Kartonmodellschiffe

Kartonmodellschiffe

Ein Kartonmodellschiff ist die verkleinerte Darstellung eines Schiffes aus dem Material Karton. Diese verkleinerte Darstellung geschieht in vielen unterschiedlichen Maßstäben. In Deutschland ist 1:250 am gebräuchlichsten.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Schiffe wurden von alters her auch als Modelle gebaut. So findet man schon in altägyptischen Gräbern Schiffsmodelle aus Ton. Holz, Elfenbein und verschiedene Metalle galten viele hundert Jahre lang als Werkstoffe für den Schiffsmodellbau. Diese Stoffe waren zum Teil sehr kostbar und konnten nur durch Experten bearbeiten werden. So konnten sich Schiffsmodelle eigentlich nur die Reichen leisten. Erst mit dem Einsatz von Karton als Werkstoff konnte eine weite Verbreitung von Schiffsmodellen erfolgen.

Der Kartonmodellbau allgemein hat einen lange Geschichte. Die Entwicklung von Modellschiffen aus Karton geht in Deutschland hauptsächlich mit der maritimen Begeisterung Kaiser Wilhelm II. einher. Dieser sah Deutschlands Zukunft auf dem Meer. Reiche Familien konnten ihren Kindern teuere Metallschiffsmodelle kaufen. Für die nicht so begüterten Schichten bot sich der billigere Karton als Werkstoff an.

Viele Verlage gaben in den letzten 130 Jahren Kartonmodellschiffe heraus. Eine herausragende Rolle spielte dabei der Schreiber-Verlag in Esslingen, der spätestens seit 1877 Modellbaubogen, meistens als Spielzeug gedacht, herausgab. Dieser Makel, Schiffsmodelle seien eher Spielzeug als ernsthafte Modelle, blieb am Kartommodellschiffbau lange haften.

In den letzten Jahren hat das Interesse an Kartonschiffmodellen stark zugenommen. Dies hat zur Folge, dass immer mehr Anbieter von Modellen auf den Markt drängen.

Wichtige Verlage

Schreiber Verlag

Die Bögen von Schreiber variierten und variieren bis heute in den Maßstäben von 1:5o über 1:200 bis 1: 400. Das bisher größte Schiffsmodell dieses Verlages ist die „Imperator“ aus dem Jahr 1914.

Anlässlich der ersten großen Kartonmodellschiffausstellung 1989 wies Dr. Stölting vom Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven nach, dass die Detailfreudigkeit eines Modells je nach der politischen Lage variiert. In (außen)politisch turbulenten Zeiten wurden nur sehr einfache Modelle gedruckt, praktisch als eine Art Propaganda, während in ruhigeren Zeiten die Konstruktionen wesentlich detailreicher wurden.

Nach dem Kriegsende von 1945 nahm der Schreiber Verlag schon Ende der 40er Jahre den Vertrieb von neuen Modellen auf. Ein Glanzstück stellt die schwimmfähige „Bremen“ (1:200) von 1959 dar. Damit knüpfte Schreiber an die Vollrumpfmodelle der Vorkriegszeit an. Schreiber produziert heute keine Kriegsschiffmodelle und legt auch keine Reprints auf.

Lehrmittelinstitut / Möwe Verlag

In den frühen 1950er Jahren begann in Wilhelmshaven das Lehrmittelinstitut (LI) mit der Edition der später sehr bekannten "Wilhelmshavener Modellbaubögen". Während Schreiber nach dem Kriege an Marineschiffen nur noch ein U-Boot und den Flugzeugträger „Graf Zeppelin“ herausgab und ansonsten auf Militaria verzichtet, konstruierte das Lehrmittelinstitut als eines seiner ersten Modelle im Juni 1956 die „Bismarck“ und andere Einheiten der Kriegsmarine. Mitte 1956 entstanden Modellbaubögen der zivilen Schiffe „Santa Teresa“ und „Hamburg“.

Das LI entwickelte mit dem Wasserlinienmodell die für deutsche Kartonmodellschiffe häufigste Bautechnik. Diese hatte typischerweise auf einem Grundriss-Schnitt in Höhe der Wasserlinie einen Längsspant-Aufbau mit eingesteckten Querspanten. Besonders breite Schiffsmodelle hatten doppelte Längsspanten. Ein Vollrumpfmodell wurde, bis auf ein VII c U-Boot der deutschen Kriegsmarine bisher noch nicht entwickelt.

Die Modelle des LI sind überwiegend im Maßstab 1:250 konstruiert, um sie vergleichen zu können. Zugleich wurde ein differenzierter Liniencode eingeführt. Ab Ende 1957 wurden die Schiffe detailreicher. Ausgangs der 1950er-Jahre versuchte man sich im LI auch mit dem Maßstab 1:500. Bis Anfang der 1960er-Jahre blieb das LI der führende Kartonschiffmodellverlag nicht nur in Deutschland. Die größten Modelle stellen die Flugzeugträger „Forrestal“ und „Nimitz“ dar.

Das LI gab auch von 1957 bis in die frühen 60er-Jahre die Modellzeitschrift „Möwe“ heraus. Diese erscheint seit 1991 erneut – bis heute. Nach der Schließung des LI erschienen die "Wilhelmshavener Modellbaubögen" zunächst im JADE-VERLAG Pangerl & Co, ab ca. 1990 im Möwe-Verlag S.Wolter & Co.

Verlag Junge Welt

Auf der östlichen Seite der innerdeutschen Grenze wurden Kartonmodellschiffe im Verlag Junge Welt veröffentlicht. Diese Schiffe machten ebenfalls eine Entwicklung von einfach konstruierten bis detailfreudigeren Schiffen durch. Zu nennen wären da die Fähre „Stralsund“ (1:200) oder Atomeisbrecher „Lenin“ (1:200). Diese Modelle aus der DDR sind im Maßstab 1: 200 oder 1: 500 konstruiert.

Alster Verlag, Hamburg

Der Tiefpunkt des Kartonmodellschiffbaues ab der Mitte der 60er-Jahre dauerte bis etwa Ende der 80er-Jahre. Zwar versuchte der Architekt Peter Brandt im Alsterverlag, Hamburg 1977 mit der „Peter Pan“ und der „Hamlet“ einen Neubeginn (alle Modelle in 1:250), aber die Zeit für einen Neustart war noch nicht reif.

Deutsches Schifffahrtsmuseum

Ein fulminanter Neubeginn gelang erst dem Deutschen Schifffahrtsmuseum unter Dr. Stölting mit der überaus erfolgreichen Ausstellung „Schiffe aus Karton“ im Jahr 1989. Seit dieser Zeit veröffentlicht das DSM Modelle in den verschiedensten Maßstäben und Schwierigkeitsgraden. Zu nennen wäre als anspruchsvolleres Modell der Bergungsschlepper „Seefalke“ in 1:100 oder in 1:50 eine Hansekogge.

Hamburger Modellbaubogen Verlag (HMV)

Als erster Verlag etablierte sich auf der neuen Modellbauwelle der Hamburger Modellbaubogen Verlag, der mit der Panzerkorvette „S.M.S. Sachsen“ von Peter Brandt 1993 modellbautechnisch gesehen Neuland betrat. HMV steht im Maßstab und Liniencodierung in der Tradition des Wilhelmshavener Lehrmittelinstitutes (heute Möwe Verlag). Musste man die Modelle früher oft selber Supern und Einzelheiten anfertigen, werden von HMV bis in die letzten Details durchkonstruierte Modelle angeboten. Sogar Innenräume werden dargestellt oder Schnittmodelle veröffentlicht so z. B. die „Bremen“ von 1929. Spätestens mit den Modellen des HMV kann beim Kartonmodellschiffbau nicht mehr von Spielzeug oder von Modellschiffchen sprechen. Schiffsmodelle dieser Qualität erfordern die Kenntnisse von Experten. Der Kleine Kreuzer „Undine“ der Kaiserlichen Marine wurde als erstes Modell dieses Verlages mit einem Unterwasserschiff versehen. Das bisher aufwändigste Modell stellt die „Bismarck“ dar. Der HMV offerierte als erster Verlag überhaupt Fotoätzteile zum Supern, da manche Bauteile wie Relinge aus Karton nur schwer originalgetrau dargestellt werden können.

Passat-Verlag

Kurz nach der Gründung von HMV eröffnete ein ehemaliger Mitarbeiter des Möwe-Verlags den Passat Verlag, der ebenfalls im Maßstab 1: 250 Modelle anbietet. Dieser Verlag veröffentlicht nur einen Modellbogen pro Jahr, der aber sehr detailliert ist. Zu nennen ist das Segelschiff „Passat“, das dem Verlag den Namen gegeben hat.

cfm, München

Der in München ansässige cfm-Verlag lässt sein Schiffsmodelle im Maßstab 1:250 überwiegend von polnischen Konstrukteuren zeichnen. Weiterhin gibt cfm Kranich-Modelle aus der ehemaligen DDR nun im Maßstab 1:250 als Reprint heraus, so den schon oben erwähnten Eisbrecher „Lenin“. Als ein Glanzlicht gilt der Schwere Kreuzer „Prinz Eugen“, der sehr reich detailliert wurde aber in der ersten Auflage auf einem zu kleinen Rumpf gebaut wurde. Die zweite Auflage hat diesen Fehler behoben.

Mitteldeutscher Kartonmodell-Verlag, Berlin

Schiffe, aber auch Gebäude oder anderes technische Gerät aus der DDR betreut der Mitteldeutsche Kartonmodell-Verlag in Berlin. Die Schiffsmodelle sind in 1:250 gezeichnet, so zum Beispiel die „Greif“ ehemals „Wilhelm Pieck“. Die Modelle dieses Verlages sprechen den Betrachter an und richten sich an Modellbauer, die sich nicht mit 7000 oder mehr Einzelteilen für ein Modell herumschlagen wollen oder können. Die Kartonstärke ist etwas dicker als bei Möwe oder HMV.

Weitere Verlage

Recht interessant gestaltet sich das Angebot von Conysmodellbau aus Berlin, der im Selbstverlag Ostseefähren herausgibt wie die „Deutschland“ aus den 30er Jahren. Die Modelle können in 1:250 oder in 1:160 geliefert werden. Häuser und Bahnhofe gibt es ebenfalls.

JSC, GPM, D. Hathaway, Waldon, Scaldis

Deutschland gilt neben Polen als das führende Land des Kartonmodellbaues.

Wichtigste polnische Verlage sind JSC und GPM, die ihre Modelle in 1:250, aber auch in 1:200 und 1:400 anbieten. Meistens besteht deren Sortiment aus Kriegsschiffen verschiedenster Nationen. So findet man viele japanische Kriegsschiffe. Unter dem Namen „Scaldis“ offeriert JSC Modelle niederländischer Herkunft.

Kartonmodellschiffe kann man auch als kostenlose Downloads mancher Kleinverlage wie D. Hathaway oder Walden beziehen. Die letztgenannten Verlage bieten ausgezeichnet detaillierte und authentische Modelle. D. Hathaway stammt aus Großbritannien und Walden ist ein Verlag in den Vereinigten Staaten. Ebenfalls aus den USA stammt die Gratisreihe „Civil War Buff's Historic Paper Models“. Es sind bisher 7 Modelle von Schiffen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg erschienen.

Literatur

  • Siegfried Stölting:(Hrsg.): Schiffe aus Papier: Kartonmodellbau heute. Hauschild Verlag, Bremen 2005 ISBN 3-89757-280-X
  • Arbeitskreis Geschichte des Kartonmodellbaues (AGK) e. V.: Zur Geschichte des Kartonmodellbaues.
  • Möwe Mitteilungsblatt des LI/Möweverlags, WHV

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