Annoloch

Annoloch
Anno II. (rechts im Bild) setzt den Siegburger Abt Erpho (links im Bild) ein. Pergamenthandschrift aus dem 12. Jahrhundert

Anno II. von Köln (auch Hanno von Köln, Hanno II. etc.; * um 1010 in Altsteußlingen bei Ehingen in Baden-Württemberg; † 4. Dezember 1075 in Köln), war Erzbischof von Köln von 1056 bis 1075 und ist ein Heiliger der katholischen Kirche.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Anno entstammte einer edelfreien schwäbischen Familie und war ein Onkel des Burchard II. von Halberstadt. Wegen seiner niederen Herkunft besuchte er das Stift St. Georg als Schüler. Ab 1046 unterrichtete er als Lehrer an der Domschule in Bamberg. Heinrich III. berief ihn als Kaplan an den kaiserlichen Hof und erhob ihn um 1054 zum Dompropst von Goslar und 1056 zum Erzbischof von Köln als Nachfolger des Erzbischofs Hermann.

Er wurde als eine Persönlichkeit beschrieben, die asketisch lebte, ehrwürdigen Auftretens und ehrgeizigen, bisweilen skrupellosen Charakters sein konnte. Als Erzbischof von Köln war Anno Reformbestrebungen gegenüber offen, aber dennoch stets und zu vorderst darauf bedacht, die Besitztümer der Kölner Diözese zu mehren.

In Köln scheiterte dann zwar sein Bestreben, das lukrativ erscheinende Kloster Malmedy an die Diözese zu ziehen (da die Gründungsstatuten des Klosters die Einheit mit dem Mutterkloster Stablo verlangten). Nach der Rückgabe des als Geschenk vom Kaiser empfangenen Klosters 1071, gelang es dem Erzbischof aber, die Angriffe der Pfalzgrafen vom Niederrhein abzuwehren und so seine Stellung am Hofe zu stärken. Mit dem Kloster Siegburg, das nach dem Vorbild des italienischen Reformklosters Fruttuaria reformiert wurde, vermochte er aber auch die eher kaisertreu und papstfeindlich ausgerichtete rheinische Reformbewegung zu stützen. Vorangetrieben von Anno und seinen Nachfolgern verbreitete sich die Siegburger Reform über das Erzbistum Köln und weitere Gebiete.

Nach dem Tod Kaiser Heinrich III. 1056 übernahm Kaiserin Agnes die Regentschaft für den sechsjährigen Heinrich IV. Zuerst noch mit Papst Viktor II. als väterlichem Berater an ihrer Seite, erwies sich nach dessen baldigem Ableben aber zunehmend die mindere Begabung der Kaiserin für das Regierungsgeschäft. Der Groll gegen Agnes machte sich sowohl an der von Tradition und Taktik unbekümmerten Praxis der Lehnsvergabe, als auch und vor allem an der Wahl Bischofs Heinrich von Augsburg zum neuen Berater fest. Agnes geriet nun zunehmend in die Kritik der deutschen Fürsten, zu deren Anführer sich Anno aufschwang. Im Schutz dieser Gruppe, zu der auch Erzbischof Siegfried I. von Mainz, Graf Ekbert von Braunschweig, Herzog Otto von Nordheim unter anderem zählten, plante Anno den sog. Staatsstreich von Kaiserswerth, mit dem er den jungen Heinrich IV. im April 1062 in seine Hand brachte.

Dazu ließ er ein Schiff prachtvoll ausstatten und lockte den unerfahrenen Heinrich, der sich mit seiner Mutter auf einer Reise nach Nimwegen befand, auf der Höhe der heute zu Düsseldorf gehörenden Kaiserpfalz Kaiserswerth zu einer Besichtigung. Das mit gedungenen Ruderern besetzte Boot legte mit Betreten Heinrichs sofort ab. Der junge Heinrich versuchte zwar noch, sich in den Rhein zu retten, wurde aber vom Grafen Ekbert von Braunschweig wieder an Bord gebracht.

Trotz anfänglich aufgebrachter Kölner Bevölkerung, gelang es Anno, nachdem er auch die Reichskleinodien der Kaiserin entwenden konnte, sich von 1063 bis 1065 zum Regent des Deutschen Reiches zu machen. Trotz des dem Kölner zur Seite gestellten Erzbischofs Adalbert von Bremen ließ sich Annos Machtposition nun kaum noch beschränken. So leitete Anno als Erzkanzler für das Königreich Italien die Synode von Mantua, die 1064 Alexander II. als Papst bestätigte und damit einen Streit beendete, der seit 1061 schwelte: Schon 1061 hatte das Kardinalskollegium Anselm von Lucca zu Papst Alexander II. gewählt, damit aber ein erst 1059 verabschiedetes Dekret zur Mitwirkung des Kaisers verletzt. Eine von Kaiserin Agnes nach Basel berufene Versammlung geistlicher und weltlicher Würdenträger wählte daraufhin am 28. Oktober 1061 Cadalus von Parma als (Gegen)Papst Honorius II. Nachdem dann die einander bekämpfenden Päpste von Herzog Gottfried von Lothringen in ihre Bistümer verwiesen worden waren, um eine kaiserliche Entscheidung abzuwarten, konnte Anno auf der deutsch-italienischen Synode in Augsburg im Oktober 1062 durchsetzen, dass sein Neffe Burchard von Halberstadt mit der Fahrt nach Rom beauftragt wurde, den Fall zu begutachten. Dies Gutachten fiel zugunsten Alexander II. aus, der dann in Mantua endgültig anerkannt wurde.

Mit diesen Handlungsvollmachten dürfte sich Anno auf dem Zenit seiner Machtentfaltung befunden haben. Schon 1063 zwingen die Kurfürsten dem Erzbischof Adalbert von Bremen als Miterzieher des minderjährigen Kaisers auf. Ab 1068 fanden sich dann die ersten Dissonanzen zwischen dem Kölner und dem Papst. Annos Einfluss am Hof muss jedoch noch mindestens bis 1072 angenommen werden. Er tritt dann noch einmal als Vermittler im sächsischen Aufstand auf, mittlerweile jedoch wahrscheinlich ohne politische Ambitionen.

Anno II. mit Modellen der von ihm gestifteten Klöster – Abbildung in der Darmstädter Vita Annonis Minor (um 1180)

Als Anno für seinen Freund, Siegfried I., den Erzbischof von Mainz, im Jahr 1074 eine Heimfahrtgelegenheit organisieren will und zu dem Zweck von einem Kaufmann im Kölner Hafen ein Schiff beschlagnahmen lässt, widersetzt sich der Kaufmann dieser Beschlagnahmung. Schnell ist die ganze Stadt aufgebracht und man will gegen den ungeliebten Machthaber vorgehen.

Anno zieht sich mit seinen Getreuen zurück und verschanzt sich im Dom. Die Menge tobt, ein sich versteckender Kleriker wird vom Pöbel getötet, weil man ihn für Anno hält. Unterdessen gelingt es Anno zusammen mit einigen Begleitern durch eine sog. „Katzenpforte“ (im Volksmund heute „Annoloch“ genannt) in der Stadtmauer unentdeckt aus der Stadt zu fliehen und sich so vor der mordlustigen Bevölkerung in Sicherheit zu bringen.

In den folgenden Tagen schart Anno bewaffnete Untertanen um sich und kehrt vier Tage später nach Köln zurück um die Stadt zu belagern. Angesichts der Waffenkraft der Belagerer ergeben sich die Aufständischen jedoch rasch, öffnen die Stadttore und lassen den Erzbischof ein. Anno fordert die Aufständischen auf, zu ihren Taten zu stehen und Buße zu tun, um Vergebung zu erlangen. Er verurteilt auch die Rädelsführer des Aufstandes und verhängt teilweise drakonische Strafen (z. B. Blendung). Etwa 600 Kaufleute verließen die Stadt. Nach einem Bericht von Lampert von Hersfeld war die Stadt fast völlig verödet und schauriges Schweigen herrschte auf den leeren Straßen. Über diejenigen, welche sich der Buße entziehen und fliehen, spricht er den Kirchenbann aus. In der Folge kommt es teilweise zu Selbstjustiz durch Annos Truppen, welche renitente Aufständische verfolgen.

Der Ursprung des Aufstandes liegt wohl in einem wachsenden Selbstbewusstsein der Stadtbevölkerung sowie in der generellen Unzufriedenheit mit dem strengen Erzbischof. Diese Unzufriedenheit beruhte auf verschiedenen Ursachen: Z. B. hohe Steuern, Annos rücksichtslose Reichspolitik (Entführung des Kaisers), Streit um das Kloster Malmedy usw.). Zu Ostern 1075 hebt Anno im Angesicht seines Todes den Bannspruch auf und vergibt den Sündern.

Tod und Verehrung

Anno verstarb am 4. Dezember 1075 in Köln, wo ihm zu Ehren eine pompöse Totenfeier ungesehenen Ausmaßes abgehalten wurde. Nach sieben Tagen wurde Annos Leichnam in das Kloster Siegburg überführt und dort im sog. Annoschrein bestattet. 1391 übergab das Kloster Siegburg einige Reliquien des heiligen Anno an das Kloster Grafschaft im Sauerland. Nachfolger von Anno II. wurde 1076 Hildolf. Zwischen 1077 und 1081 verfasste vermutlich ein Siegburger Mönch das sog. Annolied zu Ehren des Erzbischofs. Am 29. April 1183 wurde Anno von der katholischen Kirche heilig gesprochen. Anno, der fortan als Patron gegen die Gicht wirken soll, hat seinen Gedenktag am 4. Dezember beziehungsweise in Deutschland am 5. Dezember.

Wirkungsgeschichte

Neuerlich erfreut sich die Figur des Kölner Erzbischofs auch wachsender Beliebtheit vor allem innerhalb des Genres der historischen Romane. Jörg Kastners Anno 1074. Der Aufstand gegen den Kölner Erzbischof von 1998 wie auch Anno 1076. Die Schatten von Köln von 2002 thematisieren den Aufstand der Kölner Bürger gegen den mächtigen Erzbischof. In Eva Steins' Der Ring des Anno 2004 hingegen spielt die Figur des Klerikers nur eine marginale Rolle.

1979 veröffentlichten die Bläck Fööss mit „Feschers Köbes[1] ein Lied über den Bügeraufstand gegen Anno.

Literatur

  • F. W. Bautz: Anno II.; Artikel in: BBKL, Band I (1990), 179f. (mit weiterer Literatur)
  • T. J. Campbell: St. Anno; Artikel in: Catholic Encyclopedia
  • Georg Jenal: Erzbischof Anno II. von Köln (1056-75) und sein politisches Wirken. Ein Beitrag zur Geschichte der Reichs- und Territorialpolitik im 11. Jahrhundert. 2 Bde. Stuttgart 1974/75 (Monographien zur Geschichte des Mittelalters, Bd. 8, I/II).
  • D. Lück: Annos Standesverhältnisse, verwandtschaftliche Beziehungen und Werdegang bis zur Bischofsweihe. Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 172 (1970)
  • ders., Die Kölner Erzbischöfe Hermann II. und Anno II. als Erzkanzler der römischen Kirche. AfDip 16 (1970)
  • J. Semmler, Die Klosterreform in Siegburg, ihre Ausbreitung und ihr Reformprogramm im 11. und 12. Jahrhundert; 1959
  • W. Goez: Gestalten des Hochmittelalters. Darmstadt 1983.
  • Eberhard Holz/Wolfgang Huschner (Hrsg.): Deutsche Fürsten des Mittelalters. Edition Leipzig, Leipzig 1995, ISBN 3361004373
  • Jörg Kastner: ``Anno 1074 Aufstand gegen den Kölner Erzbischof`` Bastei Lübe (1998) ISBN: 3404141393

Quellen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. De Bläck Fööss: „Uns Johreszigge,“ EMI Elektrola, Köln 1979. Text: Hans Knipp nach Leonhard Ennen: „Geschichte der Stadt Köln“ und B. Gravelott: „De Fescher’s em hellije Kölle,“ Albert-Vogt-Verlag, St. Goar/Köln

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