- Kaldor-Hicks-Kriterium
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Das Kaldor-Hicks-Kriterium (nach Nicholas Kaldor und John Richard Hicks) ist ein Wohlstandskriterium, welches auf der Idee eines potentiellen interpersonellen Ausgleichs (Kompensation) bei Wohlstandsänderungen beruht. Es gehört somit zu den Kompensationskriterien, wie etwa auch das Scitovsky-Kriterium oder die Kriterien nach Samuelson und Gorman. Anders als das Pareto-Kriterium, bei welchem Änderungen einer ökonomischen Situation unter Wohlstandsgesichtspunkten nur dann beurteilt werden können, wenn keine gegenläufigen individuellen Wohlstandsänderungen auftreten (Mangel an interpersonellem Nutzenvergleich), versuchen Kompensationskriterien auch solche gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrtsänderungen zu bewerten, bei welchen die Wohlfahrt einzelner Individuen steigt während die anderer sinkt. Die genannten Kriterien versuchen also, Wohlstandsgewinne und Wohlstandsverluste gegeneinander aufzurechnen.
Darstellung
Nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium wird immer dann von einem gesamtgesellschaftlichen Wohlstandsanstieg gesprochen, wenn die Individuen, welche durch die Änderung der ökonomischen Situation einen Wohlstandsanstieg erfahren, jene Individuen voll entschädigen können, welche Wohlfahrtseinbußen erleiden und letztendlich dennoch einen Teil des ursprünglichen Wohlstandsgewinns bewahren.
Folgende Abbildung dient zur Illustration des Kriteriums:
Dargestellt sind die Nutzenmöglichkeitenkurven zweier Individuen X und Y durch die Streckenzüge AB bzw. CD. In der Ausgangssituation sei auf der Nutzenmöglichkeitenkurve AB die Verteilungssituation F relevant. Nach der Änderung der ökonomischen Situation gelte die Nutzenmöglichkeitenkurve CD und die entsprechende Verteilungssituation sei L. Nach dem Pareto-Kriterium kann die neue Situation mit der alten hinsichtlich des Wohlfahrtsaspekts nicht verglichen werden, denn während die Wohlfahrt des Individuums X gesunken ist, ist die des Y gestiegen. Nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium ist die Änderung der Verteilungssituation allerdings gesamtgesellschaftlich wohlfahrtssteigernd, denn ausgehend von der Situation L könnte die Realallokation des neuen Güterbündels so erfolgen, dass der Punkt M erreicht wird, in welchem die Wohlfahrt des X im Vergleich zur Situation in F unverändert ist, während die Wohlfahrt des Y angestiegen ist. Dementsprechend wären alle Änderungen der Realallokation gesamtgesellschaftlich wohlfahrtssteigernd, bei der ein Punkt auf der Nutzenmöglichkeitenkurve CD erreicht wird, der innerhalb der Pareto-Region von F liegt (gestrichelte Linien).
Wichtig ist zu wissen, dass das Kaldor-Hicks-Kriterium lediglich fordert, dass eine Kompensation des Nutzeneinbuße der benachteiligten Wirtschaftssubjekte durch die bevorteilten möglich ist, nicht dass diese auch tatsächlich stattfindet. Für die Beurteilung der Erwünschtheit einer solchen Maßnahme bedarf es eines zusätzlichen Werturteils.
Kritik
Schon kurze Zeit nach seiner Konzipierung kam Kritik am Kaldor-Hicks-Kriterium betreffend dessen Konsistenz auf. Es zeigte sich, dass das Kriterium in gewissen Situationen nicht reversibel ist. Demnach ist es möglich zu zeigen, dass die Änderung einer ökonomischen Situation, welche nach diesem Kriterium gesamtgesellschaftlich wohlfahrtssteigernd ist, auch dann zu einem Wohlstandsanstieg führt, wenn man zur Ausgangssituation zurückkehrt. Zu diesem Problem kann es dann kommen, wenn sich die jeweiligen Nutzenmöglichkeitenkurven schneiden (wie in der Abbildung), was immer dann geschieht, wenn das nach der Änderung der ökonomischen Situation betrachtete Güterbündel nicht von beiden Wirtschaftssubjekten dem alten Güterbündel vorgezogen wird. Mit solchen Situationen ist v.a. dann zu rechnen, wenn die Präferenzen der betrachteten Individuen stark differieren.
Um nun die mangelnde Konsistenz des Kaldor-Hicks-Kriteriums zu erläutern, sei davon ausgegangen, dass in der Ausgangssituation die Nutzenmöglichkeitenkurve AB und die Verteilungssituation F relevant sei. Nach der Änderung der ökonomischen Situation gelte nun die Nutzenmöglichkeitenkurve CD und die Verteilungssituation G, in welcher die Wohlfahrt des X gestiegen ist, während die des Y gesunken ist. Von G aus lässt sich aber durch Umverteilung des Güterbündels die Situation H erreichen, in welcher die Wohlfahrt des Y im Vergleich zum Ausgangspunkt gleich geblieben und die des X gestiegen ist. Nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium ist die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt also gestiegen. Für die Rückkehr von G nach F trifft dies aber ebenfalls zu, denn von F aus ließe sich der Punkt N erreichen, beim welchem die Wohlfahrt des X im Vergleich zu G gestiegen ist, während die des Y konstant blieb. Offensichtlich gelangt man in beiden Richtungen zu einem Anstieg der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt, was ein Widerspruch sein muss. Zu solchen Inkonsistenzen kommt es bei sich schneidenden Nutzenmöglichkeitenkurven immer dann, wenn die vor und nach der Änderung der ökonomischen Situation relevanten Verteilungssituationen auf verschiedenen Seiten des Schnittpunkts der entsprechenden Nutzenmöglichkeitenkurven liegen.
Literatur
- Hal R. Varian: Intermediate Microeconomics (6th ed. 2003), S. 15-16
- Luckenbach, Helga (2000): Theoretische Grundlagen der Wirtschaftspolitik, 2. Auflage, München, Verlag Franz Vahlen.
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