Leskow

Leskow
Nikolai Semjonowitsch Leskow

Nikolai Semjonowitsch Leskow (russisch Николай Семёнович Лесков, wiss. Transliteration Nikolaj Semënovič Leskov; * 4.jul./ 16. Februar 1831greg. in Gorochowo (Gouvernement Orel); † 21. Februarjul./ 5. März 1895greg. in Sankt Petersburg) war ein bedeutender russischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis


Leben

Leskow (mit Betonung auf der zweiten Silbe) wurde als Sohn eines Beamten, der erst kurz zuvor geadelt worden war, geboren. Seine Ausbildung erfolgte anfangs durch Privatlehrer, später besuchte er das Gymnasium von Orel, das er ohne Abschluss verließ. Nach dem finanziellen Ruin der Familie begann er 1847 als Kanzleibeamter beim Kriminalgericht von Orel zu arbeiten. 1850 ging er nach Kiew, wo er als Sekretär für die Rekrutierungsbehörde der Armee arbeitete. In Kiew förderte ein Onkel, der Professor für Medizin war, Leskows weitere Ausbildung.

1853 heiratete Leskow Olga Smirnowa. Aus der Ehe gingen zwei Kinder, ein Sohn und eine Tochter hervor. Ab 1857 arbeitete er für ein englisches Handelsunternehmen, in dessen Auftrag er viel reisen musste, wobei er weite Teile Russlands kennen lernte. 1860 kündigte er seine Stellung, verließ seine Frau und ließ sich in Petersburg als Journalist nieder. In dieser Zeit begann er auch zu schreiben und erste Erzählungen erschienen in Zeitschriften. Zwischen 1862 und 1863 bereiste er Osteuropa und Frankreich. Ab 1865 lebte er mit Katerina Bubnowa zusammen; der gemeinsame Sohn, Andrei Leskow, schrieb später die erste Biografie des Autors.

1874 nahm Leskow eine Anstellung im Kultusministerium an. 1883 wurde er dort entlassen, nachdem er sich kritisch über Kirche und Staat geäußert hatte. Auch mit seinen literarischen Arbeiten kam er in den Folgejahren immer häufiger in Konflikt mit der staatlichen Zensur. Leskow starb 1895 an den Folgen einer Krebserkrankung.

Leistungen

Nikolai Leskow (Serow-Porträt von 1894)

Mit seinen Romanen Ohne Ausweg und Bis aufs Messer geriet Leskow früh in Gegensatz zu den tonangebenden, liberalen literarischen Kreisen und galt für einige Zeit als Reaktionär. Durch seine Erzählungen und Novellen erlangte er jedoch schließlich Anerkennung und galt zu Lebzeiten, neben Dostojewski und Tolstoi, als der bedeutendste russische Prosaautor. Leskow war ein kenntnisreicher und durchaus kritischer Beobachter Russlands. Er trat für Reformen ein, lehnte jedoch jede Art von umstürzlerischer Bewegung ab. Die Problematik der meisten Werke Leskows ergibt sich aus der Aufdeckung des Widerspruchs zwischen einem unverfälschten natürlichen Wesen des Menschen und einem verzerrten, wie es im alltäglichen gesellschaftlichen Handeln hervortritt. Der Dichter stellte demnach nicht die Befreiung des Menschen durch eine Befreiung der Gesellschaft dar, sondern durch eine Abwendung von ihr, weshalb er in einen unversöhnlichen Gegensatz zur revolutionären russischen Bewegung geriet. Viele seiner Figuren handeln aus einem russisch-patriotischen oder christlichen Selbstverständnis heraus moralisch (und verwickeln sich folglich in zahlreiche Widersprüche). Das besondere Interesse Leskows galt der im zaristischen Russland verbotenen, jedoch weit verbreiteten Sekte der Altgläubigen, die in mehreren Erzählungen eine bedeutende Rolle spielt.

Seine Erzählungen und Romane sind einerseits realistisch und oft volkstümlich, haben jedoch auch einen starken symbolistischen Einschlag, was sich gerade dadurch zeigt, dass Leskow traditionelle religiöse Erzählformen wie die Legende aufgriff und auch sonst gerne mystische oder märchenhafte Elemente in seine Stoffe verwob. Leskows Werk, das schwer zu übersetzen ist (besonders gelungen sind die Übersetzungen von Johannes von Guenther), zeichnet sich durch Umgangssprache und Dialektfärbung aus, wodurch es ihm gelang, zum einen die russische Literatursprache zu erweitern und gleichzeitig neue Aspekte des Alltagslebens gerade der einfachen Menschen einzufangen. Eine besondere Qualität erblickt die Literaturwissenschaft in seinem Stil der mündlichen Erzählung (im russischen Skaz genannt).

Werke

  • Liebe in Bastschuhen, 1863
  • Der Schafochs, 1863
  • Die Lady Macbeth von Mzensk, 1865 (Vorlage für die gleichnamige Oper von Schostakowitsch)
  • Die Kampfnatur, 1866
  • Die Klerisei, 1872
  • Der versiegelte Engel und andere Geschichten, 1873
  • Der verzauberte Pilger, 1873
  • Pawlin, 1874
  • Am Ende der Welt, 1875
  • Der ungetaufte Pope, 1877
  • Eine Teufelsaustreibung und andere Geschichten 1879
  • Das Kadettenkloster, 1880
  • Der stählerne Floh, 1881
  • Der Toupetkünstler, 1883
  • Der Mensch im Schilderhaus, 1887
  • Der Gaukler Pamphalon, 1887
  • Die schöne Asa, 1888
  • Figura, 1889
  • Der Berg, 1890,
  • Das Tränental. Eine Rhapsodie, 1892
  • Der Priester von Stargorod

Literatur

  • Martina Fuchs: ‚Ledi Makbet Mcenskogo uezda‘ : vergleichende Analyse der Erzählung N. S. Leskovs und der gleichnamigen Oper D. D. Šostakovičs. Heidelberg: Groos 1992. (= Sammlung Groos; 45; Mannheimer Beiträge zur slavischen Philologie; 4) ISBN 3-87276-661-9
  • Wolfgang Girke: Studien zur Sprache N. S. Leskovs. München: Sagner 1969. (= Slavistische Beiträge; 39)
  • Johannes Harder: Kampf um den Menschen. Eine Deutung Nikolai Leskovs. Wuppertal-Barmen: Jugenddienst-Verl. 1959. (= Das Gespräch; 22)
  • Robert Hodel: Betrachtungen zum skaz bei N. S. Leskov und Dragoslav Mihailović. Bern u.a.: Lang 1994. (= Slavica Helvetica; 44) ISBN 3-906751-77-5
  • Sang-Hun Lee: Die Legendendichtung N.S. Leskovs als Verfahren der Dekanonisierung. München: Biblion 2004. ISBN 3-932331-44-3
  • Inès Muller de Morogues: ‚Le problème féminin‘ et les portraits de femmes dans l'oeuvre de Nikolaj Leskov. Bern u.a.: Lang 1991. (= Slavica Helvetica; 38) ISBN 3-261-04378-4
  • Marie Luise Rößler: Nikolai Leskov und seine Darstellung des religiösen Menschen. Weimar: Böhlau 1939.
  • Gabriella Safran: Rewriting the Jew. Assimilation narratives in the Russian empire. Stanford, Calif.: Stanford University Press 2000. ISBN 0-8047-3830-0
  • Vsevolod Setchkarev: N. S. Leskov. Sein Leben und sein Werk. Wiesbaden: Harrassowitz 1959.
  • Irmhild Christina Sperrle: The organic worldview of Nikolai Leskov. Evanston, Ill.: Northwestern Univ. Press 2002. ISBN 0-8101-1754-1
  • Bodo Zelinsky: Roman und Romanchronik. Strukturuntersuchungen zur Erzählkunst Nikolaj Leskovs. Köln u.a.: Böhlau 1970. (= Slavistische Forschungen; 10) ISBN 3-412-10970-3

Weblinks


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