Kronzeugenregelung

Kronzeugenregelung

Der Kronzeuge (abgeleitet vom englischen Ausdruck to give evidence for the Crown [AE:state] evidence = für die Krone (d.h. den Staat) als Zeuge aussagen) ist ein Zeuge der Anklage im Strafprozess. Im Unterschied zu normalen Zeugen ist der Kronzeuge entweder selbst Mittäter bei der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat, oder er ist wegen anderer ähnlicher Straftaten angeklagt oder inhaftiert. Die Bestellung eines Kronzeugen ist eine Hilfsmaßnahme der Staatsanwaltschaft, wenn diese zwar von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, aber die verfügbaren Beweismittel nicht ausreichen, um diese Schuld zweifelsfrei nachzuweisen.

Inhaltsverzeichnis

Kronzeugenregelung

Die Kronzeugenregelung hat den Charakter eines Geschäfts auf Gegenseitigkeit: Im Gegensatz zu einem normalen Zeugen steht es einem als Kronzeugen ausersehenen Straftäter frei, sich in der fraglichen Sache zu äußern. Stellt der Kronzeuge sich der Staatsanwaltschaft zur Verfügung und führt seine Aussage zur Verurteilung des Angeklagten, so sichert die Staatsanwaltschaft dem Kronzeugen im Gegenzug Strafmilderung bis hin zum völligen Straferlass zu. Ein solches Aushandeln der Strafzumessung zwischen streitenden Parteien ist typisch für das angloamerikanische Rechtssystem (sog. plea bargaining), wird jedoch im kontinentaleuropäischen und damit auch im deutschen Recht zumindest in der Form abgelehnt.

In der Spieltheorie lassen sich aus dem Gefangenendilemma Rückschlüsse über die Kronzeugenregelung gewinnen.

Gründe für Kronzeugenregelungen

Wegen dieser Fremdheit haben die wenigen Versuche, eine Kronzeugenregelung in das deutsche Recht einzuführen, immer wieder heftige Kritik auf sich gezogen. Die Politik hat eine solche Regelung stets mit dem Ermittlungsnotstand des Staates begründet, der dadurch entstehe, dass bestimmte Arten von Straftaten in derart geschlossenen Milieus begangen werden, dass normale kriminalpolizeiliche Ermittlungsmethoden bis hin zur Einschleusung verdeckter Ermittler zum Scheitern verurteilt seien. Als Beispiele werden hierbei Straftaten in der Drogenszene, terroristische Aktivitäten, Korruption oder die sog. organisierte Kriminalität genannt.

Kritik am Prinzip des Kronzeugen

Der eine Verurteilung ermöglichenden Aussage des Kronzeugen steht jedoch ein hoher rechtspolitischer Preis entgegen: Durch die Strafmilderung wird das Prinzip einer gleichmäßigen, kalkulierbaren und der Schuld angemessenen Bestrafung verwischt. Da Kronzeugen meist in Fällen schwerer Straftaten hinzugezogen werden, besteht zudem die Gefahr, dass ausgerechnet solche Straftäter, die besonders große Schuld auf sich geladen haben, durch ihre Aussage einen Vorteil bei der Strafzumessung erlangen können, der kleinen Straftätern nicht zugänglich ist. Außerdem wird argumentiert, die Verführungskraft eines erheblichen Straferlasses sei so stark, dass Straftäter zur falschen Beschuldigung des Hauptangeklagten geradezu eingeladen würden, um sich einen Vorteil zu verschaffen.

Im Hinblick auf das deutsche Strafprozessrecht wird weiterhin kritisiert, dass bereits nach geltendem Recht eine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden strafmildernd berücksichtigt werden kann und somit ein gesetzgeberischer Bedarf für eine Kronzeugenregelung nicht besteht. So berücksichtigt das Gericht bei der Zumessung der Strafe nach § 46 Abs. 2 des Strafgesetzbuchs (StGB) u. a. das Verhalten des Täters nach der Tat.

Kronzeugen im deutschen Recht

Im Zusammenhang mit der Diskussion um organisierte Kriminalität wurde am 9. Juni 1989 durch die Regierung Helmut Kohl (CDU) eine zeitlich befristete Kronzeugenregelung in das Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen. Diese Regelung wurde mehrfach verlängert. Die SPD-Grünen-Regierung hatte die Kronzeugenregelung nach dem Regierungsantritt zum 31. Dezember 1999 auslaufen lassen. Nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 wurde die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung durch die damalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) vorgeschlagen, was jedoch an der entschiedenen Ablehnung der mitregierenden Grünen scheiterte.

Das geltende Recht kennt allerdings bereichsspezifische Kronzeugenregelungen bei Betäubungsmittelstraftaten (§ 31 Nr.1 BtMG) und bei Geldwäsche (§ 261 Abs. 10 StGB).

Gemäß dem Koalitionsvertrag von 2005 soll eine allgemeine Kronzeugenregelung eingeführt werden. Im Mai 2007 legte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vor.[1] Nach dem darin vorgeschlagenen neuen § 46b StGB soll das Gericht eine Strafe mildern können, wenn der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine schwere Straftat aufgedeckt werden konnte. Eine Strafmilderung soll jedoch ausgeschlossen sein, wenn der Täter sein Wissen erst offenbart, nachdem das Zwischenverfahren über die Zulassung der Anklage abgeschlossen und das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Der Gesetzentwurf befindet sich zur Zeit in der parlamentarischen Beratung im Rechts- und im Innenausschuss des Bundestages.

Kronzeugenregelung im schweizerischen Recht

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität der zu ermittelnden Sachverhalte und der sich weltweit verschärfenden Lage zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus wird neuerdings auch für den schweizerischen Strafprozess eine Kronzeugenregelung de lege ferenda diskutiert (vgl. Koumbarakis Zinon, Die Kronzeugenregelung im schweizerischen Strafprozess de lege ferenda, Studien zum Strafrecht, Band 7, Baden-Baden 2007).

Quellen

  1. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. Mai 2007

Siehe auch


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