Kolmar von der Goltz

Kolmar von der Goltz
Colmar Freiherr von der Goltz

Wilhelm Leopold Colmar Freiherr von der Goltz (* 12. August 1843 in Adlig Bielkenfeld - nach 1916 Adlig Goltzhausen, nach 1938 Goltzhausen - im ostpreußischen Kreis Labiau; † 19. April 1916 in Bagdad) war ein preußischer Generalfeldmarschall, Militärhistoriker und -schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Von der Goltz wuchs auf dem Gut Fabiansfelde bei Preußisch Eylau auf, das sein Vater 1844 nach dem Verkauf des Gutes Bielkenfeld erworben hatte [1]. 1861 ging Goltz zur Infanterie, 1864 besuchte er die Kriegsakademie in Berlin. 1866 nahm er am Deutschen Krieg gegen Österreich teil und wurde in der Schlacht bei Trautenau an der Schulter schwer verwundet. 1867 wurde Goltz Mitglied im preußischen Generalstab. Im selben Jahr heiratete er die Gutsbesitzerstochter Therese Dorguth, mit der er fünf Kinder hatte. 1870, als der Deutsch-Französische Krieg begann, diente er im Stab von Friedrich Karl von Preußen.

Zwischen 1878 bis 1883 war Goltz Lehrer für Kriegsgeschichte an der preußischen Kriegsakademie. 1883 veröffentlichte er sein bekanntes Buch Von Roßbach bis Jena und Auerstedt, in dem er durch die Behandlung der preußischen Militärgeschichte indirekt Kritik am Kaiserreich äußerte. Von 1883 bis 1895 reorganisierte er die Osmanische Armee. 1895 kehrte er nach Deutschland zurück, wurde Divisions- und Korpskommandeur, dann Armee-Inspektor und Generalfeldmarschall und trat 1913 im Alter von 70 Jahren in den Ruhestand.

Am 7. Juli 1909 wäre Goltz beinahe Reichskanzler geworden. An diesem Tag hatte sich Kaiser Wilhelm II. mit dem damaligen Chef des Zivilkabinetts Rudolf von Valentini beraten, ob Theobald von Bethmann Hollweg oder von der Goltz Reichskanzler werden sollte. Der Kaiser war sehr geneigt gewesen, den General zu ernennen; jedoch war dessen erneute Anwesenheit in der Türkei ab Mai 1909 (Kap.5.3.2.[2]) zu wichtig, um ihn nach Berlin zu holen, so dass schließlich Bethmann Hollweg Kanzler wurde.

1911 gründete von der Goltz den Bund Jungdeutschland, als Dachorganisation rechtsgerichteter Jugendverbände.

Nach ihm wurde das „v.d. Goltz - Querfeldein, Großes Trakehner Jagdrennen“ des preußischen Hauptgestüt Trakehnen benannt, das seinerzeit eines der schwersten Querfeldein-Pferderennen der Welt war.

Reorganisation des osmanischen Heeres

Anders als in der Umstrukturierung des osmanischen Heeres, worin die Deutschen nur begrenzte Einflussmöglichkeiten und Erfolge hatten (S.32.[3]) gelang es von der Goltz - genannt Goltz-Pascha - in kurzer Zeit durch seine Tätigkeit als Militärreformer, für Deutschland eine Monopolstellung für die Rüstungsimporte im Osmanischen Reich zu erwirken. Diese Geschäfte waren im Osmanischen Reich durch Schmiergeld leicht beeinflussbar und so nutzte von der Goltz, der gemeinsam mit dem Großwesir und dem Finanzminister in einer Kommission zur Geldbeschaffung für die Rüstung tätig war, die ihm zur Verfügung stehende Summe von 30.000 Mark (S.319.[4]) für das nötige Bakschisch. Er selbst hingegen bereicherte sich bei seiner Tätigkeit nicht. Als der Waffenfabrikant Loewe ihm eine Aktienübertragung anbot, antwortet er: „Sie haben es gut gemeint, aber ein preußischer Offizier nimmt keine Trinkgelder!“.(Kap.5.5.2.[2])

Von besonderer Bedeutung wurde sein Wirken, als er den Sultan überzeugen konnte, türkische Offiziere zur Ausbildung nach Preußen zu senden. Dies förderte nachhaltig die Bildung eines prodeutschen Kerns im osmanischen Militär, welches seine Verbindung zu den Deutschen auch nach der jungtürkischen Revolution bis heute nicht verlor, siehe Leopard 1.(Kap5.3.2.[2])(S.247.[5])

Erster Weltkrieg und Tod

Da er bei Ausbruch des Weltkriegs schon über siebzig war, erhielt er zu seinem größten Bedauern kein Frontkommando mehr, sondern war vom 23. August 1914 bis 28. November 1914 Generalgouverneur für das „Kaiserlich deutsche General-Gouvernement Belgien“. Da er mit den erhaltenen Befehlen bezüglich der Behandlung der Belgier nicht einverstanden war, bat er schon bald um Abberufung von seinem Posten und wurde infolge des Vorschlages des Botschafters Freiherr von Wangenheim wieder in die Türkei berufen. Dort sollte er - so hoffte der Botschafter - den Leiter der Militärmission - Liman von Sanders - ablösen, da dieser betreffs der Operationen stets einen strikt militärischen Standpunkt vertreten hatte und sich nicht den eher politisch motivierten Plänen der Botschaft und des Militärattachés beugte.(S.100f.[3]) Obwohl eine solche Ablösung von der türkischen Seite grundsätzlich abgelehnt wurde, blieben die Vereinbarungen betreffs Entsendung des Generalfeldmarschalls mit den Osmanen bestehen und von der Goltz traf am 12. Dezember 1914 in der Türkei ein, wo er zunächst als militärischer Berater des Sultans (S.101.[3])(S.66[6] eingesetzt wurde. Nachdem Ende März 1915 Liman von Sanders den Oberbefehl über die zur Verteidigung der Dardanellen neu formierte 5. Armee erhielt, übernahm von der Goltz von ihm den Oberbefehl über die 1. Armee in Konstantinopel.(S.77.[6] Seit Oktober 1915 führte von der Goltz den Oberbefehl über die 6. osmanische Armee, um die bis dahin in Persien unvereinbar scheinenden türkischen und deutschen Operationen in Einklang zu bringen.(S.152.[3]) Im Dezember 1915 traf er in Bagdad ein und verhalf der 6. Armee zum Sieg über die eingeschlossenen britischen Truppen in Kut al-Amara.(S.153f.[3]) Mit seinem Tod wurden die türkischen Offiziere im Osten allerdings unzugänglich für deutsche Ratschläge. So nutzten sie den Sieg gegen die Briten strategisch nicht aus und Halil Pascha, der ein Onkel Envers war und in der Endphase für kurze Zeit von der Goltz als Oberbefehlshaber vertreten hatte, rechnete sich den Sieg selbst an und ließ anstelle der Briten im Irak fruchtlos die Russen in Persien angreifen. Hatte der von beiden Seiten hochgeehrte Generalfeldmarschall die deutschen und türkischen Bestrebungen noch bündeln können, so liefen sie fortan weiter auseinander.(S.169.[6])(S.192-195 u. S.217.[3])

Während Botschaft, Auswärtiges Amt und Großes Hauptquartier von der Goltz in Bezug auf seine Tätigkeit in Mesopotamien dem Vorwurf der Energielosigkeit und "Vertürktheit" aussetzten, bescheinigen andere Beobachter ihm, wie kaum ein anderer mit Weitsicht, Ausdauer, Überzeugungskraft und Gespür für die orientalische Mentalität über herausragende Führungsqualitäten verfügt zu haben.(S.153 u. 216.[3])

Konstantinopel, Kaiser Wilhelm II. bei Totenehrung; Der Kaiser legt am Grabe des Feldmarschalls von der Goltz-Pascha im Botschaftspark Blumen nieder. 3. von rechts: Essad Pascha Toptani

Goltz starb am 19. April 1916 in seinem Hauptquartier in Bagdad nach einer Infektion mit Typhus und wurde zunächst in einer hoch über dem Tigris-Ufer liegenden Bastion beigesetzt.[3]

Der Sarg des Generalfeldmarschalls wurde im Juni 1916 nach Konstantinopel überführt und im Garten der Sommerresidenz der deutschen Botschaft am Bosporus neben den sterblichen Überresten des Botschafters Freiherr von Wangenheim und des Obersten von Leipzig beigesetzt.(S.169.[6])(S.216.[3]).

Seinen Besitz brachte er in eine Stiftung ein und übereignete diese seinem Nachfolger im Amt des Generalgouverneurs von Belgien, Moritz Freiherr von Bissing, der damit 1916 den Grundstein zur Siedlung Bissingheim bei Duisburg legte.

Siehe auch

Schriften

  • Colmar Freiherr von der Goltz, Denkwürdigkeiten, bearbeitet und herausgegeben von Friedrich von der Goltz und Wolfgang Foerster, Berlin 1929
  • Colmar Freiherr von der Goltz, Stärke und Schwäche des türkischen Reiches, Deutsche Rundschau, Band XXIV, 1 (Oktober 1897), S. 104,106,109, 110, 118
  • Colmar Freiherr von der Goltz, Das Volk in Waffen. Ein Buch über Heerwesen und Kriegführung unserer Zeit, Berlin 1883

Literatur

  • Hans von Kiesling, Mit Feldmarschall von der Goltz-Pascha in Mesopotamien und Persien, Leipzig 1922 (Kiesling war als Oberstleutnant der letzte Generalstabsoffizier von Goltz)
  • Zum Gedenken an Colmar Freiherr von der Goltz, Königlich Preußischer Generalfeldmarschall, Kaiserlich Ottomanischer Marschall, 19. April 1916, Berlin 1916
  • Zwischen Kaukasus und Sinai, Jahrbuch des Bundes der Asienkämpfer, 1922 und 1923
  • Bernhard von Schmiterlöw: Aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Freiherr von der Goltz-Pascha. Nach Briefen an seinen Freund. Berlin 1926.
  • Hermann Teske: Colmar Freiherr von der Goltz. Ein Kämpfer für den militärischen Fortschritt. Göttingen 1957.
  • Hermann Teske: Goltz-Pascha, Colmar Freiherr von der. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 6, Duncker & Humblot, Berlin 1964, S. 629–632.
  • Pertev Demirhan:Generalfeldmarschall Colmar Freiherr von der Goltz: das Lebensbild eines großen Soldaten: aus meinen persönlichen Erinnerungen. Göttingen 1960.
  • F.A.K. Yasamee: Colmar Freiherr von der Goltz and the Rebirth of the Ottoman Empire. in: Diplomacy & Statecraft, vol. 9, no. 2 (1998), 91-128.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Horst Schulz, Der Kreis Pr. Eylau, Verden/Aller 1983
  2. a b c Brauns, Nikolaus: Die deutsch-türkischen Beziehungen vor dem Ersten Weltkrieg 1914. Magisterarbeit am Institut für Neuere Geschichte der Universität München, Wintersemester 1996/1997, unpaginierte Fassung.
  3. a b c d e f g h i Pomiankowski, Joseph: Der Zusammenbruch des Ottomanischen Reiches - Erinnerungen an die Türkei aus der Zeit des Weltkrieges. Amalthea, Wien 1928.
  4. Palmer, Alan: Verfall und Untergang des Osmanischen Reiches. Heyne, München 1994 (engl. Original: London 1992).
  5. Liman von Sanders, Otto: Fünf Jahre Türkei. Scherl, Berlin 1920, S.1-408.
  6. a b c d Liman von Sanders, Otto: Fünf Jahre Türkei, Scherl, Berlin 1920, S.1-408.)

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