Andrei Tschikatilo

Andrei Tschikatilo

Andrei Romanowitsch Tschikatilo (russisch Андрей Романович Чикатило, wiss. Transliteration Andrej Romanovič Čikatilo; * 20. Oktober 1936 in Jablotschnaja, Ukraine; † 16. Februar 1994 in Rostow am Don, Russland) war ein ukrainischer und russischer Serienmörder, dem 53 Opfer nachgewiesen werden konnten. Er selbst gab an, dass es mindestens 53 Opfer gegeben habe.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Andrei Tschikatilo wurde 1936 in der Ukraine geboren. Drei Jahre zuvor herrschte in der Ukraine eine durch Stalins Unterdrückung hervorgerufene Hungersnot (Holodomor), die zu Kannibalismus unter der Bevölkerung geführt haben soll. Nach Erzählung seiner Mutter wurde auch sein Bruder entführt und zum Verzehr von hungernden Menschen getötet. Sein Vater war in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten und wurde daher nach seiner Rückkehr als Deserteur verurteilt und in ein Arbeitslager geschickt.

Andrei war ein schwächliches Kind; mit einer schweren Sehstörung und daraus auch resultierenden Schulproblemen wurde er von den anderen Kindern gehänselt, ohne sich in irgendeiner Form zur Wehr setzen zu können. Bis zu seinem zwölften Lebensjahr war er Bettnässer. Mit zunehmenden Erwachsenwerden stellte er fest, dass er impotent war. Er wusste nicht, dass seine Leiden einen organischen Ursprung hatten. Seine Reiz- und Erregungsschwelle war derart hoch, dass sie, verbunden mit einer chronischen Erektionsschwäche, einen normalen Verkehr beinahe unmöglich machte. Sein Lebensgefühl beschrieb er dann auch als „ohne Genitalien und Augen geboren worden zu sein“.

Um den Verlust des Vaters und dessen schlechte Reputation als Vaterlandsverräter wett zu machen, versuchte er, seinem Heimatland eifrig zu dienen. Er bewarb sich zum Studium der Rechtswissenschaften, wurde jedoch als Sohn eines Deserteurs abgelehnt. Später erhielt er einen Studienplatz in Slawistik und trat der KPdSU bei. Er schrieb patriotische Artikel für Zeitungen und ließ sich als Informant für die Polizei anwerben. Nach seinem Militärdienst von 1957–1960 zog er in das Umland von Rostow, seine Mutter und Schwester kamen wenig später nach.

1963 erfolgte die Hochzeit mit seiner Frau Fiana, die er durch seine Schwester kennen lernte. 1965 wurde sein erstes und 1969 sein zweites Kind geboren. Es wird behauptet, dass die Zeugung seiner beiden Kinder wohl die einzigen sexuellen Handlungen mit seiner Frau während der gesamten Ehe waren. Seine Frau hatte sich wohl damit abgefunden und blieb bei ihm, um dem eigenen Ansehen nicht zu schaden. Auch mit der Erziehung seines Sohnes war Tschikatilo offenbar überfordert.

1971, nach Abschluss des Studiums an der Uni Rostow am Don, nahm Tschikatilo eine Lehramtsstelle in Nowoschachtinsk auf - einer Stadt mit damals etwa 200.000 Einwohnern nördlich von Rostow.

Tschikatilo war Russisch- und Sportlehrer. Er mochte den Kontakt zu jungen Leuten, reiste nicht selten mit ihnen zu Wettkämpfen. Es zeigte sich aber schnell, dass er für seine Schüler keine Respektsperson war. Er konnte sich nicht richtig durchsetzen und war somit deren Spott ausgesetzt. Dies führte dazu, dass er mehrmals seine Stelle als Lehrer verlor. Er zog schließlich in die Nachbarstadt Schachty. Dort erging es ihm als Lehrer an einer Bergwerksschule nicht besser. Letzten Endes gab er seinen Beruf als Lehrer auf, auch weil immer mehr von seinen sexuellen Übergriffen auf Schüler bekannt wurde, und fand eine neue Stelle in einer Versorgungsabteilung einer Fabrik in Schachty. Aber auch in diesem neuen Job versagte Tschikatilo, wurde jedoch nicht entlassen.

Da ihm seine Frau die gewünschte Befriedigung nicht verschaffen konnte, kaufte er sich ein halbverfallenes Häuschen, wo er sexuelle Kontakte zu Prostituierten, obdachlosen Frauen und Streunerinnen pflegte. In diesem Haus beging er seinen ersten Mord.

Chronik über Tschikatilos Morde von 1978 bis 1990 (vorerst bis 1984)

22. Dezember 1978

Nachdem ihn einige Schüler offen misshandelt, getreten und geschlagen hatten, ging Tschikatilo in ein Kaufhaus und kaufte sich ein Klappmesser - seine erste Mordwaffe. Er selbst gab an, er brauche es zur Selbstverteidigung. Die Schüler konnten den schwächlichen Tschikatilo ungehindert misshandeln und verhöhnen, da dieser sich erpressbar gemacht hatte, weil er nachts in den Schlafsaal der Schüler eingedrungen und einem Jungen gegenüber zudringlich geworden war. Er nahm sich vor zu trinken, sich mit einer Frau zu vergnügen und so seinen Ärger abzureagieren. Er kaufte sich Alkohol und machte sich auf den Weg in seine Datscha. Auf dem Weg dahin traf er die neun Jahre alte Lena Sakotnowa. Er sprach Lena an und lockte das Mädchen in seine Laube, wo er ihr die Kleidung herunterriss, sich an dem Mädchen verging und es anschließend durch mehrere Messerstiche in den Unterleib tötete. Anschließend kleidete er das Kind wieder an und warf es in einen nahegelegenen Fluss.

Für den Mord an Lena Sakotnowa wurde Tschikatilo zwar mehrmals verhört, jedoch wurde er nicht dafür angeklagt. Stattdessen wurde der vorbestrafte Besitzer von Tschikatilos Datscha dafür verurteilt und 1983 wegen Mordes hingerichtet.

1981

  • 3. September: Er tötete die 17-jährige Larisa Tkatschenko (sie wurde am 4. September am Ufer des Don gefunden).

1982

In diesem Jahr tötet Tschikatilo mindestens sieben weitere Male, diese Morde konnten ihm zweifelsfrei nachgewiesen werden:

  • 6. Juni: Sein nächstes Opfer ist die 13-jährige Ljuba Birjuk (Die Leiche wird am 27. Juni auf einem Waldweg im Rostower Umland gefunden).
  • 25. Juli: Ljuba Wolobujewa tötet er während einer Reise nach Krasnodar (Die Leiche wurde am 7. August gefunden).
  • 13. August: Tschikatilo tötet den neunjährigen Oleg Poschidjew (sein Leichnam wurde bis heute nicht gefunden).
  • 16. August: An jenem Tag wurde die 16-jährige Olga Kuprina ermordet (Die Leiche wird am 27. Oktober entdeckt).
  • 8. September: Er ermordet die 19-jährige Ira Krarabelnikowa (Die Leiche wird am 20. September auf dem Land in der Nähe von Schachty gefunden).
  • 15. September: Tschikatilo tötet den 15-jährigen Sergej Kusmin (Die Leiche wird am 12. Januar 1983 gefunden).
  • 11. Dezember: Er tötet die zehnjährige Olja Stalmatschenok in Nowotscherkassk (ihre Überreste wurden erst 5 Monate nach der Tat, am 11. April 1983 gefunden).

1983

1983 tötete er insgesamt acht Menschen.

  • zwischen dem 15. und 20. Juni ermordet Tschikatilo die fünfzehnjährige Laura Sarkisjan (man fand ihre Leiche bis zum heutigen Tag nicht).
  • Im Juli tötete er 2 weitere Menschen, an die genauen Daten konnte sich Tschikatilo jedoch nicht mehr erinnern.

Zuerst starb die 13-jährige Ira Dunenkowa, deren ältere Schwester Tschikatilos kurzzeitige Geliebte war (man fand sie in der Nähe des Flughafens Rostow im Park des Fliegers am 8. August).

Später tötete er auch die 24-jährige Ljuda Kutsjuba (ihre sterblichen Überreste fand man am 12. März 1984 außerhalb von Schachty).

  • 8. August: Sein nächstes Opfer war der siebenjährige Igor Gudkow (die Leiche wurde 20 Tage später ebenfalls im Park des Fliegers in Rostow entdeckt).
  • 19. September: Er tötet die 22-jährige Walja Tschutschulina (ihre Überreste fand man am 27. November außerhalb von Schachty).
  • Sommer/Herbst: Tschikatilo ermordet eine 18- bis 25-jährige Frau, deren Identität nie eindeutig geklärt werden konnte (ihre Leiche fand man im Oktober in der Nähe von Nowotscherkassk).

1984

Das Jahr 1984 ist der Höhepunkt von Tschikatilos Mordserie; er bringt 15 Menschen um.

  • 9. Januar: Die 17-jährige Natalja Schalapinina wird ermordet (Fund der Leiche am 10. Januar im Park des Fliegers in Rostow).
  • 21 Februar: Marta Rjabjenko wird in Schachty ermordet und am selben Tag gefunden.
  • 24. März: Dima Ptaschnikow (13) wird ermordet (Die Leiche wird am 27. März in dem Nowoschachtinsker Vorort Atx gefunden).
  • Mai: Tschikatilo bringt zwei Menschen an einem Tag um, Tanja Petosjan (gefunden am 27. Juni) und ihre elfjährige Tochter Sweta (gefunden am 5. Juni).
  • Juni/Juli: Jelena Bakulina (27) wird ermordet – das genaue Todesdatum lässt sich nicht feststellen.
  • 10. Juli: Der 13-jährige Dima Illarionow wird in Rostow getötet (am 12. August gefunden).
  • 19. Juli: Anna Lemeschewa (19) wird ermordet (6 Tage später in der Nähe von Schachty gefunden).
  • Ende Juli: Tschikatilo ermordet die 20-jährige Sweta Tschana.
  • 2. August: Die 16-jährige Natascha Golosowskaja wird im Park des Fliegers in Rostow ermordet.
  • 7. August: Die 17-jährige Ljuda Aleksejewa wird umgebracht (Fundort der Leiche am 10. August am linken Ufer des Don).
  • 12. August: Auf Geschäftsreise in Usbekistan ermordet Tschikatilo eine unbekannte Frau.
  • 13. August: Immer noch in Usbekistan tötet er den 13-jährigen Akmarala Seidaliewa.
  • 6. September: Die 13-jährige Ira Lutschinskaja wird im Park des Fliegers in Rostow ermordet (Leichenfund einen Tag später).

Am Ende des Jahres 1984 hat Tschikatilo bereits 32 Morde begangen, welche ihm zweifelsfrei nachgewiesen werden konnten.

Ermittlungen vor 1990

Im Fall der Tschikatilo-Morde ermittelte die Polizei bereits seit dem ersten Mord 1978 mit zunehmender Intensität. Jedoch wurde von der Miliz erst spät erkannt, dass die Taten einem Einzeltäter zuzuordnen waren, da Tschikatilo entgegen der üblichen Vorgehensweise von Serientätern nicht auf einen speziellen Opfertyp fixiert war. Er tötete Mädchen, Jungen, Frauen und auch Mütter, sogar Mütter mit ihren Kindern zusammen - lediglich Männer ließ er aus. Sie entsprachen entweder nicht seiner Sexualpräferenz oder aber er hatte zuviel Angst vor möglicher Gegenwehr.

1984 wurde zeitweise sogar daran gedacht, Schachty komplett zu evakuieren und die 200.000 Bewohner in der ganzen UdSSR zu verteilen. Die Pläne scheiterten jedoch schon daran, dass auch der Mörder mit umgezogen wäre und wahrscheinlich an anderer Stelle weiter gemordet hätte.

Tschikatilo wurde vor seiner Verhaftung zweimal verdächtigt und sogar in Gewahrsam genommen und verhört. Das erste Mal nach dem Mord an Lena, dann nochmals während des Jahres 1984. Dennoch konnte man ihn nicht mit den Morden in Verbindung bringen. Die Blutgruppenanalyse aus dem Sperma, welches bei den Opfern sichergestellt wurde, passte nicht zur Blutgruppe von Tschikatilo. Er hatte A, bei den Opfern wurde jedoch immer AB gefunden.

Entlarvung und Verhaftung

In den Zeiten von Perestroika und Glasnost wurden die Medien in der UdSSR immer unabhängiger. Die Fahndung nach dem Mörder, der inzwischen schon mehr als 40 Leute umgebracht hatte, wurde zunehmend öffentlich gemacht. Es gab große Aufklärungskampagnen in Schulen und auf der Straße, die laut Miliz in allen Schulen in Rostow und Schachty durchgeführt wurden. An jeder Eisenbahnstrecke um Rostow patrouillierten insgesamt mehr als 600 Milizbeamte rund um die Uhr.

An einer kleinen Station entdeckte ein wachhabender Beamter Tschikatilo, der 200 Meter weiter vom Bahnhof aus dem Wald kam. Er war von oben bis unten mit Schlamm bedeckt und hatte rote Flecken, welche er mit Wasser aus einem Hydranten abzuwaschen versuchte. Der Befehl lautete, von jedem am Bahnhof die Personalien festzustellen. Seine Papiere waren in Ordnung, und er konnte wenig später in den einfahrenden Zug einsteigen. Darüber wurde aber ein Bericht erstellt, der später bei der Polizei in Rostow landete.

Durch Zufall entdeckten zwei hochrangige Kommissare an derselben Stelle Kleidungsreste, an der Tschikatilo aus dem Wald gekommen war. Vor einigen Monaten war hier schon mal eine Leiche gefunden worden, wobei alles durchsucht wurde und die Kleidungsreste hätten entdeckt werden müssen. Es fand eine groß angelegte Suche mit 40 Beamten und Hunden statt, bei der man wenig später eine Kinderleiche fand. So geriet Tschikatilo immer mehr ins Fadenkreuz der Fahnder.

Danach wurde er rund um die Uhr von Fahndern des KGB beobachtet – sein Weg zur Arbeit, sein Verhalten im Zug, sein Privatleben. Am 20. November 1990 griff die Polizei dann zu und drei Beamte in Zivil nahmen Tschikatilo fest. Weder wehrte er sich, noch fragte er nach dem Grund für die Verhaftung. Die Ermittler hatten Bedenken, Tschikatilo könnte einen Nervenzusammenbruch oder einen Herzinfarkt bei der Festnahme bekommen, da er schon Mitte fünfzig war.

Verhör

Tschikatilo wurde in das Miliz-Hauptquartier nach Rostow gebracht und mit seinem Mantel, seiner Ledermütze und seiner großen Aktentasche abgelichtet. Ordnungsgemäß wurde eine Haar- und eine Blutprobe genommen. Der Zweifel, ob man wirklich den richtigen Mann festgenommen hatte, schwand immer mehr dahin, als man einen ersten Blick in die Aktentasche geworfen hat, welche er bei sich trug. Es befanden sich weder Papiere noch Akten darin, sondern zwei Stricke, ein Taschenspiegel und ein Küchenmesser mit einer fast 30 cm langen Klinge.

1988 kam ein Schreiben aus Moskau, dass es theoretisch möglich sei, dass das Sperma eines Mannes und sein Blut verschiedenen Blutgruppen angehören könnten. Man schenkte dem jedoch wenig Aufmerksamkeit, denn die Wahrscheinlichkeit eines solchen Falles beträgt 1:1.000.000 – sprich, nur bei etwa zwei Männern in der gesamten Oblast Rostow hätte dies zutreffen können. Als das Ergebnis der Blutuntersuchung von Tschikatilo vorlag, erschrak man. Seine Blutgruppe war A – gesucht wurde jedoch immer noch AB. Da man sich diesmal nicht, wie in den Jahren zuvor, nur auf die Blutproben verlassen wollte, wurden Experten herangezogen, welche auch einen Spermatest durchführten; denn es war immer nur Sperma des Mörders an den Opfern gefunden worden, nicht Blut. Der Test war für alle überraschend: tatsächlich gehörte das Sperma von Tschikatilo einer anderen Gruppe an als sein Blut, nämlich AB.

In den Verhören selbst saß Tschikatilo den Beamten immer schweigend gegenüber. Er behauptete, dass er nur von den Behörden festgehalten und drangsaliert werde, weil er des Öfteren Beschwerdeschreiben über korrupte Beamte verschickte.

23. November

An jenem Tag wurde Tschikatilos Haltung zu Prostituierten und Landstreichern durch folgende Aussage deutlich:

„Ich habe oft meine Zeit auf Bahnhöfen verbracht, in Fern- und Nahverkehrszügen und in Bussen. Es halten sich dort immer eine Menge unterschiedlicher Landstreicher auf, sowohl junge als auch alte. Sie betteln, fordern und stehlen. […] Ich habe in Bahnhöfen Szenen aus dem Sexualleben dieser Landstreicher beobachtet. Und dabei kam mir zu Bewußtsein, wie demütigend es ist, dass ich nie fähig war, mich als richtigen Mann zu empfinden. Es stelle sich die Frage, ob diese degenerierten Elemente überhaupt das Recht besitzen, zu existieren.“ (Auszug aus dem Verhörprotokoll der Miliz Rostow)

Später sagte er, er sei dankbar, dass man ihn gefasst habe. Er beteuerte zwar nicht mehr seine Unschuld, sprach jedoch nicht über die Morde. Sein übertriebenes Schamgefühl machte es ihm kaum möglich, mit einem anderen Mann über die Morde und seine sexuellen Handlungen zu sprechen.

29. November

Die Zeit für die Beamten wurde knapp, zehn Tage durfte man einen Verdächtigen nach sowjetischen Recht festhalten, länger nur, wenn eine Anklage gegen ihn erhoben wird. Am 30. hätte man Tschikatilo wieder laufen lassen müssen.

Die Ermittler machten einen Kurswechsel, kein Milizbeamter sollte Tschikatilo zum Sprechen bringen, sondern Alexander Buchanowski – ein ortsansässiger Psychiater, welcher gemeinsam mit Tschikatilo eine detaillierte Liste der Morde erstellen sollte. Buchanowski willigte nur unter drei Bedingungen ein:

  • Er steht ihm als Arzt und nicht als Ermittler gegenüber
  • Er will seine eigenen Aufzeichnungen machen, statt eine Aussage aufzunehmen
  • Sollte Tschikatilo tatsächlich gestehen, sollte nichts, was er mit Tschikatilo besprochen hat, gegen diesen verwendet werden. Die Behörden willigten ein.

Zwischen Tschikatilo und Buchanowski entstand eine gute Verbindung. Tschikatilo erzählte von seiner Kindheit und fuhr dann in seiner Lebensgeschichte fort. Am Abend des 29. November gab Tschikatilo zum ersten Mal zu, getötet zu haben.

30. November

Gegen Tschikatilo wurde formell Anklage erhoben, in der er beschuldigt wurde, in der Zeit von 1982 bis 1990 sechsunddreißig Morde verübt zu haben.

Die folgenden Wochen

Tschikatilo erzählte genau das, was die Behörden hören wollten. 34 Morde gestand er, jedoch bestritt er zwei aus dem Jahre 1986 und leugnete, mit den Opfern sexuellen Verkehr gehabt zu haben, da dies aufgrund seiner Impotenz nicht möglich war. Selten sprach er bei Vernehmungen lauter als im Flüsterton. Er gestand im Nachhinein sogar den Mord an der neunjährigen Lena aus dem Jahre 1978.

Seine Aussagen waren vage, jedoch muss man bedenken, dass sein erster Mord schon mehr als zwölf Jahre zurücklag und er sich an Einzelheiten nicht mehr erinnern konnte.

Letztlich gestand er auch Morde außerhalb der Region Rostow, wie 1987 in Moskau, welche mit ihm nicht in Verbindung gebracht wurden. Er berichtete auch von Morden, welche der Miliz noch gar nicht bekannt waren. Erst als man mit Tschikatilo die von ihm beschriebenen Plätze aufsuchte, fand man eine Leiche. Bei zwei seiner Geständnisse konnte die Polizei trotz Beschreibung von Tschikatilo die Leichen nicht finden und somit auch nicht deren Identität feststellen. Die Geständnisse wurden somit für nichtig erklärt.

Am Ende wurden somit über 50 Morde aufgeklärt.

Verurteilung

Jedem war klar, dass Tschikatilo für seine Morde die Todesstrafe bekommen würde. Sein einziger Ausweg wäre gewesen, für geisteskrank befunden zu werden – dafür war es jedoch schon zu spät.

Im April 1992 begann der Prozess gegen Tschikatilo im Bezirksgericht Rostow. Man hatte zu seinem eigenem Schutz vor den Gerichtszuschauern einen Käfig für ihn aufgestellt. Bisher kannte die Bevölkerung, auch die Angehörigen der Opfer, Tschikatilo weder vom Namen noch von Fotos. Es wurde nur ein Phantombild veröffentlicht, und Tschikatilo wurde mit „Bürger T.“ umschrieben. Die Menge war sehr wütend auf ihn, auch im Gerichtssaal, so dass der Richter Leonid Akubschanow alle Mühe hatte, Ruhe in den Saal zu bringen.

Schließlich wurde am 14. Oktober 1992 Andrei Romanowitsch Tschikatilo nach dem geltenden Recht in drei Schritten verurteilt:

  • Todesstrafe und 56 Jahre Haft für die Morde in Russland
  • Todesstrafe und 5 Jahre Haft für die Morde in der Ukraine
  • Todesstrafe und 25 Jahre Haft für die Morde in Usbekistan
  • Gesamt: Dreifache Todesstrafe und 86 Jahre Haft.

Nach dem russischem Gesetz hatte er sieben Tage Zeit, vor dem Obersten Gericht in Revision zu gehen, ein Antrag hätte jedoch kaum Erfolgsaussichten gehabt. Nach dem Urteil wurde er in den Todestrakt des Gefängnisses von Nowotscherkassk gebracht. Ende 1993/Anfang 1994 wurde er wieder nach Rostow gebracht, nicht ins Milizhauptquartier, sondern in ein geheimes Gebäude. Am 16. Februar 1994 wurde er durch Genickschuss hingerichtet.

Film und Musik

Andrei Tschikatilos Lebensgeschichte bildet die Basis für den 1995 erschienenen Film „Citizen X“. Der Film beschreibt die Geschehnisse und Suche nach dem Serienmörder aus der Sicht der Ermittler. Das Drehbuch greift eine andere These für die jahrelange Suche nach dem Täter auf. So wurde angeblich aus politischen Gründen lange Zeit ein aufwendiger und imageschädigender Großeinsatz verhindert. Nachdem die Blutuntersuchung bei der ersten Verhaftung Tschikatilos eine andere als die gesuchte ergeben hatte, wurde er auf politischen Druck wieder freigelassen. Dies wird mit der Mitgliedschaft des Mörders in der KPdSU begründet. Der Film scheint eine kritische Stellung zur Möglichkeit der unterschiedlichen Blutgruppen einzunehmen. Es wird im Abspann darauf hingewiesen, dass diese These von Wissenschaftlern in aller Welt belächelt wird. Er bezieht jedoch nicht explizit Stellung zu dieser Kontroverse.

Ein weiterer Film, Evilenko (2004), basiert ebenfalls auf diesen Fall, jedoch wurden einige Fakten geändert. Die Figur von Tschikatilo wurde zu Andrei Evilenko umgetauft. Malcolm McDowell spielt die Rolle des psychopathischen Killers.

2002 veröffentlichte die deutsche Deathgrind-Band Kadath das zweite Album "Chasing the devil", ein Konzeptalbum, das Leben und Handeln von Andrei Romanowitsch Tschikatilo thematisiert.
2004 veröffentlichte die deutsche Metalband Eisregen auf ihrem Album „Wundwasser“ das Lied „Ripper von Rostow“, welches den Mord Tschikatilos an Sweta Tschana (1984) sowie seine Festnahme behandelt, wobei sich die Gruppe jedoch nicht exakt an die historischen Vorgaben gehalten hatte.

Literatur

  • Kind 44, Tom Rob Smith; ISBN 978-3-8321-8056-0
  • Der Todesengel von Rostow, Peter Conradi; ISBN 3-404-13456-7
  • Die Jagd nach dem Teufel von Rostow, Richard Lourie; ISBN 3-442-42201-9
  • Der Mann aus der Hölle,Mikhail Krivitch & Olgert Olgin;ISBN 3-453-06367-8
  • Der Zwang zur Serie, Hans Pfeiffer, Ullstein (04/2001); ISBN 3-548-36227-3



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