Kosmische Hintergrundstrahlung

Kosmische Hintergrundstrahlung
Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung aufgenommen durch den Satelliten COBE (Mission: 1989-1993)
Temperaturschwankungen in der Hintergrundstrahlung aufgenommen durch den Satelliten WMAP (Mission seit 2001)

Aus jedem Bereich des Himmels kann elektromagnetische Strahlung nachgewiesen werden. Strahlung, die nicht in individuelle Quellen aufgelöst werden kann, wird als Hintergrundstrahlung bezeichnet. Die Strahlung im Mikrowellenbereich wird wegen ihrer herausragenden Bedeutung für die physikalische Kosmologie häufig kosmische Hintergrundstrahlung – auch Drei-Kelvin-Strahlung, engl. cosmic microwave background (CMB) – genannt. Hintergrundstrahlung wird aber auch in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums beobachtet, insbesondere im Röntgenbereich und im fernen Infrarot. Die Quellen und Emissionsmechanismen sind in den verschiedenen beobachteten Energiebereichen unterschiedlich und ihre Identifikation liefert wichtige Informationen über das frühe Universum.

Inhaltsverzeichnis

Kosmischer Mikrowellenhintergrund

Theorie

Die bekannteste Hintergrundstrahlung ist die kosmische Mikrowellenstrahlung oder Cosmic Microwave Background Radiation (CMBR). Nach heutiger Vorstellung gilt sie als Beleg für die Urknalltheorie (Standardmodell) und stammt aus der Zeit etwa 380.000 Jahre [1] nach dem Urknall. Vor diesem Zeitpunkt standen Strahlung und Materie im thermischen Gleichgewicht. Infolge der Expansion des Universums sanken die Temperatur und die Dichte des gekoppelten Strahlungs-Materie-Gemisches mit der Zeit, bis schließlich bei einer Temperatur von etwa 3000 Kelvin Protonen und Elektronen elektrisch neutralen Wasserstoff bilden konnten, was in der Physik als Rekombination bezeichnet wird. Das Fehlen freier Elektronen und Protonen führte dazu, dass die Strahlung nicht mehr durch Thomson-Streuung von Photonen mit der Materie wechselwirken konnte - das Universum wurde 'durchsichtig'. Die weitergehende Expansion des Universums verursachte durch die Dehnung der Raumzeit auch eine Dehnung der Wellenlänge der vorhandenen Photonen, also eine Rotverschiebung. Wir beobachten daher diese Photonen heute als kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich. Sie ist in jeder Richtung des Himmels auf normalen Skalen in etwa gleichförmig und nicht durch Überlagerung einzelner Quellen wie Galaxien entstanden. Die Strahlung hat als Folge des thermischen Gleichgewichts vor der Rekombination das fast perfekte Intensitätsspektrum eines schwarzen Körpers (auch Schwarzkörper-Strahlung genannt; oder abgekürzt: "schwarze Strahlung") mit einer Temperatur von heute (2,725 ± 0,002) Kelvin. [2] Die Rotverschiebung der Hintergrundstrahlung beträgt z = 1089 ± 0,1 und jeder Kubikzentimeter des Vakuums des Weltraums enthält durchschnittlich 400 Photonen der Hintergrundstrahlung.

Messungen

Durch den Satelliten COBE gemessenes Spektrum (Intensität als Funktion der Wellenzahl) der kosmischen Mikrowellenhintergrundstrahlung. Die Fehlerbalken der Datenpunkte sind kleiner als die Dicke der Modellkurve, ein Planck-Spektrum mit der Temperatur T=2,725 K.[3].

Die Mikrowellenhintergrundstrahlung wurde in den 1940ern von George Gamow, Ralph Alpher und Robert Herman als Folge eines Urknalls vorhergesagt. Die Entdeckung erfolgte aber zufällig 1964 durch Arno Penzias und Robert Woodrow Wilson beim Test einer neuen empfindlichen Antenne, die für Experimente mit künstlichen Erdsatelliten gebaut worden war. Penzias und Wilson erhielten für diese Entdeckung den Physiknobelpreis 1978.

Bei diesen Experimenten wurde nur auf zwei unterschiedlichen Frequenzen gemessen, weshalb zunächst kein allgemeiner Zusammenhang mit anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten vermutet wurde. Erst Jahre später wurden weitere Messungen auf anderen Frequenzen durchgeführt und allmählich entstand der Verdacht, dass es sich bei dieser rätselhaften Strahlung um eine "Schwarzkörperstrahlung" handeln könnte. Nur diese Art Strahlung hat den typisch glockenförmigen Intensitätsverlauf, der im Bild rechts dargestellt ist. Da die Transparenz der Atmosphäre für elektromagnetische Wellen unbekannt war, wurden weitere Messungen durch den Satelliten COBE durchgeführt:

  • Mit hochempfindlichen Mikrowellenempfängern wurde die Rauschspannung auf möglichst vielen Frequenzen aus möglichst vielen Richtungen gemessen.
  • Wegen des breiten Frequenzbandes mussten unterschiedliche Antennen und Empfänger eingesetzt werden. Also waren Normierungen und Umrechnungen auf absolute Empfangsleistung erforderlich.
  • Ziel war, nur Daten zur schwachen Hintergrundstrahlung zu erhalten. Deshalb musste das Strahlungsverhalten aller bekannten und teilweise sehr intensiven Vordergrundquellen wie Krebsnebel oder andere Supernovaüberreste für alle Frequenzen modelliert und subtrahiert werden.
  • Die verbleibenden Messwerte zeigen ein auffallendes Dipolmuster: Das Maximum der Strahlung aus einer ganz bestimmten Richtung ist deutlich blau-verschoben, in entgegengesetzter Richtung rot-verschoben (Dopplereffekt). Das wird damit erklärt, dass unser Sonnensystem mit etwa 650 km/s in eine ganz bestimmte Richtung "fliegt"[4].
  • Dieses Dipolmuster wird subtrahiert und die mehrfach modifizierten Messwerte wurden als Funktion der Wellenlänge aufgetragen (siehe rechtes Bild).
  • Mit der Formel des Planckschen Strahlungsgesetzes wurden Modellkurven für unterschiedliche Temperaturen berechnet und in das gleiche Diagramm eingezeichnet.
  • Die Modellkurve für 2,725 K ist diejenige, die (im Sinne der kleinsten Fehlerquadrate) am besten zu den Messpunkten passt.

Anisotropien im Mikrowellenhintergrund

Leistungsspektrum der Temperaturschwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung

Die Temperatur des Mikrowellenhintergrundes ist über den gesamten Himmel sehr gleichförmig (isotrop). Die stärkste Abhängigkeit von der Beobachtungsrichtung beträgt nur etwa 0,1% und entsteht aufgrund der Bewegung unserer Milchstraße (und damit der Erde) relativ zum Mikrowellenhintergrund. Photonen, die aus der Bewegungsrichtung kommen, sind durch den Dopplereffekt blauverschoben und die Temperatur der Hintergrundstrahlung ist in dieser Richtung erhöht. Photonen aus der Gegenrichtung sind entsprechend rotverschoben, die Hintergrundstrahlung erscheint kühler. Es ergibt sich somit eine Dipolanisotropie der Temperaturverteilung.

Temperaturschwankungen auf kleineren Winkelskalen dürften im wesentlichen eine Folge von Dichteschwankungen in der Materie zum Zeitpunkt der Rekombination sein. Strahlung, die aus überdichten Regionen entweicht, erfährt eine Gravitationsrotverschiebung (Sachs-Wolfe-Effekt), so dass die Hintergrundstrahlung in der entsprechenden Richtung eine geringfügig niedrigere Temperatur hat. Die statistischen Eigenschaften der Dichteverteilung zum Zeitpunkt der Rekombination lassen sich im Rahmen der relativistischen Kosmologie als Funktion weniger kosmologischer Parameter genau modellieren, so dass man Vorhersagen über die Temperaturverteilung machen kann, insbesondere über das Winkelleistungsspektrum (siehe Abbildung).

Die Entdeckung dieser schwachen Temperaturschwankungen (ca. 0,001%) in kleineren Bereichen durch den Satelliten COBE im Jahr 1993 war ein Durchbruch in der Beobachtung des frühen Universums. Die Messung der Stärke dieser Schwankungen machte deutlich, dass die Materie zum Zeitpunkt der Rekombination außerordentlich homogen verteilt war. Weitere Untersuchungen durch bodengebundene Experimente, Ballonteleskope und besonders die Raumsonde WMAP haben die Stärke dieser Temperaturschwankungen in Abhängigkeit von ihrer Winkelausdehnung am Himmel noch wesentlich besser charakterisiert. Die gute Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des Mikrowellenhintergrundes mit den theoretischen Vorhersagen stellt einen der herausragenden Belege für die Gültigkeit der Urknalltheorie dar. Die Messung der Parameter dieser Theorie favorisiert das ΛCDM-Modell.

Ab 2008 soll die europäische Raumsonde Planck die Strahlung mit noch dreifach höherer Auflösung vermessen - bei besserer Ausblendung von Störstrahlung. Die Temperaturschwankungen gehören zu den zur Zeit wichtigsten Messgrößen der Kosmologie und der Bildung von Strukturen im frühen Universum.

Röntgenhintergrund

Sehr früh in der Geschichte der Röntgenastronomie wurde 1962 durch Riccardo Giacconi und Mitarbeiter ein kosmischer Röntgenhintergrund entdeckt. Nach heutiger Vorstellung ist er kein echter Hintergrund, sondern entsteht durch die Überlagerung der Emission sehr vieler aktiver galaktischer Kerne, deren genaue Eigenschaften aber noch untersucht werden. Im Energiebereich von 1-10 keV ist durch ROSAT, XMM-Newton und Chandra der größte Teil des Röntgenhintergrunds in solche Einzelquellen aufgelöst worden, bei höheren Energien steht dies noch aus.

Infrarothintergrund

Mit den Daten des DIRBE-Experiments auf COBE wurde 1996 ein extragalaktischer Hintergrund im fernen Infrarot entdeckt. Er entsteht vermutlich durch die Überlagerung der Emission vieler ferner Infrarotgalaxien. Tatsächlich konnten mit dem Infrared Space Observatory etwa 10% dieses Hintergrunds in einzelne Galaxien aufgelöst werden. Mit dem Herschel Space Observatory soll das für über die Hälfte des Hintergrunds gelingen.

Neue Fragen

Trotz der generell ausgezeichneten Übereinstimmung der gemessenen Eigenschaften des kosmischen Mikrowellenhintergrunds mit den theoretischen Vorhersagen gibt es einige Aspekte in den Daten, die nicht vollständig verstanden sind und zu anhaltenden Diskussionen führten. So sind einige der niedrigsten Momente in der Winkelverteilung der Temperatur niedriger als vorhergesagt.

Die gemessenen Extremwerte der Hintergrundstrahlung verlaufen fast senkrecht zur Ekliptik des Sonnensystems, wobei die Abweichung von der Senkrechten sich im Rahmen der Messungenauigkeiten bewegt. Darüber hinaus gibt es eine deutliche Nord-Süd-Asymmetrie mit einem Maximum im Norden. Dies ist überraschend, denn eigentlich sollte die kosmische Hintergrundstrahlung unabhängig von einer Galaxie sein, die ja keine bevorzugte Stellung im Kosmos einnimmt.[5]

Es bleibt zu untersuchen, ob diese Unstimmigkeiten messtechnischer Art sind oder ob es bisher unbekannte Einflüsse gibt, welche nicht mit dem aktuellen Modell erklärt werden können. Dabei ist zu beachten, dass die theoretischen Vorhersagen statistischer Natur sind, also die Verteilung von Eigenschaften einer Grundgesamtheit von Universen vorhersagen, während nur eine bestimmte Realisierung der Hintergrundstrahlung beobachtet werden kann, bei der unter Umständen einige Aspekte stark vom statistischen Mittel abweichen können („kosmische Varianz“).

Literatur

  • Gerhard Börner, Matthias Bartelmann: Astronomen entziffern das Buch der Schöpfung. Physik in unserer Zeit 33(3), S. 114 - 120 (2002), ISSN 0031-9252
  • G.D. Starkman, D.J. Schwarz: Missklänge im Universum. In: Spektrum der Wissenschaft 12/05, S. 30ff
  • Marc Lachièze-Rey, Edgard Gunzig: The cosmological background radiation. Cambridge Univ. Press, Cambridge 1999, ISBN 0-521-57437-4

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. arXiv:astro-ph/0302207 v3 5 Jun 2003, First Year Wilkinson Microwave Anisotropy Probe (WMAP1) Observations:Preliminary Maps and Basic Results [1]
  2. Kenneth R. Lang: A Companion to Astronomy and Astrophysics. Chronology and Glossary with Data Tables, Springer, 2006, S. 242
  3. Fixsen et al. 1996, Astrophysical Journal, 473, 576,"The Cosmic Microwave Background Spectrum from the Full COBE FIRAS Data Sets"
  4. [2] Großer Attraktor
  5. O. Preuss, H. Dittus u. C. Lämmerzahl: Sterne und Weltraum, April 2007, Seite 34

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Synonyme:

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