Kokoschka

Kokoschka
Briefmarkenausgabe zum 100. Geburtstag von Oskar Kokoschka unter Verwendung seines Selbstbildnisses von 1914

Oskar Kokoschka (* 1. März 1886 in Pöchlarn, Niederösterreich; † 22. Februar 1980 in Montreux, Schweiz), war ein österreichischer Maler, Grafiker und Schriftsteller des Expressionismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Geburtshaus Kokoschkas in Pöchlarn (Aufnahme 2006)

Herkunft und Familie (1886-1896)

Oskar Kokoschka wurde am 1. März 1886 als zweiter Sohn des Handelsreisenden Gustav Josef Kokoschka (1840-1923) und dessen Ehefrau Maria Romana, geb. Loidl (1861-1934) im niederösterreichischen Pöchlarn an der Donau geboren. Die Vorfahren väterlicherseits stammten aus einer Prager Goldschmiedefamilie. 1887 zog die Familie nach Wien um; sein älterer Bruder Gustav starb im selben Jahr. Zwei Jahre später wurde seine Schwester Berta geboren (1889-1960), weitere drei Jahre später sein jüngerer Bruder Bohuslav (1892-1976).

Ausbildung

Zunächst besuchte Kokoschka die k.u.k. Staatsrealschule im Wiener Gemeindebezirk Währing. Seine frühesten noch erhaltenen Zeichnungen und Aquarelle stammen aus dieser Zeit. Von 1905 bis 1909 lernte er an der Kunstgewerbeschule in Wien; einer seiner Lehrer war Gustav Klimt, eine seiner Mitschülerinnen Elsa Oeltjen-Kasimir. Kokoschka wurde außerdem durch Werke Vincent van Goghs geprägt und lehnte bereits den zu jener Zeit noch vorherrschenden Jugendstil ab. Dies führte dazu, dass seine frühen Arbeiten, vor allem gefühls- und triebbetonte Porträts, wenig geschätzt wurden. Aus diesem Grund siedelte er 1910 nach Berlin über, 1911 kehrte er nach Wien zurück.

Alma Mahler und Kriegsfreiwilliger (1911-1916)

1911 befreundete er sich mit Alma Mahler (1879-1964) und lebte ab 1912 mit ihr zusammen. Seine unerfüllte Liebe zu ihr brachte verschiedene bedeutende Kunstwerke hervor, darunter auch die bekannten Fächer als auch eine Serie von Lithografien. Ein leidenschaftlicher Briefwechsel zeugt von den extremen Gefühlslagen beider Partner zueinander. Auch Kokoschkas Malerei wandelte sich in dieser Zeit: er arbeitete mit breiteren Pinselstrichen und pastos aufgetragenen Farben. 1914 wurde Kokoschka Mitglied der Freien Secession in Berlin. In diesem Jahr wurde Alma Mahler schwanger und trieb das Kind gegen den Willen Kokoschkas ab. Das führte unter anderem zu der für ihn sehr schweren Trennung und hatte weitreichende Folgen für Kokoschka. Er meldete sich im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger und wurde bei Einsätzen in Galizien durch Kopfschuss und in der Ukraine durch einen Bajonettstich in die Lunge schwer verwundet. Er überstand die Verletzungen und war 1916 als Kriegsmaler an der Isonzofront tätig. Im selben Jahr wurden zwei Litho-Zyklen von ihm veröffentlicht.

Dresden und Reisen (1917-1931)

1917 siedelte er nach Dresden über. 1919 bis 1926 hatte er eine Professur an der Kunstakademie in Dresden inne, von der er bereits 1924 freigestellt wurde. Nach seinem plötzlichen Ausscheiden aus der Akademie unternahm der Maler ausgedehnte Reisen durch Europa, Nordafrika und Gebiete um das östliche Mittelmeer, die ihn zu zahlreichen Städteporträts und Landschaftsbildern inspirierten.

Wien, Paris, Prag, Oskar Kokoschka Bund (1931-1938)

1931 kehrte er nach Wien zurück, hatte Ausstellungen in Paris und Wien und pendelte für jeweils längere Aufenthalte zwischen beiden Orten. Ab 1933 beabsichtigte er, fest in Wien zu leben, doch nach dem Tod seiner Mutter (1934) sah er sich durch die politischen Ereignisse in Deutschland und Österreich gezwungen, im selben Jahr nach Prag zu flüchten, wo er auch seine spätere Frau Olda Palkovská kennen lernte.

1937 wurde der Oskar Kokoschka Bund in Prag gegründet, um dem Nazideutschen Kunst(un)verständnis etwas entgegenzusetzen. Vorsitzende waren Theo Balden, Heinz Werner und Kurt Lade, Kassenwartin Annemarie Balden-Wolff (damals Romahn). Man traf sich alle vierzehn Tage und veranstaltete im Emigrantenheim Stranice Ausstellungen und Künstlerfeste. Neben Ausstellungen von „Entarteter Kunst“ veranstaltete er in Vorhersehung Hitlers Pläne gemischte Ausstellungen von sudeten- und reichsdeutschen Künstlern. Auch eine Ausstellung "Freie Deutsche Kunst" fand zusammen mit dem Pariser "Deutschen Künstler Verein" in Paris im Sommer 1938 statt.

England (1938-1953)

Nach der Verkündung der Mobilmachung in der Tschechoslowakei im Mai 1938 flüchtete Oskar Kokoschka erneut, diesmal nach Großbritannien, da seine Werke von den Nationalsozialisten als entartete Kunst diffamiert und aus den Museen entfernt wurden. Dabei wurden insgesamt 417 Gemälde konfisziert. Während seiner Zeit im Englischen Exil war Kokoschka aktives Mitglied der österreichischen Exilorganisation Young Austria. 1941 heiratete er Olda Palkovská in einem Luftschutzkeller in London. Ab 1946 besaß er die britische Staatsbürgerschaft und führte seine ersten großen Ausstellungen nach dem Zweiten Weltkrieg in Zürich und Basel durch. Erst 1975 nahm er wieder die österreichische Staatsbürgerschaft an.

Villeneuve (1953-1980)

1953 gründete Kokoschka zusammen mit Friedrich Welz als „Schule des Sehens“ die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg auf der Festung Hohensalzburg. Ebenfalls 1953 übersiedelte er in die Schweiz nach Villeneuve am Genfer See. Es folgten eine Vielzahl von Reisen ins europäische und außereuropäische Ausland sowie verschiedene Retrospektiven seines Werkes, u.a. in der Schweiz, Österreich und Japan.

Oskar Kokoschka war Teilnehmer der documenta 1 (1955), der documenta II (1959), und auch der documenta III im Jahr 1964 in Kassel.

Kokoschka starb am 22. Februar 1980 in Montreux; die Beisetzung erfolgte auf dem Friedhof in Clarens. Nach seinem Tod wurde der Oskar-Kokoschka-Preis für Leistungen auf dem Gebiet der bildenden Kunst ins Leben gerufen.

Nachlass

Im Jahr 1988 wurde eine Kokoschka-Stiftung gegründet, die im Jenish Museum in Vevey über eintausend Werke aufbewahrt. Seine Witwe Olda verwaltete die Stiftung.

Seine Bibliothek und Fotos aus seinem Besitz wurden der Hochschule für Angewandte Kunst in Wien von seiner Witwe vermacht.

Die Werke der Stiftung beansprucht nach dem Tod Kokoschkas Frau sein Neffe Roman Kokoschka, ein Arzt in Wien, der sie nach Wien bringen möchte.[1]

Werke (Auswahl)

Gemälde

La Novia del Viento
  • 1910: "Bildnis Herwarth Walden, Staatsgalerie Stuttgart
  • 1913: "Die Windsbraut", Kunstmuseum Basel
  • 1918: Selbstbildnis
  • 1918: Die Macht der Musik, Stedelijk van Abbermuseum, Eindhoven
  • 1922: "Dresden-Neustadt", Kunsthalle Hamburg
  • 1931: "Pan: Trudl mit Ziege", Sprengel-Museum, Hannover
  • 1934: "Prag: Karlsbrücke", Nationalgalerie Prag
  • 1937: "Selbstbildnis eines 'entarteten Künstlers'", National Gallery of Scotland
  • 1950: "Bildnis Prof. Dr. Theodor Heuss", Museum der Stadt Köln, Museum Ludwig
  • 1950: Prometheus-Triptychon, The Samuel Courtald Trust, London; Courtald Institute of Art Gallery
  • 1951: "Der Hafen von Hamburg", Museum of Modern Art New York
  • 1952: "Geschwister Feilchenfeldt", Privatbesitz ( Walter und Konrad Feilchenfeldt)
  • 1954: Thermopylae-Triptychon, Hamburg, Universität
  • 1955: Bühnenbilder und Kostüme für "Die Zauberflöte", Salzburger Festspiele
  • 1956: "Wien, Staatsoper"
  • 1956: "Ansicht der Stadt Köln vom Messeturm aus", Museum Ludwig, Köln
  • 1966: Porträt "Konrad Adenauer"

Schriften

Kokoschka verfasste Essays und Gedichte, dazu die Autobiographie "Mein Leben" (1971). Sein Briefwechsel erschien ab 1984. Seine Dramen wurden in den 1990er Jahren wieder vermehrt aufgeführt:

  • 1909: "Mörder, Hoffnung der Frauen" (Drama)
  • 1911: "Der brennende Dornbusch" (Drama)
  • 1917: "Hiob" (Drama)
  • 1919: "Orpheus und Eurydike" (Drama). – 1923 Neufassung als Opernlibretto. Musik: Ernst Krenek. UA 27. November 1926 Kassel (Staatstheater)
  • 1936–38/1972: "Comenius (Drama)" (Drama)
  • 1956 Schriften 1907-1955. Herausgegeben von Hans Maria Wingler. 1956 (Erinnerungen und Erzählungen, Dichtungen, Dramen, Über künstler und Kunst, Briefe und Anhang mit Register)
  • 1971 Mein Leben. Vorwort und dokumentarische Mitarbeit von Remigius Netzer. 1971.
  • 1973 Das schriftliche Werk. Herausgegeben von Heinz Spielmann. 1973ff

Literatur

  • Die Fächer für Alma Mahler-Werfel, ISBN 3-88379-462-7
  • Berger, Hilde: Ob es Hass ist solche Liebe? Oskar Kokoschka und Alma Mahler , Böhlau Verlag, Wien 1999,203 S., ISBN 3-205-99103-6 Biografischer Roman. Anhand von Kokoschkas Bildern und seinen Texten (Theaterstücke, Prosa und Briefe) nachgezeichnete "amour fou" zwischen Kokoschka und Alma Mahler. Neben zahlreichen Abbildungen und Fotos enthält der Band im Anhang Kurzbiografien und Literaturverzeichnis. (APA-Text) 2.Auflage 2008 ISBN 978-3-205-78078-6
  • Hilmes, Oliver: Witwe im Wahn  –  Das Leben der Alma Mahler-Werfel, Siedler Vlg., München 2004, 482 S., 40 s/w-Abb., ISBN 978-3-88680-797-0. Hilmes verarbeitet erstmalig Mahler-Werfels bis dahin unzugängliche autobiographische Aufzeichnungen, in denen sie von sich selbst ein höchst unvorteilhaftes, egomanisches, mitunter hysterisch überspanntes und zudem mit rassistischen Zügen durchsetztes Bild entwirft.
  • Maier-Preusker, Wolfgang: Buch- und Mappenwerke mit Grafik des Deutschen Expressionismus, Ausst.Kat. für Hansestadt Wismar, Wien 2006, ISBN 3-900208-37-9
  • Richter, Tilo (Hg.): Horst Tappe KOKOSCHKA, m. Fotografien v. Horst Tappe, Zitaten (d/e/f) u. Grafiken v. Oskar Kokoschka, Vorwort v. Christoph Vitali, Christoph Merian Verlag, Basel 2005, 96 S., geb., ISBN 3-85616-235-6
  • Spielmann, Heinz: Oskar Kokoschka  –  Leben und Werk, Dumont Vlg., 535 S., 151 farb. u. 481 s/w-Abb., Köln 2003, ISBN 978-3-8321-7320-3. Grundlegende und umfassende Standardmonographie.
  • Weidinger, Alfred: Kokoschka und Alma Mahler  –  Dokumente einer leidenschaftlichen Begegnung, Reihe 'Pegasus Bibliothek', Prestel Vlg., München/New York 1996, 123 S., ISBN 3-7913-1711-3. Fundierte Darlegung der Beziehung zwischen Kokoschka und Alma Mahler unter kunsthistorischem Bezug; viele farb. u. s/w-Abb. den entsprechenden Textpassagen zugeordnet, Lebensläufe, Quellen- u. Lit.nachweise.
  • Widerstand statt Anpassung: Deutsche Kunst im Widerstand gegen den Faschismus 1933–1945, Elefanten Press Verlag GmbH, Berlin 1980
  • Werner, Norbert (Hg.): Kokoschka  –  Leben und Werk in Daten und Bildern, it 909, 249 S., Insel Vlg., Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-458-32609-X, Informative Kompaktdarstellung mit hälftigem Bildanteil.
  • Winkler, Johann/Erling, Katharina: Oskar Kokoschka  –  Die Gemälde 1906-1929, Verlag Galerie Welz, Salzburg 1995

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Der Standard vom 31.8.2006 Testament von Kokoschkas Witwe wird angefochten

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