Kapitaldeckungsprinzip

Kapitaldeckungsprinzip

Das Kapitaldeckungsverfahren ist eine Methode zur Finanzierung von Versicherungen und Sozialversicherungen, speziell der Altersvorsorge, aber auch von Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Arbeitslosenversicherung.

Dabei werden die Sparanteile aus den Beiträgen der Versicherten am Kapitalmarkt angelegt und für jeden einzelnen Versicherten ein Deckungskapital gebildet, das nach dem Ansparende die zu zahlenden Leistungen abdecken soll. Alle laufenden und zukünftigen Ansprüche werden aus diesem individuellen Deckungskapital in entsprechender Höhe bedient.

Die tatsächliche Umsetzung der Kapitaldeckung z. B. bei den privaten Renten- und Kapitallebensversicherungen besteht aus drei Komponenten: Zum einen aus der oben erwähnten Kapitalbildung, einer Gewinnausschüttung an die Leistungsbezieher und einer Umlage der Einzahlungen an die Leistungsbezieher.

Im Unterschied zum Kapitaldeckungsverfahren wird beim Umlageverfahren kein Deckungskapital gebildet, sondern die eingezahlten Versicherungsbeiträge werden sofort wieder an die Leistungsbezieher ausgegeben.

Inhaltsverzeichnis

Eigenschaften des Kapitaldeckungsverfahrens

Beim Kapitaldeckungsverfahren erfolgt eine regelmäßige Anlage eines Geldbetrages zur Bildung eines Deckungsstockes, um die zu einem bestimmten Zeitpunkt fälligen Leistungen gegenüber den Anlegern zu sichern.

Evtl. fehlender (nicht angesparter) Leistungsbedarf wird aus tarifgruppenspezifischen Risikodeckungsrücklagen des Versicherungsunternehmens oder aus Rückversicherungen entnommen. Die am Kapitalmarkt erzielten Erträge werden in Form einer Verzinsung des Deckungskapitals berücksichtigt. Für die Verwaltung der Gelder sowie Absicherung des noch nicht durch Deckungskapital abgedeckten Risikos fallen Kosten an, die von den Beiträgen und den Zinserträgen abgezogen werden. Die Bildung des Deckungskapitals ist gewöhnlich gesetzlich geregelt.

Das Kapitaldeckungsverfahren ist ein Verfahren für Individualversicherungen: Jeder Versicherte wird als eigenes Konto geführt, dessen Höhe ausschließlich durch die eigenen Beiträge bestimmt wird.

Anwendung des Kapitaldeckungsverfahrens

Private Lebensversicherungen benutzen ein Kapitaldeckungsverfahren. Das Deckungskapital wird nach Fälligkeit als einmalige Summe oder als lebenslange Versicherungsleistung ausbezahlt. In der Privaten Krankenversicherung führen nicht mehr ausreichende tarifgruppenspezifische Deckungsrücklagen zu Beitragssteigerungen.

In Deutschland wurden im Zuge der Rentenreform 2001 mit der so genannten Riester-Rente sowie 2005 mit der Rürup-Rente auf Kapitaldeckung beruhende und steuerbegünstigte private Vorsorgeversicherungen eingeführt, die es ermöglichen sollen, durch private Sparleistungen die Kürzung der Renten der Gesetzlichen Rentenversicherungen auszugleichen. Die Gesetzliche Rentenversicherung nutzt das Umlageverfahren.

Geschichte

Die von Otto von Bismarck 1883 erstmalig eingeführte Krankenversicherung basierte auf diesem Prinzip, ebenso die folgenden Rentenversicherungen, heute durch weitere gesetzliche Versicherungen wie die Arbeitslosenversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung (einer staatlichen Zwangsversicherung) zusammengefasst.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden die Reserven der Rentenversicherung durch die darauf folgende Hyperinflation weitgehend entwertet. So war das Reinvermögen der Deutschen Rentenbank von 2,12 Mrd. Mark (im Jahre 1914) binnen eines Jahrzehnts auf einen Rest von nur noch 14,6 % der Summe zusammengeschmolzen. Das im Abschnitt „Risiken“ geschilderte Risiko des Kapitalverlustes war eingetreten. Als Reaktion darauf begann man, in gewissem Umfang Rentenzahlungen aus eingehenden Beiträgen (d. h. nach dem Umlageverfahren) zu finanzieren, und der Staat half mit Steuermitteln aus. Dennoch waren massive Leistungskürzungen unvermeidlich.

Auch nach dem zweiten Weltkrieg war der Kapitalstock der Rentenversicherung erneut weitgehend vernichtet. Da in Folge der Vertreibungen und des Lastenausgleichs der überwiegende Teil des privaten Kapitals vernichtet war, kam es zu massiver Altersarmut.

Zusätzlich bestand das Problem der Versorgung der Kriegsveteranen, die natürlich auch zu einem großen Teil politischen Einfluss ausübten; sie standen im zerstörten Deutschland vor dem Nichts. Im Jahr 1956 wurde die deutsche gesetzliche Rentenversicherung auf die Basis des Umlageverfahrens gestellt. Hierdurch wurde es möglich, die ökonomische Situation der Rentner schlagartig zu verbessern. Das Restkapital der Versicherung wurde in den Folgejahren verzehrt. Bedingt durch den folgenden wirtschaftlichen Aufschwung und den Anstieg der Bevölkerung verstummten die Kritiker, die einen Wiederaufbau des Kapitalstocks forderten in den Folgejahren. Seit dem Pillenknick wurden in Fachkreisen die wachsenden Risiken der Rentenversicherung diskutiert. Erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde jedoch damit begonnen mittels der Riester-Rente eine kapitalgedeckte Säule der Rentenversicherung wieder aufzubauen.

Kapitaldeckungsverfahren in der Diskussion

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Während bei privaten Versicherungen ausschließlich das Kapitaldeckungsverfahren Anwendung findet, ist die Frage, ob Sozialversicherungen (Rentenversicherung, Pflegeversicherung und Krankenversicherung) im Kapitaldeckungsverfahren oder Umlageverfahren arbeiten sollen, politisch umstritten.

Umstellungseffekte

Vielfach wird vermutet, dass durch den Wechsel vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung eine Entlastung der zukünftigen Beitragszahler erreichbar sei. Die zentrale Frage dabei sei, ob die Last eines zukünftigen „Rentnerberges” durch die Bildung eines Kapitalstocks gemildert werden kann, ohne dass – wie im Umlageverfahren – die Beiträge erhöht oder die Renten gesenkt werden müssten.

Bei einer Umstellung vom Umlageverfahren in das Kapitaldeckungsverfahren würde eine Generation von Versicherten doppelt belastet werden. Neben den weiterhin notwendigen Leistungen, um die bereits (im Umlageverfahren) erworbenen Ansprüche der Leistungsempfänger zu bezahlen, müssten sie einen Beitrag zum Aufbau eines Kapitalstocks leisten, von dem sie künftig ihre Leistungen erhalten werden [1]. Aus diesem Grund könne eine Umstellung vom Umlageverfahren nur über einen langen Zeitraum erfolgen, um diese Belastung in akzeptabler Höhe zu halten.

Eine andere These des Ökonomen Johann Eekhoff besagt, dass die Umstellung schlagartig erfolgen soll. In der Pflegeversicherung ist es möglich, durch Umstellung auf Kapitaldeckung, einen monatlichen Beitrag von maximal 50€ zu garantieren, während die Defizite aus Steuermitteln getragen werden. Selbstverständlich sind die Belastungen in den ersten Jahren nach der Umstellung groß, jedoch bringen zukünftige Pflegefälle bereits einen kleinen Kapitalstock mit, sodass die Belastungen des Steuerhaushaltes immer weiter abnehmen.

Der umgekehrte Effekt trat bei der Einführung des Umlageverfahrens ein. Die erste Generation von Versicherten erhielt Leistungen, obwohl sie nichts oder wenig eingezahlt hatte. Hierbei wird auch von Einführungsgewinnen gesprochen.

Mackenroth-These

Bei der Diskussion um die Vor- und Nachteile des Kapitaldeckungsverfahrens gegenüber dem Umlageverfahren wird häufig auch die Mackenroth These diskutiert.

Siehe Hauptartikel Mackenroth-These

Risiko von Kapitalverlusten

Das Kapitaldeckungsverfahren ist nicht gegen Katastrophen gesichert. Der Übergang zum Kapitaldeckungsverfahren erhöhe letztlich auch nicht die ökonomische Sicherheit zukünftiger Rentnergenerationen, stellt also aus Sicht der Gegner und Kritiker aufgrund der damit verbundenen gesamtwirtschaftlichen Risiken keine Lösung der demographisch bedingten Probleme dar.

Befürworter einer Kapitaldeckung halten dem entgegen: Selbst im schlimmsten anzunehmenden Fall, der völligen Entwertung des Sparkapitals durch Krieg, Inflation oder Wirtschaftskrise, ist ein Umstieg vom Kapitaldeckungsverfahren auf das Umlageverfahren jederzeit möglich. Dies wurde in Deutschland Mitte der 50er Jahre bei der gesetzlichen Rente so praktiziert. Die Sicherheit der Kapitaldeckungsverfahrens ist also mindestens so hoch, wie die des Umlageverfahrens. Zu bedenken ist allerdings, dass in diesem Fall die durch Ersparnisse erworbenen Ansprüche vollständig entwertet werden.

Demographie

Das Umlageverfahren führt bei einer relativen Abnahme der (sozialversicherungspflichtigen) erwerbstätigen Bevölkerung zur Anzahl der anspruchsberechtigten Menschen im Rentenalter zwingend zu höheren Beiträgen oder sinkenden Leistungen. Dies ist beim Kapitaldeckungsverfahren nicht der Fall, da es sich um die Auszahlung der individuellen Kapitalien handelt.

Die Vorteile des Kapitaldeckungsverfahren sind aus Sicht der Befürworter:

  • Das Kapitaldeckungsverfahren sei aufgrund weltweiter Kapitalmärkte weniger abhängig von der nationalen demografischen Entwicklung.
  • Jeder Beitragszahler spare für seine eigene Rente, die durch Zinseszins-Effekt (außer bei Wertverfall) höher ausfällt als ein bloßes Äquivalent der eingezahlten Beiträge, was beim derzeitigen „dynamisierten“ (lohnzuwachsabhängigen) Umlageverfahren nur im Falle steigender Löhne der Fall ist.
  • Jeder könne sein Renteneintrittsalter individuell bestimmen.
  • Es zeichnet sich durch hohe volkswirtschaftliche Zuverlässigkeit aus, solange der Wert des Kapitalstocks erhalten bleibt, da die intensive Sparleistung der Anleger im Hinblick auf zukünftige Absicherung mit hoher Motivation erfolgt.

Bildung des Kapitalstocks

Nach Ansicht der Kritiker verursacht bereits die Bildung eines Kapitalfonds gesamtwirtschaftliche Probleme. Bei schrumpfender Bevölkerung sei über einen längeren Zeitraum hinweg ein Anstieg der volkswirtschaftlichen Spar- und Investitionsquote erforderlich, wenn die Versorgung der zukünftigen starken Rentnerjahrgänge aus einem zusätzlichen Wachstum erfolgen soll. Der Versuch, gesamtwirtschaftlich vermehrt zu sparen, könne jedoch misslingen. Er sei nicht nur mit einer Doppelbelastung der Beitragszahler in der Übergangsphase, sondern auch mit einem Rückgang der Konsumgüternachfrage verbunden, der nicht ohne weiteres durch mehr Investitionen kompensiert werde. Zwar führen die höheren geplanten Ersparnisse möglicherweise zu Zinssenkungen, doch dürfte dieser Investitionen anregende Effekt die nachfragebedingte Verschlechterung der Absatzchancen kaum wettmachen. Per saldo sei daher ein Rückgang der Unternehmergewinne zu erwarten, wenn es nicht sogar zu Produktions- und Beschäftigungsverlusten komme. Beides sei kaum geeignet, die Investitionstätigkeit zu beleben; eher schon könnte ein Investitionsrückgang und damit das Gegenteil der erhofften Wirkungen eintreten. Im übrigen würden Zinssenkungen auch die Renditen im Kapitaldeckungsverfahren beeinträchtigen.

Selbst wenn die Bildung eines Kapitalfonds ohne erhebliche Wachstumsverluste möglich wäre, bleibe dessen zukünftige Entlastungswirkung ungewiss. Bei steigender Rentnerzahl sei eine Teilauflösung erforderlich, die das Kapitalmarktangebot erhöhe und den Wert des Fonds möglicherweise stark reduziere. Durch Entsparen steige zudem die Konsumgüternachfrage. Bei Vollbeschäftigung ergeben sich Preissteigerungen, d. h. die Erwerbstätigen werden zu einem realen Konsumverzicht über höhere Preise statt über höhere Beiträge gezwungen. Auch trüge der Inflationsprozess zu einer weiteren Entwertung des Kapitalstocks bei.

Befürworter weisen vor allem auf die Möglichkeit der Anlage des Kapitals im Ausland hin. Weiterhin führt eine verstärkte Kapitalbildung tendenziell zu einem sinkenden Zinsniveau und damit zu besseren Wachstumschancen der Wirtschaft.

Staaten mit Kapitaldeckungsverfahren

Literatur

Belege

  1. Ribhegge, S. 135

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