- Korpuskularphilosophie
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Die Korpuskeltheorie (auch Emissionstheorie, ballistische Lichttheorie, Korpuskulartheorie, oder Emanationstheorie) ist eine vor allem Isaac Newton zugeschriebene physikalische Theorie, nach welcher das Licht aus kleinsten Teilchen bzw. Korpuskeln (Körperchen) besteht. Die Korpuskeltheorie wurde im 19. Jahrhundert durch die Wellentheorie des Lichtes abgelöst, jedoch seit der Photonentheorie von Einstein (1905) werden dem Licht teilweise wieder auch korpuskulare Eigenschaften zugeschrieben. Diverse Emissionsmodelle wurden auch als Alternative zur Relativitätstheorie in Betracht gezogen, jedoch gelten solche Modelle aufgrund verschiedener experimenteller Befunde als widerlegt.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen
Es gibt in der Wissenschaftsgeschichte viele verschiedene Emissionstheorien. Wie die Literatur zeigt, sind eine Menge Emissionstheorien in den letzten Jahrhunderten entstanden und wieder in Vergessenheit geraten. Emissionstheoretiker waren zum Beispiel Sir Isaac Newton (1642-1727), Pierre Simon de Laplace (1749-1827), Jean-Baptiste Biot (1774-1862), Sir David Brewster (1781-1868).
Die Theorie besagt, dass das Licht aus winzigen Teilchen bzw. Korpuskeln besteht, die von den leuchtenden Körpern mit großer Geschwindigkeit geradlinig ausgeschleudert werden, und kann sowohl die geradlinige Ausbreitung, wie auch die Reflexion des Lichtes erklären. Ebenfalls können verschiedene Farben durch Annahme verschiedener Größe der Lichtteilchen erklärt werden. Beugung, Brechung an Grenzflächen oder teilweise Reflexion bereiten allerdings Schwierigkeiten. Die Brechung wurde so erklärt: In größerem Abstand zu Grenzflächen sind die Lichtteilchen allseitig von (anderen) gleichartigen Teilchen umgeben und fliegen deshalb geradlinig. An der Grenzfläche zweier verschieden „dichter“, transparenter Stoffe werden die „Lichtteilchen“ unterschiedlich stark angezogen und ändern deshalb schlagartig die Flugrichtung. Damit verbunden war die Vermutung, dass das Licht im „optisch dichteren“ Medium schneller fliegt. Erst viel später, nach 1820, wurde durch Fresnel gezeigt, dass die Lichtgeschwindigkeit im „optisch dichteren“ Medium kleiner ist als beispielsweise im Vakuum (Snelliussches Brechungsgesetz). Obwohl also die Begründung für „optisch dichter“ falsch ist, wird dieser Ausdruck heute noch verwendet.
Einige Forscher zogen aus der korpuskularen Natur des Lichts sehr viel weitergehende Schlüsse: Newton deutete bereits 1704 eine mögliche Ablenkung von Lichtstrahlen durch die Schwerkraft an, ohne jedoch die Ablenkung zu berechnen.[1] John Michell (1783)[2] und unabhängig von ihm Pierre-Simon Laplace (1796)[3] folgerten, dass derart massereiche Sterne vorstellbar seien, dass selbst das Licht ihnen nicht entkommen könnte, d.h. sie entwarfen eine Frühform eines Schwarzen Lochs. Schließlich (1801, veröffentlicht 1804) berechnete Johann Georg von Soldner die von Newton angedeutete Lichtablenkung, wobei er den korrekten newtonschen Wert von 0,84" erhielt,[4] also ungefähr die Hälfte des Werts, den Albert Einstein mit der allgemeinen Relativitätstheorie errechnete.
Im Streit mit Huygens, ob denn nun dessen auf einem Äther basierende Wellentheorie des Lichtes oder die Korpuskeltheorie richtig sei, siegte vorerst Newton. Im 19. Jhd. wurde Newtons Modell allerdings vor allem durch die Arbeiten von Thomas Young, Augustin Jean Fresnel, und James Clerk Maxwell überwunden und die Wellentheorie schien bewiesen zu sein. Jedoch seit der Photonentheorie von Einstein (1905) werden dem Licht teilweise wieder auch korpuskulare Eigenschaften zugeschrieben
Emissionstheorie contra Relativitätstheorie
Zu Beginn dies 20. Jhd. wurden Emissionstheorien auch als Alternative zur Lorentzschen Elektrodynamik und der Speziellen Relativitätstheorie in Betracht gezogen. Die von Walter Ritz (1908)[5] ausgearbeitete Theorie negiert die Existenz des Äthers und postuliert, dass die Geschwindigkeit des Lichtes von der Geschwindigkeit der Lichtquelle abhängt bzw. in allen Bezugssystemen konstant zur jeweiligen Lichtquelle ist. Dabei wird die Galilei-Transformation der klassischen Physik benutzt. Andere Varianten der Emissionstheorien wurden unabhängig von Ritz kurzfristig auch von Daniel Frost Comstock (1910)[6] und Richard C. Tolman (1912)[7] erwogen.
Die Theorie erfüllt das klassische Relativitätsprinzip und kann somit das Michelson-Morley-Experiment erklären: In einem Bezugssystem, in dem die Interferometeranordnung ruht, ergibt sich eine gleiche Lichtlaufzeit in beiden Armen des Interferometers. Aus einem relativ dazu bewegten System betrachtet bekommt das Licht die Geschwindigkeit der Lichtquelle wie bei einem Geschoss hinzuaddiert, bewegt sich aber stets mit Lichtgeschwindigkeit relativ zur Lichtquelle. Dabei ergeben sich auch hier gleiche Laufzeiten. Jedoch gelten Emissionstheorien u.a. aus folgenden Gründen als widerlegt:
- Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen das Licht je nach Position von Doppelsternen in der Umlaufbahn ausgesandt würde, würden das auf der Erde empfangene Bild der Umlaufbahnen verzerren. D.h. die Sterne verhalten sich scheinbar so, als ob sie den Keplerschen Gesetzen nicht mehr unterworfen wären. Das ist jedoch nicht der Fall, wie vor allem Willem de Sitter (1913) anführte.[8][9] Dagegen wurde jedoch eingewendet, dass aufgrund von Extinktion (also Absorption, Streuung, und Emission des Lichtes durch interstellaren Staub, welcher relativ zur Erde praktisch ruht) die Lichtstrahlen relativ zur Erde wieder Lichtgeschwindigkeit annehmen. Dies könnte die nicht beobachteten Laufzeitunterschiede bzw. Verzerrungen erklären. Jedoch Brecher (1977) untersuchte die von Doppelsternen emittierte Röntgenstrahlung, welche mit interstellarem Staub kaum wechselwirkt. Dadurch ist die Extinktion nicht groß genug ist, um das Ergebnis nennenswert zu verfälschen. Auch hier konnten keine Verzerrungen und somit auch keine Abhängigkeit von der Quellengeschwindigkeit festgestellt werden.[10]
- Alväger et al. (1964) haben π0-Mesonen beobachtet, welche bei einer Geschwindigkeit von 99,9% der Lichtgeschwindigkeit in Photonen zerfallen. Nach der Emissionstheorie müssten die Photonen nun den Impuls und damit die Geschwindigkeit der Mesonen aufaddiert bekommen. Jedoch bewegten sich die Photonen weiter mit Lichtgeschwindigkeit. Die Untersuchung der Medien, welche bei diesem Experiment von den Photonen durchquert wurden, ergab auch hier, dass die Extinktion nicht ausreichend ist, um das Ergebnis nennenswert zu verfälschen. [11]
- Die Emissionstheorie widerspricht dem Sagnac-Effekt. Dieser Effekt beruht darauf, dass aufgrund der Rotation eines Interferometers der Weg für einen Strahl länger wird, und für den anderen kürzer. Dies ist aber nur dann möglich, wenn die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Geschwindigkeit der Quelle ist.
Albert Einstein, der damals auch in der Schweiz lebte, diskutierte oft seine Gedanken mit Walter Ritz. Das war kein Zufall, denn Einstein selbst zog vor 1905 eine solche Emissionstheorie in Erwägung, da er wusste, dass eine solche Theorie mit den erfolglosen Ätherdriftexperimenten verträglich ist. Er verwarf diese Theorie jedoch noch vor 1905. [12]
Einzelnachweise
- ↑ Newton 1704
- ↑ Michell 1784
- ↑ Laplace 1796
- ↑ Soldner 1804
- ↑ Ritz 1908
- ↑ Comstock 1910
- ↑ Tolman 1912
- ↑ De Sitter 1913
- ↑ Fox 1965
- ↑ Brecher 1977
- ↑ Alväger 1964
- ↑ Norton 2004
Literatur
- Alväger, T.; Farley, F. J. M.; Kjellman, J.; Wallin, L.: Test of the second postulate of special relativity in the GeV region. In: Physics Letters. 12, Nr. 3, 1964, S. 260-262. doi:10.1016/0031-9163(64)91095-9
- Brecher, K.: Is the speed of light independent of the velocity of the source. In: Physical Review Letters. 39, 1977, S. 1051-1054. doi:10.1103/PhysRevLett.39.1051
- Comstock, D.F.: A neglected type of relativity. In: Physical Review. 30, 1910, S. 267
- De Sitter, W.: Ein astronomischer Beweis für die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit. In: Physik. Zeitschr.. 14, 1913, S. 429
- Fox, J. G.: Evidence Against Emission Theories. In: American Journal of Physics. 33, Nr. 1, 1965, S. 1-17. doi:10.1119/1.1971219
- Laplace, Pierre-Simon: The system of the world (English translation 1809), 2, S. 366-368, London: Richard Phillips 1796
- Lohne, Johannes A.: Newtons Theorie der Prismenfarbe. Fritsch 1969
- Michell, John: On the means of discovering the distance, magnitude etc. of the fixed stars. In: Philosophical Transactions of the Royal Society. 1784, S. 35-57
- Newton, I.: New theory about light and colours. Fritsch 1672/1965
- Newton, I.: Opticks 1704/1730
- Norton, John D.: Einstein's Investigations of Galilean Covariant Electrodynamics prior to 1905. In: Archive for History of Exact Sciences. 59, 2004, S. 45-105. doi:10.1007/s00407-004-0085-6
- Ritz, Walter: Recherches critiques sur l'Électrodynamique Générale. In: Annales de Chimie et de Physique. 13, 1908, S. 145-275 Siehe auch englische Übersetzung.
- Soldner, Johann Georg von: Ueber die Ablenkung eines Lichtstrahls von seiner geradlinigen Bewegung, durch die Attraktion eines Weltkörpers, an welchem er nahe vorbei geht. In: Berliner Astronomisches yearbuch. 1804, S. 161-172
- Tolman, R.C.: Some Emission Theories of Light. In: Physical Review. 35, Nr. 2, 1912, S. 136-143. doi:10.1103/PhysRevSeriesI.35.136
Siehe auch
Weblinks
- Abbreviated Biographical Sketch of Walter Ritz
- Critical Researches on General Electrodynamics, Walter Ritz, 1908
- The Ritz-Einstein Agreement to Disagree
- Quelle für den Ritz-Standard
- Introduction to the Extinction Shift Principle: A Pure Classical Replacement for Relativity
- Extinction Shift Principle - Löschverschiebungsprinzip
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