- K-Gruppen
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Als K-Gruppen wurden ursprünglich die mit dem Zerfallsprozess des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und dem damit einhergehenden Niedergang der Studentenbewegung der 1960er Jahre entstandenen – überwiegend maoistisch orientierten – Kaderparteien bezeichnet, die vor allem in der ersten Hälfte der 1970er Jahre in der damaligen Bundesrepublik Deutschland eine gewisse Rolle innerhalb der Neuen Linken spielten. Der Begriff „K-Gruppe“ wurde hauptsächlich von konkurrierenden linken Gruppierungen sowie in den Medien benutzt. Er diente als Sammelbezeichnung für die zahlreichen oft heftig zerstrittenen Kleinparteien und spielte auf deren gemeinsames Selbstverständnis als kommunistische Kaderorganisationen an.
Bundesweit relativ einflussreiche Gruppierungen im außerparlamentarischen Milieu der Politischen Linken waren vor allem die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) mit ihren zahlreichen Abspaltungen, die KPD/AO, später KPD sowie der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW). Regionale Bedeutung besaßen darüber hinaus der Kommunistische Bund (KB) in Norddeutschland, der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) im Südwesten und in Nordrhein-Westfalen, sowie der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) in Bayern.
Mitte der 1970er Jahre zählten die verschiedenen K-Gruppen nach Verfassungsschutzangaben insgesamt rund 15.000 Mitglieder. Nach dem Tod ihrer ideologischen Leitfigur Mao Zedong 1976 verloren sie jedoch rasch an Bedeutung. Zahlreiche Aktivisten schlossen sich in der Folgezeit der sich neu formierenden Friedens- und Umweltbewegung und der daraus hervorgegangenen Partei Die Grünen an.
Ursprünglich nicht zu den K-Gruppen gezählt wurden seinerzeit trotzkistische Gruppierungen, ebenso wenig die am osteuropäischen Realsozialismus orientierte („altlinke“) DKP und die West-Berliner SEW. Heute wird der Begriff in den Medien jedoch zuweilen etwas unscharf als Sammelbezeichnung für sämtliche sozialistisch oder kommunistisch ausgerichteten Kleinparteien und Organisationen jenseits der „etablierten“ Parteien SPD und Linkspartei verwendet. In ironischer Weise wurde er sogar auf bestimmte Zirkel innerhalb der CDU übertragen, so z. B. um den Berliner CDU-Politiker Peter Kittelmann (mit Eberhard Diepgen und Klaus-Rüdiger Landowsky) oder um den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung der „historischen“ K-Gruppen
Wurzeln in der Studentenbewegung
Die „historischen“ K-Gruppen entstanden ab etwa 1968, gegen Ende der Hochphase der Studentenbewegung der 1960er Jahre. Die meisten gingen aus verschiedenen Strömungen und regionalen Gruppen des zerfallenden Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) hervor. Obwohl sie sich intensiv um Lehrlinge, Arbeiter und insbesondere um Altmitglieder der 1956 verbotenen KPD bemühten, blieben die meisten K-Gruppen von Studenten und Intellektuellen geprägt.
Ideologische Vorbilder
Nahezu alle K-Gruppen sahen sich als legitime Erben der historischen KPD an. Einig waren sie sich zudem in ihrer Ablehnung des osteuropäischen Kommunismus seit der Entstalinisierung ab 1956, den sie als „revisionistisch“ verwarfen. Stattdessen bezogen sie sich zumeist auf das chinesische Sozialismusmodell Mao Zedongs bzw. auf die Sowjetunion vor der Entstalinisierung. Nach dem Tod Maos und dem damit verbundenen Kurswechsel Chinas orientierten sich einige Gruppen zeitweise auch an Albanien unter Enver Hodscha oder das Regime der Roten Khmer in Kambodscha.
Wenngleich alle K-Gruppen für sich den Anspruch erhoben, den von Karl Marx und Friedrich Engels begründeten und von Lenin ausdifferenzierten Marxismus zu vertreten oder diesen in der Gegenwart angemessen weiter zu entwickeln, schieden sich an der Frage, welche der damaligen kommunistischen Richtungen, Führungspersönlichkeiten und Staaten die Linie des wahren Marxismus und der früheren KPD vertrat, zwischen den einzelnen K-Gruppen oder auch innerhalb von ihnen stets die Geister. Dabei kam es zu für Außenstehende oft kaum oder nur schwer nachvollziehbaren Kontroversen, Abspaltungen und Neugründungen, wobei die eine Gruppe genau das als „revisionistisch“ ablehnte, was die andere ihrerseits als wahren Weg zum Kommunismus favorisierte. Von Kritikern wurde und wird den K-Gruppen daher oftmals eine Tendenz zur ideologischen „Selbstzerfleischung“ und politisches Sektierertum vorgeworfen. Zwar gab es auch Versuche, gemeinsame Inhalte in den Vordergrund zu stellen und die Zersplitterung untereinander zu überwinden. Vereinzelt kam es dabei sogar zur Zusammenarbeit mit früher heftig abgelehnten trotzkistischen Gruppen, so etwa bei der Gründung der VSP (Vereinigte Sozialistische Partei) 1986. Zu diesem Zeitpunkt hatten die K-Gruppen allerdings bereits massiv an Bedeutung verloren.
Übergang in die neuen sozialen Bewegungen und zu den Grünen
Keine der damaligen K-Gruppen konnte unmittelbar einen nennenswerten politischen Einfluss auf Bundes- oder Länderebene in Westdeutschland gewinnen. Vereinzelt hatten K-Gruppen-Funktionäre Einfluss in Betriebsräten und einigen Gewerkschaften. Eine bedeutendere Rolle spielten einige K-Gruppen in den 1970er Jahren in den Studentenvertretungen größerer Universitäten. Auch bei den Aktivitäten von Teilen der Neuen Sozialen Bewegungen, etwa der Umweltbewegung, der Friedensbewegung oder der antiimperialistischen Bewegung, brachten Vertreter von K-Gruppen ihre Inhalte ein.
Über diese Bewegungen fanden zahlreiche ehemalige Aktivisten später eine neue politische Heimat bei den Grünen, so zum Beispiel Ralf Fücks, Winfried Nachtwei, Krista Sager, Joscha Schmierer, Jürgen Trittin oder Antje Vollmer. Vereinzelt fanden frühere K-Gruppen-Mitglieder aber auch zur SPD (Ulla Schmidt) oder – ab 1990 – zur PDS (Andrea Gysi).
Übersicht
K-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (nach Gründungsjahr)
- Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 1965–1968
- Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) – 1968 bis 1986
- Kommunistische Partei Deutschlands (Aufbauorganisation) (KPD/AO), später KPD – 1970 bis 1980
- Kommunistischer Bund (KB) – 1971 bis Juni 1991, vor allem in Norddeutschland aktiv
- Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) – 1972 bis 1982, danach in der MLPD aufgegangen
- Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) – seit 1973
- Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) – Juni 1973 bis Anfang 1985 (Selbstauflösung)
- Marxisten-Leninisten Deutschland (MLD) – 1976 bis 1981, fiel vor allem durch nationalistische Parolen und Wahlaufrufe für die CSU auf
- Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) – 1979 bis Anfang 1990er Jahre: Aus der KPD/ML hervorgegangene Partei, die im Bundestagswahlkampf 1980 v. a. eine Bundeskanzlerschaft von Franz-Josef Strauß (CSU) verhindern wollte
- Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) – September 1980 aus einer Abspaltung vom KBW hervorgegangen, im März 1995 Selbstauflösung als Partei
- Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) – seit 1982, aus dem KABD hervorgegangen, anfangs mehr, in der Gegenwart eher verhalten maoistisch geprägte Partei
- Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) – 1986 bis Mitte 1990er Jahre, ging aus der Vereinigung von KPD/ML mit der trotzkistischen Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) hervor.
- Roter Oktober – seit 2002, stalinistisch geprägte Organisation (eine Splittergruppe von KPD [Roter Morgen])
K-Gruppen in Österreich (nach Gründungsjahr)
- Kommunistische Initiative (KI) - seit 2005 orthodox marxistisch-leninistische Abspaltung von der KPÖ
- Marxisten-Leninisten Österreichs (MLÖ) – 1966–1967, Abspaltung von KPÖ, siehe MLPÖ:
- Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs (MLPÖ) – seit 1967, umbenannte Mehrheitsströmung der MLÖ
- Vereinigung revolutionärer Arbeiter Österreichs (VRA) – seit 1968, von MLÖ-Minderheit gegründet
- Kommunistischer Bund Österreichs (KBÖ) – 1976–1981, Partnerorganisation von KBW
- Kommunistische Aktion - marxistisch-leninistisch (KOMAK-ML) – 2002-2007, aus Zusammenschluss von Kommunistische Aktion, Initiative Marxist/innen-Leninist/innen und Wiener Anhängern von Bolsevik Partizan entstandene Kleingruppe, gibt vierteljährlich die "Proletarische Rundschau" heraus
K-Gruppen in der Schweiz
- Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten (KPS/ML)
- Daneben existierten weitere maoistische Parteien und Organisationen, die aber nicht von der Kommunistischen Partei Chinas anerkannt wurden
K-Gruppen in weiteren Ländern
Auch in anderen Staaten Westeuropas wie auch Nordamerikas, in denen es in den 1960er Jahren linke außerparlamentarische Studentenbewegungen gab, traten und treten den deutschen K-Gruppen vergleichbare Gruppen und Splitterparteien auf, die untereinander ebenfalls ideologisch zerstritten waren.
In einigen Ländern (Italien, Belgien, Österreich) entstanden bereits ab etwa 1963 maoistische Parteien als Abspaltungen von den moskauorientierten Kommunistischen Parteien.
- Kommunistischer Bund Luxemburg, Luxemburg 1972 - 1980
- Marxistisch-Leninistischen Partij Nederland, Niederlande 1970 - 1980
- Arbeidernes kommunistparti, Norwegen 1973 - 2007
K-Gruppen im Verhältnis zu etablierten Kommunistischen Parteien
Die gesellschaftspolitische Erscheinung der K-Gruppen war dabei relativ unabhängig von der Existenz etablierter und einflussreicher sozialistischer und kommunistischer Parteien, wie es vor allem in Westeuropa etwa in Italien oder Frankreich und einigen anderen Ländern der Fall war, in denen große Kommunistische Parteien als Vertreter des den Pluralismus anerkennenden Eurokommunismus als relativ starke politische Kraft bis heute in den jeweiligen nationalen Parlamenten vertreten sind.
Literatur
- Deutschsprachiger Raum
- Sebastian Gehrig, Barbara Mittler und Felix Wemheuer (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-631-57641-0
- Deutschland
- Autorenkollektiv: Wir warn die stärkste der Partein… Erfahrungsberichte aus der Welt der K-Gruppen. Rotbuch-Verlag, Berlin 1977, ISBN 3-88022-177-4
- Frank D. Karl: Die K – Gruppen. Entwicklung, Ideologie, Programm. KBW, KPD, KPD/ML, Dietz, Bonn 1989, ISBN 3-87831-240-7
- Heiner Karuscheit: Zur Geschichte der westdeutschen ml-Bewegung. 2., gekürzte Auflage. VTK-Verlag, Frankfurt a. M. 1983, ISBN 3-88599-023-7
- Gerd Koenen: Das rote Jahrzehnt: unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967–1977. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2001, ISBN 3-462-02985-1
- Andreas Kühn: Stalins Enkel, Maos Söhne. Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre. Campusverlag, Frankfurt/New York 2005, ISBN 3-593-37865-5
- Gerd Langguth: Die Protestbewegung in der Bundesrepublik Deutschland 1968–1976. Verlag Wissenschaft und Politik, Köln 1976 (vgl. auch die erw. Ausgabe unter dem Titel: Protestbewegung. Entwicklung – Niedergang – Renaissance. Die Neue Linke seit 1968, Köln 1983.)
- Joscha Schmierer: „K-Gruppen“ oder: Die kurze Blüte des westdeutschen Maoismus. In: Christiane Landgrebe: '68 und die Folgen. Ein unvollständiges Lexikon. Verlag Argon, Berlin 1998, S. 133–137, ISBN 3-87024-462-3
- Jürgen Schröder: Ideologischer Kampf vs. regionale Hegemonie. Ein Beitrag zur Untersuchung der K-Gruppen. In: Berliner Arbeitshefte und Berichte zur sozialwissenschaftlichen Forschung 40. Berlin 1990; im Internet
- Christian Semler: Wiedergänger. Versuch über das Nachleben der K-Gruppen-Motive. In: Christiane Landgrebe: '68 und die Folgen. Ein unvollständiges Lexikon. Verlag Argon, Berlin 1998, S. 133–137, ISBN 3-87024-462-3
- Jochen Staadt: Der Versuch, sich an der Glatze aus dem Sumpf zu ziehen. Die K-Gruppen. In: Gabriele Dietz, Maruta Schmidt, Kristine von Soden: Wild + zahm: die siebziger Jahre. Elefanten Press, Berlin 1997, ISBN 3-88520-613-7
- Richard Stöss (Hrsg.): Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945–1980. 2 Bde., Westdeutscher Verlag, Opladen 1983 (Sonderausgabe in 4 Bänden 1986)
- Winfried Wolf, Kurt Beiersdorfer: Kritik des westdeutschen Maoismus. Frankfurt/Main 1975
- für Österreich
- Wilhelm Svoboda: Sandkastenspiele. Eine Geschichte linker Radikalität in den 70er Jahrer. Promedia, Wien 1998 (behandelt den Kommunistischen Bund Österreichs und die Gruppe Revolutionärer Marxisten) ISBN 3-85371-134-0
- Christian Schlagitweit: Einmal Revolution und zurück. Vom Maoismus zum Kommunistischen Bund oder: die österreichische Linie von Ho Tschi Minh zu Pol Pot, unveröffentlichte Diplomarbeit Universität Wien 2001
- für die Schweiz
- Angela Zimmermann: Maoisten in der Schweiz. Das lange rote Jahrzehnt der KPS/ML im Kontext der schweizerischen Linken 1972–1987, unveröffentlichte Lizentiatsarbeit Zürich 2006.
- Angela Zimmermann: Das lange rote Jahrzehnt der Kommunistischen Partei der Schweiz/ Marxisten-Leninisten (KPS/ML). Erinnerungen an ein fast vergessenes Kapitel der schweizerischen Linken, in Sebastian Gehrig u.a. (Hrsg.): Kulturrevolution als Vorbild? Maoismen im deutschsprachigen Raum, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2008, S. 77-106, ISBN 978-3-631-57641-0
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