Lifeboat

Lifeboat
Filmdaten
Deutscher Titel: Das Rettungsboot
Originaltitel: Lifeboat
Produktionsland: USA
Erscheinungsjahr: 1944
Länge: 96 Minuten
Originalsprache: Englisch
Altersfreigabe: FSK 16
Stab
Regie: Alfred Hitchcock
Drehbuch: John Steinbeck
Jo Swerling
Ben Hecht
Produktion: Kenneth Macgowan
für 20th Century Fox
Musik: Hugo Friedhofer
Kamera: Glen MacWilliams
Schnitt: Dorothy Spencer
Besetzung

Das Rettungsboot (Originaltitel: Lifeboat) ist ein Thriller und Anti-Kriegsfilm von Alfred Hitchcock. Das 1943 gedrehte und 1944 uraufgeführte Werk entstand nach einer Geschichte von John Steinbeck.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Nachdem ein deutsches U-Boot im Zweiten Weltkrieg ein amerikanisches Passagierschiff torpediert hat, treiben neun Reisende und Besatzungsmitglieder in einem Rettungsboot orientierungslos auf dem Atlantik. Kurz darauf fischen sie einen zehnten Schiffbrüchigen aus dem Meer – einen Deutschen namens Willy, nach eigenen Angaben ein Matrose des ebenfalls gesunkenen U-Boots.

Die anfängliche Feindseligkeit gegenüber Willy wandelt sich in vorsichtiges Vertrauen, als dieser einen verwundeten amerikanischen Matrosen versorgt und sich auch sonst als sehr nützlich erweist. Denn als einziger im Boot verfügt er über ausreichende nautische Kenntnisse, um die Schiffbrüchigen sicher zu den Bermuda-Inseln zu navigieren. Durch seine überzeugende Art schläfert Willy das Misstrauen der anderen fast vollkommen ein – bis sich herausstellt, dass er nicht der einfache Matrose ist, als der er sich ausgibt. Und offenbar steuert er statt der Bermudas ein ganz anderes Ziel an.

Die Amerikaner und Engländer im Rettungsboot entstammen ganz unterschiedlichen sozialen Schichten. Sie schwanken ständig in ihrer Haltung gegenüber Willy. Wollen sie ihn anfangs noch über Bord werfen, sind sie bald bereit, ihm ihr Leben anzuvertrauen. In der kleinen Gesellschaft Schiffbrüchiger spiegelt sich die Haltung der großen Gesellschaft gegenüber Faschismus und Nationalsozialismus: Worin die einen ihre Rettung sehen, erkennen die anderen eine tödliche Gefahr.

Hintergründe

Mit "Das Rettungsboot" drehte Hitchcock 1943 nach Der Auslandskorrespondent (Foreign Correspondent, 1940) und Saboteure (Saboteur, 1942) einen dritten Film, der sich mit dem in Europa tobenden Zweiten Weltkrieg beschäftigt. Diesmal lieh David O. Selznick ihn an die 20th Century Fox aus, wo er weitgehend freie Hand hatte. Der Film basiert auf einer alten Idee Hitchcocks, einen ganzen Film auf engstem Raum („in einer Telefonzelle“) spielen zu lassen – stattdessen nun in einem kleinen Rettungsboot auf dem Atlantischen Ozean.

Für die Ausarbeitung wollte Hitchcock zuerst Ernest Hemingway gewinnen, den er 1939 kurz nach seiner Ankunft in Amerika traf und der Hitchcocks Filme sehr mochte. Hemingway bedankte sich für das Angebot, sagte jedoch aus Termingründen ab. Hitchcock schlug nun John Steinbeck vor, der daraufhin einige Szenen und ein Treatment erstellte, dann aber aus dem Projekt ausstieg, da er durch die Begrenzung auf einen einzigen Schauplatz keine Möglichkeit der Entfaltung des Dramas sah. Schließlich wurde das Drehbuch von Jo Swerling geschrieben, die Dialoge wurden jedoch vor dem Drehen von Hitchcock persönlich noch einmal vollständig umgeschrieben. Ben Hecht lieferte schließlich noch ein paar Ideen für die Schlussszene.

Die zentrale These des Films ist die Erkenntnis, dass die Demokratie vom Untergang bedroht ist, solange die Alliierten sich nicht gemeinsam gegen die Tyrannei zur Wehr setzen. Stattdessen würden Uneinigkeit, Eifersüchteleien, Mutlosigkeit und Unentschlossenheit geradewegs in den Untergang führen. Dies versuchte der Film anhand eines Mikrokosmos in einem kleinen Rettungsboot darzustellen. Hitchcock kam es daher darauf an, die unterschiedlichen Charaktere herauszuarbeiten - ihre Handlungsmotive ebenso wie ihre Haltung angesichts drohender, aber ungewisser Gefahr.

Die Spannung, die bis zum Showdown anhält, ergibt sich daraus, dass auch der Zuschauer lange im Ungewissen darüber bleibt, ob Willy ein gutmütiger Mensch oder ein schurkischer Nazi ist. In der Haltung der weiteren Bootsinsassen gegenüber Willy und in ihrem Verhalten untereinander hält der Film der „freien Welt“, deren Handeln von purem Eigennutz bestimmt ist, den Spiegel vor. Als es fast schon zu spät ist, merken die Insassen, dass sie Willy auf den Leim gegangen sind, und werfen ihn über Bord.

Als der Film Anfang 1944 in die Kinos kam, warf man ihm vor, die Übermenschen-Theorie der Nazis zu unterstützen, indem der Deutsche intelligenter, entschlossener und zielbewusster dargestellt wurde als die anderen Personen. Tatsächlich ist die Aussage jedoch klar gegen Hitler-Deutschland gerichtet und eine deutliche Aufforderung an die „freie Welt“, Deutschland entschlossen entgegenzutreten.

In Deutschland lief der Film bis in die 2000er Jahre nur in untertitelter Fassung, weil die Spannung des Films auch auf der sprachlichen Barriere zwischen der englischsprachigen Bootsbesatzung und dem Deutschen Willy aufbaut. Um diese Sprachbarriere zu verdeutlichen, spricht in der deutschen Synchronfassung der deutsche Schiffbrüchige Willy am Anfang seines Auftretens Holländisch.

Kritiken

  • „Der Film wurde sehr kontrovers diskutiert. Manche Kritiker fanden, er sei ein Meisterwerk, während Dorothy Thompson meinte: ‚Ich gebe dem Film drei Tage, um aus der Stadt zu verschwinden‘. Für die einen war der Film ein Stück kommunistischer Propaganda, andere fanden wiederum, er sei ein brillantes Patriotenstück. Hitchcock selbst fand, daß das letztere zutraf. (...) Dank seines Realismus hat der Film die Zeit gut überstanden. Er ist heute noch so überzeugend wie zur Zeit seiner Premiere.“ - Robert A. Harris und Michael S. Lasky in Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4, S. 128
  • „Scharf konturierte Typenporträts und große gestalterische Raffinesse zeichnen den Film aus.“ - Lexikon des Internationalen Films
  • „(...) kammerspielartiger, dramatischer Film um Fragen von Menschlichkeit und Toleranz in Extremsituationen, überzeugend gspielt, auch wenn propagandistische Kompromisse die Wirkung mindern (...).“ (Wertung: überdurchschnittlich) - Adolf Heinzlmeier und Berndt Schulz in Lexikon "Filme im Fernsehen" (Erweiterte Neuausgabe). Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-392-3, S. 676
  • „Psychologisch wie formal-technisch ein Meisterwerk.“ (Hamburger Abendblatt)

Auszeichnungen

  • 1945: Oscar-Nominierungen in den Kategorien „Beste Regie“, „Beste Kamera (schwarzweiß)“, „Bestes Originaldrehbuch“

Cameo

Da der Film vollständig in einem kleinen Rettungsboot auf dem Meer spielt, war es Alfred Hitchcock unmöglich, wie in den meisten seiner anderen Filme, einen kurzen Cameo-Auftritt als Passant oder dergleichen zu haben. Hitchcock machte zur Zeit der Dreharbeiten auch angestrengte Versuche, sein Gewicht von rund 120 Kilogramm auf unter 90 Kilogramm zu reduzieren. So kam ihm die Idee, diese Bemühungen in Rettungsboot festzuhalten: Der Zuschauer entdeckt ihn nämlich in einem Zeitungsinserat für eine Diät – zweimal in voller Körpergröße im Profil, einmal vor der Diät und einmal nachher – mit sichtlichem Erfolg. Laut Hitchcock erhielt er nach Erscheinen des Films hunderte Anfragen nach dem fiktiven Diätpräparat "Reduco". Fast 20 Jahre später erzählte er François Truffaut, seine erste Idee wäre gewesen, als Wasserleiche durchs Bild zu treiben, was aber trotz der an sich nur geringen Gefahren im Studio-Filmbecken verworfen wurde. Tatsächlich sei dies jedoch aufgrund der Thematik und Ernsthaftigkeit des Films nie eine realistische Alternative gewesen. Hitchcock verwirklichte seinen makabren Wunsch schließlich fast 30 Jahre später in Frenzy – wenn auch nur in einem Trailer und in der Totalen von einer lebensgroßen und -echten Puppe „gedoublet“.

Literatur

  • Robert A. Harris, Michael S. Lasky, Hrsg. Joe Hembus: Alfred Hitchcock und seine Filme (OT: The Films of Alfred Hitchcock). Citadel-Filmbuch bei Goldmann, München 1976, ISBN 3-442-10201-4

Weblinks


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