Leterme

Leterme
Yves Leterme

Yves Camille Désiré Leterme (* 6. Oktober 1960 in Wervik, Belgien) ist ein belgischer Politiker der Christen Democratisch en Vlaams (CD&V). Er ist ehemaliger Ministerpräsident der Region Flandern und war vom 20. März 2008 bis zum 30. Dezember 2008 [1] belgischer Premierminister.

Biografie

Leterme ist der Sohn eines französischsprachigen Vaters und einer flämischen Mutter. Er ging in Ypern zur Schule und studierte Rechtswissenschaften und Politische Wissenschaften an der Universität Gent. Von 1987 bis 1989 arbeitete er als Rechnungsprüfer für den belgischen Rechnungshof. Anschließend begann er seine überregionale Parteikarriere in der flämischen christdemokratischen Partei CD&V (damals noch CVP) und brachte es 1991 zum Nationalen Sekretär, bis er als Verwaltungsbeamter zur Europäischen Union wechselte. 1997 wurde er Mitglied des belgischen Parlaments und auf unbestimmte Zeit von der Europäischen Union freigestellt. 1999 und 2003 wurde er ins Parlament wiedergewählt. Von 1995 bis 2001 war er ebenfalls Stadtrat in Ypern.

Nach der Niederlage der CD&V bei den Parlamentswahlen 2003 wurde Leterme deren Parteivorsitzender als Nachfolger von Stefaan De Clerck. 2004 gewann die CD&V die flämischen Regionalwahlen und Leterme wurde Ministerpräsident in einer Koalitionsregierung mit kleineren Parteien. Daraufhin gab Leterme den Parteivorsitz wieder ab.

Bei den belgischen Parlamentswahlen am 10. Juni 2007 trat Leterme als Spitzenkandidat der CD&V an. Nach den deutlichen Zugewinnen der Christdemokraten sowohl in Flandern als auch in Wallonien erhielt Leterme von König Albert II. den Auftrag zur Regierungsbildung; daraufhin legte er sein Amt als flämischer Ministerpräsident nieder. Er führte zunächst Koalitionsverhandlungen mit den flämischen Liberalen sowie den französischsprachigen Christdemokraten und Liberalen. Da aber keine Fortschritte bezüglich einer von den Flamen geforderten, von den Frankophonen jedoch abgelehnten weiteren Kompetenzübertragung vom Zentralstaat auf die Regionen erzielt werden konnten, gab Leterme am 23. August den Auftrag zur Regierungsbildung wieder zurück.[2] Er wurde einen Monat später erneut von Albert II. mit der Regierungsbildung beauftragt, gestand aber am 1. Dezember 2007 das endgültige Scheitern der Bildung einer von ihm geführten Regierung ein.[3] In der am 21. Dezember 2007 vereidigten Übergangsregierung Guy Verhofstadts bekleidet Leterme die Ämter des Vize-Premierministers sowie des Ministers für Haushalt, Mobilität und institutionelle Reformen.

Am 18. März 2008 wurde bekannt, dass sich flämische und wallonische Christdemokraten (CD&V und cdH) und Liberale (VLD und MR) sowie die wallonischen Sozialisten (PS) auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung mit Leterme als Ministerpräsidenten verständigt hatten. Am 20. März 2008 wurde er als belgischer Ministerpräsident vereidigt.[4]

Bereits am 14. Juli 2008 bot er jedoch dem belgischen König seinen Rücktritt an, da sich seine Regierung nicht auf eine Staatsreform hatte einigen können, wofür Leterme sich eine Frist bis zum 15. Juli gesetzt hatte. Die Reform sollte durch eine Neuverteilung der Kompetenzen zwischen Gesamtstaat und Regionen den ständigen, lähmenden Konflikt zwischen den beiden Landesteilen Belgiens entschärfen.[5] Albert II. lehnte jedoch das Rücktrittsgesuch Letermes am 17. Juli ab und beauftragte drei Politiker, im Konflikt um die Staatsreform zu vermitteln.[6]

Am 19. Dezember 2008 bot Leterme den Rücktritt seiner gesamten Regierung an. Dem Büro des Ministerpräsidenten und dem Justizminister war vorgeworfen worden, ein Gerichtsverfahren um den Verkauf der angeschlagenen Fortis-Bank beeinflusst zu haben. Nachdem die Regierung im September 2008 der Verkauf von 75 Prozent der Anteile an die französische Großbank BNP Paribas verkündet hatte, zogen die Kleinaktionäre der Fortis vor Gericht, weil sie nicht konsultiert worden waren. Das Gericht urteilte in zweiter Instanz, dass sämtliche Transaktionen bis zu einer ordentlichen Abstimmung der Aktionäre ausgesetzt werden müssen. Diese Entscheidung hatte, wie der belgische Kassationshof in einem Bericht feststellte, die Regierung zu verhindern versucht. Leterme stritt den Versuch einer Einflussnahme ab.[7] Am 22. Dezember nahm König Albert II das Rücktrittsgesuch an. Die Regierung Leterme blieb zunächst geschäftsführend im Amt. Am 30. Dezember 2008 wurde Herman Van Rompuy als neuer belgischer Premierminister vereidigt.

Leterme hatte bereits am 21. Juli 2007 für Schlagzeilen gesorgt, indem er auf die Frage nach dem Grund für den belgischen Nationalfeiertag am 21. Juli fälschlicherweise mit der „Proklamation der Verfassung“ antwortete; tatsächlich legte an diesem Tag der erste König der Belgier den Eid auf die Verfassung ab. Weiterhin verwirrte er die Reporter des frankophonen Fernsehsenders RTBF, indem er auf die Bitte, die belgische Nationalhymne zu singen, die französische Hymne anstimmte.[8]

Leterme ist mit Sofia Haesen verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt in Ypern.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.belgieninfo.net/artikel/view/datum/2008/12/23/der-alte-fuhrmann-soll-es-richten.html
  2. Tages-Anzeiger: Regierungsbildung in Belgien gescheitert vom 23. August 2007.
  3. Tagesschau: Leterme wirft das Handtuch vom 1. Dezember 2007.
  4. Tagesschau: Fünf-Parteien-Koalition beendet Neun-Monats-Krise vom 18. März 2008.
  5. Spiegel Online: Rücktrittsgesuch beim König: Belgische Regierung nach vier Monaten gescheitert vom 15. Juli 2008
  6. Spiegel Online: Krise in Belgien: König Albert lehnt Letermes Rücktrittsgesuch ab vom 18. Juli 2008.
  7. Neue Zürcher Zeitung: Belgische Regierung bietet Rücktritt an vom 19. Dezember 2008.
  8. Spiegel Online: Belgien: Spitzenpolitiker singt falsche Nationalhymne vom 22. Juli 2007

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