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Als Leben-Jesu-Forschung bezeichnet man die Erforschung des Neuen Testaments (NT) und weiterer antiker Schriften auf der Suche nach der historischen Person Jesus von Nazaret, die vom geglaubten und verkündeten Jesus Christus unterschieden wird.
Inhaltsverzeichnis
Überblick
Die Leben-Jesu-Forschung entwickelte sich im Zeitalter der Aufklärung seit dem 18. Jahrhundert. Ihre Vertreter - zunächst protestantische, dann auch katholische Neutestamentler - setzen meist voraus, dass Jesus tatsächlich existiert hat und die Literatur des Urchristentums auf seine geschichtliche Erscheinung reagierte, also als seine Wirkung anzusehen ist. Heute bildet die Forschung zum historischen Jesus einen integralen Bestandteil der allgemeinen Neutestamentlichen Wissenschaft, die wiederum eine Spezialdisziplin der universitären Theologie ist.
Man teilt die Suche nach dem historischen Jesus oft in drei Hauptphasen ein. Dabei unterscheiden sich die Ansätze nicht nur zwischen den Phasen, sondern auch innerhalb jeder Phase. Was Mythos und was historisches Faktum ist, hat bisher jede Forschergeneration neu gefragt und beurteilt.
- Die ersten Forschungsansätze zum NT intendierten ein „Leben Jesu“ im Sinne einer Biografie, die Jesu inneren und äußeren Werdegang schilderte. In dieser Phase wurden früh beobachtete Widersprüche zwischen und in den Evangelien auf die Komposition verschiedener schriftlicher Quellen zurückgeführt. Daraus entwickelte sich die Zweiquellentheorie, deren Grundannahmen bis heute gültig sind. Zugleich flossen viel eigene Phantasie oder Fehldeutungen der Quelltexte in die Darstellungen des Lebens Jesu ein.
- In der zweiten Phase trat die direkte Suche nach dem historischen Jesus zurück: Nun wurden stärker die Einzeltexte, ihre Verwendung im Urchristentum und ihre redaktionelle Zusammenstellung erforscht. Zugleich wurde im Gefolge Rudolf Bultmanns versucht, die Botschaft des Neuen Testaments zu „entmythologisieren“ und als existenziellen Ruf zu einem radikal neuen Selbstverständnis zu vergegenwärtigen.
- In der dritten Phase werden Anstöße aus der sozialgeschichtlichen Forschung, der Judaistik und der jüdischen Exegese der Bibel aufgenommen. Das außerbiblische Wissen über die damalige Gesellschaft wird heranzogen, um die Texte daraus zu erklären. Die Ergebnisse werden in ein neues Gesamtbild des historischen Jesus im Kontext des damaligen Judentums zu integrieren versucht.
Die heutige Bibelforschung relativiert die früher oft betonte Kluft zwischen dem Alten und dem Neuen Testament, zwischen Jesus, dem parallelen Judentum und dem Urchristentum. Sie sieht beide trotz ihrer gegenseitigen Abgrenzung als zwei eng verwandte Weiterentwicklungen des antiken palästinischen Judentums, zu dem Jesus gehörte.
Erste Phase: Kritische Anstöße und liberaler Optimismus
Mit dem Deismus begann die langanhaltende wissenschaftliche Bemühung, einen historischen Jesus hinter den „Übermalungen“ des Neuen Testaments freizulegen, um diesen als alternatives Leitbild gegen das dogmatisierte Christusbild der Kirchen in Stellung bringen zu können. Die Leben-Jesu-Forschung war also eng mit der Emanzipation des Bürgertums von der mittelalterlichen Vorherrschaft der Kirche verbunden und ihr Ausdruck. Sie reflektierte anfangs noch nicht ihre eigenen hermeneutischen Axiome, sondern ging optimistisch von der Gewissheit aus, der historische Jesus sei in den Quellen auffindbar und rekonstruierbar. Obwohl diese biografische Intention seit 1900 radikal in Frage gestellt wurde und heute einer nüchternen Skepsis gewichen ist, haben sich bestimmte Grundannahmen, Methodik und Ergebnisse wie die Zweiquellentheorie insgesamt bewährt und durchgesetzt. Die historische NT-Forschung hat gerade aus ihren Irrwegen viel gelernt und ihre Methoden fortlaufend verbessert.
Hermann Samuel Reimarus
Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) war Professor für orientalische Sprachen in Hamburg und überzeugter Deist. Er begründete dies nur für seine engsten Freunde mit der Privatschrift Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes. Darin stellte er das traditionelle Christusbild der Kirchen als Erster radikal in Frage, indem er den Glauben der Apostel methodisch streng von der Eigenverkündigung Jesu unterschied.
Reimarus verstand Jesus ganz im Rahmen des Judentums seiner Zeit als politischen Reformator. Er habe das nahe Reich Gottes verkündet und die Juden zur Umkehr gerufen, um ein weltliches Messiasreich aufzurichten. Er sei dabei immer fanatischer geworden, bis er schließlich versagt habe und hingerichtet worden sei.
Das nachösterliche Christentum erklärte Reimarus als Betrug der Apostel: Sie hätten aus dem gescheiterten weltlichen Propheten einen himmlischen Erlöser gemacht, dazu seinen Leichnam gestohlen (vgl. Mt 28,11–15) und nach dessen Verwesung begonnen, seine Auferstehung und baldige Wiederkunft zu verkünden (7. Fragment: Von dem Zwecke Jesu und seiner Jünger). Aus den Anhängern dieses Aberglaubens sei die Kirche entstanden.
Reimarus war also bewusst anti-theologisch, anti-christlich und anti-dogmatisch. Er beabsichtigte nicht, den historischen Jesus zu finden, um darauf eine modernere Form des christlichen Glaubens zu gründen, sondern um den Kirchen das Fundament ihrer Lehren zu entziehen. Während seine methodische Trennung von Jesusverkündigung und Glauben der Urchristen bis heute gültig ist, fand die Betrugstheorie bald Widerspruch.
Erst nach seinem Tod veröffentlichte Gotthold Ephraim Lessing sieben Fragmente aus seiner Apologie, ohne den Verfasser zu nennen. Die Veröffentlichung bewirkte einen heftigen Streit zwischen Lessing und orthodoxen Kirchenvertretern (z. B. Johann Melchior Goeze), die ihren Niederschlag in Lessings Werken (vgl. Nathan der Weise 1779) fand (siehe Fragmentenstreit).
Thomas Jefferson
Thomas Jefferson (1743–1826), Autor der Unabhängigkeitserklärung und dritter US-Präsident, war wie viele US-Gründerväter in religiösen Dingen ein Freidenker. Auch er versuchte, ein „von Aberglauben befreites“ historisches Leben Jesu aus allen vier Evangelien herauszufiltern:
„The Life and Morals of Jesus of Nazareth. Extracted textually from the Gospels in Greek, Latin, French and English.“
Seine Jesusbiografie endet mit dem Begräbnis Jesu. Eine Auferstehung ließ Jefferson nicht folgen: Sie gehörte für ihn zu dem „Aberglauben", den er ablehnte. Aus Vorsicht gegenüber seinen konservativ-christlichen Landsleuten veröffentlichte er dieses Werk zu Lebzeiten jedoch nicht.
Jefferson gilt als Pionier der synoptischen Betrachtungsweise, die aus gemeinsamen Texten auf historische Zuverlässigkeit und Ursprünglichkeit schließt. Dabei ging er jedoch noch ganz unkritisch vor und listete die Lebensstationen Jesu einfach auf, ohne die Widersprüche zwischen den Evangelien zu berücksichtigen und zu erklären.
Ferdinand Christian Baur
Ferdinand Christian Baur (1792–1860) war seit 1836 Theologieprofessor und führte die historisch-kritische Methode in die NT-Forschung ein („Tübinger Schule“). Er war einer der gemäßigten Kritiker seines Schülers David Friedrich Strauß (s. u.) und versuchte, dessen Entwurf mit stärkerer Betonung der historischen Kontinuität zu begegnen.
Er sah in Jesus den Gründer des Urchristentums, der einen Messiasanspruch erhoben habe. Er betrachtete diesen also nicht als sekundäre mythische Vergöttlichung, sondern sah das Kerygma der Jerusalemer Urgemeinde als Wirkung der Eigenverkündigung Jesu.
Als Schüler Hegels übertrug Baur jedoch zugleich dessen Dialektik in die Darstellung des Urchristentums: Das von Simon Petrus vertretene Judenchristentum der Urgemeinde war für ihn die „These“ einer Gesetzeskirche, das Heidenchristentum des Paulus von Tarsus mit seiner Völkermission die „Antithese“ einer Geistkirche. Beides habe zur vorläufigen Synthese in der frühkatholischen Theologie des Johannesevangeliums geführt. Er fand auch im christlichen Gnostizismus schon vieles von dem mythisch ausgedrückt, was Hegel dann philosophisch entfaltete.
David Friedrich Strauß
David Friedrich Strauß (1808–1874) war Schüler von Baur und Friedrich Schleiermacher. 1835 erschien sein Werk Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet, das heftigen Streit mit Kirchen und Behörden auslöste und Strauß zum berühmten Außenseiter der Jesusforschung machte.
Seine Grundthese lautete, in den Evangelien seien durchweg mythische – vor allem messianische – Vorstellungen des AT auf Jesus übertragen worden. Dabei übernahm er den Mythosbegriff der alttestamentlichen Theologie seiner Zeit. Er stellte diese „Mythisierung“ gegen aufgeklärt- rationalistische und dogmatisch-supranaturalistische Sichtweisen der Verkündigung Jesu. Die Wunder Jesu etwa erklärte er nicht als urchristlichen Betrug, Konzession an die „jüdische Wundersucht“ oder Illusion, sondern als unbewussten Prozess einer „absichtslos dichtenden Sage“. Zudem erkannte er, dass das Johannesevangelium von theologischen Interessen aus gestaltet wurde und für historische Daten zu Jesus weniger zuverlässig als die Synoptiker sei.
Er wollte die Mythen über Jesus jedoch nicht widerlegen, sondern verstand sie als legitime zeitbedingte Einkleidung einer zeitlosen „Idee der Gottmenschlichkeit“, die sich in diesem historischen Individuum realisiere. Er wollte die darin verborgenen „ewigen philosophischen Wahrheiten“ aus diesem Kleid herauslösen und durch eine „mystische“ Sicht Jesu ersetzen. Darum enthielt seine Christologie keine Rekonstruktion des historischen Jesus, sondern thematisierte die „Menschheit“. Dass Gott in einem bestimmten Menschen Mensch wurde, war für Strauß nur Ausdruck dafür, dass die Menschheit göttlich sei. Er versuchte also, die kirchlichen Dogmen in philosophische Ideen umzuwandeln, ohne sie als Glaubenswahrheiten aufzugeben.
Das Werk fand viel Kritik, so dass Strauß seinen Entwurf in der dritten Auflage von 1839 entschärfte, in der vierten Auflage jedoch wieder vertrat. Er konnte vor allem nicht überzeugend erklären, wie aus dem „Christusmythos“ das Neue Testament und das Christentum entstehen konnte. Das versuchte sein Lehrer F. Chr. Baur zu zeigen, wobei er Strauß erheblich korrigierte.
In seinen folgenden Werken distanzierte sich Strauß immer mehr vom Christentum und sagte sich schließlich ausdrücklich davon los. In seinem zweiten Leben Jesu, für das deutsche Volk bearbeitet (1863) erschien Jesus nur noch als Verkünder einer reinen Kultur- und Humanitätsreligion. 1865 folgte Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte, eine Abrechnung mit Schleiermacher. 1872 erschien Der alte und der neue Glaube. Darin war das Christentum für Strauß nun völlig überflüssig geworden.
Ernest Renan
Der französische Katholik Ernest Renan (1823–1892) schrieb 1863 das Buch Das Leben Jesu, das einige Ergebnisse der deutschen Leben-Jesu-Forschung aufgriff und diese erstmals im Katholizismus verbreitete. Es erreichte rasch acht Auflagen, rief aber auch leidenschaftlichen Protest orthodoxer Christen hervor und kostete den Autor seine Professur am College de France. Es wurde fünfmal ins Deutsche übersetzt und fand auch diesseits des Rheins begeisterte Zustimmung oder vehemente Ablehnung: Renan wurde zum einen als französischer D. F. Strauß, zum anderen als dessen „Überwinder“ gefeiert und vereinnahmt.
Das Buch verarbeitete Reiseerlebnisse Renans: Er hatte 1860 Phönizien besucht und beschrieb mit Jesu Leben zugleich die dortige Landschaft in poetisch-sentimentaler Form. Dabei popularisierte er auch antijudaistische Klischees und Stereotypen, die teilweise bis heute nachwirken. Jesus erscheint als ungebildeter, naiver und sanfter Freund der Menschen und Tiere, der in einer idyllischen Gegend aufwuchs und ein neues Gottesbild gegen den finsteren JHWH Israels stellte:
„Der Gott Jesu ist nicht der schreckliche Herr, der uns tötet, wenn es ihm gefällt, und uns rettet, wenn es ihm gefällt. Jesu Gott ist unser Vater. Man vernimmt ihn, wenn man dem leisen Ton lauscht, der in uns „Vater“ ruft. Der Gott Jesu ist nicht der parteiische Despot, der Israel als sein Volk auserwählt hat und es beschützt vor allen und gegen alle. Er ist der Gott der Menschheit [...] Die bewundernswürdige Moral, die Jesus aus diesem Gottesglauben ableitet, ist nicht eine Moral von Enthusiasten, die den Weltuntergang nahe glauben und sich in finsterer Askese auf eine eingebildete Katastrophe vorbereiten, sondern die Moral einer Welt, die leben will und gelebt hat.“
– M. Baumotte, Die Frage nach dem historischen Jesus S. 87
Renan konnte den Universalismus der undifferenzierten Menschenliebe also nur im Kontrast zum Partikularismus der biblischen Bundes- und Rechtstheologie darstellen, so dass sein Jesus einen anderen Gott als den Israels vertreten musste. Dabei löste er Jesu Verkündigung gegen den Konsens der Evangelien von ihrem apokalyptischen Hintergrund ab, um sie durch die „innere Stimme“ einer subjektiven Autoritätserfahrung zu ersetzen.
Hinzu kamen Motive eines Kitschromans mit rassistischen Anklängen:
„Sein liebenswürdiger Charakter und seine zweifellos hinreißende Schönheit, wie sie manchmal in der jüdischen Rasse erscheinen, schufen gleichsam einen Zauberkreis um ihn, dem sich niemand inmitten dieses gutmütigen, naiven Volkes entziehen konnte [...] Ein Paradies auf Erden wäre es geworden, wenn die Gedanken des Meisters nicht zu sehr das Niveau der mittelmäßigen Güte überschritten hätten ...“
– ebd.
Albert Schweitzer kritisierte diesen Stil 1906 rückblickend wie folgt:
„Der Historiker verzeiht es ihm schwer, dass er mit dem Problem der Entwicklung Jesu, auf das er durch seine starke Betonung der Eschatologie geführt wurde, nicht nachgegangen ist und an Stelle der Lösung romanhafte Phrasen bot.“
– Baumotte S. 86
Heinrich Julius Holtzmann
Der Neutestamentler Heinrich Holtzmann (1832–1910) unternahm den optimistischen Versuch, Jesu „Persönlichkeit“ historisch zu rekonstruieren. Er wollte so die Basis für einen erneuerten Christusglauben gewinnen, der sich vom dogmatisierten Christusbild der Kirchen emanzipieren sollte. Er gilt daher als klassischer Vertreter der Liberalen Theologie im Deutschen Kaiserreich.
Sein methodischer Ausgangspunkt war die Zweiquellentheorie, die Christian Gottlob Wilke und Christian Hermann Weiße zuvor entwickelt hatten. Holtzmann sorgte 1863 mit einer wissenschaftlichen Veröffentlichung für ihren Durchbruch: Die synoptischen Evangelien. Ihr Ursprung und ihr geschichtlicher Charakter. Von nun an galt das Markusevangelium als das älteste der vier Evangelien, neben ihm die hypothetisch erschlossene Logienquelle als zweite schriftliche Vorlage des Matthäus- und Lukasevangeliums.
Den äußeren Verlauf des Lebens Jesu entnahm Holtzmann dem Markusevangelium. Er nahm an, Jesu „messianisches Bewusstsein" sei erst allmählich gereift und habe ihn dann bewogen, nach Jerusalem zu ziehen. Den Wendepunkt fand er in Mk 8,29ff EU, wo erstmals ein Jünger Jesus als den „Christus“ anredet und dieser mit der ersten Leidensankündigung des Menschensohns antwortet. Damit schlug der Evangelist die Brücke zwischen den Ereignissen in Galiläa und der folgenden Passionsgeschichte.
In diesen biografischen Rahmen fügte Holtzmann vermeintlich „authentische“ Worte Jesu aus der Logienquelle ein, die zu seinem Bild der reifenden Persönlichkeit Jesu zu passen schienen. Diesem Verfahren folgten weitere liberale Jesusbiografien des 19. Jahrhunderts, die das jeweilige Persönlichkeitsideal ihres Verfassers in den Quellen über Jesus wiederzufinden meinten.
Adolf von Harnack
Der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack (1851–1930) hielt 1900 eine Vorlesungsreihe, die später als Buch mit dem Titel Das Wesen des Christentums veröffentlicht wurde. Es gilt als Hauptwerk der Liberalen Theologie vor dem Ersten Weltkrieg. Darin fragte Harnack nach der einzigartigen Besonderheit der Lehre Jesu. Er stellte fest, dass sämtliche Einzelmotive seiner Verkündigung schon vorher im Alten Testament und im Hellenismus gelehrt worden seien. Jesus habe seine Botschaft auf zwei Aussagen konzentriert und diese universalisiert: die „Vaterliebe Gottes“ und die „reine Menschenseele“. Daraus folgerte Harnack:
„Nicht der Sohn, allein der Vater gehört in das Evangelium, wie es Jesus verkündet hat, hinein.“
Deshalb gelte:
„Nicht an Jesus glauben, sondern wie er glauben, nämlich glauben an die Vaterliebe Gottes und den unendlichen Wert der Menschenseele ...“
Im Gleichnis vom Verlorenen Sohn (Lk 15,11–32) fand Harnack Jesu Lehre konzentriert ausgedrückt:
- Gott verlange nichts: kein Sündenbekenntnis, kein Opfer, keine Leistung. Gott freue sich einfach über die Heimkehr seines Sohnes. Diese reine Gnade sei im Judentum, dem Glauben Jesu, schon vorhanden.
- Gottes Liebe überwinde die Erbsünde, das sündige, dem Materiellen verhaftete Begehren, und erneuere den rechtgläubigen, reinen Geist.
- Die Seele des Menschen sei und bleibe rein und könne durch Taten auf Erden nicht befleckt werden. Sie gehe rein wieder zu Gott ein.
- Das Judentum kenne diese Geborgenheit der Seele in Gott. Jedoch stehe es fest im Rahmen von heiligen Gesetzen und religiösen Pflichthandlungen, die vielfach vom frühen Christentum übernommen und durch zahlreiche heidnische Bräuche ergänzt worden seien. Dabei habe sich ihre Bedeutung gewandelt.
- Die Lehre Jesu von der gnädigen Annahme der reinen Seele gehe durch die Mission in die ganze Welt.
In Frankreich kritisierte der katholische Theologe Alfred Loisy vehement die antikirchliche Tendenz bei Harnack. Jedoch akzeptierte er wesentliche Ansätze der deutschen Exegese als wissenschaftlich und wurde so, obwohl er den Katholizismus modernisieren wollte, als Begründer des Modernismus von Papst Pius X. 1908 exkommuniziert. Erst seit 1943 war katholischen Theologen eine relative Forschungsfreiheit in der Bibelwissenschaft eröffnet, bestätigt durch das Vatikanum II (Konstitution Dei Verbum von 1965).
William Wrede und Ernst Troeltsch
Der NT-Historiker William Wrede (1859–1906) schrieb 1897 den kritischen Aufsatz Über Aufgabe und Methoden der sogenannten neutestamentlichen Theologie. Darin rechnete er mit seinen Vorgängern Baur, Strauß und dem Neukantianer Albrecht Ritschl ab: Sie hätten im NT nur ihre eigenen zeitphilosophischen Schablonen als angebliche Lehrbegriffe von Jesus, Paulus, Johannes usw. wiedergefunden und nicht konsequent historisch nach der religiösen Bewegung gefragt, aus denen die NT-Schriften hervorgegangen seien. Das NT sei nicht als Abfolge theologischer Systeme, sondern als Teil der spätantiken Religionsgeschichte zu verstehen.
Mit dieser Auffassung begründete Wrede die „religionsgeschichtliche Schule“ in der NT-Forschung, deren hermeneutische Prämissen vor allem Ernst Troeltsch (1865–1923) ein Jahr darauf in seinem Aufsatz Über historische und dogmatische Methode in der Theologie systematisch entfaltete. Das historische Bild des Urchristentums sei nach den Prinzipien der Kritik, der Analogie und der Korrelation zu gewinnen. Historiker müssten die Wahrscheinlichkeit des Überlieferten kritisch nach Maßgabe der Analogien zu gleichartigen Vorgängen der sonst bekannten Vergangenheit und Gegenwart beurteilen; Korrelation setze voraus, dass alle Ereignisse in Wechselwirkung mit anderen Ereignissen stünden, so dass Geschichtserklärung Kontingenz (Zufall ohne erkennbare Ursachen) weitgehend ausschließe.
Diesem Programm gemäß zeigte Wrede mit der Schrift Das Messiasgeheimnis in den Evangelien 1901, dass auch das Markusevangelium schon ein theologisches Konstrukt sei. Die Annahme, Jesus habe allmählich im Verlauf seines Wirkens ein Messiasbewusstsein entwickelt, lasse sich ihm nicht entnehmen. Die Texte, die Markus vorlagen, schilderten ihn als Lehrer und Wundertäter, aber nicht als Messias: Diese Deutung habe ihnen erst der Evangelist gegeben. Nicht Jesus selbst habe sich, sondern die Urchristen hätten ihn aufgrund ihres Auferstehungsglaubens als den Christus verkündet. Dazu habe Markus das Konzept des Messiasgeheimnisses entworfen: Danach verbot Jesus seinen Jüngern vor seinem Tod, ihn als den Christus zu verkünden. So deute auch die älteste NT-Quelle Jesu Wirken von vornherein als Offenbarung Gottes und biete keine Möglichkeit einer psychologisierenden Biografie.
Mit diesem Aufsatz war die liberale Leben-Jesu-Forschung an ihren vorläufigen Endpunkt gekommen: Die historische Kritik holte ihre eigenen Voraussetzungen ein.
Bruno Bauer, Albert Kalthoff und Arthur Drews
Diese drei Vertreter stehen für die radikale Skepsis an Jesu Existenz, die die Jesusforschung phasenweise begleitete.
Der Bonner Privatdozent Bruno Bauer (1809–1882) vertrat in seiner Aufsatzfolge Kritik der evangelischen Geschichte der Synoptiker (1841/42) und Kritik der Evangelien (1850/51) als Erster die These, Jesus habe gar nicht gelebt, sondern sei ein literarisches Kunstprodukt. Schon das älteste Evangelium nach Markus produziere einen Ablauf seines Lebens, statt ihn darzustellen. Damit griff er die bisherigen Ergebnisse der Quellenkritik auf, die gezeigt hatten, dass keiner der Autoren des NT an einer rein historischen Berichterstattung interessiert war, sondern sein Leben und Sterben als Christusverkündigung für die Gegenwart auf je eigene Weise gestaltete.
Der Bremer Pastor Albert Kalthoff (1850–1906) führte die Evangelien in seinem Buch Das Christusproblem. Grundlinien einer Sozialtheologie (1902) auf religiöse Bedürfnisse einer multikulturellen sozialen Bewegung zurück, die die jüdische Messiaserwartung kennengelernt und daraufhin die Figur Jesus erfunden habe, um diese Erwartung für die eigenen Anhänger zu bekräftigen.
Auf andere Weise erklärte auch der Karlsruher Philosophiedozent Arthur Drews (1865–1935) Jesus als Personifizierung eines schon vor dem Christentum existierenden Mythos (Die Christusmythe, 1909). Er folgerte dies aus der seit David Friedrich Strauß gängigen Erkenntnis, dass sämtliche Hoheitstitel des NT für Jesus aus jüdischer und hellenistischer Mythologie auf seine Person übertragen worden seien.
Diese literarischen, sozialpsychologischen und mythologischen Zweifel an Jesu Existenz erfahren seitdem in jeder Generation durch einzelne Forscher eine Neuauflage: heute z.B. durch den Kirchenkritiker Karlheinz Deschner oder den italienischen Historiker Luigi Cascioli. Diese erklären die NT-Botschaft als komplette kirchliche Fälschung oder Personifikation jüdischer Wunschvorstellungen der damaligen Zeit: etwa nach politischer Macht wie der des Römischen Kaisers, der sich ebenfalls „Heiland“ (griechisch soter) nennen ließ, oder der des Spartacus, der ebenfalls die Sklaven in die Freiheit führen wollte.
Die Skeptiker verweisen auf folgende immer wiederkehrende Argumente:
- das Schweigen oder die Unzuverlässigkeit zeitgenössischer Historiker, die Jesus gar nicht oder nur als Gerücht erwähnen (siehe dazu Außerchristliche Notizen zu Jesus von Nazaret);
- das Desinteresse des Paulus von Tarsus an Jesu Existenz und sein „mythisches“ Christusbild
- zahlreiche unauflösbare Widersprüche zwischen den Evangelien, besonders zwischen den Synoptikern und dem Johannesevangelium mit einer Tendenz zur immer stärkeren Vergöttlichung der Figur Jesu
- den zeitlichen Abstand der Evangelien zu den darin berichteten Ereignissen: Sie entstanden 40 bis 70 Jahre nach dem behaupteten Tod Jesu
- die Projektion des Osterglaubens in die Darstellung des Erdenwirkens Jesu: Gemeindebedürfnisse hätten die Überlieferung von Jesus so geprägt, dass sich daraus keine historischen Details herausfiltern ließen
- den „Schriftbeweis“, wonach viele Einzelmotive der Passion erfunden wurden, um Jesus als den von den biblischen Propheten vorhergesagten Messias darzustellen
- die Unglaubwürdigkeit der Wundererzählungen, die sich zudem durch antike und religionsgeschichtliche Parallelen relativieren und als Kopien davon erklären ließen
- die Voreingenommenheit der mehrheitlich von Christen unternommenen Jesusforschung. Deren fragwürdige Kriterien – besonders die behauptete Singularität der Jesusüberlieferung in der antiken Umwelt und der Vorrang der kanonisierten vor möglichen anderen Quellen – seien unzureichend und jederzeit durch neue Schriftfunde (wie die Schriftrollen vom Toten Meer) falsifizierbar.
Der meisten dieser Argumente haben sich jedoch inzwischen relativiert, so dass nur noch einzelne Forscher heute Jesu Existenz in Frage stellen. Das Vertrauen in einen historischen Kernbestand der Logienüberlieferung ist gerade durch die Fortschritte der außerchristlichen sozialgeschichtlichen und judaistischen Forschung gewachsen. Die Tatsache, dass schon die frühesten Überlieferungsschichten ein eschatologisches Verkündigungsinteresse zeigen, wird heute eher als Wirkung des historischen Jesus gesehen.
Albert Schweitzer
Der berühmte Musiker, Arzt und Theologe Albert Schweitzer (1875–1965) verfasste 1906 eine Geschichte der Leben-Jesu-Forschung mit dem Titel: Von Reimarus zu Wrede (2. stark erweiterte Auflage 1913). Darin wies er nach, dass fast alle „Leben-Jesu“-Entwürfe die ethischen Ideale ihrer Autoren in die Texte hineinprojizierten. Wo Jesus etwa der große Erfinder der „Goldenen Regel“ gewesen sein sollte, dachte der aufgeklärte Forscher an den kategorischen Imperativ Immanuel Kants. Wo er der Freund aller Menschen und Tiere gewesen sein sollte, dachte der die Natur liebende romantische Forscher an Franz von Assisi. Wo er der Held eines nationalen Befreiungskampfes sein sollte, dachte der patriotische Forscher an seine Burschenschaft. Eine ähnliche Kritik vertrat schon Matthias Claudius 1802.
Schweitzer erkannte nur die Forschung von Johannes Weiß (Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes, 1892) als gültigen Beitrag zur historischen Erklärung der Verkündigung Jesu an. Weiß hatte nachgewiesen, dass Jesus das Reich Gottes als nahes, aber zukünftiges Weltende im Sinne des von Gott herbeigeführten Endgerichts verstand und nicht als innerseelische Gottesgegenwart, wie es die liberalen Theologen sich dachten. Schweitzer griff diese Arbeit auf und betonte, dass die jüdische Apokalyptik mit ihrer Erwartung einer überzeitlichen Endkatastrophe jeder Vorstellung eines weltimmanenten Fortschritts widerspreche. Er sah in ihr den gemeinsamen Rahmen der Verkündigung Jesu, der Jerusalemer Urgemeinde und des Paulus von Tarsus.
Schweitzers Werk gilt als weitgehende Widerlegung der liberalen Leben-Jesu-Forschung. Das optimistische Vertrauen in die Rekonstruierbarkeit einer „Persönlichkeit“ Jesu und seiner biografischen Entwicklung hatte sich als unhaltbare Projektion sachfremder Interessen und Prämissen in die NT-Quellen erwiesen. Damit war die Frage nach einem vom biblischen und kirchlichen Christusbild abweichenden historischen Jesus wieder völlig offen.
Zweite Phase: Kerygmatheologie und Entmythologisierung
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde zum einen die Historisch-kritische Methode entscheidend differenziert und erweitert: Neben die bis dahin vorherrschende Quellenscheidung der Literarkritik trat die Formkritik, die zuerst nach der Form (Gattung) eines Einzeltextes und dessen Gebrauch für seine Hörer und Leser („Sitz im Leben“) fragt.
Hinzu kam seit 1919 die Dialektische Theologie: Diese konfrontierte den „Historismus“ und anthropozentrischen Relativismus der liberalen Theologie mit dem unverfügbaren überzeitlichen, aber in der Kulturkrise der Gegenwart aktuellen Wahrheitsanspruch des Wortes Gottes. Aus der historisch-kritisch gewonnenen Erkenntnis, dass bereits die ältesten Überlieferungsschichten des NT durchweg von Verkündigungsabsichten geformt waren, zogen Theologen wie Karl Barth, Emil Brunner, Eduard Thurneysen u. a. den Schluss, dass die Suche nach dem historischen Jesus die Eigenabsicht der Texte nur verfehlen und die Christusbotschaft nicht begründen könne.
Nach 1945 bestimmte Rudolf Bultmanns Programm der „Entmythologisierung“ die Szene der NT-Wissenschaft: Er fand den eigentlichen Anstoß des Evangeliums nicht in der Übermittlung mythischer Dogmen, die dem vom naturwissenschaftlichen Weltbild geprägten Menschen nichts mehr sagen, sondern im Ruf zur Entscheidung für ein radikal neues Selbstverständnis der eigenen Existenz „aus Gott“.
Seit etwa 1960 stellten Bultmanns Schüler dann die erneute Rückfrage nach dem historischen Jesus, um ein Sachkriterium für das „Christuskerygma“ zu finden. Parallel dazu vertraten Neutestamentler wie Martin Kähler, Joachim Jeremias, Julius Schniewind und Leonhard Goppelt einen konservativen Ansatz, der das biblische Jesusbild oder die Eigenverkündigung Jesu konstruktiv als kritischen Maßstab der Theologie und kirchlichen Verkündigung zur Geltung bringen wollte.
Karl Ludwig Schmidt und Martin Dibelius
Die beiden Neutestamentler Karl Ludwig Schmidt (1891–1956) und Martin Dibelius (1883–1947) begründeten 1919 die Formgeschichtliche Methode, die die Form, Gattung und Eigenabsicht einer Texteinheit erkundet. Hermann Gunkel hatte diese Betrachtungsweise bereits vorher für den Pentateuch eingeführt, die nun die bis dahin vorherrschende Literarkritik ablöste:
Man suchte nicht mehr nach älteren verlässlichen Quellen, aus denen man Jesu Eigenverkündigung entnehmen zu können meinte. Sondern man erkannte, dass auch diese vermuteten Quellen sich aus zahlreichen kleinen „Einzelperikopen“ zusammensetzen, die bereits mit theologischen Absichten für bestimmte Zwecke verfasst und zusammengestellt worden waren. Deshalb wurde nun primär nach ihrem ursprünglichen „Sitz im Leben“ gefragt – also dem Anlass und Ort, bei dem ein solcher Text verwendet wurde.
Schmidt bestätigte mit seinem Aufsatz Der Rahmen der Geschichte Jesu Wredes These, dass die Annahme einer Chronologie und Topografie der Ereignisse im Markusevangelium nicht haltbar sei. Vielmehr seien die Texte erst – wie im Johannesevangelium – vom Evangelisten selber in diese Abfolge gebracht worden, um einen solchen Ereignisablauf zu konstruieren. Das entzog der „Entwicklung der Persönlichkeit“ Jesu, die allen Jesusbiografien zugrunde lag, die Basis.
Daraus ergab sich als weitere methodische Leitfrage der NT-Forschung die Redaktionsgeschichte, die nach den Gesichtspunkten und Aussageabsichten der Evangelienkomposition fragt. Die Evangelisten erschienen damit wieder stärker als Autoren denn bloß als Redaktoren vorgegebener Quellen. Schmidt sah z. B., dass der Evangelist Matthäus die Texte des Markusevangeliums und der Logienquelle in der Reihenfolge „Messias des Wortes“ (Lehre, Toraauslegung: Mt 5–7) und „Messias der Tat“ (Mt 8–12) gruppierte und weitere große Reden die Gleichnisrede (Mt 13) daraus komponierte, die seine Eigenverkündigung und die Probleme seiner Adressaten repräsentieren.
Dibelius folgte kurz darauf mit dem Aufsatz Die Formgeschichte des Evangeliums, der den Zweck der Gattung „Evangelium“ in der urchristlichen Gemeindeunterweisung verankerte.
Joachim Jeremias
Joachim Jeremias (1900–1979) lebte 1910 bis 1915 in Jerusalem, studierte Theologie und orientalische Sprachen und wurde 1928 Direktor des Instituts für Judaistik in Berlin. Er gilt als einer der profundesten Kenner Palästinas zur Zeit Jesu, der archäologische, geografische, politisch-ökonomische und neutestamentliche Forschung verband.
Sein Hauptinteresse galt der Rekonstruktion der historischen Verkündigung Jesu auf dem Hintergrund des zeitgenössischen Judentums. Er beherrschte alle damalige Sprachen und führte das „Echtheits“-Kriterium in die NT-Forschung ein: Authentisch sei ein Jesuswort allenfalls dann, wenn es sich vom Griechischen ins Hebräische und von da aus ins Aramäische, die Muttersprache Jesu, zurück übersetzen lässt.
Seine Hauptwerke „Jerusalem zur Zeit Jesu“ (1923), „Die Abendmahlsworte Jesu“ (1935), „Die Gleichnisse Jesu“ (1947), „Die Bergpredigt“ (1959), „Das Vaterunser“ (1962), „Der Opfertod Jesu Christi“ (1963), „Abba“ (Aufsätze 1966), „Neutestamentliche Theologie 1. Teil: Die Verkündigung Jesu“ (1970) wurden in viele Sprachen übersetzt und erlangten ökumenische Bedeutung. Sie gelten heute noch als historische Standardwerke.
Rudolf Bultmann
Rudolf Bultmann (1884–1976) studierte u. a. in Marburg Theologie bei Wilhelm Herrmann, Johannes Weiss und Wilhelm Heitmüller, einem Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule. Er war Professor in Breslau (1916–1920), Gießen (1920–1921) und Marburg (1921–1951).
Er gehörte seit 1922 zur Bewegung der „dialektischen“ Theologen, die sich nach 1918 von der liberalen Theologie abwandten. In Marburg begegnete er Martin Heidegger und fand in dessen Existenzphilosophie die begriffliche Möglichkeit, Gott als „Ganz Anderen“ dennoch in Relation zum Menschen zu denken und die NT-Verkündigung existential zu interpretieren.
Er führte die formgeschichtliche Methode in seinem Standardwerk Geschichte der synoptischen Tradition für den gesamten Textbestand der Evangelien durch und ordnete die vielen einzelnen Textperikopen bestimmten literarischen Gattungen zu. Auf diese Weise erklärte er einen Großteil der Verkündigung Jesu als nachösterliche Gemeindebildung.
In seiner Theologie des Neuen Testaments ordnete er Jesus ganz in das Judentum ein und erklärte ihn zu den „Voraussetzungen“ des christlichen „Kerygmas“ (der Botschaft), nicht zu ihrem Thema. Er ließ die eigentliche Theologie - im Gegensatz zu Joachim Jeremias - also erst mit der Urgemeinde und Paulus beginnen. Er betonte, dass Paulus und der Autor des Johannesevangeliums nicht am irdischen Jesus interessiert gewesen seien und für deren Aussagen über Mensch, Gott und Welt eigentlich nur das formale Faktum – dass Jesus gekommen sei, nicht wer er sei und was er gesagt und getan habe – notwendig sei.
1941 verfasste Bultmann den Aufsatz Neues Testament und Mythologie. Darin erklärte er, dass die mythologische Form des Heilsgeschehens dem modernen Menschen nichts mehr sage und den eigentlichen Anstoß des Evangeliums – den Ruf zur Entscheidung für ein Sich-Verstehen „aus Gott“ – verdecke. Fasse man die Botschaft des NT jedoch existentiell auf, dann ließen sich die Texte „entmythologisieren“ und als Ruf zum Glauben als einem radikal neuen Selbstverständnis weiterverkünden.
Dieser Aufsatz wurde erst nach 1945 international bekannt. Als Teil der Sammlung Kerygma und Mythos (1948) löste Bultmanns Programm der Entmythologisierung eine heftige, bis heute anhaltende Debatte aus.
Ernst Käsemann
Ernst Käsemann (1906–1998) promovierte 1931 bei Bultmann in Marburg und gilt als dessen profiliertester Schüler. Als Professor für das NT an der Georg-August-Universität Göttingen schrieb er 1954 den epochalen Aufsatz Das Problem des historischen Jesus. Darin begründete er die neue Rückfrage nach dem historischen Jesus aus der Christusbotschaft der Urkirche selber: Da diese sich gegen den parallelen Gnostizismus durchgehend auf das Menschsein Jesu beziehe und die Identität des Gottessohnes mit diesem Nazarener voraussetze, seien die Evangelien als Darstellung des Erdenwirkens Jesu entstanden. Es sei daher theologisch sachgemäß, den Christusglauben an die Geschichte des irdischen Jesus „zurückzubinden“ und so vor Mythisierung und Beliebigkeit zu schützen.
Käsemann hielt also gegen seinen Lehrer Bultmann wie die liberale Leben-Jesu-Forschung seit Ferdinand Christian Baur gesichertes Wissen über Jesu Leben und Botschaft für möglich. Im Unterschied zur Literarkritik suchte er jedoch nicht nach älteren Quellen, sondern nach einem kritisch gesicherten Minimum authentischer Jesusworte. Um dieses festzustellen, legte er ein doppeltes Differenzkriterium an die synoptische Tradition an: „Echt“ sei ein Jesuswort, wenn es sich weder aus der jüdischen Umwelt noch aus Leben und Lehre des Urchristentums erklären lasse (Unableitbarkeitskriterium). Hinzu kamen die Kriterien der Mehrfachbezeugung und der Übereinstimmung (Kohärenz) mit anderen so als echt erwiesenen Jesusworten. Diese Kriterien haben sich in der Jesusforschung durchgesetzt und wurden 30 Jahre lang ihre dominierende Arbeitsmethode.
Dabei betonte Käsemann, der Christusglaube der Urchristen sei nicht davon abhängig, ob Jesus sich selbst als Messias verstand. Die ihm beigelegten Hoheitstitel hätten vielmehr auf seinen Anspruch reagiert, der in seiner Botschaft vom Reich Gottes und seinem Verhalten implizit enthalten sei. Diesen Anspruch sah Käsemann in dem unbedingten Entscheidungsruf Jesu an seine Generation („Kehrt um“) und in seiner radikalen Gesetzeskritik, die als „Ruf der Freiheit“, aus jüdischer Tradition herauszutreten und sich Gott unmittelbar zu stellen, zu verstehen sei.
Darüber hinaus sah Käsemann die jüdische Apokalyptik, in die er Jesu Botschaft einordnete, als prägendes Element der paulinischen Rechtfertigungslehre und „Mutter der Theologie des Neuen Testaments“ an. Insofern war er einer der letzten Neutestamentler, die einen historisch-theologischen Gesamtentwurf präsentieren konnten.
Willi Marxsen
Willi Marxsen (1919–1993) studierte Theologie an der Universität Kiel, wo er sich 1954 mit einer viel beachteten Arbeit über die Redaktionsgeschichte des Markusevangeliums habilitierte. Damit führte er diesen neuen Begriff in die deutschsprachige und internationale Exegese ein. Er erklärte das Konzept des „Messiasgeheimnisses“ als Überarbeitung (Redaktion) des Evangelienautors, der ältere überlieferte Stoffe auf diese Weise miteinander verknüpfte und deutete.
Als Professor für Neues Testament an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unterschied Marxsen anders als Rudolf Bultmann inhaltlich nicht zwischen dem Glauben der Menschen, der zu Jesu Lebzeiten durch sein Wirken und Verkündigen entstanden war, und der nachösterlichen Christusverkündigung (dem „Kerygma“). Zwischen beiden sah er eine inhaltliche Kontinuität, die er in den Satz kleidete: Die Sache Jesu geht weiter. Dabei betonte er, dass auch die vorösterlichen Texte nicht den historischen Jesus, sondern bereits den geglaubten Verkünder des Gottesreichs repräsentierten. Man stoße stets auf frühe Glaubenszeugnisse von Menschen, die sich durch Jesu Verkündigung verändern ließen und seine Botschaft dann weitergegeben hätten.
Marxsen analysierte auch die Auferstehungstexte und legte sie entmythologisierend aus: Die Aussage, Jesus sei leiblich auferweckt worden, sei eine Deutung der Zeugen, die auf das „Sehen“ (griech. ophthae) reagiert und dabei damals geläufige apokalyptische Endzeiterwartungen übernommen hätten. Ostern habe für sie Jesu Botschaft in dem Sinne bekräftigt, dass der am Kreuz gescheiterte Glaube nunmehr neu gewagt wurde. Demgegenüber seien die zeitbedingten Bilder und Vorstellungen keine heute wesentlichen Glaubensinhalte. Deshalb sah Marxsen sich Anfeindungen konservativer Theologen ausgesetzt, prägte aber viele Pastoren und Neutestamentler.
Die „dritte Frage“ nach dem historischen Jesus
Die dritte Frage nach dem historischen Jesus, die etwa seit 1980 so bezeichnet wird, umfasst ein weiteres Spektrum als die beiden vorherigen. Auch hier wird versucht, Jesu Auftreten aus einer wirklich historischen Perspektive zu erklären. Dabei sehen einige NT-Forscher die Evangelien kaum als historisch zuverlässige Quellen an, andere dagegen halten sie für sehr zuverlässig. Auch die Einordnungen Jesu sind sehr unterschiedlich: Er wird als Kyniker, jüdischer Reformator, politischer Revolutionär, Exorzist und Wundertäter beschrieben.
Gerd Theißen, Luise Schottroff, Wolfgang Stegemann
Gerd Theißen, Luise Schottroff und Wolfgang Stegemann stehen für die in Deutschland seit 1970 verstärkte Beachtung der ökonomischen, sozialen und politischen Situation, unter der die Jesusbewegung lebte, litt und kämpfte. Theißen vertrat mit der Soziologie der Jesusbewegung (1977) die These vom „Wanderradikalismus" nicht nur der Jesusjünger, sondern auch anderer entwurzelter und vom Elend bedrohter Gruppen im damaligen Israel. Er erklärte frühe Überlieferung der Logienquelle aus dieser Lebenssituation. Im Gegensatz zum bisherigen Divergenzkriterium gilt hierbei als historisch wahrscheinlich, was im jüdischen Kontext plausibel ist und die Entstehung des Urchristentums verständlich macht.
Schottroff und Stegemann haben Theißens These in dem Buch Jesus von Nazareth - Hoffnung der Armen stärker differenziert. Während Jesus und seine Nachfolger zu den Bettelarmen gehört hätten, seien die Gemeinden des 1. Jahrhunderts bereits aus Armen und „mittelständischen“ Reichen zusammengesetzt gewesen. Im lukanischen Doppelwerk werde sichtbar, wie Jesu Besitzlosigkeit zur Forderung des Besitzverzichts und der Gütergemeinschaft an diese Christen umgewandelt worden sei. Dabei seien auch hellenistische Armutsideale eingeflossen.
Auch der Religionssoziologe Hans G. Kippenberg hat mit seinem Buch Religion und Klassengesellschaft im antiken Judäa (1982) entscheidende Informationen für die soziologische Einordnung der Jesusbewegung beigesteuert.
Das Jesus-Seminar
Das Jesus-Seminar wurde 1985 als Teil des Westar-Instituts in Kalifornien von dem amerikanischen Orientalisten Robert W. Funk und John Dominic Crossan gegründet. Es widmet sich ganz der Suche nach authentischem Jesusmaterial. Dazu will es die internationalen Forschungen zum historischen Jesus zusammenführen und ihren Austausch fördern. So will man die historischen Fakten überprüfen und von Gerüchten und Spekulationen unterscheiden. Dabei konzentriert sich das Seminar auf die Zeit von Jesu Auftreten (ca. 28) bis zum Beginn der neutestamentlichen Kanonbildung (um 200 n. Chr.).
Im Halbjahresrhythmus finden internationale Mitgliedertreffen statt, wo Forschungsergebnisse ausgetauscht und diskutiert werden. Diese sind zugleich ein öffentliches Forum auch für Laien. Die Debatten werden aufgezeichnet und durch Medien wie das Internet verbreitet. Die Forschung wird also nicht nur im engeren Forscherzirkel, sondern allgemein zugänglich und diskutierbar gemacht.
Das Jesus-Seminar hat sehr spezifische Kriterien für seine Arbeit aufgestellt, die in der sonstigen historisch-theologischen Forschung selten vertreten werden. Eine Aussage von Jesus wird beispielsweise nur als authentisch angesehen, wenn es sich um einzelne Aussprüche oder Gleichnisse handelt; Dialoge oder längere Reden werden ausgeschlossen. Ebenso werden Aussagen von Jesus nur als echt gewertet, wenn sie sonst weder im jüdischen Kontext noch im frühchristlichen Kontext vorkommen. Das Thomasevangelium gilt als älter als die synoptischen Evangelien und wird daher als authentischere Quelle zu solchen Jesusworten angesehen.
Jede Streitfrage wird am Ende einer Debatte zur Abstimmung gestellt, um zu testen, wie viel relative historische Evidenz der einen oder anderen Antwort die Forscher beimessen. Die durchschnittliche Stimmenmehrheit entscheidet, was vom Seminar als verifizierbare Datenbasis über Jesus akzeptiert wird. Insofern repräsentieren die regelmäßigen Seminarberichte ein mehrheitliches Urteil aller Beteiligten, nicht nur Einzelmeinungen.
Das Jesus-Seminar stellt seine Publikationen oft als repräsentativ für die aktuelle wissenschaftliche Theologie dar. Die meisten deutschen Theologen fühlen sich von ihm jedoch nicht vertreten. Evangelikale Theologen im angloamerikanischen Sprachraum sehen seine Vertreter als äußersten liberalen Flügel der Theologie und kritisieren ihre Methoden und Grundannahmen: so etwa Moreland in seinem Buch Jesus under Fire. Ein Beispiel für den Dialog zwischen einem liberalen Vertreter des Jesus-Seminars und einem konservativen Theologen ist das Buch Will the Real Jesus Please Stand Up?: A Debate Between William Lane Craig and John Dominic Crossan.
Ed Parish Sanders
Die wichtigsten Werke von Ed Parish Sanders (* 1936) über Jesus sind Jesus and Judaism (1986) und The Historical Figure of Jesus (1996).
Sanders ist mehr Historiker als Theologe und konzentriert sich auf die historischen Tatsachen über das Leben von Jesus, während er seine Lehre eher beiseite lässt. Er geht von einigen historischen Tatsachen aus, die, wie er sagt, kaum bestritten werden:
- Jesus wurde durch Johannes den Täufer getauft
- Jesus war ein Galiläer der predigte und heilte
- Jesus berief Jünger und sprach über zwölf von ihnen
- Jesus beschränkte seine Aktivitäten auf Israel
- Jesus war in eine Kontroverse bezüglich des Tempels verwickelt
- Jesus wurde außerhalb von Jerusalem durch die römische Besatzungsmacht gekreuzigt
- Nach seinem Tod waren seine Jünger weiterhin eine identifizierbare Bewegung
- Mindestens Teile des Judentums verfolgten mindestens Teile der neuen Bewegung und diese Verfolgung dauerte bis zum Ende der Wirksamkeit von Paulus an (60er Jahre).
Sanders geht sehr kritisch mit den historischen Belegen um und verzichtet auf Spekulation. Was ihn auszeichnet ist eine profunde Kenntnis der außerbiblischen jüdischen Literatur. Damit widerlegt er sachkundig einige der stereotypen Karikaturen, die in der Theologie über die jüdischen Gegner von Jesus existieren.
Nicholas Thomas Wright
Nicholas Thomas Wrights (* 1949) Hauptbeitrag zur Leben-Jesu-Forschung ist sein mehrbändiges Werk Christian Origins and the Question of God, von dem bisher drei Bände veröffentlicht sind.
- Im ersten Band The New Testament and the People of God beschreibt er ausführlich seine Methodik, dann das Judentum und dann das Christentum des ersten Jahrhunderts.
- Der zweite Band Jesus and the Victory of God gibt einen ausführlichen Überblick über die Leben-Jesu-Forschung und beschreibt dann Leben und Lehre Jesu, ausgehend vom Typus eines jüdischen Propheten.
- Der dritte Band erschien 2003 mit dem Titel The Resurrection of the Son of God. Wright untersucht darin die Vorstellungen vom "Jenseits" und von der "Auferstehung" vor, während, im und nach dem Neuen Testament.
Er beginnt mit dem Hellenismus, dann dem Alten Testament und Judentum des zweiten Tempels, dann Paulus, dann dem Urchristentum im NT, dann den Apokryphen und frühen Kirchenvätern bis zum dritten Jahrhundert.
Erst daraufhin untersucht er ausführlich die Ostergeschichten der Evangelien in Bezug auf die zuvor erarbeiteten Sichtweisen. Der letzte Teil diskutiert die wichtigsten Erklärungen für das Auferstehungsgeschehen und die Herausforderung, die es für den Historiker darstellt.
Wright geht in seiner Arbeit von einem sehr breiten historischen Ansatz aus, der als Primärquellen neben dem Neuen Testament griechische Philosophie, die Texte von Qumran und Nag Hammadi ebenso berücksichtigt wie die Kommentare des Talmud zum Neuen Testament. Er fragt nach der in narrative Texte eingebetteten jeweiligen Weltanschauung der verschiedenen historischen Gruppen und Personen.
Methodisch geht er einen Mittelweg zwischen historischem Positivismus und postmodernem Dekonstruktionalismus, den er kritischen Realismus nennt. Er sieht keinen Gegensatz zwischen Historie und Theologie, sondern geht davon aus, dass beide sich gegenseitig bedingen. Gleichzeitig hinterfragt er sowohl konservative wie moderne theologische Hypothesen. Er stellt eigenständige Hypothesen auf, die einige Lieblingsvorstellungen beider Seiten zerstören. Darum verursachte dieser Band bereits einige Kontroversen und wurde von Theologen beider Lager scharf kritisiert. So diskutierte Wright 2005 öffentlich mit John Dominic Crossan über die Auferstehung.[1]
William Lane Craig
William Lane Craig (* 1949) nimmt einen konträren Standpunkt zum Jesus-Seminar ein, dessen Voraussetzungen und Methoden er scharf kritisiert. Ebenso ist er ein Kritiker der Hypothesen von Gerd Lüdemann. Er geht als Religionsphilosoph von einer theistischen Weltsicht aus und hält die Evangelienberichte für zuverlässige historische Quellen. Beim historischen Jesus gilt sein besonderes Augenmerk dem leeren Grab und der Auferstehung, für deren Historizität er sowohl interne als auch historische Argumente aufführt.
Spekulative Jesushypothesen
Die Eigenart der urchristlichen Texte, Jesus narrativ zu verkünden und hinsichtlich seiner Bedeutung für die eigene Gegenwart zu interpretieren, statt biografisch exakte Tatsachen weiterzugeben, hat seit Bestehen der NT-Forschung zu Vermutungen aller Art Anlass gegeben. Diese nehmen oft auf einzelne Bibelstellen und Andeutungen Bezug, versuchen Informationslücken in den Quelltexten mit anderweitigem Wissen auszufüllen und kommen so zu spekulativen Theorien über Jesus und andere Figuren des NT.
Hypothesen dieser Art sind:
- Jesus starb nicht am Kreuz: Dies vertraten schon dem Gnostizismus zugerechnete Gruppen, die nahezu parallel mit dem Urchristentum entstanden und einen Scheinleib und Scheintod des Erlösers lehrten, da das wahre göttliche Wesen nicht von Menschwerdung, Materie, Leiden und Sterblichkeit berührbar sei. Dies hat auch den werdenden Islam beeinflusst, insofern im Koran gelehrt wird, nicht Jesus, sondern jemand anderes, den man für Jesus hielt, sei gekreuzigt worden. Diese These vertreten u.a. Autoren wie Helmut Felzmann und René Frank.
- Jesus lebte und starb in Indien bzw. Tibet: Dies behaupteten zuerst Reiseschriftsteller des 19. Jahrhunderts wie der Franzose Louis Jacolliot und der Russe Nikolaj Notowitsch, dann auch der Gründer der islamischen Ahmadiyya, Mirza Ghulam Ahmad, der sich selbst mit dem wiedergeborenen Mahdi (Messias) identifizierte. Ihnen folgten Autoren wie Mathilde Ludendorff, Kurt Berna, Siegfried Obermeier, Erich von Däniken, Elmar R. Gruber und Holger Kersten.
- Jesus wird in den Schriftrollen vom Toten Meer erwähnt, so dass der Vatikan diese unter Verschluss halte bzw. ihre Veröffentlichung manipuliere: Diese Verschwörungstheorie stellten Michael Baigent und Richard Leigh 1991 in dem Bestseller Verschlusssache Jesus auf.
- Jesus ist die fiktive, von Gallien nach Galiläa transformierte Kopie des Lebens von Julius Caesar: Dies vertritt der Deutschitaliener Francesco Carotta seit 1999.
- Jesus hatte eine Ehefrau und Nachkommen: Diese These popularisierte der amerikanische Schriftsteller Dan Brown seit 2003 in Form des Kriminalromans Sakrileg, der unter dem Titel The Da Vinci Code – Sakrileg erfolgreich verfilmt wurde.
Einige dieser Hypothesen wurden mit großem medialem Aufwand publiziert, als sensationelle Neuentdeckung massenhaft verkauft und finden zeitweise in der Öffentlichkeit und der Esoterik großen Anklang. Sie werden aber von der seriösen historisch-kritischen NT-Forschung nicht diskutiert, da die Anhaltspunkte in den Quelltexten dafür zu schwach und die Methoden ihrer Vertreter unwissenschaftlich sind.
Einzelbelege
- ↑ N. T. Wright und John Dominic Crossan: Friday Night Dialogue - Greer-Heard Point-Counterpoint Forum 2005 Audio-Diskussionsaufzeichnung
Literatur
- Überblick über die Leben-Jesu-Forschung
- Manfred Baumotte (Hrsg.): Die Frage nach dem historischen Jesus. Texte aus drei Jahrhunderten. Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, Gütersloh 1984, ISBN 3-579-00292-9.
- Leonhard Goppelt: Theologie des Neuen Testaments. Einleitung: Geschichte und Problemfeld der Disziplin. § 1: Der Verlauf der Forschung. Vandenhoeck&Ruprecht, UTB Nr. 850, 3. Auflage Göttingen 1978, ISBN 3-525-03252-8.
- Dieter Georgi: Leben-Jesu-Theologie/Leben-Jesu-Forschung. In: TRE 20 (1990), S. 566-575.
- Werner Georg Kümmel: Dreißig Jahre Jesusforschung (1950–1980). Hanstein, Königstein/Taunus-Bonn 1985, ISBN 3-7756-1074-X.
- Walter Simonis: Jesus von Nazareth. Seine Botschaft vom Reich Gottes und der Glaube der Urgemeinde. Düsseldorf 1985, ISBN 3-491-77635-X.
- Dieter Schellong: "Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?" Rückfragen zur Suche nach dem „historischen Jesus“, Einwürfe 6, hrsg. von F.-W. Marquardt und anderen, 1990, S. 2-47.
- Veröffentlichungen der ersten Phase
- Johann Jakob Hess: Geschichte der drei letzten Lebensjahre Jesu (Zürich 1768) und Lebensgeschichte Jesu (8. Aufl., das. 1823).
- Gotthold Ephraim Lessing: Neue Hypothese über die Evangelisten als bloß menschliche Geschichtsschreiber betrachtet. 1778.
- David Friedrich Strauß: Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. 1839, ISBN 3-933688-92-2.
- Ernest Renan: Das Leben Jesu. (1. Auflage 1863) Diogenes, Zürich 1981, ISBN 3-257-20419-1.
- Heinrich Holtzmann: Die synoptischen Evangelien. Ihr Ursprung und ihr geschichtlicher Charakter. 1863.
- Johannes Weiß: Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes. 1892.
- Martin Kähler: Der sogenannte historische Jesus und der geschichtliche, biblische Christus. 1892.
- Adolf von Harnack: Das Wesen des Christentums. 1900.
- William Wrede: Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. 1901.
- Julius Wellhausen: Einleitung in die drei ersten Evangelien. 1905.
- Julius Wellhausen: Lehrbuch der neutestamentlichen Theologie I. Tübingen, 2. Auflage 1911.
- Albert Schweitzer: Von Reimarus zu Wrede: Eine Geschichte der Leben Jesu-Forschung. 1. Auflage 1906, 2., stark erweiterte Auflage 1913.
- Wilhelm Bousset: Kyrios Christos. 1913.
- Veröffentlichungen der zweiten Phase
- Karl Ludwig Schmidt: Der Rahmen der Geschichte Jesu. Literarkritische Untersuchungen. 1919.
- Martin Dibelius: Formgeschichte der Evangelien. 1919.
- Martin Dibelius: Jesus. Göschen, 2. Auflage 1949.
- Eduard Meyer: Urgeschichte des Christentums. 5. Auflage 1921, ISBN 3-88851-200-X, Nachdruck.
- Rudolf Bultmann: Geschichte der synoptischen Tradition. 1921.
- Rudolf Bultmann: Jesus. 1926, ISBN 3-8252-1272-6.
- Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. Zum Problem der Entmythologisierung. 1941.
- Günther Bornkamm: Jesus von Nazareth. (1. Auflage 1956) Urban TB Band 19, Kohlhammer 1995, ISBN 3-17-013896-0.
- Willi Marxsen: Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums. Göttingen 1956
- James M. Robinson: Kerygma und historischer Jesus. 1960.
- Willi Marxsen: Die Auferstehung Jesu als historisches und als theologisches Problem. Gütersloh 1964.
- Dorothee Sölle: Stellvertretung. Ein Kapitel Theologie nach dem „Tode Gottes“. 1965.
- Herbert Braun: Jesus. Der Mann aus Nazareth und seine Zeit. 1969.
- Willi Marxsen: Die Sache Jesu geht weiter. Gütersloh 1976.
- Willi Marxsen: Jesus and Easter. Did God Raise the Historical Jesus from the Dead? Nashville, 1990.
- Veröffentlichungen der dritten Phase
- Lee Strobel: Der Fall Jesus. 1999, ISBN 3-86591-800-X.
- E. P. Sanders: Jesus and Judaism. 1985, ISBN 0-8006-2061-5.
- N. T. Wright: Jesus and the Victory of God. (Band 2 von Christian Origins and the Question of God), 1992, ISBN 0-8006-2681-8.
- Michael J. Wilkins, J.P. Moreland: Jesus Under Fire. 1994, ISBN 0-310-21139-5.
- John Dominic Crossan: Der historische Jesus. 1995, ISBN 3-406-38514-1.
- Gerd Theißen, Anette Merz: Der historische Jesus. (1. Auflage 1996) Vandenhoeck&Ruprecht, 3. Aufl., Göttingen 2001, ISBN 3-525-52198-7.
- Paul Copan, John Dominic Crossan, William F. Buckley, William Lane Craig: Will the Real Jesus Please Stand up: A Debate Between William Lane Craig and John Dominic Crossan. 1998, ISBN 0-8010-2175-8.
- Ulrich H. J. Körtner (Hrsg.): Jesus im 21. Jahrhundert. Neukirchen-Vluyn 2002, ISBN 3-7887-1898-6.
- Franz Mussner: Jesus von Nazareth im Umfeld Israels und der Urkirche. Gesammelte Aufsätze. hrsg. von Michael Theobald, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 111, Mohr Siebeck, Tübingen 1999, ISBN 3-16-146973-9.
- Carsten Peter Thiede: Jesus. Der Glaube. Die Fakten. St. Ulrich, Augsburg 2003, ISBN 3-929246-95-3.
- Marxistische und feministische Jesusdarstellungen
- Friedrich Engels: Zur Geschichte des Urchristentums. 1894/95.
- Karl Kautzky: Der Ursprung des Christentums. 1908.
- Ernst Bloch: Atheismus im Christentum. 1968.
- Milan Machovec: Jesus für Atheisten. 1972.
- Hanna Wolff: Jesus der Mann. Die Gestalt Jesu in tiefenpsychologischer Sicht. 1975.
- Vertreter des Jesus-Mythos
- Earl Doherty: The Jesus Puzzle. Did Christianity Begin with a Mythical Christ? (1999), ISBN 0-9689259-1-X
- J. M. Robertson: The Historical Jesus; 1916 (u.a.)
- Timothy Freke: The Laughing Jesus. Religious Lies and Gnostic Wisdom
Weblinks
- Übersicht über die historische Jesus-Forschung von Burer: Von Reimarus zu Wright
- Arthur Drews: Die Leugnung der Geschichtlichkeit Jesu in Vergangenheit und Gegenwart (1926)
- Matthias Kreplin: Wer war, wer ist Jesus Christus? (Forschungsgeschichte)
- Ernest Renan: Vie de Jésus; (englische Übersetzung)
- Thomas Jefferson: The Life and morals of Jesus (englisch)
- William Lane Craig: Artikel über den historischen Jesus (englisch)
- Schweitzer Geschichte der Leben Jesu Forschung von Reimarus bis Wrede 1906, englische Übersetzung
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