Kannegießerei

Kannegießerei

Die Ausdrücke Kannegießerei und Kannegießern bezeichnen schwätzerisches Politisieren ohne viel Sachverstand. Der Begriff wurzelt in der dänischen Komödie "Der politische Kannegießer" (1722) des Dramatikers Ludvig Holberg und wurde im 18. und 19. Jahrhundert vom allgemeinen Sprachgebrauch übernommen. Im 20. Jahrhundert wurde er weitgehend durch Worte wie Stammtischgerede oder Stammtischpolitik verdrängt.

„Bier macht dumm, faul und impotent. Es ist schuld an der demokratischen Kannegiesserei.“

Otto von Bismarck

„Es ist die Schuld der unentschiedenen, schlaffen, energielosen Frankfurter Nationalversammlung, wenn ihre Beschlüsse derart sind, daß sich schwer andres über sie sagen läßt als bloße Kannegießereien.“

Neue Rheinische Zeitung Nr. 48 vom 18. Juli 1848

„Diese Bierhäuser, sind nebst den Kaffehäusern die eigentlichen Tempel der politischen Kannegießereien. Die Leute welche sie besuchen, dünken sich schon etwas von der Stimmung der Kabinette zu wissen, und mischen sich desto mehr in die Schlichtung der großen Welthändel, je weniger sie davon errathen.“

Pezzl: Skizze von Wien. Bd. 32, 231[1]

„…nur eins war fatal. Es wurde nämlich nach echt Berliner Brauch und Sitte nicht für jeden Gast ein Glas gereicht […], sondern das Glas stand in der Mitte des Tisches und jeder, der sich animiert fühlte […] holte sich mit dem Daumen an der Innenwand das Glas heran, hob dasselbe, trank und setzte es wieder an seinen Platz. Auf diese Weise wußte jeder der Gäste, wo er beim Trinken anzusetzen hatte, es waren die Merkmale der verschiedenen Daumen […] eine Art und Weise die gottlob verschwunden ist, aber auch die absolute Gemütlichkeit und vor allem die entzückendste Kannegießerei, die so recht das Bild des groß sein wollenden kleinen Berliners war. […] was wurde da nicht alles festgenagelt, was wurde da nicht politisiert, was wurde da nicht alles besser gewußt.“

Emil Thomas[2]

Einzelnachweise

  1. Zitatenquelle
  2. Emil Thomas: Ältestes, Allerältestes. Verlag Bruno Cassierer, Berlin. In: Hans Ostwald: Der Urberliner. Neue Folge. Paul Franke Verlag, Berlin 1928. Im weiteren Verlauf der Buchauswahl wird ein Beispiel für Kannegießerei zwischen dem Hofschauspieler Fritz Devrient aus Wiesbaden, dem Schauspieler Rudolf Lange aus Karlsruhe, dem preußischen Hofschauspieler Rütling und Handwerkern zum italienischen Kriege von 1859 beschrieben.

Weblinks


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