Konstantin Frantz

Konstantin Frantz
Grab von Konstantin Frantz auf dem Johannisfriedhof in Dresden.

Constantin Frantz (* 12. September 1817 in Börnecke bei Blankenburg; † 2. Mai 1891 in Blasewitz (heute zu Dresden)) war ein sächsischer Historiker und Publizist. Er war Befürworter eines von Deutschland dominierten mitteleuropäischen föderativen Staatenbundes und Gegner des bismarckschen nationalstaatlich verfassten Deutschen Reiches von 1871 und befand sich damit in einer Außenseiterrolle.

Inhaltsverzeichnis

Biographie

Constantin Frantz wurde als Sohn des evangelischen Pastors Klamer Wilhelm Frantz und dessen Frau Karoline Katharine Auguste Frantz geboren. Er studierte von 1836 bis 1840 in Halle (Saale) und Berlin Mathematik und Philosophie. Ab 1844 arbeitete er im preußischen Staatsdienst (1852-1856 Kanzler des Generalkonsulats in Barcelona), schied aber 1862 aus, um sich nur noch dem Schreiben politischer Denkschriften zu widmen, womit er schon 1840 begonnen hatte. Seine Bildung vervollständigte er durch Reisen, besonders in Ostmitteleuropa. In konservativer Denkweise sah er den Staat als ein Naturprodukt an, der als Monarchie mit einer berufsständischen Volksvertretung und dem Militär als vierter Gewalt zu organisieren sei (vgl. Montesquieu). In seinen Schriften kritisierte er den Nationalliberalismus, dem er kriegerische Tendenzen unterstellte. Sein föderativer Gegenentwurf zum nationalistisch motivierten deutschen Nationalstaat aus ehemals selbstständigen deutschen Staaten, in dem er eine Gefahr für den Frieden in Europa sah, sollte neben Österreich auch das unter Österreich, Preußen und Russland aufgeteilte Polen als teilautonomes Königreich umfassen. Als oberstes Prinzip galten ihm Freiwilligkeit und Gewaltlosigkeit bei der Staatenbildung.

Kritik an der deutschen Einheitsbewegung

In den nationalstaatlichen Bestrebungen von Politikern und Gelehrten sah Frantz die Gefahr, die je eigentümlichen Traditionen und Merkmale (= „die Natur“) der bis dahin selbstständigen Staaten könnten verloren gehen. Daraus führe die Entwicklung nämlich nicht zum Nationalstaat, sondern zu einem föderalen Staatensystem, in dem die einzelnen Teile weitestgehende Souveränität beibehielten. Nur unabhängig voneinander könnten sich die Einzelstaaten am vorteilhaftesten entwickeln. Die Stärke, die daraus hervorginge, käme wiederum der Staatengemeinschaft zugute, die auch ohne nationalstaatliche Formierung ein deutsches Gemeinschaftsgefühl fördern würde. Für ihn liegt diese politische Zusammengehörigkeit in der „Natur“ der Länder. Frantz hielt weder die groß- noch die kleindeutsche Lösung für akzeptabel. In seinem Buch "Von der deutschen Föderation" von 1851 geht er davon aus, dass Preußen nicht legitimiert sei, eine Führungsrolle in der deutschen Frage zu übernehmen. Dafür sei es von seinen Traditionen und seiner Geschichte viel zu sehr mit den slawischen, insbesondere mit den polnischen Verhältnissen verflochten. Eine Teilung Preußens in einen deutschen und einen slawischen Raum würde aber diesen Staat auflösen. Außerdem würde sich die "Militärstaatlichkeit" Preußens nicht mit der Parlamentstaatlichkeit eines deutschen Nationalstaates vertragen. Österreich komme auch nicht in Frage, da es als Vielvölkerstaat nur durch eine Teilung in ein deutsches Reich aufgenommen werden könne. Als Gegner des preußisch-österreichischen Dualismus war er der Meinung, dass alle deutschen Staaten aufeinander angewiesen seien, wenn sie erfolgreich weiterbestehen wollen. In den Befreiungskriegen sah er den alten Gegensatz eigentlich schon überwunden, wohingegen die Debatte um den Nationalstaat den Dualismus wieder aufleben lasse.

Die Mitteleuropäische Föderation

Nach Frantz' Idealvorstellung sollten die mittel- und kleindeutschen Staaten einen engeren „Westdeutschen Bund“ bilden. Ihrer Tradition nach wären sie rein deutsch, und für eine De-facto-Staatsbildung auf föderaler Basis gäbe es kein Legitimationsproblem. Preußen sollte seiner Bestimmung entsprechend sich auf seine Ostprovinzen konzentrieren, gleichzeitig aber föderativer Partner des westlichen Deutschlands sein. Ähnliches gelte für Österreich, das seinem Charakter als Vielvölkerstaat gerecht bleiben und sich als solcher der Föderation anschließen sollte. Die Zusammenarbeit zwischen diesen drei Teilen dürfte sich nur auf militärischen Schutz und gemeinsame Wirtschaftsräume beziehen, damit die jeweilige Entwicklung dieser Einheiten nicht behindert würde. Eine solche Konstellation gereiche allen Beteiligten zum Vorteil, was wiederum angrenzende Staaten wie die Schweiz, Belgien, die Niederlande und die skandinavischen Länder folgerichtig dazu veranlassen müsse, sich dieser Föderation anschließen zu wollen. Besonders die Niederlande hält er als Mitglied für wichtig, weil sie die transatlantische Bedeutung der Föderation unterstreichen würden. Auf die anderen europäischen Großmächte, Frankreich und Russland, wirke solch eine föderale Gemeinschaft weniger bedrohlich als ein deutscher Nationalstaat, insbesondere unter preußischer Führung. Ein Bündnis zwischen Preußen, Österreich und den übrigen deutschen Staaten wäre militärisch stark, aber durch seine dezentrale Organisation weniger provokativ und berechenbarer für Frankreich und Russland, hätte also einen friedenstiftenden Charakter.

Außenpolitik

Das von Frantz ins Auge gefasste Ziel war die weltpolitische Absicherung der „abendländischen Völkergemeinschaft“ gegenüber der ökonomischen Übermacht Amerikas und der strategischen Russlands, wie er in den „Untersuchungen über das europäische Gleichgewicht“ 1859 und in „Die Weltpolitik“ 1882-83 (3 Bände) darlegt.[1] Hier folgt Frantz einem von Friedrich List entfalteten Entwurf, nämlich die nach Übersee gehenden Auswanderer nicht die US-Wirtschaft bereichern zu lassen, sondern sie in „Grenzkolonisation“ im Anschluss an die deutschen Länder nach Südosteuropa zu lenken und aus der Donau von der Quelle bis zur Mündung ins Schwarze Meer einen deutschen Fluss zu machen.[2]

Die Rolle Polens

Wichtig ist die Rolle Polens, das Frantz sich mit einem Vizekönig, einer besonderen Verfassung und Verwaltung mit eigener Armee vorstellte, damit es gegenüber dem Russentum mit seinen „finnisch-uralischen und tartarisch-mongolischen Elementen“ einen Puffer bilde, zumal es seit seiner Christianisierung der „westeuropäischen Gesittung“ zuzurechnen sei und gegen das „Russen-Mongolentum“ als den „wahren und eigentlichen deutschen Erbfeind im Osten“ stehe. Russland ist aus einem wichtigen Grund für ihn gefährlich: „Entspringt nun aus dem slawischen Wesen des Russentums seine Fähigkeit zur Einwirkung auf die anderen slawischen Völker, so hingegen aus jenen Elementen sein rastloser Eroberungstrieb und damit das Bestreben, die anderen slawischen Völker an sich heran zu ziehen oder sich gewaltsam zu unterwerfen. Und wenn das je gelänge, das wäre unser Untergang. Reicht doch durch Böhmen der Slawismus tief in Deutschland hinein. – Sollten wir angesichts dessen nicht Gott danken, dass es noch ein slawisches Volk gibt, welches bis jetzt allen Lockungen des Panslawismus, der doch nur der Mantel ist, in welchen sich das Russentum hüllt, unentwegt widerstanden und seinen Widerwillen trotz Galgen und Sibirien noch immer bekundet.“ Zuvor aber müsse Polen „mit der Judenwirtschaft fertig werden, ohne deren Beseitigung eine wirkliche Wiedergeburt geradezu unmöglich bliebe“. Frantz ist deshalb der Meinung, dass von den nebeneinander lebenden Deutschen und Polen Zweisprachigkeit zu verlangen und im ganzen östlichen Deutschland an den gelehrten Schulen eine slawische Sprache zu lehren sei. Denn dem Slawismus sei gerade wegen Russlands mehr Beachtung zu schenken.[3]

Die Vorbehalte gegenüber der „Judenwirtschaft“ hängen mit einer anderen Beobachtung Frantz’ zusammen, die sich gegen eine "Verpreußung" bzw. Germanisierung polnischer Gebiete richtet: Den Juden der Provinz Posen sei nämlich auf Grund der neuen preußischen Verfassung von 1848 wie den Polen das preußische Staatsbürgerrecht gewährt worden. „Seitdem zogen sie immer zahlreicher in Berlin ein, und so ist die Hauptquelle der Verjudung der Hauptstadt gerade die Provinz Posen geworden. Das Großherzogtum Posen, wenn es sein besonderes Indigenat bekam, hätte wohl seine Juden für sich behalten müssen. Dass man das polnische Element zu verdeutschen strebte und seit einiger Zeit sogar auszumerzen sucht, hat keinen Segen gebracht und wird auch keinen bringen.[4]

Wirkung

Wie Friedrich List war Frantz zu Lebzeiten mehr oder weniger vergessen. Sein zeitweiliger Weggefährte, Nachlassverwalter und erster Biograph, der Gelehrte und Publizist Ottomar Schuchardt, bringt in leicht abgewandelter Wiederaufnahme eines Buchtitels von Frantz zwischen 1899 und 1902 in drei Bänden „Die deutsche Politik der Zukunft“ heraus. In Anlehnung an Friedrich Ratzel arbeitet er den grenzkolonisatorischen Aspekt weiter aus, wobei er sich auf Johann Karl Rodbertus (1805-1875) beruft, der die Deutschen ein „kolonisierendes Volk“ nennt: „Aber unsere Kolonien liegen nicht jenseits des Meeres, sie sind unmittelbar aus dem alten Stamm heraus gewachsen. Östlich von der Elbe erstrecken sie sich bis an den Peipussee und bis in die südöstlichste Bastion der Karpathen. In der Arbeit des Kolonisierens wurde das deutsche Volk geführt von zwei Fürstenhäusern, beide Grenzwächter des Reichs, im Norden den Hohenzollern, deren Vorläufer die Hanse und der Deutsche Orden waren, im Süden den Habsburgern".[5] Für Tomáš Garrigue Masaryk waren seine Ideen aber bereits so wichtig, dass er mit ihm, den er für einen Pangermanen hielt, in Briefwechsel trat.[6] Seine Wirkung „setzte voll erst nach dem Ersten Weltkrieg ein“, so dass er als Vorläufer des „Dritten Reichs“ galt (Günther Franz 1973/1995). Für Hans-Ulrich Wehler ist er ein „mediokrer Kritiker“,[7] für Jacob Burckhardt aber ein „Kopf über dem Nebel“.[8]

Werke

  • 1843: Grundsätze des wahren und wirklichen absoluten Idealismus.
  • 1844: Philosophie der Mathematik.
  • 1844: Versuch über die Verfassung der Familie.
  • 1846: Über Gegenwart und Zukunft der Preußischen Verfassung.
  • 1848: Polen, Preußen und Deutschland.
  • 1850: Unsere Politik.
  • 1851: Die Constitutionellen.
  • 1851: Unsere Verfassung.
  • 1851: Von der deutschen Föderation.
  • 1852: Louis Napoleon.
  • 1852: Die Staatskrankheit.
  • 1857: Vorschule zur Physiologie der Staaten.
  • 1858: Die Politik der Zukunft.
  • 1858: „Quid faciamos nos?“
  • 1859: Der Militärstaat.
  • 1859: Untersuchungen über das europäische Gleichgewicht.
  • 1861: Die Ereignisse in Amerika.
  • 1861: Drei und dreißig Sätze vom deutschen Bund.
  • 1862: Kritik aller Parteien.
  • 1863: Die Quelle alles Übels.
  • 1864: Der dänische Erbfolgestreit und die Bundespolitik.
  • 1865: Die Wiederherstellung Deutschlands.
  • 1870: Die Schattenseite des Norddeutschen Bundes.
  • 1870: Die Naturlehre des Staates.
  • 1871: Das neue Deutschland.
  • 1872: Die Religion des Nationalliberalismus.
  • 1873: Abfertigung der nationalliberalen Presse.
  • 1874: Der Nationalliberalismus und die Judenherrschaft.
  • 1877: Deutsche Antwort auf die orientalische Frage.
  • 1878: Der Untergang der alten Parteien.
  • 1879: Der Föderalismus als das leitende Prinzip für die soziale, staatliche und internationale Organisation, unter besonderer Bezugnahme auf Deutschland.
  • 1880: Blätter für deutsche Politik und deutsches Recht.
  • 1880: Schellings positive Philosophie.
  • 1881: Die soziale Steuerreform.
  • 1882-83: Die Weltpolitik unter besonderer Berücksichtigung auf Deutschland.
  • 1899: Die Gefahr aus Osten. (Nachgelassene Arbeit, publiziert von Ottomar Schuchardt in „Die deutsche Politik der Zukunft“, Bd. 1, Celle 1899.)

Anmerkungen

  1. Vgl. Günther Franz über Konstantin Frantz in Bosl/Franz/Hofmann, Biographisches Wörterbuch zur deutschen Geschichte. Studienausgabe, Lizenzsausgabe des K. G. Saur Verlags (1973) für Weltbild Verlag Augsburg 1995, Bd. 1, S. 719.
  2. Constantin Frantz/Ottomar Schuchardt, Die deutsche Politik der Zukunft, Bd. 1, Celle 1899, S. 298. – Friedrich List und seine Zeit. Nationalökonom, Eisenbahnpionier, Politiker, Publizist. 1789-1846, hrsg. von der Stadt Reutlingen zum 200. Geburtstag, Reutlingen 1989, S. 192 f.
  3. C. Frantz, Die Gefahr aus Osten, S. 166 f. in: O. Schuchardt, Die deutsche Politik der Zukunft, Bd. 1, S. 10-167.
  4. C. Frantz, Die Gefahr aus Osten, S. 163 f. in: O. Schuchardt, Die deutsche Politik der Zukunft, Bd. 1, S. 10-167.
  5. Ottomar Schuchardt, Die deutsche Politik der Zukunft, Bd. 2, Celle 1900, S. 61 f.
  6. Tomáš Garrigue Masaryk, Das neue Europa. Der slavische Standpunkt, Berlin 1989 (Erstausgabe 1918), S. 13 f.
  7. Hans-Ulrich Wehler, Nationalismus und Nation in der deutschen Geschichte, S. 172; in: Helmut Berding (Hg.), Nationales Bewusstsein und kollektive Identität. Studien zur Entwicklung des kollektiven Bewusstseins in der Neuzeit 2, Frankfurt a. M. ²1996, S. 163-175.
  8. Alfred Mühr, Die deutschen Kaiser. Traum und Wirklichkeit des Reiches, Wiesbaden 1971, S. 459.


Weblinks



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