- Kernkriminell
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Der Begriff der Kriminalität (von lat. crimen „Beschuldigung, Anklage, Schuld, Verbrechen“) orientiert sich im Wesentlichen an der juristischen Definition der Straftat. Während sich die „Straftat“ oder der materielle Verbrechensbegriff jedoch eher an dem individuellen Verhalten misst, werden mit „Kriminalität“ die Straftaten als Gesamtphänomen (Makrophänomen) bezeichnet.
Inhaltsverzeichnis
Definition und Abgrenzung
Gemeint ist mit dem Begriff „Kriminalität“ nach herrschender Lehrmeinung nicht nur das von der Polizei als Straftat bewertete Verhalten sondern sämtliche Rechtsverletzungen von strafrechtlichen Tatbeständen.
In der kritischen Kriminologie hingegen wird, entsprechend der angeführten Doppeldeutigkeit des lateinischen Begriffs: Beschuldigen-Verbrechen, unter „Kriminalität“ die Gesamtheit der Aktionen und Interaktionen zwischen den für Rechtsetzung und -durchsetzung zuständigen Institutionen einerseits und den für Rechtsbruch verantwortlichen und von Rechtserleidung betroffenen Individuen andererseits verstanden (siehe auch Etikettierungsansatz).
Kriminalität allerdings nur als Straftatbestand zu definieren, bagatellisiert diese zu einer Auseinandersetzung Einzelner mit dem Staat. Als Kriminalität wird daher jede Form eines Übergriffs auf Rechtsgüter einer anderen Person bezeichnet. Kriminalität gilt somit als der entscheidende Gegenspieler für das harmonische Zusammenleben von Personen, und ihrer Moral, innerhalb und außerhalb einer Gruppe, einer Gesellschaft, eines Volkes oder zwischen den Völkern.
Im Kern zwar bestimmt, bietet die Definition diffuse Konturen; häufig werden Fahrlässigkeitsdelikte nicht als Kriminalität bezeichnet, da der Täter hier ohne Vorsatz und damit nicht a priori kriminell handelt.
Problematisch sind auch die Abgrenzungen zu den Begriffen „Delikt“, „Devianz“ oder „Delinquenz“, die teilweise synonym gebraucht werden, jedoch tatsächlich nicht kongruent sind.
Der Begriff des Delikts orientiert sich in der Regel an der Begrifflichkeit der Straftat und taucht insbesondere im Kontext des Jugendstrafrechts häufiger auf. Er ist von der zivilrechtlichen Auffassung des Deliktsrechts scharf zu unterscheiden. Zudem wird er nicht als wertfreier, sondern als Begriff mit „negativer Konnotation“ verstanden. Die „Delinquenz“ ist aus der amerikanischen Kriminologie in den deutschen Sprachraum eingedrungen. Entweder wird er als Gegenstück zum „Delikt“ (bei Jugendlichen) gebraucht oder als Gegenstück zur Hellfeldkriminalität, dann ist mit Delinquenz die Kriminalität im Dunkelfeld gemeint. Hellfeldkriminalität sind Straftaten, die durch öffentliche Kontrollorgane angezeigt werden, Dunkelfeldkriminalität ist Kriminalität, die nicht zur Anzeige gebracht wird (Dunkelziffer).
„Devianz“ schließlich ist nicht nur Kriminalität, sondern jedes normabweichende Verhalten. Sie schließt sowohl Ordnungswidrigkeiten als auch einfach unangepasstes soziales Verhalten ein.
Phänomenologie
Da es sich um ein schwerwiegendes gesellschaftliches Problem handelt, suchte die Kriminologie jahrzehntelang nach einer gemeinhin akzeptierten Erklärung der Ursachen von Kriminalität. Dass Kriminalität in allen Altersgruppen, allen Sozialsystemen und an allen Orten zu finden ist („Ubiquitätsthese“), ist eine Annahme der herrschenden Meinung. Kriminalität ist hiernach auch unabhängig vom politischen System zu finden. Auch wenn in der Frühzeit der DDR die Kriminalität als bürgerliches Überbleibsel des vorsozialistischen Systems angesehen wurde, war auch in den späten 1980er Jahren Kriminalität in jedem sozialistischem Staat zu finden.
Sowohl individuelle als auch Faktoren der Umgebung (z.B. die Anlage-Umwelt-Auffassung) werden herangezogen. Wirklich durchsetzen konnte sich bisher keine der vielen Theorien; sämtliche Theorien sind letztendlich inadäquat.
Praxis
Während die Kriminologie nach Erklärungsansätzen sucht, bedient sich die Kriminalistik als Hilfswissenschaft technischer („forensischer“) Methoden zur Kriminalitätsbekämpfung (nicht Prävention!), das ist die Aufklärung von Straftaten. Mit den Aufgaben der Aufklärung sind in Deutschland die Staatsanwaltschaften und deren Ermittlungsbeamte (vor allem Polizeivollzugsbeamte) aufgerufen. Neben den üblichen Methoden wird das Feld der Aufklärung immer stärker durch die Sachverständigen, nämlich Chemiker, Biologen, Physiker, Ingenieure, Psychologen und Mediziner überlassen, da nicht mehr nur allein durch die Auswertung von Zeugenaussagen die Aufklärung bewältigt werden kann, sondern umfangreiche Spurensicherungen Experten zur Auswertung benötigen.
Insofern zeigt sich, dass der technische Fortschritt zunächst Kennzeichen der Kriminalität sind, später die Strafverfolgungsbehörden sich dem anpassen. Mit den revolutionären Entdeckungen der Daktyloskopie und der PCR für die DNA-Analyse brach jeweils eine Euphorie aus, dass in Zukunft Kriminalität ausgelöscht werden würde, weil die Aufklärungsquoten auf 100 Prozent steigen würden. Diese Euphorien wurden stets getäuscht.
Begriff Massenkriminalität
Oft wird der Begriff Massenkriminalität benutzt. Der Begriff ist wissenschaftlich umstritten, er sollte besser mit Alltagskriminalität bezeichnet werden. Mit Massenkriminalität bezeichnet man die statistisch am häufigsten vorkommenden Deliktfälle bei denen von der organisierten Kriminalität und der Schwerkriminalität / Gewaltkriminalität abgegrenzt wird. Es ist kennzeichnend, dass diese Straftaten sehr häufig auftreten, und das bei den Tätern vorherrschende Bagatellempfinden. Dazu zählen vor allem:
- Sachbeschädigung
- Diebstahl (von/aus Kfz, Fahrräder, Ladendiebstahl)
- Leistungserschleichung (z.B. Beförderungserschleichung, Stromdiebstahl, Versicherungsbetrug)
Begriff Kleinkriminalität
Der Begriff Kleinkriminalität wird im allgemeinen Sprachgebrauch für eine minder schwere Form der Kriminalität benutzt. Der sogenannte Kleinkriminelle begeht also rechtlich weniger schwerwiegende Straftaten, eben „Bagatelldelikte“. Als Beispiele können Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und Urheberrechtsverletzungen gelten.
Begriff Kavaliersdelikt
Der Begriff Kavaliersdelikt wird für strafbare Handlungen, die von der Gesellschaft als nicht ehrenrührig oder verwerflich angesehen werden, benutzt. Als Kavaliersdelikte werden häufig zu schnelles Fahren im Straßenverkehr, Fahren über die rote Ampel, Anfertigen von Raubkopien, Steuerhinterziehung und Schwarzfahren angesehen.
Statistik
Kriminalität zu messen oder zu bewerten, erscheint schon deshalb schwierig, weil Vergleiche bei sozialen Massephänomenen kaum möglich sind. Da eine Gesellschaft stets im Fluss ist, sind Schwankungen interpretativ kaum einzuordnen. Als gravierendstes Problem ist die Messung von Hellfeld und Dunkelfeld. Die Auswertung des Hellfeldes, das nur einen kleinen Ausschnitt der Kriminalität (die polizeilich registrierte Kriminalität) ausmacht, ist unproblematisch und erfolgt in der Regel durch die Analyse der Polizeilichen Kriminalstatistik. Im Vergleich zum Dunkelfeld müsste aber die Bereitschaft ermittelt werden, Anzeige zu erstatten. Ferner sind es stets Befragungen, Experimente oder Beobachtungen, die Auskunft über die mögliche Kriminalität im Bezugsgebiet machen. Diese werden dann, wenn die Erhebungen statistisch valide, repräsentativ und reliabel sind, hochgerechnet.
Wegen dieser Unwägbarkeiten wird nicht selten bestritten, dass überhaupt vernünftige Aussagen zur Kriminalität getätigt werden können.
Siehe auch
- Bagatelldelikt
- Gewaltkriminalität
- Ausländerkriminalität
- Kriminalmuseum
- Liste der Kriminologen
- Umweltkriminalität
- Wirtschaftskriminalität
- Delinquenz
Literatur
- Werner Riess: Apuleius und die Räuber. Ein Beitrag zur historischen Kriminalitätsforschung, Heidelberger Althistorische Beiträge und Epigraphische Studien (HABES), Band 35, Stuttgart 2001. ISBN 978-3-515-07826-9
- Rolf Ackermann u.a.: Handbuch der Kriminalistik für Praxis und Ausbildung. Boorberg, Stuttgart 2003, ISBN 3-415-03121-7.
- Helga Cremer-Schäfer, Heinz Steinert: Straflust und Repression. Zur Kritik der populistischen Kriminologie. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1998, ISBN 3-89691-431-6.
- Hans-Dieter Schwind: Kriminologie. Kriminalistik-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-7832-0033-1.
Weblinks
- Journascience
- Unternehmen Unterwelt von Valentin Landmann, Die Weltwoche 10/06
- Institut für Kriminologische Sozialforschung der Universität Hamburg
- Institut für Sicherheits- u. Präventionsforschung Hamburg
- Bremer Institut für Kriminalpolitik
- Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen
- Konstanzer Inventar zu Kriminalitätsentwicklung, Kriminalstatistik, Kriminologische Links; Universität Konstanz
- Telepolis: „Das Böse ist immer und überall“ – Warum wir eine Zunahme der Kriminalität sehen, wo keine ist
- Weißer Ring Hilfe für Kriminalitätsopfer
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