Libussa

Libussa
Přemysl und Libuše
von Josef Václav Myslbek (1881)

Libuše (deutsch Libussa oder Libuscha) ist die mythische Stammmutter der Přemysliden-Dynastie in Böhmen.

Die älteste schriftliche Überlieferung liegt mit der Legende des Benediktinermönches Christian vor, die 992 - 994 im Kloster Břevnov entstand. Nach ihr lebte das heidnische Volk der Tschechen ohne Gesetz und ohne Stadt, wie ein unverständiges Tier, solange bis eine Seuche ausbrach. Auf den Rat einer namenlosen Wahrsagerin gründeten sie die Prager Burg und fanden mit Přemysl einen Mann, der mit nichts als dem Pflügen der Felder beschäftigt war. Diesen setzten sie als Herrscher ein und gaben ihm die Wahrsagerin zur Frau. Diese beiden Maßnahmen befreiten das Land von der Seuche, und alle nachfolgenden Herrscher stammten aus dem Geschlecht des Pflügers.

In der Chronica Boemorum des Cosmas von Prag vom Beginn des 12. Jahrhunderts ist die nun Libuše genannte Wahrsagerin Tochter des Richters Krok und jüngste Schwester der Heilkundigen Kazi und der Priesterin Teta. Sie wird von ihrem Vater als Nachfolgerin im Richteramt bestimmt. Die Hochzeit mit Přemysl ist bei Cosmas die Folge eines mißglückten Schiedsspruchs, nach dem sich der Unterlegene beschwert, dass er sich der Macht einer Frau beugen muss. Die beleidigte Richterin teilt daraufhin dem Volk mit, wo es den neuen Herrscher zu suchen hat und wie er heißt. Nach der Hochzeit mit Přemysl fordert Libuše das Volk auf, Prag zu gründen. Die endgültige Unterwerfung der Frauen findet aber erst nach dem Tod von Libuše in einem Krieg beider Geschlechter statt.

Für eine Deutung der Erzählung als Mythos, der auf indogermanische Traditionen zurückgreift, gibt es Anhaltspunkte in Form von Parallelen in der slawischen, skandinavischen und keltischen Überlieferung. Beide erhaltenen Versionen bezeugen aber vor allem die Verwendung des Stoffes zur Erklärung der Herkunft und des Machtanspruchs der in ihrer Entstehungszeit herrschenden Dynastie der Přemysliden. In der Fassung der Cosmas-Chronik sind außerdem auch Anleihen aus der biblischen Tradition erkennbar.

Die moderne Fassung der Erzählung als Sage ist im 19. Jahrhundert von Alois Jirásek in den „Alten böhmischen Sagen“ (Staré pověsti české) geschaffen worden. Die Gestalt der Libuše war auch Stoff für mehrere Kunstwerke, so für eine Tragödie von Franz Grillparzer (Libussa, 1848), eine Oper von Bedřich Smetana (Libusa, uraufgeführt 1881), einen Roman von Miloš Urban (Pole a palisáda, 2006), und einen historischen Roman von Tereza Vanek (Die Träume der Libussa, 2008).

Literatur

  • Dušan Třeštík: Mýty kmene Čechů. Nakladatelství lidové noviny, 2003, ISBN 80-7106-646-X.

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