Anna Göldin

Anna Göldin
Steckbrief, Zürcher Zeitung vom 9. Februar 1782
Darstellung Anna Göldis aus der Hand des Künstlers Patrick Lo Giudice (Anna-Göldi-Museum, Mollis)

Anna Göldi (auch Göldin, weibliche Form; * 24. Oktober 1734 in Sennwald, Kanton St. Gallen; † 13. Juni 1782 in Glarus) war eine der letzten Frauen, die in Europa der Hexerei beschuldigt und hingerichtet wurden.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Göldi stammte aus armen Verhältnissen und arbeitete als Dienstmagd. Sie gebar zwei Kinder. Das erste starb kurz nach der Geburt. Anna Göldi wurde darauf wegen Kindsmordes verurteilt und bestraft.

Später arbeitete sie als Magd beim Glarner Arzt, Ratsherrn, Richter und Regierungsrat Johann Jakob Tschudi. Tschudi entstammte einer der reichsten und einflussreichsten Familien des protestantischen Kantons Glarus.

Hier soll sie dann mehrmals Stecknadeln in die Milch einer Tochter Tschudis gezaubert haben. Ausserdem soll die Tochter nach Aussagen von Angehörigen der Familie Tschudi mehrfach Nägel gespuckt haben. Wegen Verzauberung der Tschudi-Tochter wurde Anna Göldi daraufhin der Hexerei beschuldigt und angeklagt.

Im anschliessenden Gerichtsprozess gab Göldi unter Folter zu, die Kräfte des Teufels zu nutzen. Der Glarner Rat verurteilte sie am 13. Juni 1782 zum Tod durch das Schwert. Das Urteil wurde umgehend vollstreckt. Es sorgte trotz Pressezensur in der Schweiz und in Deutschland für Aufruhr und wurde als Justizmord bezeichnet. Im Urteil wurde der Vorwurf der Hexerei vermieden und die Gerichtsakten wurden vernichtet; Göldi wurde als Giftmörderin verurteilt.

Aufarbeitung

Nach Auswertung bisher unbekannter Quellen kam der Journalist Walter Hauser 2007 zu dem Schluss, dass Anna Göldi vermutlich ein Verhältnis mit ihrem Dienstherren hatte und von diesem möglicherweise auch vergewaltigt wurde. Weil überführte Ehebrecher als unfähig galten, ein politisches Amt zu bekleiden, habe Tschudi beschlossen, Anna Göldi zu beseitigen, und den Hexenprozess initiiert.

1982 veröffentlichte Eveline Hasler den Tatsachenroman «Anna Göldin, letzte Hexe». 1991 drehte Gertrud Pinkus die Filmbiografie «Anna Göldin – Letzte Hexe» mit Cornelia Kempers in der Titelrolle. Anlässlich des 225. Todestags von Anna Göldi wurde am 22. September 2007 das Anna-Göldi-Museum in Mollis eröffnet.

Rehabilitation

Im März 2007 lehnten sowohl die Glarner Kantonsregierung als auch der reformierte Kirchenrat eine Rehabilitation Anna Göldis anlässlich ihres 225. Todestages ab, weil sie im Bewusstsein der Glarner Bevölkerung bereits rehabilitiert sei.

Am 7. November 2007 überwies der Glarner Landrat eine Motion an den Regierungsrat mit dem Auftrag, Anna Göldi zu rehabilitieren. [1] Am 10. Juni 2008 beschloss der Regierungsrat, Anna Göldi 226 Jahre nach ihrer Hinrichtung vom Tatbestand der «Vergiftung» zu entlasten. Zugleich stellte die Regierung dem Parlament den Antrag, den Prozess vom Juni 1782 als Justizmord zu bezeichnen.[2]

Am 27. August 2008 genehmigte der Glarner Landrat einstimmig und ohne Diskussion den Beschluss der Regierung. Ausserdem anerkannte er, dass das damals gefällte Urteil in einem nicht rechtmässigen Verfahren zustande kam und Anna Göldi Opfer eines Justizmords wurde.[3][4]

Dokument

In der Zürcher Zeitung erschien am 9. Februar 1782 ein vom Kanton Glarus als Inserat aufgegebener Steckbrief, mit dem Anna Göldi gesucht wurde:

Löblicher Stand Glarus, evangelischer Religion, anerbietet sich hiermit demjenigen, welcher nachbeschriebene Anna Göldin entdecken, und der Justitz einbringen wird, Einhundert Kronenthaler Belohnung zu bezahlen; womit auch alle Hohe und Höhere Obrigkeiten und Dero nachgesezte Amtsleuth ersucht werden, zu Gefangennehmung dieser Person all mögliche Hülfe zu leisten; zumahlen solche in hier eine ungeheure That, vermittelst geheimer und fast unbegreiflicher Beibringung einer Menge Guffen [Nadeln] und anderen Gezeug gegen ein unschuldiges acht Jahr altes Kind verübet hat.
Anna Göldin, aus der Gemeind Sennwald, der Landvogthey hohen Sax und Forstek zugehörig, Zürchergebiets, ohngefähr 40. Jahr alt, dicker und grosser Leibsstatur, vollkommnen und rothlechten Angesichts, schwarzer Haaren und Augbraunen, hat graue etwas ungesunde Augen, welche meistens rothlecht aussehen, ihr Anschauen ist niedergeschlagen, und redet ihre Sennwälder Aussprach, tragt eine modenfarbne Jüppen, eine blaue und eine gestrichelte Schos, darunter eine blaue Schlingen- oder Schnäbeli-Gestalt, ein Damastenen grauen Tschopen, weis castorin Strümpf, ein schwarze Kappen, darunter ein weisses Häubli, und tragt ein schwarzes Seidenbettli.
Datum, den 25. Jenner St. v. 1782.
Kanzley Glarus evangelischer Religion.

Siehe auch

Literatur

  • August Ludwig von Schlözer: Abermaliger JustizMord in der Schweiz. In: Stats-Anzeigen. Band 2. Göttingen 1782. Seiten 273–277
  • Kaspar Freuler: Anna Göldi, die Geschichte der letzten Hexe. Roman. Büchergilde Gutenberg, Zürich 1945
  • Eveline Hasler: Anna Göldin, letzte Hexe. Benziger, Zürich und Köln 1982, ISBN 3-545-36356-2 (Taschenbuchausgabe: dtv, München 1985, ISBN 3-423-10457-0)
  • Elisabeth Korrodi-Aebli: Auf den Spuren der letzten Hexe. Lizenziatsarbeit. Zürich 1996
  • Walter Hauser: Der Justizmord an Anna Göldi. Neue Recherchen zum letzten Hexenprozess in Europa. Limmat Verlag, Zürich 2007 – ISBN 978-3-85791-525-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/anna_goeldi_1.580949.html
  2. Anna Göldi wird rehabilitiert, NZZ-Online vom 10. Juni 2008
  3. Gerechtigkeit für Anna Göldi – 226 Jahre zu spät, Tagesanzeiger-Online vom 27. August 2008
  4. Jürgen Dunsch, Die letzte “Hexe“ Europas war keine, FAZ-Online vom 28. August 2008

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