Neuwahlen aus, die er sensationell gewann.

Kontroversen

Koizumi beim G8-Gipfel 2004

Koizumis liberales Image im Ausland nahm Schaden, als er am 13. August 2001, im Januar 2003 und im Januar 2004 erneut dem Yasukuni-Schrein einen umstrittenen Besuch abstattete. Sein Großvater hatte in Kagoshima in den Jahren 1944 und 1945 einen Flugplatz gebaut, der für Kamikaze-Missionen genutzt wurde, und ein Cousin Koizumis war bei einer solchen Mission ums Leben gekommen, was ein Grund für den Besuch Koizumis am Schrein war. Andere Gründe sind die Haltung innerhalb der LDP, sich nicht von China und Nordkorea beeinflussen zu lassen und die Meinung, dass Besuche am Schrein eine innerjapanische Angelegenheit sein, was nicht von allen Nachbarstaaten so gesehen wird, die Opfer der Einsätze der dort als göttlich verehrten Soldaten wurden, unter denen sich auch ausnahmslos alle Kriegsverbrecher befinden. Koizumi erweiterte im Oktober 2001 die Möglichkeiten der Streitkräfte zur Teilnahme an Auslandseinsätzen.

Am 17. Oktober 2005 fand überraschend ein weiterer Besuch am Yasukuni-Schrein statt. Es war sein fünfter Besuch dort seit Amtsantritt. Im Gegensatz zu den bisherigen Besuchen trat Koizumi diesmal als Privatmann auf, was ihn aber nicht davon abhielt, sich im Gästebuch mit seinem offiziellen Staatstitel als Ministerpräsident einzutragen. Da an diesem Schrein auch japanische Kriegsverbrecher geehrt werden, stieß die neuerliche Visite bei den Nachbarn, insbesondere der Volksrepublik China, Nord- und Südkorea und den Philippinen auf scharfe Kritik, bei denen die Erinnerung an die Verbrechen unter japanischer Kolonialherrschaft noch lebendig ist. Für die Regierungen dieser Länder war dieser Besuch ein noch bedeutenderer Affront als die vorangehenden, da zur gleichen Zeit ein Einsatz japanischer Truppen im Irak im Raume stand.

Andererseits hat Koizumi wie auch einige Ministerpräsidenten vor ihm als Regierungschef auf dem Jakarta-Gipfel eine Entschuldigung bei den Nachbarn wegen der Kolonialpolitik seines Landes im 2. Weltkrieg und der Aggression in vielen Ländern ausgesprochen. „Diese Tatsache der Geschichte in Demut akzeptierend drücken wir erneut unsere tiefe Reue und herzliche Entschuldigung aus und sprechen den Opfern des Krieges zu Hause und im Ausland unser Beileid aus.“ Kulturell setzt diese japanische Redeweise voraus, „dass die ehemaligen Opfer die japanischen Kriegsverbrechen nicht nur verzeihen, sondern auch vergessen werden, wenn sie sich entschuldigen. Außerdem entspringt die Entschuldigung vermutlich nur taktischen Überlegungen: gleichzeitig zu Koizumis Erklärung haben 80 Parlamentsabgeordnete den Yasukuni-Schrein besucht, darunter ein Mitglied von Koizumis Kabinett. Vor diesem Hintergrund klingen die Worte des Premiers hohl.“ (Eiichi Kido [2])

Während seiner Amtszeit erreichten früher undenkbare Verteidigungsmaßnahmen Japans einen neuen Höhepunkt. Die japanische Regierung unter Koizumi unterstützte sofort nach dem 11. September 2001 die Politik der USA und ihre Militäraktionen. 22 Tage nach Beginn des Afghanistan-Kriegs, für den Japan 40% des Flugbenzins zur Verfügung stellte, wurde ein Sondergesetz mit Antiterror-Maßnahmen vom japanischen Parlament erlassen, aufgrund dessen im Dezember 2002 ein Aegis-Zerstörer der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte (Self Defense Forces, SDF) in den Indischen Ozean entsandt wurde.

Schon drei Tage vor Beginn des Irak-Krieges erklärte Koizumi, Japan werde Amerika auch ohne UN-Mandat bei Militäraktionen im Irak unterstützen. Am 26. Juli 2003 wurde ein Sondergesetz zur Unterstützung des Wiederaufbaus des Iraks verabschiedet, wodurch es möglich wurde, zum ersten Mal japanische Soldaten in ein Krisengebiet unter Verwaltung einer Besatzungsmacht zu entsenden. Am 9. Dezember 2003 beschloss das Kabinett unter Koizumi trotz Kritik von 55% der Bevölkerung, japanische Soldaten in den Irak zu entsenden. Koizumi erklärte im November 2004, das Gebiet, in dem die SDF-Truppen tätig sind, sei Nichtkampfgebiet, obwohl bereits Granaten im Lager der SDF in Samawa eingeschlagen waren. Am 9. Dezember beschloss das Kabinett unter ihm, dass die SDF-Truppen vorerst bis zum 14. Dezember 2005 im Irak stationiert bleiben sollten, ohne dass Koizumi Bedingungen für einen Rückzug nannte. Die Mehrheit der Bevölkerung bleibt gegenüber der Verlängerung dieses Einsatzes skeptisch, 76% der von der Asahi Shinbun befragten Personen meinten, Koizumi sei in dieser Frage nicht seiner Erklärungspflicht nachgekommen.

Weblinks

Quellen

  1. AFP, 26. September 2008: Japan's Koizumi to retire from politics
  2. Jürgen Elsässer: „Interview mit Eiichi Kido“, junge Welt, Nr. 95, 23. April 2005



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