- Andrey Gavrilov
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Andrei Wladimirowitsch Gawrilow (russisch Андрей Владимирович Гаврилов, wiss. Transliteration Andrej Vladimirovič Gavrilov; * 21. September 1955 in Moskau) ist ein russischer Pianist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Gawrilow, Sohn des russischen Malers Wladimir Gawrilow, erhielt ersten Klavierunterricht im Alter von knapp unter drei Jahren von seiner Mutter Assanetta Egeserian, die, ebenfalls Pianistin, bei Heinrich Neuhaus studiert hatte. 1961 wurde er an der Moskauer Zentralen Musikschule aufgenommen, wo er von Tatjana Kestner, die bei Alexander Goldenweiser studiert hatte, unterrichtet wurde. Seine Ausbildung beendete er bei einem anderen Neuhaus-Schüler, Lew Naumow, am Moskauer Konservatorium. Bereits mit 18 Jahren und nach einem Semester am Konservatorium[1] gewann er 1974 den Tschaikowski-Wettbewerb und erlangte internationale Bekanntheit, als er im gleichen Jahr bei den Salzburger Festspielen für Swjatoslaw Richter einsprang,[2] der ihn bereits seit Gawrilows Jugend protegierte. Bis 1979 trat Gawrilow in allen wichtigen Musikzentren in Ost und West mit bis zu 90 Konzerten im Jahr auf und führte noch sein Studium am Konservatorium fort.[3]
1979, auf dem zwischenzeitlichen Höhepunkt von Gawrilows Karriere, bot Herbert von Karajan, der ihn mit dem Ersten Tschaikowski-Konzert in Berlin gehört hatte, Aufnahmen aller Rachmaninow-Konzerte an, obwohl Karajan Rachmaninow-Konzerte selten dirigierte. Im Dezember 1979 waren in Berlin Tonaufnahmen mit den Berliner Philharmonikern für das Zweite Klavierkonzert terminiert, zu deren Proben Gawrilow nicht erschien. Es stellte sich heraus, dass ihm - aufgrund kritischer Äußerungen über das sowjetische Regime - durch den damaligen KGB-Chef und späteren kurzzeitigen ZK-Sekretär Juri Andropow im Einvernehmen mit Leonid Breschnew der Pass und die Flugtickets entzogen und seine Telefonleitung gekappt worden war. Später wurde Gawrilow unter Hausarrest gestellt, zeitweise war er in psychiatrischen Kliniken zwangseingewiesen. Milizionäre zeigten Gawrilow eine offizielle Anweisung, dass ein tödlicher Unfall Gawrilows den Behörden nicht unwillkommen wäre.[4] Erst durch Michail Gorbatschows Vermittlung endete dieser Albtraum 1984 und Gawrilow erhielt einen „freien Pass“, so dass er wieder im Westen konzertieren und Tonaufnahmen machen konnte, ohne im Ausland politisches Asyl beantragen zu müssen. Er lebte in der Folge in London und ab 1989 in Bad Camberg bei Wiesbaden und nahm auch die deutsche Staatsbürgerschaft an.[5]
1993 entzog sich Gawrilow dem Kulturbetrieb, sagte Konzerte ab[6] und machte ab diesem Zeitpunkt keine weiteren Studioaufnahmen. Einem Interview mit dem Guardian zufolge sah er sich zwar auf der Höhe seiner Karriere, materiell gut gestellt, aber nicht als einen freien, originären und idealistischen Künstler außerhalb der Musikindustrie.[7] Aus der geplanten zweijährigen Auszeit[8] wurden schließlich acht Jahre. Er beschäftigte sich in dieser Zeit mit den Intentionen der Komponisten in den Werken, mit religiösen und philosophischen Fragen, lebte ein halbes Jahr auf den Fidschi-Inseln und überarbeitete seine Klaviertechnik grundlegend.[9] 2001 zog er in die Schweiz, lebte dort in Luzern und begann in der Saison 2001/2 wieder zu konzertieren. Seit August 2008 lebt er mit seiner zweiten Frau und seinem Sohn im Kanton Zürich.
Gawrilow ist ein Pianist von außerordentlicher Virtuosität und Kraft[10]. Bereits 1974 nahm Melodija das 1. Tschaikowski-Konzert vom Preisträger-Konzert des Tschaikowski-Wettbewerbes sowie ein Live-Soloprogramm auf. 1976 folgte eine Studioaufnahme des 3. Rachmaninow-Konzertes. Von 1977-1989 arbeitete er im Tonstudio exklusiv für EMI. Aus dieser Zeit stammt die legendäre Aufnahme der Chopin-Etüden und vieler weiterer Werke, vor allem von Chopin, Skrjabin, Prokofjew, Rachmaninow und J.S. Bach. Von 1991-1993 nahm er für Deutsche Grammophon auf, wo Gawrilow, der immer wieder zu seinem Kernrepertoire zurückkehrt, u. a. einige der bereits für EMI eingespielten Werke duplizierte. Eine Reihe von Projekten mit vielen Gawrilow-Novitäten wurde nicht mehr realisiert, so Bachs Englische Suiten, die kompletten Beethoven Klavierkonzerte, die Chorfantasie und die Diabelli-Variationen, sowie weiterer vager Pläne mit Werken von Liszt (Etudes d’exécution transcendante, Paganini-Etüden), Ravels Gesamtwerk für Klavier solo und mit Orchester, den Klavierkonzerten von Grieg und Schumann und Benjamin Brittens Golden Vanity.[11] Im Jahr 2009 ist die Veröffentlichung einer Reihe mit neuen DVD-Aufnahmen geplant.
Diskographie
Sofern nicht anders angegeben, sind Aufnahmen bis 1976 bei Melodija erschienen, solche von 1977 bis 1989 bei EMI (anfangs in Koproduktion mit Melodija), solche von 1991-93 bei DGG.
- 1974
- Tschaikowski: Klavierkonzert Nr. 1; mit dem Großen Rundfunk-Sinfonieorchester der UdSSR, Leitung Dmitri Kitajenko (Abschlußkonzert Tschaikowski-Wettbewerb 1974 live).
- Haydn: Sonate Es-Dur Hob. XVI/52; Skrjabin: Etüde op 42/5; Liszt: La Campanella; Tschaikowski: Variationen op 19/6; Ravel: Pavane pour une enfante defunte; Scarbo aus Gaspard de la nuit. Live (Tschaikowski-Variationen live vom Tschaikowski-Wettbewerb).
- 1976 Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 3; mit Ad-hoc-Orchester bestehend aus Mitgliedern des Sinfonieorchesters der Staatl. Moskauer Philharmonie sowie des Staatl. Akademischen Orchesters der UdSSR, Leitung Alexander Lasarew.
- 1977
- Prokofiew: Klavierkonzert Nr. 1; 2 Stücke aus "Romeo und Julia". Ravel: Klavierkonzert für die linke Hand; Pavane pour une enfante defunte. Konzerte mit dem London Symphony Orchestra, Leitung: Simon Rattle.
- Ravel:Gaspard de la nuit. Prokofiew: Suggestion diabolique. Liszt: La Campanella. Tschaikowski: Variationen op 19/6. Mili Balakirew: Islamej.
- Tschaikowski: Klavierkonzert Nr. 1; mit dem Philharmonia Orchestra, Leitung: Riccardo Muti.
- 1979
- Händel: Suiten HWV 426, 429, 431, 432, 436, 437, 440, 447 (live vom Tours Festival auf Chateau de Marcilly-sur-Maulne; die übrigen Suiten spielte Swjatoslaw Richter).
- Prokofiew: 10 Stücke aus Romeo und Julia; 8. Klaviersonate.
- Weber: Grand Duo Concertant op 48; Hindemith: Violinsonate op 11; Schnittke: Violinsonate Nr. 2. Mit Gidon Kremer.
- Dmitri Schostakowitsch: Violinsonate. Mit Gidon Kremer (live).
- 1981:
- Beethoven: Klavierkonzert Nr. 3, mit dem Staatl. Symphonieorchester der UdSSR, Leitung Juri Temirkanow. Live, Melodija.
- Weber: Grand Duo Concertant op 48; Johannes Brahms: Klarinettentrio op 114; Alban Berg: 4 Stücke für Klarinette und Klavier. Mit Ivan Monigetti, Violoncello, Anatoli Kamischew, Klarinette. Melodija.
- 1983: W.A. Mozart: Konzert f. 2 Klaviere KV 365; Felix Mendelssohn Bartholdy: Konzert f. 2 Klaviere E-Dur. Mit Dang Thai Son, 2. Klavier, Moskauer Kammerorchester, Leitung Pavel Kogan. Melodija.
- 1984:
- J.S. Bach: Französische Suiten 1-6.
- Rachmaninow: Auswahl Klavierwerke aus opp 3, 16, 23, 32, 39.
- Skrjabin: 4. Klaviersonate; Auswahl Preludes aus opp 9, 11, 13, 15, 16; Etüde op 42/5.
- 1984/1985: Chopin: Klaviersonate Nr. 2; 4 Balladen.
- 1985: J.S. Bach: Klavierkonzerte BWV 1052-1058, mit dem Moskauer Kammerorchester, Leitung Juri Nikolajewski. Melodija
- 1985/1987: Chopin: Etüden opp 10, 25.
- 1986
- J.S. Bach: Klavierkonzerte BWV 1052-1058, mit der Academy of St. Martin in the Fields, Leitung Neville Marriner.
- Rachmaninow: 3. Klavierkonzert, mit dem Philadelphia Orchestra, Leitung Riccardo Muti.
- 1988
- W.A. Mozart: Klaviersonaten KV 331, 332; Fantasie KV 397; Präludium und Fuge KV 394.
- Tschaikowski: Klavierkonzert Nr. 1 und Nr. 3 , mit den Berliner Philharmonikern, Leitung Vladimir Ashkenazy (live).
- 1989
- Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 2; Rhapsodie über ein Thema von Paganini; mit dem Philadelphia Orchestra, Leitung Riccardo Muti.
- Rachmaninow: Klavierkonzert Nr. 2; mit dem Royal Philharmonic Orchestra, Leitung Vladimir Ashkenazy (live in Moskau)
- Strawinski: Konzert für zwei Klaviere; Le sacre du printemps; Scherzo; Sonate für 2 Klaviere, mit Vladimir Ashkenazy, Decca Records
- 1991
- Chopin: Klaviersonate Nr. 2; 4 Balladen
- Prokofiew: Klaviersonaten Nr. 3, 7, 8
- Schubert: Impromptus D. 899 und D. 935
- 1992:
- J.S. Bach: Goldberg-Variationen.
- Britten: Friday Afternoons op 7 (mit den Wiener Sängerknaben); Sailing, Night The Ballad of Little Musgrave and Lady Barnard (aus Holiday Suite op. 5).
- Prokofiew: 10 Stücke aus Romeo und Julia; Suggestion diabolique. Prelude op 12/7. Ravel: Gaspard de la Nuit; Pavane pour une enfante defunte.
- 1993
- J.S. Bach: Französische Suiten 1-6.
- Grieg: Auswahl Lyrische Stücke.
- 1999 Chopin: Klaviersonate Nr. 2; Balladen Nr. 1, 4; Etüden op 10/3-5,9,12. Live Kloster Maulbronn, K&K Verlagsanstalt.
TV-Aufnahmen
1979
- Dmitri Schostakowitsch: Sonate für Violine und Klavier. Carl Maria von Weber: Grand Duo Concertant op 48; Adagio. Gioacchino Rossini: Andante con Variazione. Mit Gidon Kremer, Violine. WDR/EMI Laserdisc
1990
- Prokofiew: Suggestion diabolique; Montagues & Capulets (aus: 10 Stücke aus Romeo & Julia); Klaviersonate Nr. 8. Gavrilov spricht auch über die Werke mit dem engl. Komponisten Michael Berkeley auf engl., deutsch untertitelt. Südwestfunk.
- Rachmaninow: Moment musical op 16/3; Elegie op 3/1. Südwestfunk.
- Skrjabin: Prelude op 9; Klaviersonate Nr. 4; Etüde op 42/5. Südwestfunk
2000
- J.S. Bach: Wohltemperiertes Klavier, Buch Nr. 1, Präludien & Fugen Nr. 1-12. BBC Wales/Euroarts DVD
Einzelnachweise
- ↑ http://www.bechstein.de/upload/concerthall/news/News17.pdf
- ↑ Programm dieses Abends
- ↑ http://www.bechstein.de/upload/concerthall/news/News17.pdf
- ↑ http://www.guardian.co.uk/music/2006/dec/21/classicalmusicandopera
- ↑ Gramophone Juni 1992
- ↑ http://www.guardian.co.uk/music/2006/dec/21/classicalmusicandopera
- ↑ http://www.guardian.co.uk/music/2006/dec/21/classicalmusicandopera
- ↑ http://www.bechstein.de/upload/concerthall/news/News17.pdf
- ↑ http://www.bechstein.de/upload/concerthall/news/News17.pdf
- ↑ „flammenwerfende Technik, einzigartiger Drive und Körperlichkeit“ - Gramophone Juni 1992
- ↑ Gramophone Juni 1992
Weblinks
- Offizielle Webpräsenz (englisch)
- Livemitschnitt Luzern Festival 2006: Gawrilow spielt 7 Chopin-Nocturnes
Erster Preisträger Klavier beim Tschaikowski-WettbewerbVan Cliburn (1958) | Vladimir Ashkenazy, John Ogdon (1962, geteilt) | Grigori Sokolow (1966) | Wladimir Krainew, John Lill (1970, get.) | Andrei Gawrilow (1974) | Michail Pletnjow (1978) | Peter Donohoe, Wladimir Owtschinnikow (1982, get. 2. Platz) | Barry Douglas (1986) | Boris Berezovsky (1990) | Nikolai Luganski (1994) (2.) | Denis Matsuew (1998) | Ayako Uehara (2002) | Miroslaw Kultischew (2007, 2.)
Personendaten NAME Gawrilow, Andrei Wladimirowitsch ALTERNATIVNAMEN Gavrilov, Andrej Vladimirovič KURZBESCHREIBUNG russischer Pianist GEBURTSDATUM 21. September 1955 GEBURTSORT Moskau - 1974
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