Józef Konrad Korzeniowski

Józef Konrad Korzeniowski
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Joseph Conrad, Fotografie von George Charles Beresford, 1904

Joseph Conrad, eigentlich Józef Teodor Nałęcz Konrad Korzeniowski (* 3. Dezember 1857 in Berdyczów bei Schytomyr, Ukraine; † 3. August 1924 in Bishopsbourne nahe Canterbury, England) war ein britischer Schriftsteller polnischer Herkunft.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Conrad wurde als Sohn adeliger polnischer Eltern in Berdyczów (heute Ukraine) geboren, das damals zum Zarenreich gehörte. Conrads Vater war als patriotischer Schriftsteller, darüber hinaus auch als Übersetzer von Shakespeare und Victor Hugo ins Polnische bekannt. Er regte seinen Sohn an, polnische und französische Literatur zu lesen. Aufgrund seiner polnisch-patriotischen Aktivitäten wurde der Vater 1863 nach Wologda in Nordrussland verbannt, wohin ihn Ehefrau und Sohn begleiteten. Joseph Conrads Mutter starb 1865. Der Vater wurde aus der Verbannung schließlich entlassen, wohnte noch kurze Zeit in Krakau, wo Joseph das Gymnasium besuchte, und starb 1869. Das Sorgerecht für das damals elfjährige Kind erhielt der Onkel Tadeusz Bobrowski. Er erlaubte dem sechzehnjährigen Jugendlichen, 1874 nach Marseille zu gehen, um Seemann zu werden. 1878 betrat er erstmals englischen Boden.

1886 erhielt Joseph Conrad die britische Staatsbürgerschaft. 1888 wurde er Kapitän der „Otago“; es sollte seine einzige Position als Kapitän sein. Diese Seeerlebnisse, insbesondere im Kongo und auf den malaiischen Inseln bilden den Hintergrund seines Werkes.

Conrad begann etwa 1890 seine Laufbahn als Schriftsteller. Als Kapitän eines Flussdampfers an den Stanley-Fällen (Kongo) hatte er schweres Fieber bekommen und musste in einem Kanu an Land gebracht werden. Das Kanu kenterte, aber Conrad wurde gerettet. Damals hatte er die Anfangskapitel seines ersten Romans bei sich. Das Fieber verließ ihn nie mehr, ein letzter Versuch 1893, auf See wieder zu gesunden, misslang. Bis zu seinem Tod schuf er, ohne große finanzielle Mittel, ein umfangreiches literarisches Werk.

Das Grab von Joseph Conrad in Canterbury

Conrad schrieb in englischer Sprache, die er erst mit 21 Jahren zu erlernen begonnen hatte. 1895 veröffentlichte er seinen ersten Roman Almayers Wahn. Lange Zeit war er auf Gönner angewiesen. Erst 1914 hatte er seinen literarischen Durchbruch mit Spiel des Zufalls. Seine Romane und Erzählungen zählen zu den berühmtesten Werken der britischen Literatur des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Am 3. August 1924 starb Conrad an Herzversagen in seinem Haus Oswalds. Er liegt mit seiner Frau auf dem Canterbury Cemetery begraben. Auf seinem Grabstein der Spruch von Edmund Spenser, der auch Conrads vorletztem Roman Der Freibeuter vorangestellt ist: „Sleep after toyle, port after stormie seas, Ease after warre, death after life, does greatly please.“

Joseph Conrad hatte zwei Söhne: Borys Conrad (1898–1978), der 1970 ein Erinnerungsbuch an seinen Vater veröffentlichte (My Father – Joseph Conrad. Calder & Boyars, London 1970), und John Conrad (1906–1982).

Die Romane Lord Jim, Nostromo und die Erzählung Herz der Finsternis (engl.: Heart of Darkness) sind heute seine bekanntesten Texte. Besonders Herz der Finsternis, an das sich der Film Apocalypse Now anlehnt, ist in letzter Zeit im Rahmen der literatur- und kulturwissenschaftlichen Diskurse zu den Themen Postmoderne und Postkolonialismus häufig diskutiert und neuartig interpretiert worden.

Rezeption

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Joseph Conrad im kultur- und literaturwissenschaftlichen Diskurs

Conrad gilt als fest im literarischen Kanon integriert. Und doch werden seine Romane und Erzählungen auch als charakteristisch für den "Formwillen" (Wolter) der damals sich entwickelnden Kulturindustrie und ihres Genre der Abenteuer- und Seefahrergeschichten gesehen, die mitunter einer fast trivialen Romantik verfallen. Philip V. Allingham weist in diesem Zusammenhang auf diejenigen Bilder bei Conrad hin, die vor allem an die Stimmung appellieren und dann erst an den Intellekt und die Cedric Watts als "sentimental pseudo-sentimentality" bezeichnet.

Trotzdem und gleichzeitig wird Conrad als "Wegbereiter der Hochmoderne, der in weitem Vorgriff die klassischen Formen von Realismus und Romantik gebrochen hat" (Wolter) bezeichnet. So ordnet Fredric Jameson Conrad literarisch "irgendwo zwischen Proust und Robert Louis Stevenson" ein. Während Jameson hier die präzisen Beschreibungen sinnlicher Wahrnehmungen besonders von Naturerscheinungen und deren Allegorisierungen mit den Personen meint, sieht Wolter den Bruch mit den klassischen Formen in der Symbolik Conrads vielmehr dort, wo sie "auf die mit Rationalisierung und Abstraktion einhergehende Verdinglichung der modernen kapitalistischen Welt, also auf Gesellschaftliches verweist".

Conrad als literarische Quelle für Hannah Arendt

Die politische Theoretikerin Hannah Arendt bezieht sich in ihrem 1951 erschienenen Hauptwerk The Origins of Totalitarism (Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, 1955) auf Joseph Conrad und führt ihn als eine unter zahlreichen Referenzen zur Erläuterung des Rassismus an.

Erst durch die europäische Expansionspolitik sei die Rassenlehre des 20. Jahrhunderts entstanden. Der Rassebegriff der Buren sei aus der Begegnung mit „geisterhaften Wesen“, „die weder Menschen noch Tier zu sein schienen“ , die „ohne alle fassbare zivilisatorische oder politische Realität, den schwarzen Kontinent bevölkerten und übervölkerten,“ entstanden. Die Buren wollten auf keinen Fall der gleichen Gattung Lebewesen angehören. In den furchtbaren Massakern, die der Rassenwahn unmittelbar zeitigte (Ausrottung der Hottentottenstämme, das wilde Morden Carl Peters', die ungeheuerliche Dezimierung der friedlichen Kongobevölkerung durch den belgischen König) habe ein Element von irrsinniger Vergeblichkeit gelegen. Es gebe keine Rechtfertigung des Rassewahnes, weder eine theoretische noch eine politische:

„will man daher das Entsetzen begreifen, aus dem er entstand, so wird man sich Auskunft weder bei den Gelehrten der Völkerkunde holen dürfen, da sie ja von dem Entsetzen gerade frei sein mußten, um mit der Forschung überhaupt beginnen zu können, noch bei den Rassefanatikern, die vorgeben, über das Entsetzen erhaben zu sein, noch schließlich bei denen, die in ihrem berechtigten Kampf gegen Rassevorstellungen aller Art die verständliche Tendenz haben, ihnen jegliche reale Erfahrungsgrundlage überhaupt abzusprechen. Joseph Conrads Erzählung «Das Herz der Finsternis» ist jedenfalls geeigneter, diesen Erfahrungshintergrund zu erhellen, als die einschlägige geschichtliche oder politische oder ethnologische Literatur.“[1]

Es folgt eine Analyse des Imperialismus und frühen Kapitalismus in Südafrika, die von Abenteurern und Glücksrittern, die gesetzlos ohne Ideale den Abschaum der europäischen Gesellschaft darstellten, getragen worden seien. Conrad habe diese Art von abstoßenden Individuen treffend in der Figur des Herrn Kurtz geschildert als „durch und durch leer und hohl, leichtsinnig und weichlich, grausam und feige, voller Gier, aber ohne jede Kühnheit.“ Diese Personen hätten sich lediglich als Demagogen oder Führer extremistischer Parteien geeignet. Arendt nimmt an, dass Carl Peters Conrad für Herrn Kurtz als Modell gedient habe. (S. 413 f.)

Ferner bezieht sie sich auf weitere Gestalten Conrads, der in seinem Roman Sieg unter den Mördern perfekte Gentlemen wie Herrn Jones beschrieb. Diese lasterhaften Gentlemen der guten Gesellschaft und die vollkommenen Schurken trafen sich im gesetzlosen wilden Dschungel und kamen - unter verschiedenen Masken versteckt - gut miteinander aus. Einige Jahrzehnte später, so Arendt, wurden die ethischen Standards auch in Europa aufgegeben.

Die Eingeborenen schildert sie - an Conrad angelehnt - als undurchschaubare Schemen, die an Insassen eines Irrenhauses erinnerten. Es war, als morde man keinen Menschen; doch andererseits entstand der Gedanke, dass die prähistorischen Menschen doch die gleiche Natur wie die herrschende Rasse hatten. (S. 415 f.)

Conrad in der postkolonialen Kritik

Conrad gilt besonders durch seine Romane Nostromo und Heart of Darkness als einer der akzeptiertesten Kritiker des europäischen Kolonialismus seiner Zeit.

Im kulturwissenschaftlichen und postkolonialistischen Diskurs wird dies in jüngerer Zeit teilweise oder ganz bestritten. Demnach steht Conrad auch "für den rassistischen Blick auf die vom Kolonialismus unterworfenen Anderen." Diese "ambivalente Wahrnehmung" zeigt sich dem Kulturwissenschaftler Udo Wolter zufolge in der "Rezeption von Conrads gesamtem Werk." So bezeichnet einer der wichtigsten Theoretiker im Diskurs um den "Postkolonialismus", der US-amerikanische Literaturwissenschaftler und palästinensische Aktivist Edward Said Conrad als einen "Vorläufer westlicher Wahrnehmungen der Dritten Welt" und als einen von jenen "Theoretikern des Imperialismus", der sich "sowohl imperialistisch als auch antiimperialistisch" orientierte.

Noch deutlicher urteilte der Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels Chinua Achebe über diese Ambivalenz Conrads, den er in einer Polemik einen "abgrundtiefen Rassisten" nannte, der jedoch "das Böse der kolonialen Ausbeutung gesehen und verdammt" habe. Wolter weist darauf hin, dass Conrad "neben inferiorisierenden Zuschreibungen bei der Darstellung der Kolonisierten ... auch misogyne und antisemitische Tendenzen bescheinigt" wurden, "denen jedoch jeweils auch ganz entgegengesetzte Einschätzungen gegenüber stehen." In seiner Analyse vertritt Wolter die Position, dass diese Gesichtspunkte nicht damit abgetan werden können, dass Conrad ein "Kind seiner Zeit" gewesen sei: "Durch die Mehrdeutigkeit von Conrads Erzählungen hindurch lässt sich jedoch ein negativer Erkenntnisakt (Helmut Reinicke) nachvollziehen: Aus der Binnenperspektive des kolonialen Imperialismus treibt er die Dialektik zwischen westlichen Idealen und den Realitäten kolonialer Plünderung und vernichtender Gewalt über die Grenzen seines eigenen Horizonts hinaus."

Während Said Conrad in dem Roman Nostromo dekonstruktivistisch belegt, dass er "indigene Stimmen ausschließt, indem er die indianische Bevölkerung Costaguanas zwar voller Mitgefühl als Objekt von Ausbeutung und Unterdrückung zeigt, ihr aber politischen Subjektstatus verweigert", meint Wolter, dass Conrad dagegen "gerade durch seinen viel gescholtenen Eurozentrismus hindurch vermag ... darzustellen, wie Europa seine Geschichte den außereuropäischen Gesellschaften als Katastrophengeschichte aufgeherrscht hat und dass die Dialektik dieser Geschichte durch die abstrakte Macht der materiellen Interessen vermittelt ist." Wolters deutet in seiner subjektkritischen Lesart des Romans "Nostromo" auch auf einen besonderen Referenzpunkt Conrads hin, das Exil: "In Bildern der Selbst-Vertreibung in einen von abgründiger Ambiguität und Melancholie gekennzeichneten Nicht-Ort geistigen Exils zeichnet sich eine Fluchtlinie in Conrads Romanen ab, die als negativer Erkenntnisakt sicher auch Conrads eigenem Grenzgängertum und den diasporischen Zügen seiner Existenz geschuldet ist."

Werke

Denkmal von Joseph Conrad in Gdynia, Polen
Romane
  • Almayer's Folly: A story of an Eastern River (1895), dt. Almayers Wahn bzw. Almayers Luftschloss
  • An Outcast of the Islands, dt. Der Verdammte der Inseln
  • The Nigger of the "Narcissus" (1897), dt. Der Nigger von der Narcissus
  • Lord Jim: A Tale (1900), dt. Lord Jim
  • The Inheritors: An Extravagant Story (1901), mit Ford Madox Hueffer
  • Heart of Darkness (1902), dt. Herz der Finsternis
  • Romance (1903), mit Ford Madox Hueffer
  • Nostromo: A Tale of the Seaboard (1904), dt. Nostromo
  • The Mirror of the Sea: Memories and Impressions (1906), dt. Spiegel der See
  • The Secret Agent (1907), dt. Der Geheimagent
  • Under Western Eyes (1911), dt. Mit den Augen des Westens
  • Chance (1914), dt. Spiel des Zufalls
  • Victory (1915), dt. Sieg
  • The Shadow-Line (1917), dt. Die Schattenlinie
  • The Arrow of Gold (1919), dt. Der goldene Pfeil
  • The Rescue (1920), dt. Die Rettung
  • The Rover (1923), dt. Der Freibeuter
  • The Nature of a Crime (1923), mit Ford Madox Hueffer
  • Suspense (1925), dt. Spannung
Erzählbände
  • Tales of Unrest (1898), dt. Geschichten der Unrast
Karain: A Memory
The Idiots
An Outpost of Progress, dt. Ein Vorposten des Fortschritts
The Return, dt. Die Rückkehr
The Lagoon
  • Youth, a Narrative, and Two Other Stories (1902)
Youth, dt. Jugend
Heart of Darkness, dt. Herz der Finsternis
The End of the Tether, dt. Das Ende vom Lied
  • Typhoon and Other Stories (1903)
Typhoon, dt. Taifun
Amy Foster
Falk
To-morrow
  • A Set of Six (1908)
Gaspar Ruiz
The Informer
The Brute
An Anarchist
The Duel
Il Conde
  • 'Twixt Land and Sea: Three Tales (1912)
A Smile of Fortune, dt. Ein Lächeln des Glücks
The Secret Sharer, dt. Der geheime Teilhaber bzw. Der heimliche Teilhaber
Freya of the Seven Isles, dt. Freya von den Sieben Inseln
  • Within the Tides (1915), dt. Zwischen Ebbe und Flut bzw. Im Wechsel der Gezeiten
The Planter of Malata, dt. Der Pflanzer von Malata
The Partner, dt. Der Partner
The Inn of the Two Witches: A Find, dt. Das Wirtshaus der beiden Hexen
Because of the Dollars, dt. Der Dollars wegen
  • Tales of Hearsay (1925), dt. Geschichten vom Hörensagen
The Black Mate, dt. Der schwarze Steuermann
The Warrior's Soul, dt. Die Kriegerseele
Prince Roman, dt. Prinz Roman
The Tale, dt. Die Geschichte
autobiografische Werke
  • The Mirror of the Sea (1906), dt. Der Spiegel der See
  • A Personal Record (1912), dt. Über mich selbst
Theaterstücke und Dramatisierungen
  • One day more (1913), A Play in One Act
  • The Secret Agent (1921), Ein Drama in vier Akten
  • Laughing Anne (1923), A Play

Filmografie

Quellenangaben

  1. Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Piper, München/Zürich 1986, 2005 (10.Aufl.), S. 407 f. ISBN 3-492-21032-5

Literatur

Biografien
  • Hermann Stresau: Joseph Conrad, der Tragiker des Westens. Die Runde, Berlin 1937.
  • Frederick R. Karl: Joseph Conrad. Eine Biographie. Hoffmann und Campe, Hamburg 1983. ISBN 3-455-08722-1
  • Renate Wiggershaus: Joseph Conrad - Leben und Werk. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1990. ISBN 3-423-31034-0
  • Peter Nicolaisen: Joseph Conrad. rororo bildmonographien. Rowohlt, Reinbek 1997. ISBN 3-499-50384-0
  • Owen Knowles, Gene M. Moore: Oxford Reader's Companion to Conrad. OUP, London 2000. ISBN 0-19-860421-1
  • Elmar Schenkel: Fahrt ins Geheimnis. Joseph Conrad - Eine Biographie. S. Fischer, Frankfurt/Main 2007. ISBN 3-10-073560-9
  • John Stape: Im Spiegel der See – Die Leben des Joseph Conrad. Übersetzt von Eike Schönfeld. marebuchverlag, Hamburg 2007. ISBN 3-86648-071-7
Conrads Werk in Deutschland
  • Frank Förster: Die literarische Rezeption Joseph Conrads im deutschsprachigen Raum. Univ.-Verl., Leipzig 2005. ISBN 3-86583-060-9
  • Anthony Fothergill: Secret Sharers. Joseph Conrad's cultural reception in Germany. Peter Lang, Bern 2006. ISBN 3-03910-271-0
Postkoloniale Rezeption
  • Jan H. Hauptmann. Aspekte der postkolonialen Conrad-Rezeption. AVM, München 2008. ISBN 978-3-89975-861-0

Weblinks


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