Kanun-i raya

Kanun-i raya

Dhimma (arabischذمة ‎ dhimma, DMG ḏimma „Schutz“, „Obhut“, „Garantie“) ist eine Institution des islamischen Rechts, die den juristischen Status nichtmuslimischer „Schutzbefohlener“ in islamischen Ländern (genannt „Dhimmi“) festlegt. Dhimmis können nach islamischer Auffassung ihren privatrechtlichen Bestimmungen nachgehen, im Bereich des öffentlichen Rechts und der Ausübung religiöser Bräuche sind sie allerdings schari'arechtlichen Schranken unterworfen. Die Definition von Dhimma und der juristische Umgang mit Schutzbefohlenen sind im islamischen Völkerrecht, (siyar), im 2. muslimischen Jahrhundert (8. Jahrhundert n. Chr.) der islamischen Eroberungen entstanden und in dem daraus entwickelten Zweig der Rechtsliteratur Ahkam ahl al-dhimmaأحكام أهل الذمة‎ / aḥkāmu ahli ʾḏ-ḏimma /„Rechtsbestimmungen für Schutzbefohlene“ erörtert.

Der Begriff kommt in einer Auseinandersetzung Mohammeds mit den Polytheisten von Mekka in den Versen 8 und 10 der 9. Sure in der Bedeutung von „Bindung“ und „Verpflichtung“ vor. In einigen Sendschreiben Mohammeds an die arabischen Stämme und christlichen Gemeinschaften wird „dhimma Gottes und seines Gesandten“ ‏ ذمة الله ورسوله‎ / ḏimmatu ʾllāhi wa-rasūlihi bei der Bekehrung zum Islam zugesichert [1]

Inhaltsverzeichnis

Definition von „Dhimmi“

Als Dhimmiذمّي‎ / ḏimmī bezeichnet man in der islamischen Rechtstradition Monotheisten, die mit eingeschränktem Rechtsstatus geduldet und staatlicherseits geschützt werden. Alle Menschen, die weder Muslime noch Dhimmi sind, werden dagegen als Harbī („dem Kriege zugehörig“) bezeichnet; Völker, mit denen das islamische Reich im Krieg ist. Seit der Entstehung der arabischen Nationalstaaten mit jeweils unterschiedlichem Geltungsbereich der Schari'a in ihrer Legislative ist die Rechtsstellung des Dhimmi in der Gegenwart entweder aufgegeben oder modifiziert worden.

Im Koran sind folgende nicht-muslimische Religionsgemeinschaften genannt: Juden (al-yahūd bzw. banū Isrāʾīl = „die Kinder Israels“), die Christen (an-naṣārā), die Zoroastrier (al-maǧūs), die Sabier (aṣ-ṣābiʾa), d. h. die Mandäer und die Polytheisten (al-muschrikūn). Diejenigen, die heilige Bücher bereits in der vorislamischen Zeit besessen haben, d. h. die Tora (at-tawrāt) und das Evangelium (al-inǧīl – stets im Singular), sind die sogenannten ahl al-kitāb, die „Schriftbesitzer“. „Die Kinder Israels“ finden nur im Zusammenhang mit der biblischen Geschichte des Judentums Erwähnung, während der Begriff al-yahūd im Koran nur für die Juden von Medina und Umgebung, zu denen Mohammed Kontakte hatte, verwendet wird. Der Koran nennt auch weitere Schriften: die Schriftrollen des Abraham und Moses (ṣuḥuf Ibrāhīm wa-Mūsā), bzw. die „ersten Schriftrollen“ (aṣ-ṣuḥufu ʾl-ūlā), deren Definition aus dem Koran nicht hervorgeht, und die Schriften des David (zabūr Dāwūd = die Psalmen). Über diese Schriften hatte Mohammed offenbar nur vage Vorstellungen, denn konkrete Angaben darüber liefert weder der Koran noch die Koranexegese. Die genannten Religionsgemeinschaften, mit denen er wohl schon vor seinem Wirken als Prophet in Berührung kam, werden nach seiner Berufung zum Propheten im allgemeinen als Ungläubige (gilt auch für Christen und Juden) und - nach ihrer Unterwerfung - in der Jurisprudenz als unter (islamischem) Schutz stehende Gemeinschaften ahl al-dhimma / ‏أهل الذمة ‎ / ahlu ʾl-ḏimma genannt.

Es ist nach der koranischen Lehre allerdings die Aufgabe der muslimischen Gemeinschaft, die Ungläubigen zum Islam aufzurufen; gemäß Sure 16 Vers 125 zunächst mit Worten:

„Ruf (die Menschen) mit Weisheit und einer guten Ermahnung auf den Weg deines Herrn und streite mit ihnen auf eine möglichst gute Art.“

Übersetzung Rudi Paret

Bei Weigerung der Ungläubigen, den Islam anzunehmen, wird ihnen der dhimma-Status in Verbindung mit der Zahlung der Dschizya an die Muslime angeboten. Bei Ablehnung derselben ist es schari'arechtliche Pflicht, die Ungläubigen zu bekämpfen.[2]

Der Jurist und Theologe Ibn Qayyim al-Ǧauziyya (gest. 1350 ) zählt fünf nicht-islamische Gemeinschaften auf: die Juden, die Christen, die Zoroastrier, die Sabier und die Polytheisten. Diese islamische Betrachtungsweise der Außenwelt hat im Koran ihren Ursprung und ist somit weiterhin gültig. In Sure 22, Vers 17 heißt es:

„Zwischen denjenigen, die glauben (d. h. den Muslimen), denjenigen, die dem Judentum angehören, den Sabiern, den Christen, den Zoroastriern und denjenigen, die (dem einen Gott andere Götter) beigesellen, wird Gott am Tage der Auferstehung entscheiden. Er ist über alles Zeuge.“

Übersetzung Rudi Paret

Entsprechend lässt man auch Ibn ʿAbbās sprechen:

„Es gibt sechs Religionen: eine (d.i. der Islam) ist für den Barmherzigen (Gott) bestimmt, die fünf anderen für den Teufel.“

Jedoch ist diese Ansicht nicht koranisch und hat daher keine universelle Gültigkeit.

Ebenfalls umstritten war die Behandlung arabischer Christen, der Banu Taghlib, im Norden der Arabischen Halbinsel; spätesten im Rechtswerk von al-Schafii (al-Šāfiʿī) wird die Tendenz deutlich, diese Religionsgemeinschaften nicht als „Buchbesitzer“ und somit nicht als dhimmis zu behandeln; dort beruft man sich auf eine angeblich schon vom zweiten Kalifen Umar ibn al-Chattab (ʿUmar b. al-Ḫaṭṭāb) erlassene Rechtsnorm, in der es u. a. heißt: „die arabischen Christen gehören nicht zu den Schriftbesitzern (…); ich werde von ihnen solange nicht ablassen, bis sie den Islam annehmen (ḥattā yuslimū) - oder ich schlage ihnen die Köpfe ab!“ Die Rechtslehre hat hierfür dennoch eine mildere Zwischenlösung gefunden; mit Hinweis auf Sure 9, 29 verhängte man auch über die arabischen Christen die dschizya (ǧizya), nur nannte man sie sadaqa (ṣadaqa), ohne ihnen den Status von dhimmis verliehen zu haben.

Rechtsstellung eines Dhimmi in der Schari'a

Die Rechtstellung der Dhimmis war in der islamischen Geschichte nicht einheitlich und hing u.a. vom Herrscher ab.

Der Erlass des Abbasidenkalifen al-Mutawakkil gegen die Dhimmis

  • Gemäß dem Historiker at-Tabari erließ der Abbasidenkalif al-Mutawakkil im April 850 einen Befehl, wonach Christen und alle Schutzbefohlenen honigfarbene Umhänge taylasan und die althergebrachten Gürtel und eine gelbe Kopfbedeckung zu tragen hatten. Kleidervorschriften und weitere Unterscheidungsmerkmale sind allen Gemeinschaften des ahl al-dhimma auferlegt worden.
  • al-Mutawakkil ließ ferner an die Häuser aller Nicht-Muslime schwarze Teufelsköpfe malen und ihre Gräber einebnen, um sie dadurch von den Gräbern der Muslime unterscheiden zu können.
  • Gottesdienste und Beerdigungen sind unauffällig zu halten; dabei sind keine Zeichen ihres Glaubens, z. B. Kreuze, zu zeigen.
  • Gemäß diesem Erlass von al-Mutawakkil mussten neu errichtete Gotteshäuser zerstört werden. Wenn der Platz groß genug war, sollte er als Bauland für eine Moschee verwendet werden.
  • Dhimmis durften in Staatsämtern nicht beschäftigt werden.
  • Kinder von Dhimmis hatten keinen Anspruch darauf, Schulen der Muslime zu besuchen oder von einem Muslim unterrichtet zu werden.[3]

Vergleichbare Vorschriften waren im islamischen Westen bis in die Zeit der Almohaden unbekannt. Der fanatische Almohadenherrscher Yaqub al-Mansur, Abu Yusuf, ordnete kurz vor seinem Tode im Jahre 1198 an, dass die Juden einen dunkelblauen Umhang (burnus) mit einer auffälligen, spitzen Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit zu tragen hatten.

Der französische Orientalist R. Brunschvig vertrat die Ansicht, dass die oben erwähnte almohadische Maßnahme das vierte Laterankonzil im Jahre 1215 veranlasst haben dürfte, den Juden Europas das Tragen eines gelben Zeichens und des Judenhutes aufzuerlegen: siehe: R.Brunschvig: La berbérie orientale sous les Hafsides. Paris 1940. Bd.II. 404.


Siehe auch

Literatur

  • Bat Ye'or: Der Niedergang des orientalischen Christentums unter dem Islam. 7.-20. Jahrhundert. Gräfeling 2002, ISBN 3-935197-19-5
  • Karl Binswanger: Untersuchungen zum Status der Nichtmuslime im Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts. Diss. phil. München 1977, ISBN 3-87828-108-0
  • Mark. R. Cohen: Unter Kreuz und Halbmond. Die Juden im Mittelalter. München 2005, ISBN 3-406-52904-6
  • Nabil Luka Babawi: Les droits et les devoirs des chrétiens dans l'état islamique et leurs conséquences sur la sécurité nationale, thèse de doctorat.
  • Yohanan Friedmann: Classification of Unbelievers in Sunnī Muslim Law and Tradition. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 22 (1998), S. 163–195
  • Ilse Lichtenstaedter: The distinctive dress of non-Muslims in Islamic countries. In: Historia Judaica, 30 (1943), 35-52
  • Mohammad Amin Al-Midani: La question des minorités et le statut des non-musulmans en Islam. In: La religion est-elle un obstacle à l'application des droits de l'homme?. colloque tenu les 10-11 décembre 2004 à Lyon.
  • Pessah Shinar: Some remarks regarding the colours of male Jewish dress in North Africa and their Arabic-Islamic context. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 24/2000, S. 380–395
  • M. Levy-Rubin: Shurut `Umar and its alternatives: the legal debate on the status of the dhimmis. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. 30/2005
  • (The) Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill. Leiden. Bd. 2. S.227 (dhimma)
  • (The) Encyclopaedia of Islam. New Edition. Brill. Leiden. Bd. 7. S.777 (al-Mutawakkil)
  • al-Mausu'a al-fiqhiyya.Bd. 35. S. 14-29 (kufr). Ministerium für Waqf und religiöse Angelegenheiten. Kuwait 1995

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Muhammad Hamidullah: Maǧmūʿat al-waṯāʾiq as-siyāsiyya lil-ʿahdi ʾn-nabawīy wa-ʾl-ḫilāfati ʾr-rāšida. (Sammlung der politischen Dokumente aus der Prophetenzeit und der Zeit des rechtgeleiteten Kalifats). 3. Auflage. Beirut 1969. passim und S. 449: Register der Termini
  2. Zusammengefasst in: al-mausu'a al-fiqhiyya. Bd. 35. S.21
  3. at-Tabari: Taʾrīḫ al-rusul wa-ʾl-mulūk. Bd. 9, 171-172 (Kairo 1967)


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