Katja Mann

Katja Mann
Katia Mann, 1905

Katia Mann (geborene Katharina Hedwig Pringsheim; * 24. Juli 1883 in Feldafing bei München; † 25. April 1980 in Kilchberg bei Zürich) war die Ehefrau des deutschen Schriftstellers Thomas Mann und Mutter von Erika, Klaus, Golo, Monika und Michael Mann sowie Elisabeth Mann-Borgese. Als jüngstes Kind und einzige Tochter des Mathematikprofessors Alfred Pringsheim und der ehemaligen Schauspielerin Hedwig Pringsheim wuchs sie in äußerst wohlhabenden und liberalen Verhältnissen auf. In Thomas Manns Werken findet sich in mehreren Figuren ein starker Bezug zur Person Katia Mann; darüber hinaus inspirierte sie ihn zu dem Roman Der Zauberberg von 1924 und der Erzählung Die Betrogene von 1953.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Katharina Pringsheim (genannt Katia, spätere Mann) war das jüngste Kind und neben den vier Söhnen Erik (1879–1908), Peter (1881–1963), Heinz (1882–1974) und ihrem Zwillingsbruder Klaus (1883–1972), die einzige Tochter des Mathematikprofessors Alfred Pringsheim und seiner Ehefrau Hedwig Pringsheim. Ihr Vater stammte aus der reichen schlesischen Kaufmannsfamilie Pringsheim, und ihre Mutter war eine Tochter der bekannten Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, geborene Schleh (eigentlich Schlesinger). Die Familie ihres Großvaters Ernst Dohm hatte ebenfalls in Schlesien ihre Wurzeln und war wie die Familien Pringsheim und Schleh jüdischer Herkunft. Die Berliner Fabrikantenfamilie Schleh war jedoch bereits 1817 und die Kaufmannsfamilie Dohm 1827 zum evangelischen Glauben konvertiert. Katias Vater war Jude, bezeichnete sich selbst aber als konfessionslos und ließ alle seine Kinder evangelisch taufen. Er und seine Nachkommen galten dennoch in Zeiten des Nationalsozialismus als Juden und wurden deshalb im Dritten Reich verfolgt.

Alle Geschwister Katia Pringsheims ergriffen akademische Berufe. Ihr Zwillingsbruder Klaus war unter anderem als Professor für Komposition in Japan tätig. Peter Pringsheim machte sich als Professor für Physik einen Namen, und Heinz war ein promovierter Archäologe, der später ebenfalls erfolgreich ins Musikfach wechselte. Erik, der Erstgeborene und Jurist, fiel aufgrund seines verschwenderischen Lebenswandels bei seinem Vater in Ungnade und starb, nur 29-jährig, unter mysteriösen Umständen in Argentinien.

Leben

Kindheit und Jugend

Palais Pringsheim in der Arcisstraße

Katia Pringsheim und ihre Geschwister wuchsen in äußerst wohlhabenden und liberalen Verhältnissen auf. Die Münchner Villa in der Arcisstraße 12, in der die Familie ab 1890 wohnte, hatte eine Fläche von 1500 Quadratmetern und verfügte neben Dienstbotentrakt, Musiksaal und Bibliothek über Elektrizität, was für damalige Privathäuser selten war. Die Villa galt bis Ende der 1920er Jahre als ein gesellschaftlicher Mittelpunkt Münchens. Zu den Dauergästen gehörten neben bekannten Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft wie Walther Rathenau und Franziska zu Reventlow auch kulturelle Größen wie Else Lasker-Schüler und Hugo von Hofmannsthal. Regelmäßig wurde zu verschiedenen Anlässen dorthin eingeladen, und schon früh nahmen die Pringsheim-Kinder teil. Ihr Auftritt bei einem Kostümball wurde von Friedrich August von Kaulbach in dem Bild Kinderkarneval festgehalten. Thomas Mann besaß eine Reproduktion des Bildes, bevor er Katia kennenlernte. Die als auffallend hübsch beschriebene Katia wurde zudem von Franz von Lenbach porträtiert.

Friedrich August von Kaulbach: Kinderkarneval aus dem Jahr 1888, links Katia Pringsheim

Hohe Anforderungen stellten die Eltern an die schulische Ausbildung ihrer Kinder. Während ihre Brüder das Gymnasium besuchten, erhielt Katia Pringsheim ab dem siebten Lebensjahr Privatunterricht und legte 1901 als erste Frau das Abitur in München ab. Frauen waren bis dahin von der staatlichen Abiturprüfung ausgeschlossen, und Katia musste als sogenannte Privatstudierende ein Vorexamen ablegen, um an der Prüfung des Münchener Königlichen Wilhelms-Gymnasium teilnehmen zu können. Von der Münchener Universität, an der ihr Vater lehrte, wurde ihr auf Antrag die Erlaubnis erteilt, Vorlesungen zu besuchen. Erst ab 1903 war Frauen in Bayern, und damit auch ihr, ein reguläres Studium möglich. Katia Pringsheim gehörte zu den ersten sogenannten aktiven Studentinnen und interessierte sich hauptsächlich für die naturwissenschaftlich-mathematischen Fächer, hörte jedoch auch Vorlesungen in Philosophie.

Einband der einbändigen Ausgabe der Buddenbrooks, 1904

Im Frühjahr 1904 lernte sie durch Vermittlung der gemeinsamen Bekannten Elsa Bernstein den sieben Jahre älteren Thomas Mann kennen. Thomas Mann gab später in einem Briefwechsel mit seinem Bruder Heinrich Mann offen zu, dass er „[…] in Wort und That eine unglaubliche Initiative an den Tag gelegt […]“ habe[1], Katia Pringsheim für sich einzunehmen. Dass bei seinem Interesse auch Katia Pringsheims familiärer Hintergrund eine Rolle spielte, gilt als sehr wahrscheinlich. In dem Roman Königliche Hoheit von 1909 beschreibt er mit starkem autobiographischen Bezug diese Phase. Katia Pringsheim reagierte zunächst abweisend. „Ich war […] nicht so sehr enthusiasmiert […] ich war zwanzig und fühlte mich sehr wohl und lustig in meiner Haut, auch mit dem Studium, mit den Brüdern, dem Tennisklub und allem, war sehr zufrieden und wußte eigentlich nicht, warum ich nun schon so schnell weg sollte.“[2] Auch ihre Familie stand Thomas Mann skeptisch gegenüber. Dieser hatte zwar als Schriftsteller mit seinem 1901 veröffentlichen Debütroman Buddenbrooks erste Erfolge vorzuweisen, ihr Vater wünschte sich jedoch für seine Tochter einen Ehemann mit einem bürgerlich solideren Beruf. Keine Rolle für diese zweifelnde Haltung dürften jedoch Thomas Manns homoerotische Neigungen gespielt haben, über die erst später mit Erscheinen seiner Novelle Tod in Venedig öffentlich spekuliert wurde.

Katia Pringsheim willigte schließlich im November 1904 in die Ehe ein. Das Paar heiratete am 11. Februar 1905 standesamtlich in München.

Ehe

Erste Jahre

Kulisse der Mann-Villa Poschi auf dem Bavaria-Filmgelände in München

Katia und Thomas Mann bezogen nicht weit von Katias Elternhaus eine Etagenwohnung, die Alfred Pringsheim ihnen eingerichtet hatte. Bereits im November 1905 kam die Tochter Erika zur Welt. Innerhalb von fünfzehn Jahren wurden die sechs Kinder, Erika (1905–1969), Klaus (1906–1949), Golo (1909–1994), Monika (1910–1992), Elisabeth (1918–2002) und Michael (1919–1977) geboren. 1907 hatten sich Thomas Manns Einkünfte bereits soweit verbessert, dass man neben der Stadtwohnung in München ein Wochenendhaus in der Nähe von Bad Tölz bauen konnte. Um den Lebensunterhalt für seine stetig wachsende Familie finanzieren zu können, ging Thomas Mann regelmäßig auf längere Lesereisen. Ab 1910 lebte die Familie Mann in der Mauerkircher Straße 13 in zwei miteinander verbundenen Vierzimmer-Wohnungen, um die inzwischen sechsköpfige Familie und die vier Bediensteten unterzubringen. Erst 1914 zog die Familie Mann in ihr Poschi genanntes Haus in der Poschingerstraße 1 am Herzogpark. Es mangelte nicht an Dienstpersonal wie Köchin, Stubenmädchen, Kinderfräulein und später auch ein Chauffeur.[3]

Davos um 1915

Im Sommer 1911 bekam Katia Mann Lungenbeschwerden und ging 1912 mit der Diagnose "geschlossene Tuberkulose" zur Kur nach Davos. Tatsächlich dürften ihre Beschwerden anderen Ursprungs gewesen sein, denn später angefertigte Röntgenbilder zeigten, dass sie nie an Tuberkulose erkrankt gewesen sein konnte. In den folgenden Jahren wiederholten sich regelmäßig und oft monatelang ihre Sanatoriumsaufenthalte im Hochgebirge. Ihre Briefe aus Davos und Arosa inspirierten Mann zu seinem Roman Der Zauberberg. Ihre Kinder blieben währenddessen in München und wurden von Kindermädchen betreut. Klaus Mann über diese Zeit: „In solchen Monaten und halben Jahren herrschten die launischen Damen fast unumschränkt über uns, da unser Vater, wenngleich sehend, nichts von […] erzieherische[m] Furor an sich hatte.“[4]

Ob es sich bei Katia Manns Beschwerden um eine psychosomatische Erkrankung handelte, wie viele es vermuten, ist nicht abschließend geklärt. Dass sie aber in Haushalts- und Erziehungsfragen auf sich allein gestellt war, was eine Überlastung nahelegt, wird aus diversen Quellen deutlich. So hieß es am Ende des Schuljahres 1916/1917 in Klaus Manns Zeugnis: „Der Vater, der Schriftsteller Thomas Mann, erkundigte sich nie nach seinem Sohn, dagegen wiederholt die Mutter, der anscheinend die ganze Erziehung der Kinder obliegt“ und Katia Manns Mutter sollte schon 1906 über den Schwiegersohn geäußert haben, dass er „ein rechter Pimperling“ sei, der „nicht viel verträgt.“[5] Katia Mann sorgte für die gewünschte Stille im Haus und „Wurde draußen im Garten Wäsche aufgehängt, so schloß er die Fenster des Arbeitszimmers und zog die Vorhänge zu.“[6]

Erster Weltkrieg und Weimarer Republik

Den Ersten Weltkrieg erlebte Katia Mann mit ihrer Familie in München. Thomas Mann war für den Kriegsdienst zwar für untauglich erklärt worden, aber seine Einnahmen waren rückläufig, weshalb Hauspersonal entlassen werden musste. Das Landhaus in Bad Tölz wurde 1917 gegen eine Kriegsanleihe veräußert.

Die Sommervilla in Bad Tölz, Foto aus dem Jahr 2004

Um während der Kriegsjahre die Familie mit genügend Lebensmitteln und Kohle zu versorgen, war sie oft stundenlang in München unterwegs. Auch die Nachkriegsjahre wurden mit immerhin nun sechs Kindern aufgrund der allgemeinen Wirtschafts- und Versorgungslage zunächst nicht einfacher. Thomas Mann hatte sich während des Krieges mit seinem Essay Gedanken im Krieg deutschnational geäußert und sich aus diesem Grund mit seinem Bruder Heinrich überworfen. Sein Einkommen, insbesondere die Einnahmen aus ausländischen Buchverkäufen, ermöglichten der Familie weiterhin einen vergleichsweise guten Lebensstandard. Katia Mann jedoch beklagte während eines weiteren Kuraufenthaltes „Ich habe hier soviel Zeit zum Nachdenken, und da denke ich doch manchmal, daß ich mein Leben nicht ganz richtig eingestellt habe, und daß es nicht gut war, es so ausschließlich auf Dich und die Kinder zu stellen.“[7]

Die schulischen Leistungen der Kinder entsprachen nicht den Erwartungen. Bis auf Elisabeth mussten alle vor dem Abitur die öffentlichen Gymnasien verlassen und wechselten auf Privatschulen, oftmals Internate. 1923 brach Klaus die Schule ganz ab und wurde zunächst Theaterkritiker. Auch Erika schlug nicht die gewünschte akademische Laufbahn ein, sondern begann 1924 nach dem nur mühsam bestandenen Abitur eine Schauspielausbildung. 1926 heiratete sie den Schauspielkollegen Gustaf Gründgens, allerdings hielt die Ehe nur bis 1929.

Katia Mann begleitete Thomas Mann in dieser Zeit regelmäßig auf offiziellen Reisen. Bereits 1920 war ihm von der Universität Bonn die Ehrendoktorwürde verliehen worden, 1926 ernannte ihn der Lübecker Senat zum Professor, und 1929 erhielt er den Nobelpreis für Literatur für sein Werk Buddenbrooks.

Machtübernahme Hitlers und Schweizer Exil

Thomas Mann im Jahr 1937, Foto von Carl van Vechten

Von der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 erfuhren sie während einer Erholungsreise in Arosa. Thomas Mann hatte sich mit seinem Appell an die Vernunft, einer Rede, die er 1930 im Berliner Beethovensaal hielt, gegen den Nationalsozialismus gewandt, und auch Erika und Klaus hatten sich noch im Januar 1933 bei der Premiere ihres politischen Kabaretts Die Pfeffermühle als im Sinne der Nationalsozialisten deutschlandfeindlich gezeigt. Um einer Verhaftung zu entgehen, mussten die Ensemblemitglieder untertauchen. Erika und Klaus Mann warnten ihre Eltern brieflich und telefonisch vor einer Rückkehr nach Deutschland. Klaus Mann fuhr am 13. März nach Paris, während Erika die Joseph-Manuskripte ihres Vaters zusammenraffte und in die Schweiz abreiste, wo sie Thomas Mann die aus dem Elternhaus in München geretteten Manuskripte übergab. [8] Das Haus in München wurde noch im selben Jahr enteignet und gegen Thomas Mann ein Schutzhaftbefehl erlassen.

Als Zufluchtsort hatten Thomas und Katia Mann sich zunächst für Sanary-sur-Mer in Südfrankreich entschieden, bis sie sich schließlich im Schweizer Küsnacht für die nächsten fünf Jahre niederließen. Außer Klaus, der in Amsterdam an der Gründung der Zeitschrift Die Sammlung arbeitete, hatte sich dort inzwischen die gesamte Familie versammelt. Ein Teil ihres Hausrats war über Umwege in die Schweiz geschafft worden, und dank Vermögenseinlagen im Ausland war die Existenzgrundlage weiterhin gesichert. Thomas Mann nahm 1934 seine Lesereisen wieder auf, und Katia Mann reiste mit ihm mehrmals in die USA. 1936 wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, und bis auf Erika, die in zweiter Ehe 1935 den englischen Lyriker Wystan Hugh Auden geheiratet hatte, waren die Mitglieder der Familie Mann dank guter Beziehungen zu Präsident Edvard Beneš nun tschechische Staatsbürger. Für beide war die Aberkennung ein schwerer Schlag, doch mehr noch setzten Katia Mann familiäre Schwierigkeiten zu. Erika, Klaus und auch Michael hatten bereits zu dieser Zeit Alkohol- und Drogenprobleme, Monika litt an Depressionen und schrieb Katia „fatale“ Briefe[9], wie Thomas Mann in seinem Tagebuch vermerkte. 1938 kam Klaus zur Entziehungskur nach Zürich, da sein Drogenkonsum außer Kontrolle geraten war.

Amerikanische Jahre

Princeton University

Im März 1938 waren die deutschen Truppen in Österreich einmarschiert. Die Situation jüdischer Flüchtlinge hatte sich auch innerhalb der Schweiz verschärft, und auf ein verkürztes Einbürgerungsverfahren bestand trotz Thomas Manns Prominenz kaum Hoffnung. In dieser unsicheren Lage bot ein von Thomas Manns vermögender Gönnerin Agnes E. Meyer vermittelter Lehrauftrag der Princeton University die Möglichkeit, Europa zu verlassen. Am 17. September 1938 schifften sich Katia und Thomas Mann mit Elisabeth in Southampton auf dem Dampfer Nieuwe Amsterdam Richtung USA ein und wurden dort begeistert empfangen. „Erschütternd war der Empfang […] wir haben so etwas noch nie erlebt. Es ist ja gewissermaßen ein Glück hier in Sicherheit zu sein, aber ich persönlich wäre den Ereignissen doch lieber näher.“[10] Wie bei jedem Umzug lag es an ihr, das neue Haus nach Thomas Manns Gewohnheiten herzurichten. „Genaue Wiederherstellung des Schreibtisches, jedes Stück […] genau an seinem Platz wie in Küsnacht u. schon in München.“[11] notierte er zufrieden nur eine Woche nach ihrer Ankunft in Princeton. In Molly Shenstone, der Frau des Physikers Allen G. Shenstone, fand Katia Mann die Freundin ihres Lebens.[12]

Katia Manns Wunsch, den Ereignissen näher sein zu wollen, begründete sich auch in der Sorge um ihre Eltern, die sich noch in Deutschland aufhielten, und die erst am 31. Oktober 1939, einen Tag vor der Schließung der Grenzen, in Zürich eintrafen. Seinen Eltern und Elisabeth war Klaus dauerhaft in die USA gefolgt. Erika war die erste der Familie, die 1937 offiziell in die USA eingewandert war. Die übrigen lehnten eine Emigration zunächst ab. Golo kehrte im Sommer 1939 nach Zürich zurück, und Michael ließ sich nach seiner Hochzeit im März 1939 in London nieder. Monika war in Europa geblieben und heiratete ebenfalls im März in London. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bemühte sich Katia Mann, alle Familienmitglieder ins amerikanische Exil in Sicherheit zu bringen. Michael erreichte unbehelligt im Januar 1940 per Schiff, der Britannic, New York, und Erika flog nach einer Kriegsberichterstattung über das massive Bombardement The Blitz für die BBC London im Oktober 1940 in die USA zurück. Golo war noch im Mai 1940 als Kriegsfreiwilliger nach Frankreich gegangen und dort interniert worden. Er erreichte mit Heinrich Mann und dessen Ehefrau Nelly sowie dem Ehepaar Werfel nach einer dramatischen Flucht zu Fuß über die Pyrenäen zunächst Lissabon. Von dort aus schifften sie sich auf die Nea Hellas ein und gingen am 13. Oktober 1940 in New York von Bord. Monikas Schiff, die City of Benares, war in der Nacht zum 18. September mitten auf dem Atlantischen Ozean von einem deutschen U-Boot versenkt worden, wobei ihr Ehemann Jenö Lányi sein Leben verloren hatte. Sie selbst kam als letztes von Katia Manns Kindern am 28. Oktober 1940 in New York an.

Klaus Mann als US-Sergeant in Italien, 1944

1941 starb Katia Manns Vater und ein Jahr später ihre Mutter in Zürich im Exil. Beide Todesnachrichten erhielt sie in Kalifornien, wohin sie im April 1941 gezogen waren. Thomas Mann hatte dort mit der Filmgesellschaft Warner Brothers einen Autorenvertrag abgeschlossen, der ihnen nicht nur die finanzielle Unterstützung ihrer Kinder, sondern auch den Unterhalt eines großen Anwesens am San Remo Drive 1150 in Pacific Palisades einschließlich Personal ermöglichte. Katia Mann war mittlerweile durch die Geburt von Fridolin Mann (* 31. Juli 1940), Sohn Michaels, und Angelica Borgese (* 30. November 1940), Tochter von Elisabeth, die 1939 den Italiener Giuseppe Antonio Borgese geheiratet hatte, zweifache Großmutter geworden. Kurz vor ihrem neunundfünfzigsten Geburtstag folgte mit Antony Mann (* 20. Juli 1942) der dritte Enkel, wiederum ein Sohn Michaels. Im selben Jahr traten die USA in den Krieg ein. Erika, Klaus und Golo meldeten sich trotz Missbilligung Katia Manns freiwillig zur amerikanischen Armee und leisteten bis Kriegsende ihren Dienst in Europa. Beide Söhne waren 1943 amerikanische Staatsbürger geworden, Katia und Thomas Mann wurde die amerikanische Staatsbürgerschaft erst im Juni 1944 verliehen, während Erika sie trotz Antrags nicht erhalten hatte.

Im April 1946 wurde Thomas Mann an der Lunge operiert, und Katia Mann schrieb in die Heimat „Eine solche Lungenoperation ist unter allen Umständen ein schwerer Eingriff und in hohem Alter doppelt ernst.“[13] Ein Krebstumor war bei dem über Siebzigjährigen entfernt worden. Von dem Eingriff erholte er sich so gut, dass sie ein Jahr später auf Vortragsreise nach Europa gehen konnten. Erika, beruflich glücklos, kehrte 1948 in ihr Elternhaus zurück, um Thomas Mann „[…] als Sekretärin, Biographin, Nachlaßhüterin […]“ zu unterstützen.[14] Sie begleitete ihre Eltern auch auf einer weiteren Vortragsreise nach Europa im Jahr 1949, auf der in Stockholm die Nachricht eintraf, dass sich Klaus am 21. Mai in Cannes mit Tabletten das Leben genommen hatte. „Mein Mitleid innerlich mit dem Mutterherzen und mit E. Er hätte es ihnen nicht antun dürfen,“ schrieb Thomas Mann am 22. Mai in sein Tagebuch.[15] Dem Selbstmord gingen bereits mehrere Versuche voraus. An seiner Beerdigung nahm nur sein Bruder Michael teil.

Katia Mann war bereits 1942 an der Gebärmutter operiert worden, und 1950 folgte eine weitere Operation am Unterleib. Kurz darauf ließ sich die vierfache Großmutter – ihre Enkelin Dominica Borgese (* 6. März 1944) kam noch vor Kriegsende auf die Welt –, mit fast 67 Jahren die Brüste straffen. Doch viel Zeit zur Erholung blieb ihr nicht. In Chicago besuchte sie Elisabeth, die sich in einer schweren Ehekrise befand, und stand auch Michael bei, dessen Ehe und Musikkarriere aufgrund einer unglücklichen Affäre mit der Schwester Yehudi Menuhins, Yaltah Menuhin, zu scheitern drohte. Und Erika, durch den Tod ihres Bruders tief erschüttert, glitt weiter in ihre Drogensucht ab. „Es schmerzt mich, daß Erika ihre geliebte Mutter enerviert und deprimiert, ja reizt durch ihre große Bitterkeit.“[16] Hinzu kamen 1951 auch, angesichts des veränderten gesellschaftlichen und politischen Klimas der McCarthy-Ära, erste Überlegungen, nach Europa zurückzukehren.

Rückkehr in die Schweiz – Tod Thomas Manns

Familie Mann (vorn: Elisabeth, Katia und Erika Mann) anlässlich der Beisetzung Thomas Manns vor der Kilchberger Kirche

Mitte 1952 erreichten Katia und Thomas Mann Zürich und mieteten sich übergangsweise in Erlenbach nahe Küsnacht ein. Ihnen vorausgereist waren Golo und Erika. Elisabeth war mit ihrer Familie in die Heimat ihres Mannes nach Florenz gezogen. Borgese verstarb noch 1952 an einem Hirnschlag, und Elisabeth kehrte vorübergehend zu ihren Eltern zurück. Während sich in den USA das Interesse an dem Schriftsteller Thomas Mann allmählich verloren hatte, wurde er in der Schweiz, Deutschland und Italien nun wieder mit Ehrungen und Vortragsanfragen überhäuft, die koordiniert werden mussten.

Im Jahr 1954 fand Katia Mann nach längeren Bemühungen ein Haus in Kilchberg, Alte Landstraße 39, das Thomas Manns Vorstellungen entsprach. „[…] entschieden angenehm und erfreulich, nicht herausfordernd, aber anständig und bequem.“[17] lautete sein Urteil. Im Juli 1955 klagte Thomas Mann im holländischen Seebad Noordwijk gegenüber Katia erstmals über Schmerzen im Bein. Er starb in ihrem Beisein am 12. August 1955 im Kantonsspital in Zürich an den Folgen von Arteriosklerose. Thomas Mann wurde auf dem Kilchberger Friedhof begraben.

Letzte Jahre

Katia Mann blieb mit Erika, die sich um Thomas Manns Nachlass sowie die literarischen Hinterlassenschaften von Klaus kümmerte, in dem Kilchberger Haus wohnen. Erika begleitete Katia Mann auch zu den seltener gewordenen öffentlichen Auftritten, da sie sich, anders als ihre Tochter, weiterhin lieber im Hintergrund hielt. Dass sie „so gar nicht zum […] sich pfauenhaft aufplusternden Typus der Schriftstellergemahlin gehört[e] […]“ wurde in einem Artikel zu ihrem 75. Geburtstag im Badener Tagblatt vom 24. Juli 1958 festgestellt. Gesellschaftlich war es mit Thomas Manns Tod ruhiger um sie geworden, aber einsam war sie in ihren letzten Lebensjahrzehnten nicht. Golo hatte 1965 seinen Lehrstuhl für Politik an der Stuttgarter Universität aufgegeben und machte als freischaffender Historiker das Kilchberger Haus zu seinem Hauptwohnsitz. Auch Elisabeth reiste regelmäßig aus der Toskana an, wo sie als Schriftstellerin und Journalistin arbeitete. Monika hatte sich auf Capri niedergelassen und kam wie Michael nur selten zu Besuch. Letzterer hatte in den USA ein Germanistikstudium aufgenommen, jedoch seine Söhne bei Katia Mann in der Schweiz gelassen. Fridolin, ihr ausgewiesener Lieblingsenkel, wohnte dort bis zum Abschluss seines Musikstudiums.

Das Kilchberger Familiengrab

Im November 1962 wurde nach den hierfür erforderlichen zehn Jahren aus der US-Amerikanerin Katia Mann eine Schweizerin. Zuvor hatte sie wie jeder Antragsteller ausreichend gute Kenntnisse der Landesgeschichte und -kunde nachweisen müssen. Nach mehreren Unfällen wurde ihr 1964 die Fahrerlaubnis entzogen. Bereits seit Anfang der 1930er Jahre war sie eine begeisterte Automobilistin, aber „Technisch eine glänzende Fahrerin, ängstigt[e] sie uns gelegentlich durch übertriebenes Gottvertrauen.“[18] 1969 starb Erika an einem Gehirntumor und wurde im Familiengrab in Kilchberg beigesetzt. Und nach Ehemann und zwei Kindern verlor sie 1972 mit ihrem Zwillingsbruder einen weiteren wichtigen Menschen. „Wer so lange lebt, muß viele überleben“, [19] stellte sie im Jahr ihres neunzigsten Geburtstags dazu fest. 1975 jährte sich der zwanzigste Todestag Thomas Manns und Katia öffnete nach Ablauf der Sperrfrist seine Tagebücher. Michael übernahm auf Bitten seiner Mutter die Hauptvorbereitungsarbeit der Veröffentlichung. In der Silvesternacht 1976/77 starb er an der Kombination von Alkohol mit Barbituraten. Er wurde neben Vater und Schwester bestattet. Sein Tod wurde vor der inzwischen an Altersdemenz erkrankten Mutter geheim gehalten, die damit ihr drittes von sechs Kindern überlebte.

Katia Mann starb im 97. Lebensjahr. Sie wurde im Kilchberger Familiengrab beerdigt.

Wirken

Marcel Reich-Ranicki bezeichnete sie in einem Nachruf als „Eine literaturhistorische Figur, […] – in einer Reihe also mit Goethes Christiane und Schillers Charlotte, mit Heines Mathilde und Fontanes Emilie.“[20] So findet sich ein starker Bezug zur Person Katia Mann bei Figuren folgender Werke:

In seinem 1990 veröffentlichten Buch über Thomas Mann und die Seinen führt Reich-Ranicki zur Rolle Katia Manns weiter aus, dass sie, „indem sie zwischen Thomas Mann und der Umwelt, zwischen seinem Werk und dem täglichen Leben vermittelte, sein Werk erst ermöglichte und damit zu den oft unterschätzten Frauen gehört, denen Deutschland unendlich viel zu verdanken hat“.[21] Über Katia Mann sind mittlerweile zahlreiche Biografien erschienen, die ihr posthum in der Öffentlichkeit eine große Anerkennung verleihen.

„Ich habe tatsächlich mein ganzes, allzu langes Leben immer im strikt Privaten gehalten. Nie bin ich hervor getreten, ich fand das ziemte sich nicht. Ich sollte immer meine Erinnerungen schreiben. Dazu sage ich: In dieser Familie muß es einen Menschen geben, der nicht schreibt. Daß ich mich jetzt auf dieses Interview einlasse, ist ausschließlich meiner Schwäche und Gutmütigkeit zuzuschreiben.“ (Katia Mann, 1973). Aus diesem Interview mit ihrem Sohn Michael und Elisabeth Plessen entstand der umfassende Lebensbericht Katia Mann: Meine ungeschriebenen Memoiren, der 1974 erschien.

Gottfried Bermann Fischer, Verleger Thomas Manns, äußerte gegenüber Katia Mann 1935 in einem Brief: „Ich weiß, wieviel es Ihrer Stärke und Unermüdlichkeit zu verdanken ist, daß Thomas Mann sein großes Werk schaffen und vollenden konnte. Gegenüber allem, was seine labile und feinnervige Natur so tief erschüttern mußte, waren Sie die Bewahrerin und Beschützerin, die durch kluge Aktivität den brutalen Anprall ausglich und das Gleichgewicht wieder herstellte.“[22] Er bezog sich damit auf den Abschluss der Joseph-Tetralogie, die Thomas Mann im Schweizer Exil fertigstellte und deren letzter Band 1936 in dem von Bermann Fischer neugegründeten Wiener Exilverlag erschien. Katia Mann findet sich hier in der Person Rahels wieder, einer jungen Frau, die Mann als „hübsch und schön“ beschrieb und bei der „Geist und Wille, ins Weibliche gewendete Klugheit und Tapferkeit hinter dieser Lieblichkeit wirkten.“.[23]

Darüber hinaus inspirierte sie ihn zu dem Roman Der Zauberberg von 1924 und der Erzählung Die Betrogene von 1953.

Literatur

Selbstzeugnisse und Biografien

  • Katia Mann: Meine ungeschriebenen Memoiren. Hrsg. v. Elisabeth Plessen u. Michael Mann. S. Fischer, Frankfurt 1974, ISBN 3-10-046701-9; Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2000, ISBN 3-596-14673-9.
  • Inge und Walter Jens: Frau Thomas Mann. Das Leben der Katharina Pringsheim. Rowohlt, Reinbek 2003, ISBN 3-498-03338-7.
  • Kirsten Jüngling & Brigitte Roßbeck: Katia Mann. Die Frau des Zauberers. Biografie. Propyläen, Berlin 2003, ISBN 3-549-07191-4.
  • Hildegard Möller: Die Frauen der Familie Mann. Piper, München/Zürich 2004, ISBN 3-492-04566-9; ebd. 2005, ISBN 3-492-24576-5.

Weitere Quellen

  • Gottfried Bermann Fischer & Brigitte Bermann Fischer: Briefwechsel mit Autoren. S. Fischer, Frankfurt 2001, ISBN 3-10-021602-4.
  • Barbara Hoffmeister (Hrsg.): Familie Mann. Ein Lesebuch mit Bildern. Rowohlt, Reinbek 2001, ISBN 3-499-23197-2.
  • Inge und Walter Jens: Katias Mutter. Das außerordentliche Leben der Hedwig Pringsheim. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-03337-9.
  • Erika Mann: Mein Vater, der Zauberer. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-22282-5.
  • Klaus Mann: Kind dieser Zeit. Rowohlt, Reinbek 2000, ISBN 3-499-22703-7.
  • Thomas Mann & Heinrich Mann: Briefwechsel. 1900–1949. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1995, ISBN 3-596-12297-X
  • Thomas Mann: Tagebücher. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2003
    • 1933–1934. ISBN 3-596-16061-8.
    • 1935–1936. ISBN 3-596-16062-6.
    • 1937–1939. ISBN 3-596-16063-4.
    • 1940–1943. ISBN 3-596-16064-2.
    • 1944–1946. ISBN 3-596-16065-0.
    • 1946–1948. ISBN 3-596-16066-9.
    • 1949–1950. ISBN 3-596-16067-7.
    • 1951–1952. ISBN 3-596-16068-5.
    • 1953–1955. ISBN 3-596-16069-3.
  • Uwe Naumann: Die Kinder der Manns. Ein Familienalbum. Rowohlt, Reinbek 2005, ISBN 3-498-04688-8.
  • Donald A. Prater: Thomas Mann – Deutscher und Weltbürger. Eine Biographie. Hanser, München/Wien 1995, ISBN 3-446-15363-2.
  • Marcel Reich-Ranicki: Thomas Mann und die Seinen. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1987, ISBN 3-421-06364-8; Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 1990, ISBN 3-596-26951-2.

Film

Weblinks

Fußnoten

  1. Thomas Mann/ Heinrich Mann: Briefwechsel, S. 30
  2. Katia Mann: Meine ungeschriebenen Memoiren, S. 28
  3. Uwe Naumann: Klaus Mann, Rowohlt, Reinbek 2006, S. 9
  4. Klaus Mann: Kind dieser Zeit, S.22
  5. Donald A. Prater: Thomas Mann, S.296
  6. Peter de Mendelssohn: Der Zauberer, S.1550
  7. Brief von Katia an Thomas Mann, Oberammergau vom 16. Juni 1920, Thomas-Mann-Archiv
  8. Irmela von der Lühe: Erika Mann, S. 102–104
  9. Thomas Mann: Tagebücher, Eintrag vom 9. März 1937
  10. Brief von Katia Mann an Ida Herz, New York vom 25. September 1938, Thomas-Mann-Archiv
  11. Thomas Mann: Tagebücher, Eintrag vom 7. Oktober 1938
  12. Inge und Walter Jens: Frau Thomas Mann. „Kein Zweifel, dass in Katias Briefen an Molly Shenstone nicht nur Zuneigung, sondern auch Leidenschaft im Spiel war.“ S. 227
  13. Brief von Katia Mann an Ida Herz, Chicago vom 6. Mai 1946, Thomas-Mann-Archiv
  14. Thomas Mann: Tagebücher, Eintrag vom 26. Januar 1948
  15. Thomas Mann: Tagebücher, Eintrag vom 22. Mai 1949
  16. Thomas Mann: Tagebücher, Eintrag vom 16. Januar 1951
  17. Thomas Mann: Tagebücher, Eintrag vom 15. Mai 1954
  18. Erika Mann: Mein Vater der Zauberer, S.274
  19. Brief von Katia an Genia Starer, Kilchberg vom 13. Januar 1973, Thomas-Mann-Archiv
  20. Frankfurter Allgemeinen, 29. April 1980
  21. Marcel Reich-Ranicki: Thomas Mann und die Seinen, S. 237
  22. Gottfried Berman Fischer / Brigitte Bermann Fischer: Briefwechsel mit Autoren, S. 55
  23. Thomas Mann: Joseph und seine Brüder, Bd. 4, S. 228

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