Jüdische Zeitrechnung

Jüdische Zeitrechnung

Der jüdische Kalender (hebr. הלוח העברי ha-lu'ach ha-iwri) ist ein Lunisolarkalender. Die Monate sind wie bei einfachen Mondkalendern an den Mondphasen ausgerichtet, es existiert jedoch gleichzeitig eine Schaltregel zum Angleich an das Sonnenjahr.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau des Kalenders

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Die Systematik des jüdischen Kalenders beruht im Wesentlichen auf Festlegungen des Patriarchen Hillel II. aus dem Jahr 359. Der Kalender kombiniert das Mond- mit dem Sonnenjahr. Daher werden die einzelnen Feiertage zwar immer in der gleichen Jahreszeit begangen. Die konkreten Tage ändern sich bezogen auf den gregorianischen Kalender von Jahr zu Jahr, im jüdischen Kalender haben sie in der Regel feste Daten.

Der jüdische Kalender verwendet eine Schaltregelung innerhalb des Mondjahres und eine weitere, die das Mondjahr dem Sonnenjahr weitgehend angleicht.

Mondjahr

Ein Tag wird in 24 Stunden (24 Scha'a) unterteilt. Eine Scha'a besteht aus 1080 Halakim („Teile“). Die zusätzliche Einteilung der Halakim in 76 Rega'im („Augenblicke“) war früher nicht üblich. Es ergab sich damit die Länge eines Mondzyklus – die durchschnittliche Zeit von einem Neumond zum nächsten – von genau 29 Tagen, 12 Scha'a und 793 Halakim. Ein Helek („Teil“) entspricht dabei 3 1/3 Sekunden. Mit dieser Monatsdauer zwischen 29 und 30 Tagen kommt man auf ein Jahr von 354 Tagen, wenn die Monate abwechselnd 30 und 29 Tage haben. Ein solches Jahr wird „reguläres Jahr“ genannt. Es ist jedoch um acht Stunden und 876 Halakim zu kurz. Daher wird alle drei Jahre dem Monat Cheschwan ein Tag hinzugefügt, das betreffende Jahr hat dann 355 Tage und wird „übermäßig“ genannt. Ferner wird in anderen Jahren (s. Ablauf eines Jahres) dem Monat Kislew ein Tag abgezogen, so dass er nur 29 Tage zählt. Ein solches Jahr wird „vermindert“ genannt. Durch diese Maßnahmen, die durch Listen von Sonnen- und Mondfinsternissen ermittelt wurden, ergeben sich im Durchschnitt lediglich Abweichungen von 0,42 Sekunden gegenüber der tatsächlichen Monatsdauer. Solange man keine kleineren Zeiteinheiten als die Halakim benutzt, ist dies der genauestmögliche Wert. Trotzdem beträgt der sich allmählich aufsummierende Fehler bis zum Jahr 2008 insgesamt schon 142 Minuten (2,36 Stunden).

Sonnenjahr

Da das Sonnenjahr mit einer Dauer von zur Zeit durchschnittlich 365,2422 Tagen nicht mit dem Mondjahr übereinstimmt, das durchschnittlich 354,3671 Tage dauert, muss der Ausgleich durch eine Schaltregelung geschaffen werden. 19 Sonnenjahre als dem sogenannten Metonischen Zyklus entsprechen nun fast genau 235 Mondmonaten. Daher werden im jüdischen Kalender innerhalb des Zyklus von 19 Jahren die Jahre 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 zu Schaltjahren, denen jeweils ein zusätzlicher Monat von 30 Tagen angehängt wird. Dieser Monat wird dem Monat Adar vorgeschaltet. Der eigentliche Adar wird dann „We-Adar“ („Und-Adar“), „Adar-scheni“ („zweiter Adar“) oder einfach „Adar II“ genannt. So entstehen zwölf Gemeinjahre mit je zwölf Monaten (144 Monate) und sieben Schaltjahre mit je 13 Monaten (91 Monate), die alle nach der Schaltregel des Mondjahres wiederum „regulär“, „übermäßig“ oder „vermindert“ sein können. Dadurch wird der Kalender so angepasst, dass er sich zum Lauf der Sonne und den Jahreszeiten nur geringfügig ändert. Das Kalenderjahr ist im Durchschnitt 365,2468  Tage lang. Die Abweichung vom Sonnenjahr mit 365,2422 Tagen ist ein Tag in 219 Jahren (bis heute mehr als sieben Tage und ab 2121 acht Tage).

Die Karaiten lehnen die regelbasierte Einfügung des Schaltmonats ab und entscheiden nach der Reife der Gerste in Israel, in wörtlicher Auslegung der Tora.

Ablauf eines Jahres

Das jüdische neue Jahr (mit der jeweils nächsthöheren Jahreszahl) beginnt im Herbst mit dem ersten Tag des siebten Monats Tischri (genannt Rosch ha-Schana), während der Frühlingsmonat Nisan nach biblischer Tradition mit dem Auszug der Israeliten aus Ägypten als erster Monat nummeriert wird (Ex 12,2). Nach Meinung von Historikern verdankt sich diese ungewöhnliche Anordnung der Übernahme der babylonischen Monatsnamen durch die Israeliten. Im babylonischen Kalender war der Tischri der erste Monat. Die Diskrepanz zwischen der Monatszählung und dem Jahresbeginn folgt aus der Verbindung zwischen diesen fremden und eigenen Traditionen Israels.

Ein neuer Monat beginnt, wie in den meisten mondorientierten Kalendern, mit dem Neulicht (Moled). Allerdings orientieren sich die Monate nicht immer ganz exakt an den Mondphasen: Wenn sich durch den Zeitpunkt von Rosh HaSchanah eine Aneinanderreihung von mehreren Tagen mit Arbeitsverbot (siehe Sabbat) ergeben würde, wird der Jahresbeginn um einen oder zwei Tage hinausgeschoben, um diese Härte zu vermeiden (denn Gott will nach jüdischem Verständnis das Leben der Menschen durch seine Gebote nicht schlechter, sondern besser machen). Es gibt insgesamt fünf Regeln für die Verschiebung des Jahresbeginns (auf die teilweise sehr komplizierte Herleitung einer Begründung soll hier verzichtet werden):

  • Jach: Tritt das Neulicht des Tischri erst nach 18 Uhr jüdischer Zeit ein, so ist Rosch ha-Schanah auf den folgenden Tag zu verschieben. Dies ist in etwa zwei von fünf Jahren der Fall.
  • Adu: Fällt das Neulicht des Tischri auf einen Mittwoch, Freitag oder Sonntag, so ist Rosch ha-Schanah ebenfalls auf den folgenden Tag zu verlegen. Diese Regel findet in etwa drei von sieben Jahren Anwendung.
  • Jach-Adu: Würde nach Anwendung der Jach-Regel Rosch ha-Schanah auf einen Mittwoch, Freitag oder Sonntag fallen, so muss zusätzlich die Regel Adu zur Anwendung kommen, das Neujahr also um einen weiteren Tag verschoben werden.
  • Gatrat: Tritt das Neulicht des Tischri in einem Gemeinjahr an einem Dienstag nicht vor 9 Uhr und 204 Halakim jüdischer Zeit (siehe Stundeneinteilung) ein, so muss Rosch ha-Schanah um zwei Tage verschoben werden. Diese Regel findet in etwa drei von 100 Jahren Anwendung.
  • Betutakpat: Fällt das Neulicht des Tischri in einem Jahr, das auf ein Schaltjahr folgt, auf einen Montag nicht vor 15 Uhr und 589 Halakim jüdischer Zeit, so wird Rosch ha-Schanah auf den folgenden Tag verschoben. Dieser sehr seltene Fall tritt nur in etwa einem von 200 Jahren ein. Zuletzt wurde die Regel im Jahr 5766 (gregorianisch: 2005/2006) angewandt, das nächste Mal erst wieder im Jahr 6013 (gregorianisch: 2252/2253).

Die Regeln Jach und Adu haben religiöse Gründe, die drei anderen sind zur Aufrechterhaltung der Regeln erforderlich. Nur etwa 39% aller Jahre beginnen tatsächlich am Tage des Neulichtes, somit sind Ausnahmen beim Jahresbeginn häufiger als die Regel.

Unter Berücksichtigung der fünf Ausnahmeregelungen ergeben sich also sechs verschiedene Jahreslängen: Ein Gemeinjahr kann 353, 354 oder 355 Tage haben, ein Schaltjahr 383, 384 oder 385 Tage. Man unterscheidet deshalb nicht nur Gemein- und Schaltjahre, sondern auch verminderte (353/383 Tage), reguläre (354/384 Tage) und übermäßige (355/385 Tage) Jahre nach den Regeln für das Mond- und Sonnenjahr (s.o.).

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Nr. Monat Länge in Tagen Beginn zwischen und Tierkreiszeichen
7 Tischri 30 dem ersten Septemberdrittel Anfang Oktober Waage
8 Cheschwan, Marcheschwan 29 (30 in übermäßigen Jahren) Anfang Oktober Anfang November Skorpion
9 Kislew 30 (29 in verminderten Jahren) Anfang November Anfang Dezember Schütze
10 Tevet 29 Ende November Mitte Dezember Steinbock
11 Schevat (oder Schwat) 30 letztem Dezemberdrittel Mitte Januar Wassermann
12 Adar 29 Anfang Februar Anfang März Fische
1 Nisan 30 Mitte März Mitte April Widder
2 Ijjar 29 Mitte April Mitte Mai Stier
3 Siwan 30 Mitte Mai dem ersten Junidrittel Zwillinge
4 Tammus 29 erstem Junidrittel Anfang Juli Krebs
5 Aw 30 Mitte Juli Mitte August Löwe
6 Elul 29 Mitte August Mitte September Jungfrau

Am 14. Nisan wird das Pessachfest gefeiert, spätestens seit dem 10. Jahrhundert unabhängig vom tatsächlichen Vollmond. Dieser Tag stellt einen der wichtigsten jüdischen Feiertage dar. Auch der Todestag Jesu von Nazareth steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Pessachfest, wobei unklar ist, ob es sich dabei um den 14. Nisan (den sogenannten Rüsttag) oder den 15. Nisan (das Pessachfest selbst) handelte. Das christliche Osterfest findet daher in der Regel ebenfalls in diesem Monat statt, wenn es nicht wegen des jüdischen Schaltjahres in einen Adar II fällt.

Am 10. Tischri ist Jom Kippur, einer der höchsten jüdischen Feiertage.

In Schaltjahren findet das Purimfest im Adar II statt.

Stundeneinteilung

Ein Tag wird in 24 Stunden = 24 H (Sha'a) geteilt und jede Stunde in 1080 Teile = 1080 P (Halakim). Ein Teil (1 P) entspricht daher 1/18 Minute bzw. 3 1/3 Sekunden und entspricht der kürzesten babylonischen Zeiteinheit Digiti, die 1/72 eines dauert. Jeder Teil wird außerdem noch in 76 „Augenblicke“ (Regaim) unterteilt, die daher 1/1368 Minuten bzw. 5/114 Sekunden (etwa 44 ms) dauern.

Da der Sonnenuntergang als Tagesanfang gilt, beginnt die Stundenzählung um 18 Uhr mit 0 H. 10:30 Uhr vormittags entspricht daher 16 H 540 P. Aus dieser Stundenzählung ergibt sich auch, dass ein Tag nach jüdischer Zeiteinteilung von 18 Uhr bis 18 Uhr des nächsten Tages dauert.

Aus der Perspektive heutiger säkularer Tageseinteilung mit Tagesbeginn um 0.00 Uhr ist bei der Angabe jüdischer Feiertage zu beachten, dass jeder Feiertag auch einen schon zum Fest selbst gehörenden „Vorabend“ hat, der der eigentliche Beginn des Feiertages ist, z. B. der Sederabend des Pesach. Dagegen ist der Rüsttag eines jüdischen Festes der Vortag des Festes, der am Abend des ersten Festtages – also am „Vorabend“ – endet.

Das Jahr Null

Die jüdische Zeitrechnung beginnt mit der biblischen Schöpfung der Welt[1], die laut den Berechnungen von Hillel II. anhand von biblischen Chroniken im Jahr 3761 v. Chr. stattfand.

Diese Zählung setzte sich aber erst im 11. Jahrhundert durch.

Die Daten der jüdischen Festtage für die Jahre 2007–2010

Jüdisches Jahr
Gregorianisches Jahr
5768
2007/2008
5769
2008/2009
5770
2009/2010
Rosch ha-Schana – Das jüdische Neujahr 13.09.2007- 14.09.2007 30.09.2008- 01.10.2008 19.09.2009- 20.09.2009
Jom Kippur – Versöhnungstag 22.09.2007 09.10.2008 28.09.2009
Sukkot – Laubhüttenfest 27.09.2007- 03.10.2007 14.10.2008- 20.10.2008 03.10.2009- 09.10.2009
Schmini Azeret 04.10.2007 21.10.2008 10.10.2009
Simchat Tora – „Freude der Lehre“ zur Feier der Tora. 05.10.2007 22.10.2008 11.10.2009
Chanukka – Lichterfest. Wiedereinweihung des Tempels. 05.12.2007- 12.12.2007 22.12.2008- 29.12.2008 12.12.2009- 19.12.2009
Purim – Rettung der persischen Juden 21.03.2008 10.03.2009 28.02.2010
Pessach – Auszug der Juden aus Ägypten. Die letzten zwei Tage gelten als hohe Feiertage. 20.04.2008- 27.04.2008 09.04.2009- 16.04.2009 30.03.2010- 06.04.2010
Schawuot – Wochenfest. Offenbarung der Tora am Sinai. 09.06.2008- 10.06.2008 29.05.2009- 30.05.2009 19.05.2010- 20.05.2010

Einzelnachweise

  1. Der Brockhaus mulitmedial 2007

Siehe auch

Literatur

  • Ludwig Basnizki: Der jüdische Kalender. Entstehung und Aufbau. Jüdischer Verlag, Frankfurt 1989, ISBN 3-633-54154-3.
  • Henryk M. Broder, Hilde Recher (Hrsg.): Der Jüdische Kalender. Ölbaum, Augsburg 2006.
    • 5766 (2005/2006), ISBN 3-9272-1751-4.
    • 5767 (2006/2007), ISBN 3-927217-52-2.
  • Heinrich Simon: Jüdische Feiertage. Festtage im jüdischen Kalender. Hentrich & Hentrich, Teetz 2003, ISBN 3-933471-56-7.

Weblinks


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