Kollel

Kollel

Jeschiwa (hebräisch: ישיבה, pl. Jeschiwot oder Jeschiwos (aschkenasische Aussprache); alternative Schreibweisen Yeshiva oder Yeshivah) ist eine Talmudhochschule, an der sich meist männliche Schüler dem Tora-Studium, und insbesondere dem Talmud-Studium widmen.

Man unterscheidet zwei Abschlussebenen: Jeschiwa gedola (wörtl. große Jeschiwa) sowie Jeschiwa ketana (wörtl. kleine Jeschiwa). In den USA wird der höhere Abschluss auch nach dem aramäischen Begriff Metivta oder Mesivta genannt. Eine Jeschiwa für verheiratete männliche Studenten nennt man Kollel („Versammlung“).

Traditionell wurden Frauen zum Tora-Studium nicht zugelassen, es gibt seit einigen Jahren allerdings die Möglichkeit, an modern-orthodoxen jüdischen Einrichtungen einen Jeschiwa-Abschluss zu erlangen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Vor 1800

Nach jüdischer Tradition hatte der Rabbi jeder Gemeinde das Recht, eine eigene Schülerschaft in einem Beit Midrasch („Lehrhaus“) genannten Gebäude, das sich in der Regel in der Nähe der Synagoge befand, zu unterrichten. Ihr Auskommen wurde aus dem Steueraufkommen der Gemeinde bestritten. Nach einigen Jahren konnten die Schüler entweder nach Ablegen der Semicha selbst eine Rabbinerstelle antreten oder sich einem weltlichen Beruf widmen.

Die Mischna erwähnt das Gesetz, dass sich ein Ort nur „Stadt“ nennen darf, wenn er wenigstens zehn Männern (Batlanim), der Mindestzahl für gemeinsames Beten, das Studium der Tora ermöglicht (Mischna: Traktat Megilla). Ebenfalls wurde jedes Rabbinatsgericht (Beit Din) von einer Schülerschaft, die der dreifachen Zahl der Richter selbst entsprach, begleitet (Mischna, Traktat Sanhedrin). Dies zeigt die historische Bedeutung der klassischen Jeschiwa.

Wie im Talmud vorgeschrieben, widmeten sich die Männer in der Regel jeweils einen Monat vor der Ernte (Elul und Adar) verstärkt dem Studium der Tora.

Chaim Volozhin

Organisierte Torahstudien wurden vor allem von Rabbi Chaim Volozhin, einem Schüler des Gaons von Wilna, entwickelt. Seiner Ansicht nach genügte die bisherige Form des Studiums nicht den Bedürfnissen nach einem intensiveren Studium.

R. Chaim sammelte interessierte Schüler und begann Ende des 18. Jahrhunderts eine Jeschiwa im heute weißrussischen Volozhin in der Woblast Minsk. Obwohl diese Einrichtung 60 Jahre später von der russischen Regierung geschlossen wurde, eröffneten einige weitere in anderen Städten, die bekanntesten Ponovezh, Mir, Brisk und Telz (jiddische Namen). Viele heutige Schulen in den USA und Israel sehen sich als deren Nachfolger und tragen den jeweiligen Namen.

Formen der Jeschiwot

Es gibt vier Formen der Jeschiwot:

  1. Jeschiwa Ketana („kleine Jeschiwa“) – auch Cheder genannt, nur grundlegend und ohne säkulare Inhalte
  2. Yeshiva High School – auch Mesivta oder Mechina (nicht zu verwechseln mit der Mechina), vereint jüdisch-orthodoxe Erziehung mit einem säkularen High-School-Abschluss (entspricht in etwa dem deutschen Abitur). Dieser duale Lehrplan stammt ursprünglich von der Manhattan Talmudical Academy of Yeshiva University (auch bekannt als „Marsha Stern Talmudical Academy“) aus dem Jahre 1916.
  3. Beit Midrasch – ein weiterführender Studiengang für jene, die die High School abgeschlossen haben, Ausbildungsdauer ein bis mehrere Jahre.
  4. Kollel – Jeschiwa für verheiratete Erwachsene, aus dem 19. Jahrhundert Europas.

Man unterscheidet zwischen der amerikanischen und der israelischen Jeschiwa.

Der amerikanische Jeschiwastudent absolviert die Jeschiwa Ketana normalerweise vor Ort, danach die Yeshiva High School vor Ort oder häufiger mit anderen Schülern in einer Art Internat. Dieses wird oft gefolgt von 2-4 Jahren in einem Beit Midrasch, dann 2-5 Jahren in Israel, danach kehrt er zurück und absolviert eine amerikanische Jeschiwa, nach der Hochzeit oft gefolgt vom Kollel.

Bekannte Jeschiwot

Die zur Zeit größten Jeschiwot sind:

USA

Es existieren zahlreiche andere, darunter verschiedene chassidische Jeschiwot.

Israel

  • Mir-Jeschiwa (Jerusalem); Charedi
  • Beit-El-Jeschiwa (Bet El); zionistisch
  • Brisk-Jeschiwa (Jerusalem); Charedi
  • Chewron-Jeschiwa (Jerusalem, zuvor in Hebron); Charedi
  • Jeschiwat Birkat Mosche (Maale Adumim); zionistisch, Hesder, hebräisch
  • Jeschiwat Ateret Kohanim; zionistisch, Hesder, hebräisch
  • Jeschiwat Har Etzion (Gusch Etzion); zionistisch, Hesder, englisch und hebräisch
  • Jeschiwat haKotel; zionistisch, hebräisch mit Schiur auf Englisch
  • Jeschiwat Kerem beJawne; religiös-zionistisch, hebräisch und englisch*Ponevezh-Jeschiwa (Bnei Berak); Charedi
  • Machon Meir (Jerusalem); zionistisch, multilingual
  • Merkaz-haRaw-Jeschiwa (Jerusalem); zionistisch, hebräisch
  • PARDES-Institute for Jewish Studies; englisch und hebräisch; egalitär, modern-orthodox, unabhängig
  • Tomchei Tmimim Lubawitsch (Kefar Chabad); Lubawitsch
  • Toras Emes (Jerusalem, zuvor in Hebron); Lubawitsch

Die bekanntesten Jeschiwot mit englischsprachigem Unterricht sind:

  • Mayanot
  • Ohr Somayach
  • Aish HaTorah

Es gibt viele Hesder-Jeschiwot, die das Studium mit dem Wehrdienst verbinden; verschiedene chassidische; und dutzende andere.

England

Kanada

Jeschiwot im deutschsprachigen Raum

Schweiz

Deutschland

  • Yeshivas Beis Zion in Berlin

Österreich

  • Wiener Jeschiwa, Wien

Akademisches Jahr

Das Jahr teilt man in drei Smanim (etwa: „Semester“ bzw. Trimester).

Elul-Sman beginnt im hebräischen Monat Elul und geht bis zu Jom Kippur (sechs Wochen).

Winter-Sman beginnt nach dem Sukkot (Laubhüttenfest) und geht bis zum Pessachfest (sechs Monate).

Das Sommersemester beginnt nach Pessach und geht bis zum Beginn des jüdischen Monats Aw (drei Monate).

Typischer Stundenplan

  • 7:00 - Auf Wunsch Seder (Studium)
  • 7:30 - Schacharit (Morgengebet)
  • 8:30 - Jüdisches Gesetz
  • 9:00 - Frühstück
  • 9:30 - Morgendliche Talmudstudien (erster Seder)
  • 12:30 - Schi'ur („Vorlesung“)
  • 13:30 - Mittagessen
  • 14:45 - Mincha (Nachmittagsgebet)
  • 15:00 - Mussar (Jüdische Ethik)
  • 15:30 - Talmudstudien (zweiter Seder)
  • 19:00 - Abendessen
  • 20:00 - Nacht-Seder - Wiederholung der Vorlesungen, Studium nach Wunsch
  • 21:25 - Mussar (Jüdische Ethik)
  • 21:45 - Ma'ariw (Abendgebet)
  • 22:00 - Auf Wunsch Seder

Dieses Studium gilt normalerweise von sonntags bis donnerstags mit einem extralangen Seder bis 1:00 Uhr nachts. Freitags ist normalerweise wenigstens ein Seder am Vormittag, der Nachmittag ist frei. Samstags gilt ein spezieller Sabbat-Stundenplan.

Das Studium erfolgt in der Regel gemeinsam mit einem Studienpartner (Chawruta, aramäisch für „Freund“), oder in einem Sch'iur.

Talmudstudien

In der typischen Jeschiwa liegt das Hauptaugenmerk auf Studie und Analyse des Talmuds. Das Studium des Talmud erfolgt einerseits be'ijun, mit Betonung eines möglichst detaillierten und tiefgehenden Verständnisses der Talmudstelle, andererseits bekijut, mit Betonung von quantitativem Fortschritt beim Studium, sodass sich der Schüler ein möglichst umfassendes Talmudwissen aneignet.

Jüdische Gesetze

Im Allgemeinen verbringt der Schüler einige Zeit mit dem Studium der Halacha, der jüdischen Gesetze. Der meiststudierte Text ist die Mischna Berura, verfasst von Rabbi Jisra'el Me'ir Kagan.

Jüdische Ethik

Wichtige Texte

  • Mesillat Jescharim von Rabbi Mosche Chaim Luzzatto
  • Orchot Zaddikim („Pfad der Gerechten“)
  • Pflichten des Herzens von Bahya ibn Paquda
  • Maalot HaMiddot („Nutzen von gutem Charakter“)
  • Mischnat R' Aharon
  • Michtaw meElijahu, von Rabbi Eliyahu Eliezer Dessler.

Chassidismus: Tanja und Likkutej Tora, beide von Rabbi Schneor Salman von Ljadi.


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kollel — Old Yishuv Jewish life in the Land of Israel before Moder …   Wikipedia

  • Kollel — Un Kollel (ou Collel) est un centre avancé d études de la Torah, où des jeunes hommes, après leur mariage étudient pour une courte ou longue durée. En principe, ils reçoivent un salaire, souvent modeste, leur permettant de se consacrer à plein… …   Wikipédia en Français

  • Kollel Gur Aryeh — is a kollel, a post graduate rabbinical and Talmudical college, for young married Orthodox men located in Brooklyn, New York. It was established in 1956 by Rabbi Yitzchok Hutner as the post graduate division of the Yeshiva Rabbi Chaim Berlin. A… …   Wikipedia

  • Kollel Yad Shaul — is a yeshiva and Beit Midrash based in Gardens, Johannesburg. It was established in 1975, and was based in Yeoville, Johannesburg until 2000. Boruch Dov Grossnass has headed The Kollel, as it is known, for over 20 years. Rabbi Grossnass took over …   Wikipedia

  • Kollel (disambiguation) — Kollel is a Hebrew word referring to something general which is including two or more details.* In Gimatria, it is used to add one number to match the calculation, with the objection that the wording in whole may also be counted. * In Yishuv… …   Wikipedia

  • Kollel Chatzot — The Founder Rosh KollelRabbi Rabbi Yehoshua Meir Deutsch Rosh Bait Midrash [http://www.kollelchatzot.com Kollel Chatzot] The Kollel (כולל) was founded in 5761 (2001) by HaRav Yehoshua Meir Deutsch. Today, the Kollel is an illustrious group of… …   Wikipedia

  • Kollel Ohr Yosef — Infobox Organization name = Kollel Ohr Yosef image border = size = caption = formation = October 2007 type = Kollel location = 613 Clark Avenue West Thornhill, Ontario membership = 11 leader title = Rosh Kollel leader name = Rabbi Avraham… …   Wikipedia

  • Miami Beach Community Kollel — Infobox Organization name = Miami Beach Community Kollel image border = size = caption = formation = 1990 type = Kollel location = 3767 Chase Avenue Miami Beach, Florida membership = 11 leader title = Rosh Kollel leader name = Rabbi Yaacov Gross… …   Wikipedia

  • Kovno Kollel — The Kovno Kollel also known as Kollel Perushim of Kovno or Kollel Knesses Beis Yitzchok, was a kollel located in Kaunas, Lithuania. It was founded in 1877 by Rabbi Yisrael Lipkin Salanter when the latter was 67. By 1877 1878, ten scholars had… …   Wikipedia

  • The Jerusalem Kollel — Motto From the heart of the world, educating the nation Formation 2002[1] Type Kollel Purpose/focus Outreach Training …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”