- Leukopoese
-
Leukozyten oder weiße Blutkörperchen (von griechisch λευκός leukos „leuchtend“, „weiß“; κυτός kytos „Gefäß“, „ Hülle“) sind bestimmte Zellen des Körpers, die im Blut, im Knochenmark, in den lymphatischen Organen und anderen Körpergeweben zu finden sind. Morphologisch werden sie den Erythrozyten (roten Blutkörperchen) gegenübergestellt, da sie im Gegensatz zu diesen nicht den roten Farbstoff Hämoglobin enthalten. Die quantitative Zusammensetzung der Leukozyten im peripheren Blut wird im Differentialblutbild erfasst.
Leukozyten erfüllen spezielle Aufgaben in der Abwehr von Krankheitserregern und körperfremden Strukturen. Sie gehören zum Immunsystem und sind dort Teil der spezifischen und unspezifischen Immunabwehr, weshalb sie auch als Immunzellen oder Immunozyten bezeichnet werden.
Inhaltsverzeichnis
Bau der Leukozyten
Leukozyten sind, abhängig von ihrer Art, unterschiedlich in Gestalt und Aufbau. Die Größe der Leukozyten schwankt zwischen 7 µm bei Lymphozyten und 20 µm bei Monozyten. Die Roten Blutkörperchen sind etwa 7,5 µm groß. Die Lebensdauer der Zellen reicht von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten. Bestimmte Leukozyten sind amöboid beweglich und können aktiv aus dem Blut in die verschiedenen Zellgewebe einwandern.
Bildung der Leukozyten
Die Bildung der Leukozyten ist ein Prozess, der beim Erwachsenen im roten Knochenmark von Brustbein und Becken beginnt. Diesen Vorgang nennt man Leukopoese (auch Leukozytopoese). Bei Kindern befindet sich blutbildendes rotes Knochenmark zusätzlich in den langen Röhrenknochen der Arme und Beine. Die weißen Blutkörperchen werden dort aus so genannten Vorläuferzellen der Stammzellen gebildet und differenzieren anschließend innerhalb der unterschiedlichen Kategorien der Leukozyten weiter, je nach den ihnen zugedachten Aufgaben und Funktionen. Um diese erfüllen zu können, müssen Teile der Leukozyten nach ihrer Bildung in bestimmten Organen geprägt werden. Im Lymphsystem, das heißt in Lymphknoten, Thymus, Milz, Mandeln, Knochenmark, müssen sie lernen, welche Stoffe zum Körper des Organismus gehören und welche als fremd anzusehen sind. Die Stammzellen selbst besitzen weitreichende Möglichkeiten sich zu entwickeln, sie sind pluripotent. Bei ihrer Teilung entstehen nicht zwei gleiche Tochterzellen, sondern jeweils eine neue pluripotente Stammzelle und eine Vorläuferzelle der einzelnen Blutzellen (determinierte Stammzelle), welche anschließend weiter heranreift. Je nachdem, welcher Wachstumsfaktor (Zytokine) einwirkt, entstehen so die unterschiedlichen Arten entweder der Leukozyten oder der Erythrozyten oder der Megakaryozyten.
Aufgaben der Leukozyten
Weiße Blutkörperchen haben die Aufgabe, für den Organismus unverträgliche Stoffe bzw. Krankheitserreger unschädlich zu machen. Dazu zählen Bakterien, Viren, Tumorzellen, Toxine, körperfremde Partikel, Würmer, Pilze und Protozoen (Einzeller). Die einzelnen Untergruppen der Leukozyten übernehmen dabei verschiedene Aufgaben innerhalb des Immunsystems – von der Phagozytose über die Markierung von Antigenen bis hin zur Bekämpfung von körpereigenen und körperfremden Zellen und Krebszellen.
Neutrophile Granulozyten, Monozyten, Makrophagen und Dendritische Zellen zum Beispiel sind als Bestandteil der unspezifischen Abwehr zur Phagozytose fähig. Dabei nehmen sie Fremdmaterial auf und machen es unschädlich. Sie werden daher auch Fresszellen genannt.
B-Lymphozyten hingegen produzieren nach geeigneter Stimulation speziell gegen bestimmte Erreger oder schädigende Stoffe gerichtete Antikörper. Sie gehören somit zur spezifischen Abwehr.
T-Lymphozyten dienen unter anderem der Koordination zwischen spezifischer und unspezifischer Abwehr. Auch an Entzündungen sind Leukozyten beteiligt und in der Lage, durch freigesetzte Botenstoffe (Mediatoren) wie Zytokine und Leukotriene diese aufrecht zu halten, zu modulieren oder zu beenden. Leukozyten spielen außerdem eine wesentliche Rolle bei allen Autoimmunkrankheiten.
Morphologie der Leukozyten
Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die unterschiedlichen Leukozytenarten zu kategorisieren.
- Aufgrund ihrer Abstammung und Farbe in der Pappenheim-Färbung können sie wie folgt unterschieden werden. Alle Zellen der lymphatischen Reihe gehen auf lymphatische Vorläuferzellen zurück, die der myeloiden Reihe entwickeln sich aus myeloiden Vorläuferzellen. Auch die roten Blutkörperchen und die Blutplättchen entwickeln sich aus myeloiden Vorläuferzellen, diese werden aber nicht zu den Leukozyten gezählt und sind daher in der folgenden Tabelle nicht aufgeführt.
lymphatische Reihe myeloide Reihe Lymphozyten Monozyten (Vorläufer der Makrophagen)
Dendritische Zellen
Mastzellen
GranulozytenGranulozyten unterscheiden sich von den anderen Immunzellen (Agranulozyten) durch ihre unregelmäßig gelappten Zellkerne und durch das Vorhandensein kleiner Partikel im Cytoplasma. Die Agranulozyten besitzen dagegen runde oder bohnenförmige Zellkerne und keine Partikel im Cytoplasma.
- Lymphozyten und Granulozyten werden in weitere Zelltypen unterteilt:
Lymphozyten Granulozyten B-Lymphozyten
T-Lymphozyten
NK-Zellenneutrophile Granulozyten
eosinophile Granulozyten
basophile GranulozytenFunktionen der einzelnen Leukozyten
Die einzelnen Blutkörperchen übernehmen innerhalb des Immunsystems verschiedene Aufgaben, welche im folgenden kurz dargestellt sind. Nähere Informationen gibt es unter den entsprechenden Begriffen.
Immunzellen Aufgabe und Funktion Monozyten Vorläufer der Makrophagen im Blut Makrophagen Phagozytose, im Gewebe und der Lymphflüssigkeit Mastzellen setzen nach Aktivierung Substanzen frei, die die Permeabilität der Blutgefäße beeinflussen Antigenpräsentierende Zellen
(z. B. Makrophagen, B-Zellen und Langerhanszellen)markieren Antigene und leiten damit die Immunantwort ein Granulozyten neutrophile Granulozyten Phagozytose von Bakterien, Viren und Pilzen im Blut eosinophile Granulozyten Abwehr von Parasiten, beteiligt an allergischen Reaktionen basophile Granulozyten Abwehr von Parasiten, Auslöser allergischer Reaktionen, Entzündungsreaktionen, Juckreiz B-Zell-Gruppe B-Lymphozyten Vorläufer der Plasmazellen im Blut Plasmazellen Spezialisierung auf Antikörperproduktion B-Gedächtniszellen langlebige B-Zellen mit einem Gedächtnis für spezielle Antigene T-Zell-Gruppe T-Helferzellen aktivieren Plasmazellen und Killerzellen
erkennen Antigene auf den Antigen präsentierenden ZellenT-Regulatorzellen bremsen die Immunantwort, hemmen die Funktion der B-Zellen und anderen T- Zellen T-Gedächtniszellen langlebige T-Zellen mit einem Gedächtnis für spezielle Antigene T-Killerzellen (zytotoxische T-Zellen) erkennen und zerstören von Viren befallene Körperzellen und Tumorzellen indem sie auf bestimmte Antigene der befallenen Zellen reagieren Killerzellen natürliche Killerzellen (NK) greifen unspezifisch Zellen an, die von Viren oder Tumoren befallen sind Bindung der Leukozyten an die Blutgefäße
Die weißen Blutkörperchen sind sozusagen die Wächter des Immunsystems und patrouillieren ständig im gesamten Organismus auf der Suche nach Erregern oder zu zerstörenden Zellstrukturen. Dazu nutzen sie den Blutkreislauf, um von einem Ort zum anderen zu gelangen und tasten während dieser Phase die Wände der Gefäßzellen systematisch nach Stoppsignalen ab, die beispielsweise Krebszellen anzeigen. Des Weiteren dringen in jeder Minute hunderte von weißen Blutkörperchen in das Gewebe ein und suchen dort nach Verletzungen und Entzündungen. Dies tun sie, indem sie an den Wänden der Zellen entlang rollen und dort nach bestimmten Strukturen suchen, die einen solchen Zustand anzeigen.
Zahlen und Werte
- Normalwerte von Leukozyten im menschlichen Blut
Normalwerte häufig benutzt SI-Einheit Erwachsene 4 000 - 10 000 /µl (4-10 /nl) 4 - 10 · 109/l Schulkinder 5 000 - 15 000 /µl (5-15 /nl) 5 - 15 · 109/l Kleinkinder 6 000 - 17 500 /µl (6-17,5 /nl) 6 - 17,5 · 109/l Neugeborene 9 000 - 30 000 /µl (9-30 /nl) 9 - 30 · 109/l Eine die Normwerte übersteigende Anzahl von Leukozyten pro Volumen wird als Leukozytose bezeichnet.
Eine Unterschreitung der Normwerte der Leukozyten pro Volumen wird als Leukopenie bezeichnet.- prozentualer Anteil der Untergruppen an der Gesamtzahl der Leukozyten im Organismus
Leukozytenuntergruppen Anteil in % Monozyten 2 – 8 Lymphozyten 20 - 45 Neutrophile Granulozyten segmentkernig 50 - 70 Neutrophile Granulozyten stabkernig 3 - 5 Eosinophile Granulozyten 2 - 4 Basophile Granulozyten 0 - 1 - auf siebenhundert rote Blutkörperchen kommt unter normalen Bedingungen etwa ein weißes Blutkörperchen
Krankheiten im Zusammenhang mit Leukozyten
Leukämie
Bei den Leukämien verändern sich einzelne Untergruppen der Leukozyten zu Tumorzellen. Am häufigsten betroffen sind die Lymphozyten. Der Entstehungsort der Krankheit ist das Knochenmark, wo die Tumorzellen mit dem Blutstrom in Kontakt kommen und dadurch im ganzen Körper verteilt werden. Durch ihr massenhaftes Auftreten rufen die Tumorzellen Krankheitssymptome in allen Organen hervor. Vor allen Dingen im Knochenmark verdrängen sie die Erythrozyten, normalen Leukozyten und Thrombozyten und hemmen auf diese Weise deren Bildung. Die Betroffenen fallen durch Müdigkeit, Blässe, Blutungsneigung und allgemeines Krankheitsgefühl auf. Gleichzeitig entsteht eine Anfälligkeit für Infektionen, weil die entarteten Leukozyten ihre eigentliche Aufgabe der Immunabwehr nicht erfüllen.
HIV
Das Humane Immundefizienz-Virus vermehrt sich vorwiegend über eine bestimmte Sorte ruhender TH2-Lymphozyten. Durch banale Infektionen werden diese ruhenden Zellen aktiviert, das Virus vermehrt sich und die Zellen gehen zugrunde. Mit der Zeit sinkt die Anzahl der vorhandenen T-Helferzellen bis schließlich die komplette Immunabwehr zusammenbricht, es treten die Symptome des AIDS' auf. Die Erkrankten sterben oft an opportunistischen Infektionen. Ein typisches Beispiel für eine solche Infektion ist eine Lungenentzündung durch Pneumocystis jirovecii, an der gesunde Menschen nur sehr selten erkranken.
Quellen
- Hermann Delbrück: Chronische Leukämien. Stuttgart 2004. ISBN 3-17-018369-9
- Charles A. Janeway jr. u. a. : Immunologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002. ISBN 3-8274-1078-9
- Thomas Lothar (Hrsg.): Labor und Diagnose. Frankfurt am Main 2005. ISBN 3-9805215-5-9
- Arne Schäffler (Hrsg.): Mensch, Körper, Krankheit. München 2001. ISBN 3-437-55091-8
- Dorothea Zucker-Franklin (Hrsg.): Atlas der Blutzellen Funktion und Pathologie. Stuttgart 1990 ISBN 3-437-11299-6
Weblinks
Wikimedia Foundation.