Klebereiweiß

Klebereiweiß

Gluten (ursprüngl. Lat. [ˈɡluːtɛn], heute Deutsch wie in vielen romanischen Sprachen ebenfalls meist [ɡluˈteːn], lateinisch gluten = „Leim“; Synonyme: Kleber, Klebereiweiß) ist die Bezeichnung für ein Gemisch aus 90 % Proteinen, 8 % Lipiden und 2 % Kohlenhydraten, welches durch Wasserzugabe zum Mehl beim Anteigen eine gummiartige, elastische Masse bildet. Es hat für die Backeigenschaften von Mehl eine zentrale Bedeutung. Gluten kann bei genetisch-prädisponierten Menschen zu Zöliakie, einer entzündlichen Erkrankung der Darmschleimhaut mit weitreichenden gesundheitlichen Folgen, führen.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Der Kleber setzt sich aus den beiden Osborne-Fraktionen[1] Prolamin (löslich in einer 70 %igen Ethanollösung) und Glutelin (im Alkalischen löslich) zusammen, wobei es sich (im Gegensatz zu Enzymen und anderen Cytoplasmaproteinen) um Reserveproteine (Speicherproteine im Samen, Wurzel- und Sprossknollen) handelt. Im Weizen werden sie als „Gliadine“ (Prolaminfraktion) und „Glutenine“ (Glutelinfraktion) bezeichnet und in die Untergruppen „hochmolekulare“ Gliadine und „niedermolekulare“ Gliadine sowie „mittelmolekulare“ Glutenine (ω1,2-Gliadine) und „niedermolekulare Glutenine“ (α- und β-Gliadine) unterteilt. Prolamine und Gluteline kommen im Weizen in einem Verhältnis von etwa 1:1 vor und stellen mit rund 80 % die mengenmäßig größte Proteinfraktion dar.

Vorkommen

Gluteline sind enthalten in Roggen, Weizen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Emmer, Einkorn, Kamut. Glutenfrei sind dagegen Quinoa, Amarant, Mais, Reis, Hirse, Soja, der sogenannte Wildreis, Buchweizen, Kartoffeln, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Eier, Natur-Käse-Sorten, Sesam, Mohn, Leinsamen, Nüsse, Mandeln. Bei verarbeiteten Lebensmitteln und Fertigprodukten müssen glutenempfindliche Menschen allerdings genau darauf achten, dass keine glutenhaltigen Zutaten verwendet wurden. Da Gluten technologisch gerne als Emulgator, zum Gelieren, Stabilisieren und als Träger von Aromastoffen eingesetzt wird, ist dies nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen.

Hafer enthält Gluteline, seine Prolaminfraktion unterscheidet sich in der Aminosäuresequenz von jener anderer Getreidegattungen und scheint nicht im gleichen Umfang für glutenempfindliche Menschen schädigend zu sein.[2] Hafer ist aber im deutschsprachigen Raum noch nicht zur glutenfreien Ernährung empfohlen, da Verunreinigungen durch glutenhaltiges Getreide nicht ausgeschlossen werden können.[3]

Lebensmitteltechnologische Bedeutung

In Verbindung mit Wasser bildet Gluten sogenanntes Klebereiweiß. Dieses bildet das Teiggerüst bei Brot und Gebäcken. Nur aus Mehlen mit Gluten kann Brot in Form eines Laibes (im Unterschied zu Fladenbrot) gebacken werden. Die Menge an Gluten ist für die Backfähigkeit („Gashaltefähigkeit“) von Weizenmehlen ausschlaggebend. Gluten ist dehnbar und sorgt im Weizenteig auf der Gare dafür, dass die Gärgase gehalten werden und somit das Gebäck aufgehen kann. Im fertigen Gebäck sorgt das geronnene Klebergerüst dafür, dass das Gebäck seine Form behält.

Die Aufgabe des Müllers besteht darin, Weizenpartien so zu mischen, dass die Kleberqualität für die Herstellung von Brot und Kleingebäck optimal ist. Im handelsüblichen Weizenmehl liegt der (Trocken-)Klebergehalt bei ca. 13 %. Da trockener Kleber etwa das Zwei- bis Dreifache seines Eigengewichtes an Wasser aufnehmen kann, liegt der (Feucht-)Klebergehalt in Teigen etwa bei 30–35 %.

Im Labor wird Kleber ausgewaschen, indem ein Teig mit Kochsalzlösung gespült wird, bis die Iodprobe anzeigt, dass im Auswaschwasser keine Stärke mehr vorhanden ist. Zurück bleibt der kaugummiartige Kleber. Die Eigenschaften des Klebers (dehnbar-elastisch oder bockig-kurz) werden hauptsächlich durch die Sorteneigenschaften des Weizens vorgegeben. Die Kleberqualität kann im Labor durch verschiedene Untersuchungen (Dehnungsprüfung mit dem Extensographen oder Glutenindex mit dem Glutomatic-Gerät) festgestellt werden.

Gluten ist auch in den aus Getreide hergestellten Lebensmitteln enthalten und bildet den Hauptbestandteil für Seitan, einen Fleischersatz.

Medizinische Bedeutung

Glutenunverträglichkeit (Zöliakie)

Symbol für glutenfreie Nahrungsmittel

Bei normaler Verdauung ist Gluten ungefährlich, aber bei (genetisch bedingt) glutenempfindlichen Menschen wird die Dünndarmschleimhaut geschädigt, so dass keine normale Verdauung mehr möglich ist. Typische Anzeichen für eine Glutenunverträglichkeit (Fachausdruck: Zöliakie, einheimische Sprue oder glutensensitive Enteropathie) sind Blähungen, Übelkeit, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, chronischer Durchfall und eine Gedeihstörung bei Kindern. Der Verdacht kann mittels eines Antikörpertests erhärtet werden. Die Diagnose muss durch eine Dünndarmbiopsie bestätigt werden. In Mitteleuropa wird die Erkrankungshäufigkeit (Prävalenz) auf 1:500 bis sogar 1:100 Menschen geschätzt. Die bisher einzig mögliche Therapie ist eine lebenslang einzuhaltende Diät, bei der auf glutenhaltige Lebensmittel verzichtet wird. Bei vollständigem Verzicht auf glutenhaltige Lebensmittel (glutenfreie Diät/Gfcf-Ernährung) bilden sich die Symptome nach einiger Zeit zurück. Betroffene können sich bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft über ein Leben mit dieser „unsichtbaren“ Behinderung im Alltag informieren.

Zusammenhang mit Diabetes mellitus Typ I

Wissenschaftler untersuchen derzeit einen Zusammenhang zwischen glutenhaltiger Ernährung und der Entwicklung von Autoimmunantikörpern, die zur Herausbildung eines Diabetes mellitus Typ I („Zuckerkrankheit“) führen. Nach ersten Ergebnissen haben Kinder aus Risikogruppen (genetische Veranlagung oder Diabetes mellitus Typ I bei einem Elternteil), die schon im Alter unter vier Monaten glutenhaltige Getreideprodukte erhielten, ein signifikant höheres Risiko Autoantikörper gegen die Inselzellen der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) zu entwickeln[4].

Opioide Wirkungen

Weiterhin wurden verschiedene Abschnitte des Glutens (ebenso wie auch des Kaseins, eines Milcheiweißes) identifiziert, die als Exorphine eine opioide Wirkung entfalten. Ob sie tatsächlich auch klinische, also krankmachende Bedeutung haben, ist aber unklar.

Literatur

Wilfried Seibel (Hrsg.): Warenkunde Getreide – Inhaltsstoffe, Analytik, Reinigung, Trocknung, Lagerung, Vermarktung, Verarbeitung. Agrimedia, 2005, ISBN 3-86037-257-2.

Einzelnachweise

  1. T. B. Osborne: The chemistry of the protein-bodies of the wheat kernel. Part I. The protein soluble in alcohol and its glutaminic acid content. In: American Journal of Physiology 1905; 13(1):35-44
  2. E. K. Janatuinen et al.: No harm from five year ingestion of oats in coeliac disease. In: Guts 2003; 50:332-335 PMID 11839710
  3. A. van Teeffelen-Heithoff: Diätetische Grundlagen der Zöliakiebehandlung. In: Monatsschrift Kinderheilkunde 2003; 151:719-725
  4. Marienfeld S et al.: Frühkindliche Ernährung und Typ-1-Diabetes In: Dtsch Arztebl 2007; 104(9): A 570–5.

Siehe auch

Weblinks

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