Lensch

Lensch

Paul Lensch (* 31. März 1873 in Potsdam; † 18. November 1926 in Berlin) war Journalist, Redakteur, und Politiker (SPD). Ab 1912 war Lensch Abgeordneter des Deutschen Reichstages für die SPD, ab 1919 war er Professor für Nationalökonomie an der Berliner Universität.

Inhaltsverzeichnis

Leben

  • Als Gymnasiast Studium von Hegel und Karl Marx
  • Ein Jahr Militärdienst beim 4. Preußischen Garderegiment zu Fuß
  • Studium der Nationalökonomie in Berlin und Straßburg
  • 1900 Promotion zum Doktor der Staatswissenschaften in Straßburg. Tätigkeit als Redakteur der Freien Presse für Elsaß-Lothringen.
  • Ab 1902 Redakteur der Leipziger Volkszeitung, neben Rosa Luxemburg, Parvus, Franz Mehring und Karl Liebknecht Wortführer der antirevisionistischen Linken in der SPD, vor allem auf den Parteitagen in Essen (1907), Jena (1911), und Chemnitz (1912).
  • 1908 - 1913 Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung.
  • 1912 Wahl in den Reichstag als Kandidat der SPD für den 22. sächsischen Wahlkreis Reichenbach.
  • August 1914: Lensch ist innerhalb der SPD-Reichstagsfraktion zunächst einer der Gegner der Bewilligung der Kriegskredite.
  • Ab 1915: Die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe formiert sich innerhalb der SPD, die versucht, die Haltung der Parteimehrheit zum Thema Kriegskredite marxistisch zu begründen. Entwicklung der Theorie des „Kriegssozialismus“. Veröffentlichungen im Hamburger Echo und anderen SPD-Parteiblättern.
  • Ab Mitte 1915 wird Die Glocke, eine von Parvus (tl. Israel Lazarewitsch Helphand, deutsch-russisch-jüdischer Sozialdemokrat und Revolutionär) gegründete Zeitschrift, das Organ der Gruppe.
  • Oktober 1917: Die SPD spaltet sich, Lensch wird einer der publizistischen Wortführer der Mehrheits-SPD um Ebert.
  • November 1918: Lensch wird wichtiger Kontaktmann zwischen dem Rat der Volksbeauftragten und der militärischen Führung. Anschließend zieht er sich aus der Parteipolitik zurück. Er erhält eine Professur an der Berliner Universität durch Vermittlung seines Freundes, des preußischen Kultusministers Konrad Haenisch.
  • Lensch wird außenpolitischer Mitarbeiter der Berliner Deutsche Allgemeine Zeitung, die zum Konzern von Hugo Stinnes, dem Mülheimer Industriellen und DVP-Reichstagsabgeordneten, gehört. 1922 tritt Lensch aus der SPD aus, und kommt einem Parteiausschluss aus der nach der Fusion mit der Rest-USPD und der Rückkehr von marxistischen Theoretikern wie Karl Kautsky und Eduard Bernstein wieder nach links gerückten SPD zuvor.
  • Von Juni 1922 bis November 1925 ist Lensch Chefredakteur der DAZ, und wird zunehmend ein dem rechtskonservativen Lager nahestehender Gegner der Sozialdemokratie.
  • Am 18. November 1926 stirbt Lensch nach schwerer Krankheit in Berlin.

Politische Vorstellungen

Kriegssozialismus

Der Krieg beweist für Lensch das Scheitern des Kapitalismus. Da der Kapitalismus, der auf Konkurrenz und freien Märkten basiert, auf sozialistische wirtschaftsregulierende Maßnahmen zurückgreift, wird die Überlegenheit und der Sieg des sozialistischen Prinzips für Lensch bewiesen. Der Staat bedient sich eines Getreidemonopols, um die Ernährung der Bevölkerung zu gewährleisten, Brotkarten werden eingeführt. Dies ist für Lensch das Indiz einer Wandlung des Wirtschaftsprinzips hin zu einem „demokratischen Kriegssozialismus“; der Mangel an grundlegenden Bedürfnissen während des Krieges ist für ihn im Grunde also ein Glücksfall, da er Maßnahmen staatlicher Planung ermöglicht. Hier sei der revolutionäre Charakter des Krieges zu erkennen. Diesen führt er später in seiner Interpretation des Weltkrieges weiter. Der Staat nach Lensch ist eine Institution, welche über den Klassen stehe. Der Staat regele nicht klassenspezifisch, sondern nach objektivem Interesse. Dies sei der Kriegserfolg und somit das Interesse des ganzen Volkes. Nach Lensch soll dieser Sozialismus nicht durch Klassenkampf errungen werden, sondern durch nationale Aussöhnung. Die kulturelle Identität und die Wirtschaft sollen miteinander verbunden sein – wichtig für die These "Weltkrieg als Weltrevolution". Die Thesen Lensch entfernen sich von der typischen marxistischen Sicht. Nationale Großindustrie, ein bürokratisch regelnder Staat und eine starke Arbeiterschaft stellen bei Lensch die neue sozialistische "Volksgemeinschaft" dar. In dieser Gesellschaft sei nun nicht der Sozialismus zu sehen. Die von Lensch gezeigten Beispiele würde die Gesellschaft nur reif für den Sozialismus machen.

Weltkrieg als Weltrevolution

Der Erste Weltkrieg wird von Lensch als sozialistische Weltrevolution gedeutet. Er ist die Weiterführung der Theorie des Kriegssozialismus. Während die meisten in der SPD den Krieg als Verteidigungskrieg gegen das zaristische Russland sahen, bildete das liberale England für Lensch den Verursacher des Krieges. England sei das an frühesten industrialisierte Land Europas. Dadurch habe es seine Vormachtstellung errungen. Der Krieg gegen Deutschland sei nun nur der Versuch, das gegnerische Deutschland am Wachstum zu hindern und das eigene Monopol zu sichern.

Lensch wandelt die marxistische Theorie der Weltrevolution auf eine nationale Ebene. England sei die bürgerlich-kapitalistische Klasse und Deutschland stelle das Proletariat dar.

England und seine Parlamentarische Monarchie sind für Lensch die Ursprünge des Kapitalismus. Die calvinistische Religion und das Streben nach individuellem Wohlstand führten in England zur Begründung des Bürgertums. Diese englische Gesellschaft habe ein expansives Streben nach außerenglischen Absatzmärkten und gründet deshalb ein Monopol. Das nun aufstrebende Deutschland gefährdet nun diese Vormachtstellung, denn es sei im Gegensatz zum individualistischen England ein stark solidarisch geprägtes Land, welches keine konventionelle Bourgeoisie aufweist. Dies erklärt er auch mit dem Dreißigjährigen Krieg und einer fehlenden Einigung Deutschlands bis ins 19. Jahrhundert.

Deutschland sei nicht so reaktionär wie in Zeiten des wilhelminischen Kaiserreiches in der Welt angenommen wurde, es hätten sich demokratische Elemente entwickelt und diese würden an Bedeutung gewinnen. So wurde in Deutschland - und nicht im liberalen England - das allgemeine Wahlrecht eingeführt, weiter gelte zum Beispiel die allgemeine Schulpflicht, welche eine nationale "Kulturgemeinschaft" schaffe, diese sei der englischen überlegen. Weiter nennt Lensch die allgemeine Wehrpflicht, welche im Grunde sozialistisch sei im Gegensatz zur englischen Milizarmee.

Lensch leugnet nicht die Mängel in Deutschland, betont aber die Stärke des deutschen Proletariats gegen über dem des Auslands. Deutsche Gewerkschaften seinen die stärksten und geschlossensten. Die englische Arbeiterbewegung jedoch sei durch Privilegien, welche die Bourgeoisie ihnen zugestand, am Zerstören des englischen Monopols nicht interessiert. Die Arbeiterführer und die Arbeiter wollen diese Privilegien weiter behalten und unterstützen deshalb die Regierung im Krieg. Aus diesem folgernd, wäre der Sieg Deutschlands ein Sieg für den internationalen Sozialismus. Ein Sieg Englands würde hingegen Deutschland für Jahre zurückwerfen und das Ende des Sozialismus bedeuten.

Die Vorstellungen von Sozialismus, die Lensch sich ausmalt, sind nicht die typischen marxistischen. Es geht vielmehr um die Schaffung einer nationalen Solidarität, welche von staatlichen und sittlichen Pflichten geprägt ist. Mit dieser positiven Deutung des historischen "Sonderweges" Deutschlands im Gegensatz zum liberalen Musterland England steht Lensch nicht alleine, zahlreiche Autoren betonten damals die Überlegenheit der deutschen "Kultur" gegen die oberflächtlich-individualistisch-kapitalistische westliche "Zivilisation" und der Ideen von 1914 gegen die Ideen von 1789. Dadurch, dass Lensch dies mit marxistischen Vorstellungen zu einem autoritären, nationalistischen Sozialismusmodell vermischt, ergibt sich eine Ähnlichkeit seines Denkens u.a. zum Nationalbolschewismus um Ernst Niekisch.

Kritik seiner Zeitgenossen

Die Theorien Lensch sind nicht den üblichen Kategorien Links und Rechts innerhalb der SPD zu bringen. Während die Linken den Krieg als Angriffskrieg Deutschland komplett ablehnen, ist für den rechten Flügel der SPD das reaktionäre Russland der große Gegner. Lensch bildet mit seiner Gruppe eine neue Richtung in der SPD.

Zum Kriegssozialismus

Gewerkschaften führen ähnliche Argumente für die Unterstützung des Krieges wie Lensch auf, z.B. Solidarität der Arbeiter. Die Mehrheit der SPD verweist darauf, dass der Kapitalismus nur Monopole aufbaut um während des Krieges seine weitere Existenz zu sichern. Die Maßnahmen seien nur kriegsbedingt. Dies wird im "Vorwärts", dem SPD-Organ, genau thematisiert. Die Einführung eines Monopols im Getreidebereich würde keine wirkliche Veränderung mit sich bringen. Mühlenbesitzer und Bäcker hätten weiterhin den gleichen Profit. Eduard Bernstein verfasste mehrere Kritikartikel.

Mit seinen Theorien zum Kriegssozialismus stieß Lensch auf rechter wie auf linker Seite auf Kritik. Zugleich fand aber auch Lensch Platz für seine Thesen im "Vorwärts". Seine Thesen zu den Gründen des Weltkriegs wurden nur von linker Seite kritisiert. In der restlichen SPD fand Lensch mit der Zeit immer mehr Akzeptanz.

Forschung

Es gibt zwei Hauptzweige

  • Robert Sigel, Die Lensch-Cunow-Haenisch Gruppe 1976 :

Hier wird Lensch innerhalb der SPD gedeutet. Eine Einreihung in die neuentstehende revolutionäre Rechte wird nicht gemacht. Es wird nur der Rechtsflügel der SPD analysiert. Lensch wird aber hier auch als eine neue Form der Rechten der SPD gesehen, der sich von den Revisionisten und Konservativen unterscheidet. Es wird die neue Form der völkisch-sozialistischen Gesellschaft in Lenschs Theorien angesprochen.

Hier werden viele Aspekte wie in „Die Lensch-Cunow-Haenisch Gruppe“ bearbeitet. Jedoch wird Lensch aus einem anderen Blickwinkel betrachtet. Er wird in die Entwicklung einer neuen Rechten eingeordnet. Die nationale Ausrichtung Lenschs wird deutlicher beleuchtet. Der völkische Aspekt führt zu dieser Einordnung. Der nationale Sozialismus wird klar vom bisherigen unterschieden und deshalb in die Reihe der konservativen Revolution gestellt. Mit dieser positiven Deutung des historischen "Sonderweges" Deutschlands im Gegensatz zum liberalen Musterland England steht Lensch nicht alleine, zahlreiche Autoren betonten damals die Überlegenheit der deutschen "Kultur" gegen die oberflächtlich-individualistisch-kapitalistische westliche "Zivilisation" und der Ideen von 1914 gegen die Ideen von 1789. Dadurch, dass Lensch dies mit marxistischen Vorstellungen zu einem autoritären, nationalistischen Sozialismusmodell vermischt, ergibt sich eine Ähnlichkeit seines Denkens u.a. zum Nationalbolschewismus um Ernst Niekisch.

Literatur

  • Robert Sigel: Die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe. Eine Studie zum rechten Flügel der SPD im ersten Weltkrieg (Beiträge zu einer historischen Strukturanalyse Bayerns im Industriezeitalter; Bd. 14). Duncker und Humblot, Berlin 1976, ISBN 3-428-03648-4

Weblinks


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