Kanthariden

Kanthariden
Strukturformel
Allgemeines
Name Cantharidin
Andere Namen
  • Kantharidin
  • (2S,3R)-2,3-Dimethyl- 7-oxabicyclo[2,2,1]heptan- 2,3-dicarbonsäureanhydrid
Summenformel C10H12O4
CAS-Nummer 56-25-7
Kurzbeschreibung farblose, orthorhombische Plättchen [1]
Eigenschaften
Molare Masse 196,20 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Schmelzpunkt

218 °C [2]

Löslichkeit
  • schlecht in Wasser: 30 mg·l−1 (20 °C) [3]
  • wenig löslich in organischen Lösemitteln [1]
Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [2]
Sehr giftig
Sehr giftig
(T+)
R- und S-Sätze R: 26/27/28
S: 28-36/37-45
LD50

0,03–0,5 mg·kg-1 Körpergewicht (LDLo, human) [2]

Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Cantharidin, auch Kantharidin, ist ein Terpenoid, welches in verschiedenen Käferarten vorkommt. Benannt wurde es nach der Gattung Cantharis, heute teilweise Lytta. Cantharidin wurde als Inhaltsstoff der Spanischen Fliege (Lytta vesicatoria) erstmals beschrieben. Es handelt sich dabei um ein Monoterpen, dem eine Wirkung als Aphrodisiakum nachgesagt wird, das jedoch vor allem ein starkes Reizgift darstellt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Cantharidin wurde erstmals 1810 von Pierre-Jean Robiquet isoliert. Nach Kriegsberichten soll die aphrodisierende Wirkung des Cantharidin schon den Truppen Napoleons beim Ägyptenfeldzug zum Verhängnis geworden sein, die in den Sümpfen des ägyptischen Nildeltas Frösche gefangen und verspeist haben. Diese ernährten sich vor allem von den besagten Käfern und lagerten das Cantharidin ein, ohne selbst Schaden daran zu nehmen. Die ersten Beschreibungen des Gebrauchs in der Medizin stammen aus dem Altertum, zum Beispiel vom Hippokrates und von Plinius dem Älteren. Über Livia Drusilla, die Frau des späteren römischen Kaisers Augustus, wird berichtet, dass sie die Droge dem Essen der anderen Mitglieder der kaiserlichen Familie zufügte, um sie zu sexuellen Ausschweifungen zu animieren, die dann später gegen diese verwendet werden konnten.

Eigenschaften

Chemische Eigenschaften

Beim Cantharidin handelt es sich um ein Monoterpen, welches in farblosen, orthorhombischen Plättchen kristallisiert. Es hat eine Schmelztemperatur von 218 °C und sublimiert ab 84 °C. Es ist unlöslich in Wasser, löslich in Chloroform, Aceton und Alkohol. In Säuren und Alkalien ist es gut löslich.

Biochemische Eigenschaften

Cantharidin hat eine hohe Affinität zur Bindung an Proteine, welche entsprechend als Cantharidin-bindende Proteine (CBP) bezeichnet werden. Die gleiche Eigenschaft besitzen auch einige analoge Moleküle wie etwa das Herbizid Endothal. Das heterodimere Protein besteht aus einer α- und einer kürzeren β-Kette. Dieses CDB ist offensichtlich identisch mit der Protein-Phosphatase 2A, welche als Enzym bei Pflanzen und Tieren vorkommt. Die verschiedenen Giftwirkungen werden damit wahrscheinlich durch eine Blockierung dieses Enzyms in seiner Funktion bei der Phosphorylierung und Dephosphorylierung verursacht.

Biologische Bedeutung

Ölkäfer mit Cantharidintropfen

Cantharidin ist in der Hämolymphe einer Reihe von Käferarten enthalten, vor allem bei den Ölkäfern (Meloidae), auch nach der Wirkung des Cantharidin auf die menschliche Haut „Blasenkäfer“ genannt, den Feuerkäfern (Pyrochroidae) und bei Vertretern der Familie der Scheinbockkäfer (Oedemeridae). Die biologische Bedeutung ist dabei unterschiedlich. So setzen die Ölkäfer den Giftstoff vor allem als Wehrsekret ein, das bei einer potentiellen Bedrohung an den Beingelenken tropfenförmig ausgepresst wird (Reflexbluten). Bei den Feuerkäfern stellt Cantharidin vor allem ein Lockpheromon dar, welches die Männchen attraktiv für die Weibchen macht. Auf die meisten anderen Insekten wirkt Cantharidin dagegen abschreckend, nur die Blumenkäfer (Anthicidae) werden ebenfalls angelockt, da sie auf diese Weise die Leichen von Ölkäfern finden können. Auch bei ihnen spielt Cantharidin eine Rolle bei der Paarung: die Weibchen überprüfen vor der Paarung den Cantharidingehalt der Vorratsbehälter unter den Flügeln der Männchen und machen davon ihre Paarungswilligkeit abhängig. Die Käfer können den Stoff allerdings nicht selbst produzieren, sondern entnehmen ihn den Ölkäfern. Ebenfalls attraktiv wirkt Cantharidin auch auf einige Arten der Gnitzen (Ceratopogonida), einer Mückengruppe, die cantharidinhaltige Käferarten besaugen.

Cantharidin ist ein starkes Reiz- und Nervengift, wodurch es als Wehrsekret sehr effektiv ist. Auf der Haut und vor allem auf den Schleimhäuten übt es eine starke Reizwirkung aus. Beim Menschen und bei anderen Wirbeltieren löst es die Bildung von Blasen und teilweise tiefen Nekrosen aus. Außerdem führt es zu Entzündungen und insbesondere zu einer starken Schädigung der Nieren. Letztere treten vor allem bei Missbrauch, etwa bei übermäßiger Einnahme als Aphrodisiakum, auf. Anwendung findet Cantharidin durch diese Wirkungen vor allem bei der Hautreiztherapie sowie als Mittel zur Entfernung von Warzen, häufig in Form eines transdermalen Pflasters (Cantharidenpflaster). Aufgrund der Wirkung bei Überdosierung sollte es nur nach Absprache mit einem Arzt angewendet werden.

Die für den Menschen geringste tödliche Dosis LDLo liegt bei etwa 0,5 mg/kg Körpergewicht. Im antiken Griechenland wurde das Gift neben dem Schierlingsbecher zur Vollstreckung von Todesurteilen verwendet.

Verwendung

Cantharidin gilt als potenzsteigerndes Mittel, welches beim Mann eine langanhaltende Erektion herbeiführen soll. Die Anwendung ist umstritten, vor allem, da die Erektion sehr schmerzhaft sein kann, die Dosierung sehr schwierig ist und andererseits eine schmerzhafte Dauererektion zu bleibender Impotenz führen kann. Erreicht werden soll sie durch Einreiben der Genitalien oder Einnahme von aufgelöstem Cantharidin, wobei dafür meistens die Spanische Fliege (Lytta vesicatoria) zermahlen wird.

Aufgrund der stark reizenden Wirkung auf die Haut, wird Cantharidin in der Pharmakologie experimentell beim Hautblasenversuch (Cantharidin-Test) verwendet. Dabei wird durch Cantharidin eine Hautblase hervorgerufen, in deren Flüssigkeit die Konzentration von Arzneistoffen gemessen werden kann.

Aber auch schon vor einigen tausend Jahren wurde eine Mischung aus Cantharidin und Knoblauch auf tätowierte Hautstellen aufgetragen um diese zu entfernen. Hiermit behandelte Hautstellen starben daraufhin ab.

Quellen

  1. a b Thieme Chemistry (Hrsg.): RÖMPP Online - Version 3.1. Georg Thieme Verlag KG, Stuttgart 2008. 
  2. a b c Herstellerangaben der Firma Roth, 12. Dez. 2007
  3. Cantharidin bei ChemIDplus
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