- Konsentieren
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Der Konsens (Betonung auf der zweiten Silbe; lat. consentire = übereinstimmen) bedeutet die Übereinstimmung von Menschen − meist innerhalb einer Gruppe − hinsichtlich einer gewissen Thematik ohne verdeckten oder offenen Widerspruch.
Das Gegenteil von Konsens ist der Dissens.
Inhaltsverzeichnis
Konsens in der politischen Theorie
In der politischen Theorie ist der Konsens zentrales Thema der Identitätstheorie, d. h. einer Vorstellung, die Dissens und Vielfalt in einer Gesellschaft als störend beschreiben. Solche Vorstellungen finden sich u. a. bei Platon, Jean-Jacques Rousseau („volonté générale“), Karl Marx oder Carl Schmitt. Demgegenüber steht die Pluralismustheorie (z. B. Ernst Fraenkel, Hannah Arendt) mit ihren Vorläufern von Aristoteles über John Locke („agree to disagree“) bis hin z. B. zu Immanuel Kant. Mit der Gefahr des Missbrauchs des Konsensverfahrens zur politischen Manipulation hat sich insbesondere Karl Popper („Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“) auseinandergesetzt.
Max Scheler sieht Gefühlsansteckung (unbewusst wirkende Übertragung von Sinn- und Wissensinhalten) als Ursache für die Entstehung eines Konsenses (Scheler, 2.Axiom der Wissenssoziologe, nach: Wolfhart Henckmann, Max Scheler, 1998,S. 186)
Konsens im Rechtssystem
Der Konsens existiert als Gegenpart zum Dissens im Vertragsrecht. Damit ist die Übereinstimmung der Willenserklärungen beider Vertragspartner über die Punkte des Vertrages gemeint. Es besteht daher keine Problematik bei Entstehung als auch bei der Auslegung, wodurch der Vertrag rechtskräftig zustande gekommen ist. Da beim Konsens keine Probleme vorhanden sind, ist er nicht explizit im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Er wird als Normalzustand im Vertragsrecht angenommen.
Konsens in der technischen Normung
Konsens wird in der Normung definiert als "allgemeine Zustimmung, die durch das Fehlen aufrechterhaltenen Widerspruches gegen wesentliche Inhalte seitens irgendeines wichtigen Anteils der betroffenen Interessen und durch ein Verfahren gekennzeichnet ist, das versucht die Gesichtspunkte aller betroffenen Parteien zu berücksichtigen und alle Gegenargumente auszuräumen." (DIN EN 45020 Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten Allgemeine Begriffe)
Konsens als Ziel von Gruppenentscheidungen
Um einen Konsens zu erreichen, müssen in einer Gruppe alle die Gelegenheit haben, ihren Widerspruch gegen die Entscheidung zu äußern.
Das bedeutet noch nicht gleichzeitig eine erkennbar hohe Zufriedenheit der Beteiligten mit der Entscheidung. Denn Zufriedenheit bzw. Zustimmung sind nicht nur fehlender Widerstand, sondern völlig anders geartete psychische Qualitäten. Selbst in einer Einzelperson können Zustimmung und Ablehnung für eine Entscheidungsalternative gleichzeitig vorhanden sein: die Person kann durchaus ambivalent empfinden. Aus geringem oder nicht vorhandenem Widerstand auf eventuelle Zustimmung – oder umgekehrt – zu schließen, ist nicht möglich.
Dementsprechend wird bei Entscheidungen nach dem Konsensprinzip die Position der einzelnen Gruppenmitglieder zumeist noch genauer erfasst:
- Das Mitglied steht hinter der Entscheidung und trägt sie vollinhaltlich mit.
- Das Mitglied trägt die Entscheidung mit, äußert aber Bedenken dazu (welche zumeist protokolliert werden müssen).
- Das Mitglied kann die Entscheidung nicht mittragen, äußert schwere Bedenken (die zumeist protokolliert werden müssen), verzichtet aber auf einen formalen Einspruch, um die Entscheidungsfähigkeit der Gruppe nicht zu behindern.
- Das Mitglied erhebt formalen Einspruch gegen den Entscheid (vgl. Veto). Bereits wenn dieser Fall für nur ein einziges Gruppenmitglied zutrifft, gibt es keinen Konsens in der Gruppe. In der Praxis wird diese Grenze zumeist höher gesetzt; so beträgt sie beim Konsens von Attac 10 Prozent der Gruppenmitglieder.
Inwieweit die einzelnen Gruppenmitglieder ihre Motive authentisch vertreten, kann von außen nur unzureichend beurteilt werden. Fehlende Aufrichtigkeit ist mit einem rudimentären Konsensbegriff durchaus vereinbar. Soll bei den Gruppenmitgliedern hinsichtlich der in Frage stehenden Thematik Aufrichtigkeit vorausgesetzt werden, dann ist dies eine Übereinstimmung, die zuvor ebenfalls im Konsens gefunden werden kann.
Unterschiede in den Entscheidungsverfahren
Entscheidungsverfahren, bei welchen alle Beteiligten gleich behandelt werden:
- Die Suche nach dem allgemeinen Konsens in der Gruppe erfolgt zumeist durch intensive Diskussionen unter den Gruppenmitgliedern.
- Entscheidungen nach dem Konsensprinzip: Zuerst wird der allgemeine Konsens gesucht. Falls dieser nicht gefunden werden kann, werden Konvergenzmethoden eingesetzt, um den verbleibenden Restwiderstand zu reduzieren (z. B. Mediation) oder ihn einvernehmlich schließlich zu übergehen.
- Entscheidungen, die nur den Widerstand in der Gruppe berücksichtigen: Nach dem Systemischem Konsensprinzip (SK-Prinzip) wird eine Vielfalt von möglichen Entscheidungsalternativen entwickelt und anschließend bewertet. Dazu werden von jedem Teilnehmer jeder Alternative Widerstandsstimmen aus einer Skala von 0 bis 10 zugewiesenen, wobei höhere Werte höherer individueller Ablehnung entsprechen. Diese Werte werden je Alternative zum zugehörigen Gesamtwiderstand der Gruppe summiert. Die Alternative mit dem geringsten Gesamtwiderstand kommt dem Konsens am nächsten und gilt daher als angenommen.
- Entscheidungen, für die nur die Zustimmung in der Gruppe ausschlaggebend ist: Der Widerstand der Gruppenmitglieder spielt bei diesen Verfahren keine Rolle. Es wird nur die individuelle Zustimmung aller Gruppenmitglieder zu verschiedenen Entscheidungsalternativen erhoben und daraus die kollektive Zustimmung der Gruppe ermittelt. Zu diesem Zweck gibt es unterschiedliche Aggregationsverfahren, welche zu durchaus verschiedenen Ergebnissen führen können:
- Die Mehrheitsentscheidung: Falls dabei keine Entscheidungsalternative die absolute Mehrheit erhält, werden oft mehrere Wahlgängen durchgeführt, damit schlechter gereihte Alternativen sukzessive ausgeschlossen werden (runoff methods; z. B. „Stichwahl“).
- Die Vorzugswahl (Ranked Voting) in verschiedenen Ausprägungen: Dabei werden die einzelnen Entscheidungsalternativen von jedem Beteiligten entsprechend seiner individuellen Präferenz gereiht und daraus – auf für jede Ausprägung spezifische Art – eine kollektive Reihung ermittelt.
- Die Punktewertung (Range Voting): Dabei wird jede Alternative von jedem Abstimmenden entsprechend seiner individuellen Präferenz mit Zahlen (Punkten) aus einem vorgegebenen Intervall, zum Beispiel 0 bis 99 oder 1 bis 10 bewertet, wobei höhere Werte höheren individuellen Präferenzen entsprechen. Danach werden die vergebenen Werte für jede Entscheidungsalternative summiert. Die Entscheidungsalternative mit der höchsten Summe erhält in der Gruppe die größte Zustimmung und gilt dementsprechend als „Gewinner“. Entscheidungen durch Punktewertungen sind vor allem aus dem Sport bekannt.
- Entscheidungen, die beides, sowohl den Widerstand als auch die Zustimmung in der Gruppe ausschlaggebend miteinbeziehen: Nach dem Systemischem Konsensprinzip (SK-Prinzip) in allgemeiner Form wird für jede Entscheidungsalternative sowohl die Ablehnung als auch die Zustimmung in der Gruppe erhoben. Danach werden alle Alternativen – analog zum Preis-Leistungs-Verhältnis in der Wirtschaft – nach ihrem „Ablehnungs-Zustimmungs-Verhältnis“ gereiht. Die Alternative mit dem besten Verhältnis wird als gültige Entscheidung anerkannt. Durch obige Reihung stehen Alternativen, die nur geringe Ablehnung erfahren, die also dem Konsens sehr nahe sind, weit vorne und sind daher erste Kandidaten für die Entscheidung. Allerdings kann eine Alternative auch gegen Widerstand in der Gruppe zum Zug kommen, wenn sie viel Zustimmung erhält.
Entscheidungsverfahren bei unterschiedlicher Gewichtung der Beteiligten:
Dabei geht es zumeist weniger um Inhalte als um den Erhalt bzw. die Verschiebung der Gewichtungen unter den Beteiligten. Dies spiegelt sich dann auch oft unter den Resultaten:
- Der faule Kompromiss: Aus Gründen der Machtbalance wird unter den Gegenspielern ein Ausgleich herbeigeführt. Das zeigt sich in Gruppen häufig nach heftigen und langen Konflikten. Dann gibt entweder eine Seite nach, damit man endlich zu einer Entscheidung gelangt. Bei nächstbester Gelegenheit wird von dieser Seite dann ein Vorrecht zu entscheiden eingeklagt. Oder es geben beide Seiten nach, um sich durch Abtausch näher zu kommen.
- Das Gewinner-Verlierer-Spiel: Hier setzt sich derjenige durch, der am überzeugendsten auftritt, die anderen aber nicht zum Zuge kommen lässt. Er bringt seine Gegner mittels Manipulation oder durch Machtmittel zum Schweigen und zur Resignation.
Weblinks
Siehe auch
- Einstimmigkeitsprinzip
- Konsensdemokratie
- Konsensprinzip
- Einstimmigkeit
- Konsenstheorie der Wahrheit
- Consensus
Literatur
- Stephan Eisel: Plädoyer für die Mehrheitsregel. In: ZParl 4/1985.
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