Jus aequum

Jus aequum

Billigkeit ist im Recht die Beurteilung eines Rechtsfalles nach dem natürlichen Empfinden dafür, was gerecht ist.

Der lateinische Ausdruck dafür Bonum et aequum, bono et aequo (engl. good and equitable) Gutes und Gleiches (Angemessenes) stammt aus dem römischen Zivilrecht. Das Begriffspaar ist Teil der zivilrechtlichen Naturrechtslehre.

Inhaltsverzeichnis

Grundsätzliches zum Begriff

Billigkeit ergänzt das geschriebene Recht, um Härten zu vermeiden bzw. sie zu mildern. Man könnte sagen, es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung (hier nähert sich die Rechtsnorm in ihrer Struktur u. U. Dingen wie dem Verwaltungsakt an) bzw. Situationsrecht (vergleichbar mit Situationsethik). Billigkeit ist also die feinjustierte und deshalb zielgenauere Gerechtigkeit.

Billigkeit steht seit alters her ergänzend neben der Strenge der Gerechtigkeit: Ius aequum steht also neben Ius strictum. Zurück geht der Begriff wohl auf Aristoteles, in dessen Nikomachischer Ethik (V. Buch, Abschnitt 14). In dieser entfernte er sich zusehends von den Lehren des Platon, was sich auch in der Weiterentwicklung des Begriffes der Billigkeit zeigt. Aristoteles unterscheidet diese als Sonderrechtsform von seinem Gerechtigkeitskonzept. Insbesondere führt er beide als grundsätzlich unterschiedliche Tugenden ein, will sie aber nicht als verschiedene Haltungen verstanden wissen.

In der deutschen Rechtstradition spielt der Begriff der Billigkeit eine prominente Rolle vor allem im Zivilrecht.

Ius aequum ist besonderes billiges Recht, nämlich solches, das eine Rechtsfolge für den wechselnden Einzelfall herbeiführen soll. Der Gegenbegriff lautet: Ius strictum (oder strenges Recht).

Beispiele

Als konkrete Beispiele sind die Generalklauseln wie der Grundsatz der Auslegung von Treu und Glauben, der sich in § 242 BGB findet, insbesondere auch die Auslegung von Willenserklärungen nach Treu und Glauben in § 133 BGB und § 157 BGB, oder die guten Sitten in § 138 (allerdings nur mittelbar) bzw. im § 826 BGB aufzuzählen. Ausformungen von Billigkeit sind zudem Verbraucherschutzregelungen wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) nach §§ 305 ff. BGB. In ihnen wird nämlich durch Wertung im Einzelfall bestimmt, dass Regelungen, die für den schwächeren Vertragspartner (Verbraucher) so ungewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen musste, ungültig sind. Wurde der Partner sonst unangemessen benachteiligt oder wurde in anderer Weise gegen Treu und Glauben verstoßen, kann ebenfalls eine AGB-Klausel vom Richter für ungültig erklärt werden. Im Schadensrecht gilt, dass der zu leistende Schadensersatz aus Billigkeitsgesichtspunkten unter dem nach §§ 249 ff. BGB erforderlichen Schadensersatz bleiben kann. Im Bereicherungsrecht und im Deliktsrecht (z. B. § 829 BGB) finden sich weitere konkrete Normen, die Billigkeit kodifizieren. Auf dem Sektor des öffentlichen Rechts wären die §§ 51 bzw. 75 der Betriebsverfassungsgesetze von 1952 und 1972 zu nennen. Zudem ist hier der Billigkeitserlass im Steuerrecht ein gutes Beispiel für die konkrete Ausformung von Billigkeit.

Billigkeit als Auslegungsgrundsatz

Überhaupt ist allgemein bei der Auslegung von Gesetzen der diesen zugrunde liegende Billigkeitsgedanke zu ermitteln und - auch über den Gesetzeswortlaut hinaus - zu beachten. Schließlich dient der Grundsatz, dass Recht „billig“ zu sein habe, der Rechtsfortbildung. So wurden nicht zuletzt wegen dieses allgemeinen Ansatzes die Verhältnismäßigkeit als wichtiges Prinzip sowie der Genugtuungsanspruch geschaffen.

Siehe auch

Literatur

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