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Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium Schultyp Humanistisches Gymnasium Gründung Ratsgymnasium: 1348
Kaiser-Wilhelm-Gymnasium: 1875Ort Hannover Bundesland Niedersachsen Koordinaten 52° 22′ 41″ N, 9° 45′ 44″ O52.3780555555569.7622222222222Koordinaten: 52° 22′ 41″ N, 9° 45′ 44″ O Leitung Christian Stock Website www.kwrg.de Das Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium (kurz: KWR) ist ein aus dem Ratsgymnasium und dem Kaiser-Wilhelms-Gymnasium fusioniertes humanistisches Gymnasium in Hannover.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Ratsgymnasium
Das hannoveraner Ratsgymnasium führt seine Geschichte zurück auf die 1267 erstmals urkundlich erwähnte schola in Honovere, der der Rat der Stadt 1315 die Erlaubnis erteilte, ein Schulgebäude an der Marktkirche zu errichten. 1348 erwarb die Stadt die Schule und alle Rechte („Se mogen ok mer Scole maken binnen der stadt, icht se willet“) und suchte fortan die rectores für ein Jahr aus.
Die Schule bereitete auf kirchliche und weltliche Karrieren vor und lehrte dazu Latein, Sprechen und Schreiben, Rhetorik und Gesang. Sie finanzierte sich und den rector , der einziger Lehrer für alle drei Klassenstufen war, durch Schulgeld. Arme Kinder bildeten Bettelchöre und traten für ihr Schulgeld öffentlich auf.
Als der Rat 1532 einen protestantischen Lehrer entließ und infolgedessen gestürzt wurde, wurde Hannover zum „Hort des Luthertums“ und die Schule der des Humanismus. 1578 brannte das Schulgebäude nieder. 1597 hatte die Schule 800 Schüler (einige darunter aus Bremen) und es erfolgt die Gründung einer Stiftung für mittellose Schüler.
1598 wurde in einer Schulordnung Glücksspiel, Baden im Freien, Schneeballwerfen, Trinken und Tragen bunter Kleider verboten. Im 17. Jahrhundert wurde Plattdeutsch erlaubt und den Schülern Zeit zur Erholung gegeben. Die Schülerzahl sank in der Folgezeit, vor allem, weil das Deutsche durch die Aufklärung Latein verdrängt und Adlige und Bürger Privatlehrer unterhíelten – die Sozialstruktur veränderte sich. 1708 wurde eine neue Schulordnung erlassen, in der Lüge, Naschsucht, Unzucht und mangelnde Reinlichkeit verboten wurden.
1759 besuchten die Schule noch 65 Schüler, woraufhin sich 1765 im Lyzeumsgebäude eine Realschule mit Rechnen, Architektur, Haushalten einrichtete. 1774 stieg die Schülerzahl wieder auf 120. 1803 erfolgte der Einzug ins frühere Kaffeehaus Vauxhall am Friederikenplatz. 1812 wurde mit Französisch die erste moderne Fremdsprache in den Lehrplan aufgenommen. Im Anfang des 19. Jahrhunderts werden acht Klassenstufen, Stundenglocken und wöchentliche Konferenzen eingeführt, Gewalt wird verboten.
1847 wurde das alte Schulhaus abgerissen, um dem König freie Sicht auf den Waterlooplatz zu gewährleisten. Der Neubau wurde 1854 eingeweiht. Die Wilhelminisierung des städtischen Lyzeums nach der Annexion durch Preußen lässt sich an den Feieranlässen ablesen: Schlachtengedenk- und Monarchengeburtstage werden mit allem Pomp zelebriert und die 1898 stattfindende 550-Jahr-Feier dehnt sich über vier volle Tage aus, mit Theater, Illumination der Schule, Schauturnen, Festessen und Ball.
1912 wurde das Lyzeum Ⅰ der Stadt in Ratsgymnasium (RGH) umbenannt. Von jetzt an bestanden das 1875 gegründete (s. unten) Kaiser-Wilhelms-Gymnasium und das Ratsgymnasium explizit nebeneinander, quasi als „Konkurrenzunternehmen“, was heutzutage kaum noch nachzuvollziehen ist: Zwei Schulen, mit gleichem, auf Alte Sprachen konzentrierten Profil, nicht allzu weit voneinander entfernt.
Nach der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten 1933 wurde der wegen Geisteskrankheit vom Dienst suspendierte RGH-Altsprachenlehrer Bernhard Rust Erziehungsminister. Das Bildungsniveau sank; die Schulzeit wurde um ein Jahr gekürzt, die alten Sprachen an den Rand gedrängt und Tacitus’ „Germania“ Pflichtlektüre. Viele Stunden fallen NS-Ereignissen zum Opfer.
1935 lehnten Schüler der Untertertia ihren Geschichtslehrer wegen dessen NS-Einstellung ab. Er wurde in der Tat entlassen; das Ratsgymnasium blieb demnach einigermaßen kritisch und selbstbestimmt. 1937 bestand der letzte jüdische Schüler (Israel Schul) dort sein Abitur. 1939 brach der Zweite Weltkrieg aus. Lehrer werden eingezogen und Reifezeugnisse ohne Prüfung ausgestellt, um möglichst viele Soldaten zu rekrutieren. Die Schüler gingen arbeiten bzw. wurden als „Flakhelfer“ eingesetzt.
1943 wurde Hannover, einschließlich des Schulgebäudes, in der Bombennacht am 8. Oktober in weiten Teilen zerstört. 1945 hat das Ratsgymnasium 164 Gefallene und 13 Opfer des NS-Regimes zu beklagen. In der folgenden Notzeit fehlen viele Lehrer und Schüler. Durch altertümliche Lehrmittel war der Unterricht beschränkt (unter anderem gab es in den noch vorhandenen Schulgebäuden Schichtbetrieb). Viele Schüler waren unterernährt und tuberkulosegefährdet.
1954 wurde das neue Ratsgymnasium am Schützenplatz (unweit von Rathaus und Maschsee) eingeweiht (laut Hannoverscher Allgemeiner Zeitung „eine ideale Schulanlage“), Schülermitbestimmung eingeführt und wieder Vereine gegründet.
Am Ratsgymnasium war spätestens 1969 die Koedukation eingeführt worden, allerdings mit der Einschränkung, dass Mädchen in der 5. Klasse mit Latein als Erstsprache beginnen mussten. 1974 hat das Kaiser-Wilhelms-Gymnasium 619 Schüler bei wachsendem Lateinanteil, weil der Unterricht so gründlich verändert wurde wie noch nie: Neue Schulbücher, auch von den Lehrern Gappa und Papenhoff vom Ratsgymnasium, Holtermann und Baumgarten vom Kaiser-Wilhelms-Gymnasium, legen Wert auf Sprachreflexion. Der Ansturm auf die humanistischen Gymnasien war damals so groß, dass die Stadt überlegte, ein weiteres einzurichten. 1978 gab es sowohl am Ratsgymnasium als auch am Kaiser-Wilhelms-Gymnasium das letzte Abitur vor Einführung der Orientierungsstufe. Allerdings begannen nach Einführung der Orientierungsstufe in Niedersachsen die Gymnasien erst mit der siebten Klasse, was gerade für die alten Sprachen enorme Probleme bereitete.
Kaiser-Wilhelm-Gymnasium
Das „Kaiser-Wilhelms-Gymnasium“ (KWG) wurde 1875 als einzige preußische Schule in Hannover, der ehemaligen „Welfenhochburg“, gegründet. 1881 zog es in sein neues Schulgebäude in der Straße Am Gefangenenhause, die auf Drängen des Direktors in Leonhardtstraße umbenannt wurde; die Schülerzahl stieg schnell an.
Für die Entwicklung unter dem Nationalsozhialismus gilt ähnliches wie beim Ratsgymnasium. Als ein ausländischer Schüler einen Pressefreiheit-Aufsatz schrieb, wurde der Direktor des Gymnasiums, Hoesch, der angekündigt hatte, die Schule „niemals im Sinne einer Partei, sondern nach pädagogischen Gesichtspunkten leiten“ zu wollen, „um ein Haar“ entlassen. Während des Zweiten Weltkrieges fielen 206 Schüler des Kaiser-Wilhelms-Gymnasiums.
Auch das Gebäude des Kaiser-Wilhelm-Gymnasiums wurde durch die Bombemangriffe zerstört. Als Ausweichquartier wurde zunächst die Humboldtschule bezogen. 1952 begann der Neubau des Gymnasiums in der Seelhorststraße (im Umkreis von Zoo und Stadthalle), der 1956 vollendet wurde. 1950 hatte das Kaiser-Wilhelms-Gymnasium wieder etwa 500 Schüler, 1957 steig die Zahl auf 825. In den 1960er Jahren arbeiteten Schüler am 1. Juni bei Bauern für „Pakete in die Zone“, wobei das Kaiser-Wilhelms-Gymnasium oft ein Drittel des Geldes aus Hannover beisteuert. Durch die Studentenproteste der späten 60er wurde die Schülerschaft politisiert. Anfang der 1970er Jahre kamen Forderungen nach Mitsprache bei Zensuren, freier Fächerwahl und Sexualkunde auf. 1971 beschloss die Gesamtkonferenz am Kaiser-Wilhelms-Gymnasium die Einführung der Koedukation. (Zuvor bestand in Hannover für Mädchen nur an der Sophienschule ein altsprachlicher Zweig.)
Fusion
1994 zog das Ratsgymnasium nach langen Querelen mit der Stadt zur Rettung der altsprachlichen Ausrichtung in das Gebäude des Kaiser-Wilhelms-Gymnasiums; durch Schülerschwund hat das Ratsgymnasium allein kaum Zukunft. 1995 vereinigte sich beide Schulen nach einigen Reibereien zum Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium (KWR). Damit hatte das lange Nebeneinander ein Ende.
1998 ging es mit den Schülerzahlen leicht aufwärts. Das Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium hatte damals 516 Schüler. Bei der Einführung des Zentralabiturs in Niedersachsen im Jahre 2006 hatte das Kaiser-Wilhelm- und Ratsgymnasium den besten Abiturnotenschnitt (2,1) des Landes.
Bekannte Schüler und Lehrer
Lehrer
- Friedrich Ernst Ruhkopf (1760-1821), Direktor des Lyzeums, gab fünf Seneca-Bände heraus und war Mitglied der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften in Göttingen
- Georg Friedrich Grotefend (1775-1853), Direktor des Lyzeums, entschlüsselt kombinatorisch persepolitanische Keilschrift, ohne Persisch zu kennen, schreibt zwei Lateingrammatiken und gründet den Verein für deutsche Sprache, wo er Jacob Grimm trifft
- Adolf Köcher (1848-1917), Lehrer, erhält Orden für Vorträge bei Wilhelms II. Nordlandfahrten, Geheimrat
- Ernst Kohlrausch (1850-), Lehrer, Erfindung des chronofotografischen Apparats zur Reihenfotografie
- Wilhelm Prinzhorn (1859-1946), Direktor, Provinzialschulrat im preuß. Kultusministerium
- Rudolf Graefenhain, Direktor, vorher Erzieher des Prinzen zu Schaumburg-Lippe
- Bernhard Rust (1883-1945), Lehrer (Altsprachen) ab 1911, 1925 Gauleiter Hannover-Nord, 1933 Reichserziehungsminister (1883-1945)
- Hans Wohltmann (1884-1968), Lehrer, Brüder-Grimm-Literaturpreisträger, Stader Ehrenbürger
- Bernhard H. F. Taureck (* 1943), Lehrer, deutscher Philosoph und Professor an der Technischen Universität Braunschweig (unterrichtete von 1996-2007)
Ehemalige Schüler
- Johannes Schele (ca. 1385/90-1439), 1407 Sekretär Kaiser Sigismunds, dann Bischof von Lübeck
- Reinhard Reyneke, 1582 erster Geschichtsprofessor Helmstedt
- Johann Ernst Wichmann, schreibt 1797 Ideen zur Diagnostik
- Karl Philipp Moritz (1756-1793), Schriftsteller des Sturm und Drang, Wegbereiter des psychologischen Entwicklungsromans, kennt Goethe, Altertumskundeprofessor in Berlin
- August Wilhelm Iffland (1759-1814), geboren im Leibnizhaus, Schauspieler, „Publikumsliebling seiner Zeit“ und Intendant des Berliner Nationaltheaters; nach ihm ist die Schauspieler-Ehrung „Iffland-Ring“ benannt
- August Wilhelm Schlegel (1767-1845), Dichter, gründet mit Bruder Friedrich, der nicht zum Lyzeum geht, weil seine Eltern ihn für weniger begabt halten, einen Kreis mit Novalis, Schelling, Brentano und schafft die literaturtheoretische Grundlage der Romantik
- August Heinrich Andreä (1804-1846), Hannoverscher Maler und Stadtarchitekt
- Rudolf Wiegmann (1804-1865), Architekt, Professor und Sekretär an der Düsseldorfer Kunstakademie, Sekretär des Kunstvereins für Rheinland und Westfalen, Architekturmaler, Grafiker, Radierer, Lithograph, Illustrator und Kunstschriftsteller
- Eduard Freiherr von Schele (1805-1875), Ministerpräsident des Königreichs Hannover und Generalpostmeister in Frankfurt am Main
- Rudolf von Bennigsen (1824-1902), Führer der Nationalliberalen, Gegenspieler Bismarcks, 1888 Präsident der Provinz Hannover
- Ludwig Lange (1825-1885), verfasst Handbuch der röm. Altertümer
- Georg Meissner (1829-1905), Anatom und Physiologe, Entdecker der nach ihm benannten Hauttastkörperchen
- Max Devrient (1857-1929), Wiener Hofburg-Schauspieler, -Oberregisseur
- Theodor Lessing (1872-1933), Dozent der TH Hannover für Philosophie und Pädagogik, bekennender Leninist, wird von den Nationalsozialisten in Prag ermordet
- Alfred Hugenberg (1865-1951), Medienzar der Weimarer Republik, Nationalkonservativer Wegbereiter Hitlers
- Theodor Lockemann (1885-), deutscher Bibliothekar, Direktor der Universitätsbibliothek in Jena (KWG)
- Ulrich de Maizière (1912-2006), Generalinspekteur der Bundeswehr
- Helmut Coing (1912-2000), Direktor am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte und Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft
- Rudolf Augstein (1923-2002), ab 1946 Herausgeber der Wochenzeitschrift Der Spiegel
- Hans-Ludwig Schreiber (* 1933), Präsident der Georg-August Universität Göttingen, Strafrechtler und Rechtsphilosoph
- Rolf Seelmann-Eggebert (* 1937), CBE, Journalist des NDR-Fernsehens und einer der bekanntesten deutschen Adelsexperten
- Eckhard Lucius (* 1954), Biologiedidaktiker am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) an der Universität Kiel
- Giovanni di Lorenzo (* 1959), deutsch-italienischer Journalist, Mitherausgeber des Tagesspiegels, Chefredakteur der Wochenzeitung DIE ZEIT und Talkshowmoderator (nach der 11. Klasse abgegangen (RGH))
- Stephan Weil (* 1958), Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Hannover, deutscher Politiker (SPD)
- Andreas Aguilar `(* 1962), 1989 Weltmeister im Kunstturnen am Reck, mehrfacher Deutscher Meister
- Eckart von Klaeden (* 1965), MdB, deutscher Politiker (CDU)
- Dirk Toepffer (* 1965), Landtagsabgeordneter, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Hannover-Stadt, deutscher Politiker (CDU) und Rechtsanwalt
- Franziska Rubin (* 1968), dt. Moderatorin und Schauspielerin
- Cornelius Meister (* 1980), deutscher Dirigent und Pianist sowie Generalmusikdirektor der Stadt Heidelberg
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