Kaiser Nero

Kaiser Nero

Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus (* 15. Dezember 37 n. Chr. in Antium, heute Anzio; † 9. Juni 68 n. Chr. bei Rom) war von 54 bis 68 Kaiser des Römischen Reiches. Er sah sich selbst als Künstler und war der letzte Vertreter der julisch-claudischen Dynastie.

Inhaltsverzeichnis

Anfänge

Herkunft und Jugend

Der junge Nero mit seiner Mutter Agrippina

Nero wurde als Sohn von Gnaeus Domitius Ahenobarbus und Iulia Agrippina, einer Schwester des Kaisers Caligula, in Antium an der Küste Latiums geboren. Er trug zunächst den Namen Lucius Domitius Ahenobarbus.

Weil seine Mutter von Caligula ins Exil geschickt worden war, verbrachte er seine Kindheit bei seiner Tante Domitia Lepida. Die als schön geltende Agrippina war für ihren Ehrgeiz, Stolz und Mut, aber auch für ihren Machthunger bekannt. Spätestens seit sie nach dem Tod ihres zweiten Mannes im Jahre 49 Kaiser Claudius geheiratet hatte, verfolgte sie stets das Ziel, ihren Sohn Nero zum Kaiser zu machen. Deshalb sorgte sie für eine hervorragende Ausbildung Neros in Literatur, Latein und Mathematik. Nach Vollendung seines zwölften Lebensjahres holte sie Seneca aus der Verbannung zurück, einen schon damals bekannten Philosophen, der das Leben Neros entscheidend prägte. Der junge Nero jedoch interessierte sich vor allem für Kunst und flüchtete mehrmals ins Theater.

Aufstieg zum Herrscher

Am 25. Februar 50 adoptierte Claudius seinen Stiefsohn Domitius Ahenobarbus. Dieser erhielt den Namen Tiberius Claudius Nero Drusus Germanicus Caesar und stand durch Einflussnahme seiner Mutter kurz darauf an erster Stelle in der Thronfolge. Bereits mit 14 wurde er für erwachsen erklärt und zum Senator und Prokonsul ernannt.

Drei Jahre später fädelte Agrippina eine Ehe zwischen ihrem 16-jährigen Sohn und der 12-jährigen Tochter des Claudius, Octavia, ein. Möglicherweise ließ sie Claudius im Jahre 54 sogar vergiften, damit Nero schneller die Herrschaft übernehmen konnte.

Neros Prinzipat

Regierungszeit

Büste des jugendlichen Kaisers

Nero, der sich wesentlich mehr für Kunst und Musik interessierte, war kein begabter Staatsmann und Politiker, soll aber (laut Sueton, der ihn im Übrigen heftig kritisiert) ein fähiger und rechtsstaatlich handelnder Richter gewesen sein. Die ersten Jahre seiner Herrschaft begannen verheißungsvoll, besonders da der militärisch tüchtige Sextus Afranius Burrus und Seneca weitgehend die Regierungsgeschäfte lenkten; später wurde Burrus als Prätorianerpräfekt durch Tigellinus ersetzt, der in den Quellen als charakterlich verdorben beschrieben wird.

Es kam zu einem Aufstand in Britannien und dem Jüdischen Aufstand, woraufhin Nero den späteren Kaiser Vespasian nach Judäa schickte, der dort erfolgreich kämpfte. Mit den Parthern kam es zum Konflikt bezüglich Armeniens; erst ein Vertrag im Jahre 63 brachte etwas Entspannung. Die Steuerlast nahm enorm zu, und die Legionen, die Nero vernachlässigte, waren in desolatem Zustand.

Nero förderte in seiner Regierungszeit die Naturwissenschaften, die Geographie und den Handel, ganz besonders aber Kunst und Kultur, wobei er allem Griechischen verbunden war und sich bewusst als Philhellene verstand. Er organisierte eine Expedition zur Entdeckung der Nilquelle, welche jedoch scheiterte, und Ausgrabungen in Karthago. Er selbst hielt sich für einen talentierten Sänger, Dichter und Lyraspieler. Sein erster Auftritt in Neapel brachte ihm, vor allem aufgrund seiner mitgereisten Prätorianer, den ersten Preis im musischen Wettbewerb. Sein Philhellenismus brachte ihm auch den Titel eines Periodoniken ein, eines Siegers in musischen Wettbewerben bei den Spielen von Delphi, Nemea und Korinth.

Von Nero stammt der Satz „Wenn ich doch bloß nicht schreiben könnte!“, den er gesagt haben soll, als er zum ersten Mal ein Todesurteil unterschreiben musste. Die meisten Verbrecher verurteilte er wahrscheinlich lieber zur Zwangsarbeit, während der Adel die Möglichkeit zum Suizid hatte.

Neros Verhältnis zum Senat war sehr schlecht, zumal es später zu zahlreichen Todesurteilen – ohne Prozess – gegen Senatoren kam. Nach dem Brand von Rom nahm die Opposition immer mehr zu, mehrere Verschwörungen wurden aufgedeckt. Bekannte Opfer der darauffolgenden Säuberungen waren Seneca, Lucan und Petronius (siehe auch Pisonische Verschwörung). Auch Neros Verschwendungssucht stieß zunehmend auf Ablehnung.

Verbrechen

Sesterz des Nero, 64-66 n. Chr. Auf der Rückseite: Nero während eines Congiarium.

Nero werden zahlreiche Verbrechen angelastet; so soll er seinen Stiefbruder Britannicus vergiftet haben. Da dieser jedoch schon seit seiner Kindheit an Epilepsie litt und körperlich schwächlich war, ist sich die Geschichtsschreibung über den Wahrheitsgehalt dieser Geschichte nicht einig. Es ist auch möglich, dass Britannicus an einem Anfall gestorben ist.

Agrippina verlor nach und nach die Kontrolle über ihren Sohn. Sie versuchte deshalb durch Intrigen, Verschwörungen und Bestechungen Nero zu stürzen. Nero, der seine Mutter fürchtete, setzte deshalb eine Untersuchungskommission ein, der auch Seneca angehörte, welche Agrippina jedoch nichts nachweisen konnte. Auf Drängen Senecas und unter Mithilfe eines seiner Lehrer ließ er Agrippina mit einem Schiff versenken. Es gelang ihr jedoch, an Land zu schwimmen. Am 23. März 59 ließ er sie in ihrer Villa ermorden. Nero ließ auch zahlreiche Hochverratsprozesse durchführen und zog – wie es übliche Praxis war – das Vermögen der Hingerichteten ein.

Nero verliebte sich Ende 58 in Poppaea Sabina. Diese forderte ihn auf, Octavia zu verstoßen. Schließlich ließ der Kaiser 62 seiner kinderlosen Frau ein Verhältnis mit einem Sklaven anhängen und verbannte sie, um zwölf Tage später seine Geliebte zu heiraten. Es kam daraufhin zu schweren Unruhen und Aufständen, weil Octavia beim Volk sehr beliebt war. Deshalb ließ Nero das Gerücht streuen, Octavia habe zusammen mit ihrem Geliebten versucht, den Kaiser abzusetzen, und Nero verbannte sie auf eine Insel. Nero gab den Auftrag, ihr die Pulsadern aufzuschneiden und sie in heißem Dampf zu ersticken, was wenige Tage später auch erfolgte.

Nero und Poppaea hatten eine gemeinsame Tochter, Claudia. Sie wurde am 21. Januar 63 geboren, starb jedoch vier Monate später. Zwei Jahre später war Poppaea wieder schwanger. Es wird behauptet, Nero hätte sie während dieser Zeit aus Verärgerung durch einen Fußtritt in den Unterleib getötet, diese Darstellung ist jedoch umstritten; sicher ist nur, dass Poppaea während ihrer Schwangerschaft im Jahre 65 gestorben ist.

Im selben Jahr wurde Seneca von Nero zum Suizid gezwungen. Danach nahm unter Senatoren und Offizieren die Abneigung gegen Nero immer mehr zu.

Der große Brand von Rom und die Christenverfolgung

Hauptartikel: Großer Brand Roms

Wandmalerei in der Domus Aurea

In der Nacht vom 18. zum 19. Juli 64 brach in Rom ein Brand aus, der sich durch starken Wind sowie dichte und hohe Bebauung rasch ausbreitete. Innerhalb von neun Tagen wurden 10 von 14 Stadtteilen angegriffen und 3 komplett vernichtet. Es wurden Gerüchte laut, dass Nero selbst das Feuer hatte legen lassen (so etwa von Sueton behauptet), um die Stadt neu aufzubauen und insbesondere Platz für einen riesigen Palast, das „Goldene Haus“ (Domus Aurea), zu schaffen. Der Sage nach beobachtete und besang er den Brand vom Turm des Maecenas aus, während er sich selbst auf der Lyra begleitete, und deklamierte Verse vom Fall Trojas.

Tatsächlich aber befand sich Nero in seinem 50 Kilometer weit entfernten Geburtsort, seiner Sommerresidenz Antium, während der Palatin in Flammen stand. Wahrscheinlich brach der Brand, wie viele andere auch, auf einem Marktplatz durch Unvorsichtigkeit aus. Dennoch ist Nero als Brandstifter Roms in die Geschichte eingegangen. Dass Berichten zufolge Prätorianer die Brände angefacht haben sollen, könnte auch damit zu erklären sein, dass diese versuchten, den Brand mit Gegenfeuern aufzuhalten, wie es auch bei Waldbränden geschieht.

Auf den Rat seiner Berater hin ließ Nero eine „ungeheure Menge“ (Tacitus) Chrestiani (gr.: Christen), die bei manchen Teilen der Bevölkerung verhasst waren, verhaften und viele zu grausamen Todesstrafen verurteilen. Die meisten wurden verbrannt, da dies die im römischen Recht für Brandstifter vorgesehene Strafe war, einige gekreuzigt oder in Felle gesteckt und in der Arena den Tieren vorgeworfen. Sie fanden unter Nero jedoch nicht nur wegen der ihnen vorgeworfenen Brandstiftung den Tod, sondern auch wegen „des allgemeinen Menschenhasses“. Diese Christenverfolgung unter Nero, die auf Rom beschränkt blieb, war das erste einer vermuteten Reihe lokaler Pogrome, die der (regionalen) Verfolgung unter Domitian und den systematischen Verfolgungen im 3. Jahrhundert vorausgingen.

Tacitus berichtet, dass es innerrömischen Widerstand gegen die Verfolgung gab:

Daher wurde auch für noch so Schuldige, welche die härtesten Strafen verdienten, Mitleiden rege, als würden sie nicht dem allgemeinen Besten, sondern der Mordlust eines einzigen geopfert.

Noch fünfzig Jahre später sprach man mit Grausen von dieser Untat (vgl. Juvenal I 154-57, VIII 235).

Offenbar reagierte Nero auf die Opposition mit dem institutum Neronianum, das Ende 64 oder Anfang 65 erlassen (und vielleicht auch schon gegen die Verschwörer um Piso eingesetzt) wurde. Sueton zählt die Todesstrafe für Christen zu den eher lobenswerten Taten des Kaisers:

Vieles unter ihm wurde einerseits streng beachtet und bestraft, andererseits wurde auch Neues eingeführt: […] die Christen, ein Geschlecht von Menschen mit einem neuen und gottlosen Aberglauben, wurden durch die Todesstrafe heimgesucht.

Der juristisch gebildete christliche Apologet Tertullian (ca. 160-220) weist im Jahre 197 eindringlich darauf hin, dass die Christenheit keine provinzielle Sekte war, sondern dass die Bezeichnung „Christ“ von Anfang an die Aufmerksamkeit der kaiserlichen Behörden auf sich gezogen hatte. Dabei erwähnt er, dass das einzige Dekret Neros, das bei seinem Tode nicht aufgehoben wurde, dasjenige gegen die Christen war:

Dieser unser Name nahm seinen Aufstieg unter der Regierung des Augustus; unter Tiberius wurde er in aller Klarheit und Öffentlichkeit gelehrt; unter Nero wurde er unbarmherzig verdammt […]. Nun, obwohl jede andere Verordnung, die unter Nero existierte, aufgehoben wurde, ist bis jetzt diese über uns standhaft übriggeblieben.

Einer weitverbreiteten altkirchlichen Legende nach sind unter Nero auch die Apostel Paulus und Petrus in Rom hingerichtet worden. Dies wird von einigen Forschern jedoch angezweifelt, zumal die Überlieferung auch davon berichtet, dass Paulus nach einem längeren förmlichen Prozess und Petrus zu einem späteren Zeitpunkt hingerichtet wurde.

Für die Finanzierung des Wiederaufbaus plünderte Nero die Tempel im ganzen Reich. Möglicherweise liegt hier eine der Ursachen für die Zuspitzung der Ausbeutung von Judäa, die im Jahre 66 zum jüdischen Krieg führte.

Beim Wiederaufbau Roms ließ Nero breitere Straßen anlegen und beschränkte die maximale Höhe der Häuser, die nun alle eigene Mauern haben mussten, auf 25 Meter; überall sorgte er für Brandschutzmaßnahmen. Sich selbst ließ Nero ein riesiges, prunkvolles Anwesen mit großen Kunstschätzen und technischen Raffinessen errichten, die Domus Aurea (das „Goldene Haus“); tatsächlich zeugt der Bau des Prunkhauses von wenig politischem Verständnis, da zu dieser Zeit der Aufbau der öffentlichen Infrastruktur wenigstens verlangsamt wurde. Das Anwesen wurde kurz nach Neros Tod geplündert und abgerissen. In den Ruinen wurde am 14. Januar 1506 die Laokoon-Gruppe entdeckt, und auf dem Areal des dazugehörigen Sees wurde das Kolosseum errichtet.

Entfremdung und Tod

Denarius des Nero

66 n. Chr. reiste Nero nach Griechenland, wo er an den Olympischen Spielen teilnahm und in mehreren hellenischen Städten Theateraufführungen gab, bei denen er sich auch in Frauenrollen, als Kitharasänger und bei sportlichen Wettkämpfen gefiel. Er soll in diesem Jahr bei Wettstreiten aller Art 1808-mal als Sieger hervorgegangen sein. Alle vier panhellenischen Spiele ließ er in einem Jahr abhalten. Als Verehrer der griechischen Kultur hielt er sich über ein Jahr lang in Griechenland auf, bis er von seinen Beratern zur Rückkehr nach Rom gedrängt wurde, wo die Stimmung sich inzwischen sehr verschlechtert hatte. Zwar kehrte er im Januar 68 unter großem Jubel nach Rom zurück, er gab sich jedoch ganz seinen Vergnügungen hin, besuchte Theater und Konzerte, ließ Wettspiele veranstalten und trat selbst als Künstler auf, wobei er immense Schulden machte.

Während Vindex mit dem Aufstand und Nero mit den Plänen für dessen Unterdrückung beschäftigt waren, müssen die beiden Gardepräfekten des Kaisers zu der Einsicht gelangt sein, Nero nicht länger unterstützen zu wollen. Ob Tigellinus bereits jetzt ganz von seinem Gönner abfiel, können wir heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Seinem Amtskollegen Gaius Nymphidius Sabinus, der nach dem Ausscheiden des Faenius Rufus den Posten übernommen hatte, oblag nun das Handeln. Senat und römische Oberschicht waren nach den Ausschweifungen des Kaisers und den Hinrichtungen in ihren Reihen ohnehin gegen den Princeps eingestellt. Sie empfingen jetzt heimlich einen Abgesandten Galbas, den Freigelassenen Icelus Marcianus. Als die Nachricht eintraf, weitere Heere seien zu Galba übergelaufen,[1] wurde Nero panisch. Er beschloss erst jetzt - oder hatte dies vielleicht schon länger für den Notfall geplant - nach Ägypten zu fliehen. Nero gab seinen vermeintlich treuesten Ministern, darunter Nymphidius, den Befehl, in Ostia eine Flotte seeklar zu machen. Auf seinem Weg zum Hafen machte Nero noch ein letztes Mal in einem seiner Landgüter halt und schlief dort kurz ein. Als er aufwachte, musste er feststellen, dass seine Leibgarde, die ihn schützen sollte, abgezogen war: Nymphidius war gleich nach Aufbruch des Kaisers in das Prätorianerlager gegangen und hatte dort behauptet, Nero sei bereits auf dem Weg nach Ägypten. Er war es auch, der den Kaiser zum Zwischenaufenthalt auf dem Landgut überredet hatte. Mit einem Versprechen von 30.000 Sesterzen pro Mann konnte er die Prätorianer „überzeugen“, Galba als neuen Kaiser auszurufen.

Nero erkannte den Ernst seiner Lage und versuchte, bei einem seiner früheren Freunde Unterschlupf zu finden. Niemand wollte ihm Asyl gewähren, außer seinem Freigelassenen Phaon. Sofort machte sich der Princeps mit nur vier Begleitern auf den Weg. Auf seiner Flucht hörte er noch die Soldaten, wie sie Galba als neuem Princeps Glück wünschten. Unterdessen erreichte Nero ein Schreiben, das beinhaltete, dass er vom Senat zum hostis (Feind des Volkes) erklärt worden sei, und man ihn suche, um ihm die entsprechende Bestrafung – inklusive der damnatio memoriae – angedeihen zu lassen. Trotz der Panik schob er die Ausführung seines Selbstmordes so lange auf, bis er herannahende Pferde hörte. Mit Hilfe seines Sekretärs Epaphroditus stach er sich einen Dolch in die Kehle.[2]

So starb Nero am 9. Juni 68. Sein Leichnam wurde verbrannt und im Familiengrab der gens Domitia auf dem collis hortulorum (jetzt Pincio) beigesetzt.[3]

Die Standbilder des zum Staatsfeind erklärten Nero wurden zwar vernichtet, doch aufgrund der Umstände seines Todes und seines Lebenswandels kursierten, besonders im Osten, immer wieder Gerüchte, er lebe noch und werde wieder den Thron besteigen (siehe Terentius Maximus).

Die Tatsache, dass das römische Reich keinen ernsthaften Schaden nahm, liegt nicht zuletzt daran, dass der Verwaltungsapparat weiter funktionierte und die Grenzsicherung durch die Armee weiterhin gewährleistet war. Die Regierungszeit Vespasians, der sich im Vierkaiserjahr schließlich durchsetzte und das Reich wieder stabilisierte, stellte einen Neuanfang gegenüber der Herrschaft Neros dar.

Wirkung

Nero im Urteil der Nachwelt

Nero ist eine der umstrittensten Personen der Weltgeschichte. An der Beurteilung seiner Person schieden sich schon in der Antike die Geister. Während einzelne antike Autoren ihm durchaus positive Seiten abgewannen, überwog doch schon bald nach seinem Tod die einhellige Ablehnung der Persönlichkeit und der Politik Neros. Insbesondere Sueton und Tacitus, deren Werke wichtige Quellen zum Leben des Kaisers darstellen, gaben ihrer Verachtung offen Ausdruck.

Diese Verachtung hatte ihren Grund teils in der Abneigung der Römer gegen Neros Vorliebe für alles Griechische, teils – etwa bei Tacitus – in der Ablehnung des Kaisertums überhaupt, als dessen Entartung Neros Herrschaft erschien (siehe auch Senatorische Geschichtsschreibung). Ein weiterer Grund waren die durch den manischen Charakter Neros ausgelösten Handlungen (wie die Familienmorde und die Hinrichtungswellen) sowie seine Vernachlässigung des Staates und seine Haltung gegenüber dem Senat. Andererseits gehörte Nero – zweifellos zur Unzufriedenheit des Militärs – zu den insgesamt drei römischen Kaisern, die die Pforten des Janustempels zum Zeichen des äußeren Friedens schlossen.

Christliche Autoren späterer Jahrhunderte, die Nero schon wegen der Hinrichtung ihrer Glaubensbrüder nach dem Brand von Rom verurteilten, prägten endgültig das Bild des Kaisers als größenwahnsinnigem Tyrannen. Im Mittelalter galt er geradezu als Verkörperung des Antichristen. Dieses Bild des Tyrannen – das nicht nur in späteren christlichen, sondern auch schon in den ältesten heidnisch-antiken Quellen vorzufinden ist – überwiegt bis heute. Einige Autoren haben in jüngster Zeit eine Rehabilitierung Neros als humanistischer Herrscher versucht. Dabei wurde vor allem das Augenmerk auf die Dreigliederung der römischen Gesellschaft in Kaiser, Aristokratie und Volk gelegt. Oft kommt es in der Geschichte zu Koalitionen von zweien dieser „Stände“. Nero verfolgte eine volkstümliche Politik, was auch durch Äußerlichkeiten gezeigt wurde. So war Nero zum Beispiel Anhänger der „Grünen“, einer von vier klassischen Mannschaften beim Wagenrennen, die auch beim einfachen Proletariat beliebt waren. Die Koalition Nero und Volk führte in der Aristokratie und dem Patriziat zu einer schlechten Beurteilung Neros, da Überlieferung aus dem Stand der Plebejer nicht existieren beziehungsweise nicht überliefert wurden.

Die ersten fünf Jahre seiner Regierung lassen sich, dank der fähigen Staatsmänner Seneca und Burrus, als reformorientierte, änderungswillige Periode feststellen. Sogar Neros Vorliebe für künstlerische Vergnügen hatte einen positiven Aspekt: So viel Zerstreuung und Aufmerksamkeit waren dem stadtrömischen Volk lange nicht zuteil geworden. Die zusätzlichen Getreidelieferungen sorgten für relativen Wohlstand, die Veteranen und Prätorianer waren mehr als nur gut versorgt. Der Bruch im Jahre 59 und die Dekadenz bis zur Tyrannei der folgenden Regierungszeit lassen sich kaum nachvollziehen, ohne dem Princeps von Beginn an einen lasterhaften Charakter zu unterstellen. Mit dem Rückzug der Berater und Staatslenker der ersten Stunde und mit der Ermordung Agrippinas entfaltete sich Neros ‚dunkle‘ Seite mehr und mehr; durch die Bestärkung und Beeinflussung seitens Tigellinus' fühlte der Kaiser sich vermutlich immer wohler in seiner Rolle als Schauspieler und Sänger. Die Konsequenz davon war die Vernachlässigung der Staatsgeschäfte.

Nero-Rezeption

Die Zeit Neros, besonders der Brand Roms und die Christenverfolgung, inspirierte zahlreiche (musik-)dramatische Bearbeitungen, etwa jene von Claudio Monteverdi (L’incoronazione di Poppea 1642), Georg Friedrich Händel (Agrippina 1710), Anton Rubinstein (Nero 1879), Arrigo Boito (Nerone, Uraufführung posthum 1924), Jean Nougues (Quo vadis? 1910) und Pietro Mascagni (Nerone 1935).

Unter den historischen Romanen dürfte Henryk SienkiewiczQuo Vadis (1895) wohl am bekanntesten sein. Das Buch wurde mehrmals verfilmt; bekannt ist vor allem der Monumentalfilm Quo vadis? von 1951, in dem Peter Ustinov den Kaiser verkörperte und dafür für den Oscar nominiert wurde. 2001 entstand die polnische Filmversion von Filmregisseur Jerzy Kawalerowicz, 2004 der TV-Zweiteiler Nero – Die dunkle Seite der Macht mit Hans Matheson in der Hauptrolle. Feuchtwangers Roman "Der falsche Nero" spielt um die Zeit nach dem Tod des Nero.

In den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs ging ein Befehl Hitlers zur Zerstörung der deutschen Infrastruktur mit dem Namen Nerobefehl in die Geschichte ein. Dabei wurde darauf angespielt, dass sich dieser Befehl wie die Brandstiftung Roms gegen das eigene Volk richtete.

Die immer mit seinem Namen verbundene Brandstiftung inspirierte zu dem Programmnamen Nero Burning ROM (gewollt ähnlicher Klang wie der englische Satz: „Nero burning Rome“, zu deutsch „Nero, Rom niederbrennend“).

Einzelnachweise

  1. Sueton, Nero 47, 1; Cassius Dio 63, 27.
  2. Die ausführlichste Schilderung von Neros letzten Stunden findet sich bei Sueton, Nero 48–49.
  3. Sueton, Nero 50.

Literatur

Quellen

  • Sueton: Nero. Antike Biographie aus der Sammlung der Kaiserbiographien von Caesar bis Domitian. In: Gaius Suetonius Tranquillus: Sämtliche erhaltene Werke. Magnus, Essen 2004, ISBN 3-88400-071-3, englische Übersetzung und lateinisches Original bei LacusCurtius
  • Cassius Dio: Römische Geschichte. Übersetzt von Otto Veh, Band 5 (= Bücher 61–80), Artemis-Verlag, Zürich 1986, ISBN 3-7608-3672-0 und ISBN 3-7608-3673-9, (englische Übersetzung; für Nero sind insbesondere die Bücher 61–63 relevant).
  • Tacitus: Annalen. Herausgegeben von Erich Heller, 3. Auflage, Düsseldorf und Zürich 1997. Die Bücher 11–16 der Annalen behandeln die Zeit des Nero. Buch 11 der Annalen des Tacitus

Sekundärliteratur

  • Edward Champlin: Nero. Belknap, Cambridge, Mass. 2003, ISBN 0-674-01192-9; Paperbackausgabe 2005. (Rezension)
  • Massimo Fini: Nero. Zweitausend Jahre Verleumdung. Die andere Biographie. München 1994 (nicht fachwissenschaftliche Biografie, wobei Fini um eine Entlastung Neros bemüht ist)
  • Michael Grant: Nero : Despot, Tyrann, Künstler. München 1978
  • Miriam Griffin: Nero. The End of a Dynasty. Batsford, London 1984; Routledge, London 2001 (Nachdr.), ISBN 0-415-21464-5.
  • Matthäus Heil: Die orientalische Außenpolitik des Kaisers Nero. München 1997, ISBN 3-88073-551-4.
  • Horst Herrmann: Nero. Eine Biographie. ATV, Berlin 2005, ISBN 3-7466-1777-4.
  • Waltraud Jakob-Sonnabend: Untersuchungen zum Nero-Bild der Spätantike. Hildesheim 1990, ISBN 3-487-09297-2.
  • Jürgen Malitz: Nero. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44605-1.
  • Helmuth Schneider: Nero. In: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser. Beck, 3. Auflage München 2005, S. 77ff., ISBN 3-406-47288-5.
  • Christoph Schubert: Studien zum Nerobild in der lateinischen Dichtung der Antike. Stuttgart 1998, ISBN 3-519-07665-9.
  • Gerhard Waldherr: Nero. Eine Biografie. Friedrich Pustet, Regensburg 2005, ISBN 3-7917-1947-5.

Weblinks


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