Kerkylas

Kerkylas
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der antiken Dichterin Sappho; für weitere Bedeutungen siehe Sappho (Begriffsklärung).
Sappho, Münzabbildung
Charles Gleyre, Sappho geht zu Bett, 1867

Sappho (deutsche Aussprache: [ˈza(p)foː]; attisches Griechisch Σαπφώ Sapphō, Aussprache (klassisch) [sapʰːɔ́ː], aiolisches Griechisch Ψάπφω Psapphō, Aussprache (klassisch) [psápʰːɔː]; * zwischen 630 v. Chr. und 612 v. Chr.; † um 570 v. Chr.) war eine antike griechische Dichterin, gilt als bedeutendste Lyrikerin des klassischen Altertums und gehört zum Kanon der neun Lyriker. Sie lebte in Mytilene auf der Insel Lesbos, einem kulturellen Zentrum des 7. vorchristlichen Jahrhunderts. Nach heutigen Schätzungen sind nur ca. 7 Prozent von ihrem Gesamtwerk erhalten geblieben.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Das Leben der Sappho ist nur in späteren Legenden aufgezeichnet. Demnach entstammte sie einem alten mytilenischen Adelsgeschlecht und musste aus politischen Gründen nach Sizilien fliehen. Um das Jahr 591 v. Chr. kehrte sie nach Lesbos zurück und versammelte dort eine Gruppe von Schülerinnen um sich. Sie unterrichtete die jungen Frauen in musischen Fertigkeiten wie Poesie, Musik, Gesang und Tanz und trat mit ihnen bei Festen zu Ehren der Götter auf.

Zum Werk der Sappho gehörten Götterhymnen, Hochzeits- und Liebeslieder, die in der Antike in neun Büchern gesammelt waren, heute jedoch alle verloren sind. Die Überlieferung muss sich daher auf Verweise und Zitate anderer Autoren oder auf Papyrusfetzen stützen. Bis heute konnten nur vier ihrer aiolischen Gedichte auf diese Weise mit hinreichender Sicherheit rekonstruiert werden. Eines der letzten davon wurde erst im Jahre 2004 bekannt, als die beiden Professoren Michael Gronewald und Robert Daniel vom Institut für Altertumskunde an der Universität zu Köln auf einem Papyrus, der als Mumienkartonage verwendet worden war, Teile davon fanden und zur Rekonstruktion einsetzen konnten. Das letzte hingegen wurde im Jahre 2005 entdeckt.

Sappho gilt als die bedeutendste Lyrikerin der Antike, besonders gerühmt wurde im Altertum ihre klare und ausdrucksstarke Sprache, durch die sie unter anderem zum Vorbild des römischen Dichters Horaz wurde. Auch Catull beeindruckten Sapphos Werke, sodass er sie sogar in seinen Gedichten zitierte (z.B. carmen 51, 62). Zwei Jahrhunderte nach ihrem Tod schätzte Platon ihre Lyrik so sehr, dass er Sappho als zehnte Muse bezeichnete. Die vierzeilige sapphische Strophe ist nach ihr benannt und geht vermutlich auch auf sie zurück.

Dass viele ihrer Lieder homoerotische Anklänge haben (Platon spricht später vom „pädagogischen Eros“) und sich auf die Liebe zwischen Frauen beziehen, lässt sich noch heute an den Bezeichnungen „lesbisch“ und etwas seltener „sapphisch“ erkennen, die für weibliche Homosexualität gebraucht werden.

Weibliche Homosexualität war im antiken Griechenland also auch im öffentlichen Rahmen anzutreffen, aber nicht mit derselben positiven Bedeutung wie die männliche. Zumindest in Sparta war jedoch die lesbische Bindung ein Bestandteil der Erziehung. Über ihren Tod wird berichtet, dass sie sich aus unerwiderter Liebe von einem Felsen gestürzt haben soll; dies wird heute als erst in christlicher Zeit entstandene Legende angesehen.

Gatte und Tochter

Sie war mit einem reichen Kaufmann (wahrscheinlich von der Kykladeninsel Andros) verheiratet und hatte eine Tochter namens Kleis, deren Haar sie in einem Gedicht als „blonder als das Fackellicht“ beschreibt. Der Ehemann soll Kerkylas geheißen haben, was aber möglicherweise nur ein später, wohl in einer Komödie, angedichteter Spaß ist, da Andros, der vermeintliche Herkunftsort, gleichlautend mit dem Genitiv von anēr, „Mann“, ist, welcher im Griechischen den Stamm des ersten Wortteils eines Kompositums bildet. Kerkos als zweiter Namensbestandteil bedeutete „Schwanz“ (auch im übertragenen Sinne).

Textbeispiele

ΔΕΔΥΚΕ ΜΕΝ Α ΣΕΛΑΝNΑ. ..

Im äolischen Dialekt des Altgriechischen:

Δέδυκε μὲν ἀ σελάννα
καὶ Πληίαδες· µέσαι δὲ
νύκτες, πάρα δ᾿ ἔρχετ᾿ ὤρα·
ἔγω δὲ μόνα κατεύδω

Untergegangen sind schon der Mond
und die Pleiaden. Es ist Mitternacht,
es vergehen die Stunden.
Ich aber schlafe allein

Aphrodite

 »Lied auf der Scherbe«
Aphrodite. Allmächtige komm vom Äther herab…
zu deinem Tempel. einst von Kretern erbaut.
Unter den Apfelbäumen des heiligen Hains.
als sie dir Opfer brachten auf den Altären.
schwelten damals der kühlenden Quelle entlang
Wolken von Weihrauch.
Immer noch rinnt das Wasser. von Zweigen beschattet.
zum Garten hinab und tränkt mir die Rosen der Laube.
wo ich voll Seligkeit, während sie lautlos entblättern Kypris erwarte.
Drüben. dort auf der Weide tummeln sich Pferde.
grasen im Klee und in den reifenden Ähren.
Süßer Geruch von Blumen weht von der Wiese
hierher zu mir.
Göttin der Liebe! Empfange mein Blumengebinde.
Komm und erscheine uns. Fülle die goldenen Schalen.
mische mit Nektar den Wein und schenke uns eine
himmlische Freude.

Ausgaben und Übersetzungen

  • Sappho: Lieder. Griechisch und deutsch, herausgegeben von Max Treu. 4., durchgesehene Auflage. Heimeran, München 1968.
  • Sappho. Strophen und Verse. Übersetzt und herausgegeben von Joachim Schickel. Insel, Frankfurt a.M./Leipzig 1978, ISBN 3-458-32009-1.
  • Sappho. Liebesgedichte. Ausgewählt von Marion Giebel. Ins Deutsche übertragen von Joachim Schickel. Insel, Frankfurt a.M./Leipzig 2007, ISBN 978-3-458-34945-7
  • Greek Lyric, Bd. 1, "Sappho and Alcaeus". Hrsg. und übers. von David A. Campell. Harvard University Press, Cambridge, Mass./London 1982, reprint 2002 (Loeb Classical Library), ISBN 0-674-99157-5. (Griechisch - Englisch).
  • Griechische Lyrik in einem Band. Aus dem Griechischen übertragen und herausgegeben von Dietrich Ebener. 2. Auflage. Aufbau-Verlag, Berlin/Weimar 1980.
  • "Sappho". In: Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos. Ausgewählt von Mark Lehmstedt. Digitale Bibliothek, Band 30. 2. Auflage. Directmedia, Berlin 2000. (CD-Rom)
  • Sappho, "Untergegangen der Mond", Lieder und Strophen, Ausgewählt aus dem Griechischen und neu übertragen von Michael Schroeder. Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf 2006, ISBN 3-538-06318-4
  • E. Lobel/D. Page (1955): Poetarum Lesbiorum Fragmenta, Oxford.
  • D. Page (1955; 5. Aufl. 1975): Sappho and Alcaeus, Oxford.

Literatur

  • Peter Kuhlmann: Sappho, die größeren Fragmente des 1. Buches Röll, Dettelbach 2003, ISBN 3-89754-198-X
  • Marion Giebel: Sappho: In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten Rowohlt, Reinbek 2002 ISBN 978-3499502910
  • Page DuBois: Sappho is burning. University of Chicago Press, Chicago 1995, ISBN 0-226-16755-0
  • Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Sappho und Simonides: Untersuchungen über griechische Lyriker. 3. Aufl. Weidmann, Zürich 1985, ISBN 3-296-16160-0
  • Helmut Saake: Zur Kunst Sapphos: motiv-analytische und kompositionstechnische Interpretationen. Schöningh, München 1971, ISBN 3-506-77401-8
  • Annegret Stopczyk-Pfundstein: Kapitel Der weiblich verleiblichende Logos, S.265 - S. 287 in Sophias Leib, Der Körper als Quelle der Weisheit 2003 ISBN 3-8311-4316-1
  • M. Treu (1968): Sappho, in: Pauly-Wissowa, Realencyclopaedie der classischen Alterthumswissenschaften (RE), Supplement XI, Spalte 1222 - 1240
  • W. Aly (1920): Sappho, in: Pauly-Wissowa, Realencyclopaedie der classischen Alterthumswissenschaften (RE), Band 1,2, Spalte 2357 - 2384
  • Paul Barié: Sappho und Archilochos. Zauber des Anfangs. Ursprünge der europäischen Lyrik (Reihe: Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie, 27) Sonnenberg, Annweiler 2008 ISBN 9783933264541
Belletristische Darstellungen
  • Tami van Dalen: SAPPHO "und dass ich dich lieben werde ...". Thiasos, Heinrichshofen 2005, ISBN 978-3-9810614-0-6.
  • Siegfried Obermeier: Sappho. Nymphenburger, München 2001, ISBN 3-485-00885-0
  • Joachim Fernau: Sappho. Ein griechischer Sommernachtstraum. Herbig, München und Berlin 1986, ISBN 3-548-25141-2.
  • Martha Rofheart: Ich heiße Sappho. Molden, München 1980, ISBN 3-217-00696-8.
  • Erica Jong: Sappho. Ullstein Verlag, 2004, ISBN 3-55008-490-0.

Weblinks


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