Kung-An

Kung-An

Kōan (jap. 公案; chin. 公案, gōngàn, W.-G. kung-an „Öffentlicher Aushang“; hgl. 공안, gong-an; viet. công án) ist im chinesischen Chan- bzw. japanischen Zen-Buddhismus eine Art (sehr) kurze Anekdote oder eine Sentenz, die eine beispiel- oder lehrhafte Handlung oder pointierte Aussage eines Zen-Meisters, ganz selten auch von Zen-Schülern, darstellt.

Verlauf und Pointen dieser speziellen Anekdoten wirken auf den Laien meist vollkommen paradox, unverständlich oder sinnlos. In der Folge kommt es dadurch manchmal zur fehlerhaften Übertragung des Begriffs Kōan auf andere unsinnige Kurzgeschichten.

Die Vorläufer der Kōan waren berühmte Fragen und Antworten zwischen Meister und Schüler während der frühen Tang- und Song-Zeit, Fragmente einiger buddhistischer Sutras, bedeutungsvolle Reden von Chan-Meistern und Anekdoten über diese Meister. Trotz ihrer vordergründigen Unvernünftigkeit und Sinnlosigkeit verfügen sie über einen historischen Kern, der auch intellektuell nachvollziehbar ist und Aspekte der Chan-Philosophie ausdrückt. Im Chan und Zen werden Kōan als Meditationsobjekte benutzt.

Das bekannteste Kōan, das inzwischen auch im Westen Allgemeingut geworden ist, ist die Frage nach dem Geräusch einer einzelnen klatschenden Hand (Hakuins Sekishu, von Meister Hakuin Ekaku).

Inhaltsverzeichnis

Interpretation

Kōan lassen sich häufig durchaus mit rationalen Methoden interpretieren. Bei einigen Kōan wird erwartet, dass der Zen-Schüler durch Überlegung die richtige Lösung findet. Für die meisten Kōan werden alle verstandesmäßigen Lösungen des Kōans als falsch angesehen. Der eigentliche Sinn dieser Kōan, ihre wesentliche Funktion erschließt sich nur intuitiv, ohne Worte. Zur Bedeutung von Kōan gibt es, innerhalb des Rinzai-Zen (aus dem auch die japanische Teezeremonie hervorgegangen ist), zwei grundlegend divergierende Ansichten. Einmal Daisetz Teitaro Suzuki, der den Widerspruch zu jeder Vernunft propagiert. Zweitens Ruth Fuller-Sasaki, die deren „Sinnfülle“ behauptet.

Das Ziel der Kōan-Praxis ist die Erkenntnis der Nichtzweiheit. Die Illusion, dass die Dinge sich unterscheiden und dass das Ich eine eigene, vom Rest abgegrenzte Existenz hätte, soll sich in der Übung mit dem Kōan auflösen.

Der Zen-Schüler bekommt ein bestimmtes zu seiner Reife passendes Kōan aufgetragen. (z. B. das Kōan Mu: Ein Mönch fragte Joshu (chin. Zhaozhou): „Hat ein Hund die Buddha-Natur oder nicht?“ Joshu antwortete: „Mu!“). Dieses Kōan soll der so Befragte dem Meister im persönlichen Gespräch (Dokusan) darlegen, um zu zeigen, dass er den wahren Gehalt des Kōans während der Meditation realisiert hat. Novizen und Mönche müssen eine Reihe von Kōans meistern. Um festzustellen, ob dies tatsächlich gelungen ist, wird dem Studierenden aufgegeben, ein, für den entsprechenden Kōan passendes Schlüsselwort (jakugo), zu finden. Je nach Tempelzugehörigkeit ist die Reihenfolge der zu meisternden Kōans samt zugehöriger jakugo festgelegt. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich dieser „Lehrplan“ verfestigt. Als eine innere Erfahrung ist diese Realisierung nicht zu verwechseln mit einer verstandesmäßigen Erfassung des Problems. Es handelt sich nicht um eine Auslegung des Kōans oder eine Erläuterung. Diese passiert gelegentlich im Teishō. Die individuelle Einsicht des Schülers würde auf den Laien oft noch sinnloser wirken, als das Kōan selbst. Anhand der Reaktion des Schülers auf das Kōan kann der erfahrene Meister erkennen, ob der Schüler auf dem Weg des Zen Fortschritte macht, oder ob er in Illusion und Irrtum verharrt. Die schriftlichen oder mündlichen Kommentare des Zen-Meisters zu einem Kōan werden als Agyō (gewährte Worte) bezeichnet.

Diese Methode des Übens und der Prüfung wird vor allem in der Rinzai-Richtung des Zen verwendet.

Es gibt verschiedene „Klassen“ von Kōans, die unterschiedliche Funktionen erfüllen.

Sammlungen

Die bekanntesten - ursprünglich chinesischen - Kōan-Sammlungen sind das Biyanlu (Die Niederschrift von der smaragdenen Felswand), zusammengestellt von Xuedou Zhongxian / Setchô Jûken und im Jahre 1128 mit Kommentaren versehen herausgegeben von Yuanwu Keqin / Engo Kokugon, das Congronglu, zusammengestellt von Hongzhi Zhengjue / Wanshi Shôgaku und im Jahre 1224 samt Kommentaren herausgegeben von Wansong Xingxiu / Banshô Gyôshu sowie das Wumenguan (Die torlose Schranke) gesammelt von dem Zen-Meister Wumen Huikai / Mumon Ekai (1181–1260).

Das 18. Kōan des Mumonkan beispielsweise lautet (zitiert nach der Übersetzung von Koun Yamada, siehe Literaturhinweis):

„Ein Mönch fragte Tozan: 'Was ist Buddha?' Tozan antwortete: Masagin (麻三斤 – Drei Pfund Flachs).“

Hinzugefügt sind ein Kommentar Mumons:

„Der alte Tozan erlernte ein wenig Muschel-Zen. Indem er die beiden Muschelhälften ein wenig öffnete, zeigte er seine Leber und seine Eingeweide. Das mag wohl so sein. Ihr jedoch sagt mir: Wo seht ihr den Tozan?“

sowie ein Vers:

„Masagin springt hervor!
Worte sind vertraut, noch vertrauter ist der Geist.
Wer über Falsch und Richtig spricht,
ist ein Mensch des Falschen und Richtigen.“

Deutlich wird hier die Auffassung des Zen, dass in den existenziellen Fragen Bezeichnungen und Konzepte nutzlos sind. In selbstbezüglicher Weise gilt dies sogar für die Lehren des Buddhismus und des Zen selbst.

Siehe auch

Literatur

  • Wolfgang Walter (Hrsg.): Kōan-Sammlung Band 1: Mumonkan, Hekigan-roku. Angkor Verlag, Frankfurt 2001, ISBN 3-936018-11-1
  • Wolfgang Walter (Hrsg.): Kōan-Sammlung Band 2: Denko-roku, Shoyo-roku. Angkor Verlag, Frankfurt 2001, ISBN 3-936018-12-X
  • Dietrich Roloff: CONG-RONG-LU - Aufzeichnungen aus der Klause der Gelassenheit. Die 100 Kôan des Shôyôroku. Windpferd Verlag 2008, ISBN 978-3-89385-571-1
  • Sabine Hübner: Das Torlose Tor. Teisho über die 48 Kōan des Mumonkan. Kristkeitz, 2. Aufl. Heidelberg 2008, ISBN 978-3-932337-00-0
  • Koun Yamada: Mumonkan. Kösel, München 1989, ISBN 3-466-20308-2
  • Bi Yän Lu. übers. und erläutert v. W. Gundert, 3 Bde. München: Hanser und andere. (Gundert hat vor seinem Tode nur etwa 60 der 100 enthaltenen Kōans übersetzen können). Achim Seidl; Das Weisheitsheitbuch des Zen; München 1988 [Hanser], ISBN 3-446-14946-5, ist eine verkürzte Ausgabe.
  • Ernst Schwarz (Hrsg. und Übs.); Bi-yän-lu, Aufzeichnungen des Meisters vom Blauen Fels – Kōan Sammlung; München 1999 (Kösel), ISBN 3-466-20443-7
  • Daisetz T. Suzuki: Das Zen-Kōan. Weg zur Erleuchtung. Herder, Freiburg i.Br. 1996, ISBN 3-451-04452-8
  • Meister Hakuin: Authentisches Zen. Fischer, Frankfurt 1997, ISBN 3-596-13333-5
  • Thomas Cleary (Hrsg.): Der Mond scheint auf alle Türen. Zen-Aphorismen grosser Meister über die Kunst des Lebens aus innerer Freiheit. Barth, Bern u.a. 1992, ISBN 3-502-64111-0
  • Janwillem van de Wetering: „Das Kōan“ und andere Zen-Geschichten, Rowohlt Taschenbuch, 1996, ISBN 3-499-60270-9
  • Thich Nhat Hanh Schlüssel zum Zen. 3. Auflage. Herder, Freiburg im Breisgau 2003, ISBN 3-451-05335-7
  • Seung Sahn: Die ganze Welt ist eine einzige Blume. 365 Zen-Kōans für jeden Tag, Johannes Herrmann Verlag, Gießen 2008, ISBN 978-3-937983-13-4

Weblinks


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