- Kaufhausmusik
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Der Begriff Muzak ist eine lautlich veränderte Version des englischen Worts für Musik (music). Damit wird Musik bezeichnet, die gewöhnlich in Fahrstühlen, Kaufhäusern, Hotels und manchen Arbeitsumgebungen eingesetzt wird.
Es handelt sich dabei um funktionelle Musik, die vom Hörer unbewusst wahrgenommen werden soll um ihn heiter zu stimmen und um eine entspannte Atmosphäre beim Einkauf oder bei der Arbeit zu schaffen.
In Warenhäusern wird auf Gesang üblicherweise verzichtet, um dem Hörer nicht zu viel Aufmerksamkeit abzuverlangen. Die Lautstärke liegt nur geringfügig über dem Geräuschpegel der Umgebung. Auf Dissonanzen wird gänzlich verzichtet. Die Beschallung erfolgt oft indirekt über mehrere hoch angebrachte Lautsprecher und kann so in jedem Bereich des bespielten Raumes fast gleich laut wahrgenommen werden.
Oft auch als Kaufhausmusik oder Fahrstuhlmusik bezeichnet, wird der Begriff abwertend für besonders einfache oder seichte Musik verwendet.
Heutzutage wird nicht nur zwischen Fahrstuhlmusik und professioneller Hintergrundmusik, sondern auch Vordergrundmusik unterschieden. Dabei ist nicht nur die "Berieselung" des Kunden, sondern teilweise sogar eine unbewusste Steuerung des Kunden oder Gastes und seine engere Bindung an das jeweilige Unternehmen das Ziel. So wird z. B. moderne und aktuelle Musik gerne bei Unternehmen im Bereich Lifestyle wie z. B. Modeketten, Schuhhäusern, Design-Hotels und Szenebars eingesetzt. Der Kunde kommt gerne hierher, weil ihm die Musik zusagt.
Für andere Unternehmen soll die Musik im "Hintergrund" eine klare, weitere Aussage über das Unternehmen abgeben, "Audio branding", und das Unternehmen damit für den Kunden wiedererkennbar machen.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Muzak als Inbegriff der funktionellen Musik ist nach der amerikanischen Firma Muzak Inc. benannt. Im Jahr 1934 gründete der US-amerikanische General a. D. George Owen Squier, der im Ersten Weltkrieg Chef des amerikanischen Nachrichtenkorps war und sich stark für die Einsatzmöglichkeiten der damals neu aufkommenden Kommunikationsmittel Telefon und Radio interessierte, die Firma "Wired Radio", die später in Muzak Inc. umbenannt wurde. Der Name ist eine Kombination des Wortes "Music" und "Kodak", des aufstrebenden Unternehmens, das Squier bewunderte.
Das Gründungsjahr des Unternehmens verweist kulturgeschichtlich auf eine Periode großer technischer Neuerungen und damit einhergehender allgemeiner Technikeuphorie. Diese fand etwa in der Literatur in der Strömung des Futurismus ihren Niederschlag, während sie im gesellschaftlichen Umfeld unter dem Schlagwort des social engineering auf die methodische Steuerung von Belegschaften und Kunden, auf die Rationalisierung von Bewegungs- und Arbeitsabläufen zielte.
Die von Muzak Inc. in den 1950er und 1960er Jahren angestrengten Bemühungen zur "wissenschaftlichen" Untermauerung der Wirksamkeit ihres Konzepts (s. Abschnitt "Wirkung") werden heute von ihren eigenen Firmensprecherin als Marketing-Gag bezeichnet. Trotzdem traf das Firmenkonzept in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine in den westlichen Gesellschaften verbreitete Rezeptionshaltung und konnte deshalb "funktionieren".
Der etwa in den 1970er Jahren einsetzende grundlegende Wandel der Musikrezeption insbesondere einer sich immer stärker in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung drängenden Jugendgeneration brachte das Muzak-Konzept als konsumunterstützendes Marketing-Instrument an seine Grenzen. Die Seichtigkeit und Beliebigkeit einer bewusst jede Aufmerksamkeit vermeidenden Musikkonzeption unterlag der Konkurrenz mit einer vorher so nicht gekannten aktiven Musikrezeption, bei der sich über die bevorzugte Musikrichtung nunmehr auch eine bestimmte Lebenseinstellung auszudrücken begann. Eine als Muzak ihrer Substanz entleerte Pseudomusik konnte vor dieser Rezeptionshaltung nicht bestehen und verkehrte sich sogar in ihr Gegenteil: Statt besänftigend und ausgleichend zu wirken, erschuf Muzak-Gedudel aufgrund der unbefriedigten ästhetischen Erwartungshaltung der Rezipienten nun sogar Aggressionen.
Die Abkehr vom Muzak-Konzept drückt sich in der Werbung des ausgehenden 20. Jahrhunderts unübersehbar in dem Umstand aus, dass die Werbung nunmehr bewusst originalbelassene Musik als Stimmungsinstrument einsetzt, wobei nicht nur gängige Hitparadenmelodien zum Einsatz kommen, sondern z. T. sogar umgekehrt aus der musikalischen Untermalung eines Werbespots neue Hits entstehen. Noch unvereinbarer mit Muzak ist die Verwendung nicht nur eingängiger klassischer Melodien, sondern selbst anspruchsvoller moderner Klassiker wie Carl Orffs "Carmina Burana".
Exkurs: Branded Entertainment
Die beinahe paradoxe Entwicklung einer sich im Werbeumfeld von der Werbung emanzipierenden Musik findet ihre logische Fortsetzung in den Allianzen zwischen Kunst und Wirtschaft, die seit der Wende zum 21. Jahrhundert verstärkt zu beobachten sind und als Branded Entertainment bezeichnet werden. Dabei treten Wirtschaftsunternehmen an prominente Künstler heran, um sich deren Ausstrahlung und Zugang zu bestimmten Zielgruppen zunutze zu machen:
- Die Adam Opel AG kaufte Eric Clapton bereits Anfang der 1990er-Jahre die Rechte am markanten Leitthema seines Welterfolgs Layla ab, und benutzte es in verschiedenen Variationen in seinen Fernsehspots. Clapton schrieb darauf allerdings 1992 Layla zu einer langsamen Ballade um, die fortan ohne das Thema auskam.
Als Beispiele aus den Jahren 2004 und 2005 seien genannt:
- DaimlerChrysler erwarb für seine Marke Mercedes von der Sängerin Christina Aguilera das Recht, deren Lied "Hello" zum Download auf den Internet-Seiten des Konzerns anzubieten, auf denen die neue Mercedes-A-Klasse präsentiert wird. Die sonstigen Verwertungsrechte an dem Lied blieben davon unberührt und stehen weiterhin der Sängerin bzw. den durch sie beauftragten Unternehmen der Musikbranche zu.
- Die Popgruppe Destiny's Child hat sich für ein Jahr vertraglich mit McDonald's verbunden. Die Welttournee der Gruppe spielt mit dem Motto "Destiny fulfilled – and lovin' it" deutlich auf den Slogan der Fastfood-Kette "I'm lovin' it" an. Während die Musikerinnen auf ihrer Tour Logo und Produkte ihres Sponsors prominent herausstellen, betreibt McDonald's im Gegenzug aktive Promotion für die Gruppe auf den Stationen ihrer Tournee.
- Regisseur Spike Lee hat im Auftrag von BMW einen Kurzfilm gedreht, der auf den Filmfestspielen von Cannes 2004 ästhetisch überzeugte. Der Film inszeniert ein bestimmtes urbanes Lebensgefühl, wobei ein Fahrzeug des auftraggebenden Unternehmens eher zufällig erscheint. BMW verzichtet dabei auf jede plakative Werbebotschaft. Die Marke profitiert vielmehr vom ästhetischen Glanz des Filmkunstwerks, das als ungewöhnlich subtile Form von Werbung gelten kann.
Wirkung
Der funktionale Aspekt von Muzak besteht in der gezielten Veränderung der akustischen Verhältnisse am jeweiligen Einsatzort in eine bestimmte, vom Auftraggeber gewünschte Richtung. Muzak dient z. B. sowohl der Überlagerung störender Umgebungsgeräusche als auch der Vermeidung einer unerwünschten, weil als bedrückend empfundenen Stille. Motiviert ist diese Veränderung stets durch das Bestreben, die Stimmung und Gefühlslage der Menschen, die sich (oft zufällig) in einer bestimmten Umgebung aufhalten, in eine positive Richtung zu lenken und sie so zum Verweilen anzuhalten und für andere Botschaften empfänglich zu machen. Sehr häufig handelt es sich bei diesen Botschaften um Werbebotschaften, die die Menschen zum Konsum anreizen sollen. Muzak wird aber auch – insbesondere in den USA oder in Kanada – im öffentlichen Raum eingesetzt, um Passanten psychoakustisch (etwa aggressionshemmend) zu beeinflussen.
In Hamburg dient die Beschallung des Hauptbahnhofs mit klassischer Musik zu der politisch gewollten Vertreibung der sich dort früher konzentrierenden Junkie-Szene. Den Junkies wird durch den ihrer Szene fremden Klangteppich signalisiert, sich am „falschen“ Ort aufzuhalten, was – zusammen mit ordnungspolizeilichen Maßnahmen – tatsächlich eine Vertreibung der Szene aus dem unmittelbaren Bahnhofsumfeld bewirkt hat. Dieses Modell haben auch andere Städte wie München und Bielefeld übernommen.
Muzak wird entweder gezielt für einen bestimmten Einsatzzweck produziert, oder es handelt sich um Musik, die mit einer anderen Motivation komponiert wurde, aber nach entsprechender Arrangierung als Muzak eingesetzt wird. Exemplarisch seien Für Elise von Ludwig van Beethoven und Die vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi genannt. Oft werden dabei Interpretationen solcher Werke im Stil der populären Klassik verwendet. Die Forderung nach einer Musik, die heard but not listened to (etwa: „gehört, aber nicht hingehört“) sein soll, führt dazu, dass Muzak-Arrangements praktisch ausnahmslos reine Instrumentalmusik ist – gesungene Texte würden eine zu starke Aufmerksamkeit auf sich ziehen und damit ihre intendierte Wirkung verfehlen. Vordergrundmusik, im Gegensatz dazu, soll genau das Gegenteil erreichen.
Zwar gibt es diverse Studien zu Hintergrundmusik und ihrer Wirkung, dennoch sind diese sehr umstritten, genauso wie die Ergebnisse der Studien, die mal keinerlei Wirkung bei bis zu 30% der Kunden, mal eindeutige Wirkung attestiert haben.
Siehe auch
Easy Listening, Ambient, Musiksoziologie, Musikpsychologie, Musikästhetik
Literatur
- Lanza, Joseph (2004): Elevator Music: A surreal History of Muzak, Easy Listening, and Other Moodsong. ISBN 0-472-08942-0
- Ringe, Cornelius (2005): Audio Branding. Musik als Markenzeichen von Unternehmen. ISBN 3-865-50084-6
Weblinks
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