Limerenz

Limerenz
Verliebtheit, dargestellt in Pierre Auguste Cots Abbildung von 1873: Spring

Verliebtheit ist ein intensives Gefühl der Zuneigung zu einem anderen Menschen. Sie wird nach Ansicht von Psychologen von einer Einengung des Bewusstseins begleitet, die zur Fehleinschätzung des Objektes der Zuneigung führen kann. Fehler des anderen können übersehen oder als besonders positive Attribute erlebt werden. Verliebtheit ist kein Dauerzustand, sie besteht als eine Phase über einen längeren oder kürzeren Zeitraum, kann abflauen und sich auflösen oder in Liebe übergehen. Die Gefühle des Verliebtseins können einseitig sein, müssen also nicht erwidert werden. Eine weniger intensive Form der Verliebtheit wird auch als Schwärmerei für eine Person bezeichnet.

In den USA wurde der populärpsychologische Begriff Limerenz für intensive Verliebtheit geprägt.

Inhaltsverzeichnis

Psychologie

Verliebtheit wird in der Sozialpsychologie als ein Phänomen der passionierten Liebe betrachtet und äußert sich durch ein intensives Verlangen nach einer anderen Person, das von körperlichen Symptomen begleitet sein kann. Verliebtheit geht in der Regel auch mit Sehnsucht einher.

Als Hauptgründe für den Vorgang des Sich-Verliebens werden beiderseitige Sympathie und physische Attraktivität genannt. Aron [1] schrieb dazu, es scheine als würden Menschen auf eine für sie attraktive Person warten, um dann etwas zu tun, was sie als „die andere Person mögen“ interpretieren können. Als zusätzliche Faktoren können auch die Ähnlichkeit zu oder die Häufigkeit der Interaktion mit einer anderen Person herangezogen werden. Diese Faktoren mögen in der Zeit bevor man sich verliebt eine Rolle spielen, da sie den Kreis der „akzeptablen“ Personen einschränken. Duck[2] befand, dass der wichtigste Prädiktor romantischer Anziehungskraft physische Attraktivität ist, gefolgt von der eigenen Ähnlichkeit mit der anderen Person. Duck ging davon aus, dass die Qualität der Konversation ebenfalls ein möglicher Prädiktor von romantischer Anziehung sein kann, allerdings ließ sich diese Vermutung experimentell nicht bestätigen, weder bei Männern noch bei Frauen. Somit scheint es, dass physische Attraktivität und Ähnlichkeit weitaus wichtiger sind als der Inhalt von Gesprächen.[3]

Limerenz

Der Begriff Limerenz wurde 1979 eingeführt von Dorothy Tennov, einer amerikanischen Professorin für Verhaltenspsychologie, mit ihrem Buch „Love and Limerence“. [4]Obwohl der Begriff bisweilen mit „Verliebtheit“ übersetzt worden ist, beschreibt er eher das, was auch im Titel der deutschen Taschenbuchausgabe von 1987 steht: Über die romantische Liebe.[5]

Neurobiologie

Angesichts der Komplexität der Gefühle vermuten Wissenschaftler die Beteiligung einer Vielzahl biochemischer Mechanismen an den Stimmungsänderungen zu Beginn einer Verliebtheit. Die Neurobiologie bezüglich dieses Zustandes ist noch wenig erforscht und Forschungsergebnisse schwer interpretierbar.

Bei Verliebten wurden Veränderungen im Körperhaushalt bei Neurotransmittern und Neurohormonen nachgewiesen.

Dopamin

Bedingt durch vermehrte Ausschüttung der Botenstoffe Dopamin (der „Belohnungs-Neurotransmitter“) wird Verliebtheit von den meisten Menschen als außerordentliches Glücksgefühl empfunden. Dopamin-Ausschüttung im Gehirn[6][7] von Verliebten konnte bildlich dokumentiert werden. Das Hochgefühl erleichtert die Vorstellung, sich auf eine lebenslange, monogame Sexualbeziehung einzulassen und die Verantwortung für eine eigene Familie zu bewältigen.[8]

Serotonin

Das als Neurohormon bekannte Serotonin (das „Glückshormon“) ist eigentlich kein Hormon, sondern ein Botenstoff und gilt als „Glücks-Botenstoff“. Bei einem Mangel können Ängste und Depressionen die Folge sein. Laut Kast und Fischer geht Verliebtheit mit niedrigem Serotoninspiegel einher, was paradox erscheinen mag, da Verliebtheit doch Glücksgefühle hervorruft und der Logik folgend eher ein extrem hoher Serotoninspiegel zu vermuten sei. Diesen scheinbaren Widerspruch erklärt die italienische Wissenschaftlerin Donatella Marazziti so, dass Verliebte auf ihr Objekt der Verliebtheit fixiert sind, ähnlich wie bei einer Zwangsneurose. Bei Neurotikern werde eher zu wenig Serotonin im Blut nachgewiesen. Leidenschaftliche Verliebtheit und neurotisches Verhalten scheinen mit diesem Botenstoff einen gemeinsamen Faktor zu haben.[9]

Neurotrophin

Forschungen an der Universität Pavia (2005) ergaben bei frisch Verliebten einen erhöhten Wert des Neurotrophins NGF im Blut, wobei nach einem Jahr keine erhöhten Werte mehr festgestellt worden seien.[10] Experten für Neurotrophin-Forschung an der Ruhr-Universität Bochum (2005) kamen ebenso zu der Vermutung, dass sich die Neurotrophin-Werte beim Verlieben verändern. Neurotrophine („Nervennährstoffe“) sind körpereigene Signalstoffe/Botenstoffe, die zielgerichtete Verbindungen zwischen Nervenzellen bewirken und den Fortbestand neuronaler Verbindungen sichern. Sie tragen zur Gedächtnisbildung bei und spielen beim Aufbau und beim Abbau von neuen Nervennetzen eine große Rolle. Wissenschaftler vermuten, dass sie für die typische Euphorie am Beginn einer Liebesromanze verantwortlich seien. [11]

Dies könnte beispielsweise dazu beitragen, dass Verliebte sich zuweilen in einem Zustand der Unzurechnungsfähigkeit befinden, sich zu irrationalen Handlungen hinreißen lassen und Hemmschwellen abbauen.

Oxytocin

Bei Verliebten wurden erhöhte Werte des Hormons Oxytozin (Hormon für die „Basis des Vertrauens“, auch „Schmusehormon“) nachgewiesen. Soziale Interaktionen im allgemeinen und die Entwicklung von engen zwischenmenschlichen Bindungen unterliegen seinem Einfluss, soziale Hemmschwellen werden herabgesenkt und das Vertrauen[12] erhöht. Es hat eine wichtige Bedeutung zwischen Geschlechtspartnern beim Sex, eine wesentliche Bedeutung beim Geburtsprozess und beeinflusst das Verhalten zwischen Mutter und Kind. [13][14]

Testosteron

Forschungsergebnisse aus Befragungen in verschiedenen Kulturen ergaben, dass Frauen einen Mann suchen, der ein fürsorglicher Vater und treuer Partner ist und gleichzeitig sollen seine Gene eine hohe Qualität haben. Aus dem Blickwinkel der hormonellen Wirkungsweise sind dies widersprüchliche Eigenschaften, da tendenziell ein hoher Testosteronspiegel als Zeichen für Stärke und Gesundheit gilt, einen Mann jedoch aggressiv und flatterhaft macht. [15]

Italienische Wissenschaftler entdeckten, dass die Konzentration des männlichen Geschlechtshormons Testosteron im Blut bei verliebten Männern sinkt, während sie bei verliebten Frauen steigt. Das Ausschalten störender Unterschiede zwischen Mann und Frau könne ein harmonisches Miteinander zum Zweck haben, um zu sichern, dass aus der Verbindung Nachwuchs entstehe, vermuten die Wissenschaftler. Bei Wiederholungsmessungen nach ein oder zwei Jahren hatte sich der Hormonspiegel bei den Testpersonen wieder normalisiert.[16]

Partnerwahl

Untersuchungen am Max-Planck-Institut mit Tieren erbrachten unter anderem Hinweise über einen Zusammenhang zwischen dem individuellen Immunsystem eines Lebewesens und der Partnerwahl. Über den Geruchssinn (olfaktorische Wahrnehmung) kann genetische Individualität und Verschiedenheit erfasst und bewertet werden. Dies scheint ein konservierter Mechanismus der Evolution zu sein, der durch die Wahl des geeigneten Partners den Nachkommen eine möglichst gute Überlebenschance bietet.[17]

Das bedeutet für den Menschen, dass der Geruchssinn entscheidend daran beteiligt sein könnte, ob und in wen wir uns verlieben. Es ist nicht auszuschließen, dass auch der Mensch in der Lage ist, ohne dass er sich dessen bewusst wird, über den Eigengeruch eines anderen Menschen zu erkennen, wie dessen Immunsystem beschaffen ist. Damit für die Nachkommen durch Vererbung ein wehrhaftes Immunsystem möglich wird, ist es von Vorteil, dass beide Partner ein sehr verschiedenes Immunsystem haben. Sie sollten möglichst gegensätzlich (komplementär) ausfallen, damit deren Kombination beim Kind einen weiten Bereich abdecken kann.

siehe Hauptartikel Partnerwahl

Biologie

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Biologisch muss das Phänomen so gedeutet werden, dass es zur Vorbereitung auf den sexuellen Bestandteil des Lebens dient und mit einiger Sicherheit auch bei anderen Tierarten stattfindet. (Man denke an die „Kopflosigkeit“ einiger heimischer Tierarten während der Brunstzeit.) Ethophysiologisch scheint es Bestandteil der umstrittenen „Black Box“ im Zwischenhirn zu sein, die die vielfältigen Lebensäußerungen des Lebewesens auf neurale und neuroendokrine Art und Weise steuert. Entsprechend zu dem geringen Bewusstheitsanteil, dem diese archaischen Instanzen des Gehirns unterliegen, empfindet mitunter der betroffene Mensch, über den etwas gleichermaßen Unheimliches wie Schönes hereinbricht, dem er ausgeliefert scheint.

Vegetative Symptome

Dementsprechend macht sich die Verliebtheit in körperlichen Phänomenen bemerkbar, die alle dem vegetativen System zuzuordnen sind. So fühlen sich Betroffene anfangs oft fast krank, weil sie an Appetitlosigkeit, schweißigen Händen, rasendem Puls und teilweise auch an Schlaflosigkeit leiden. Die Gedanken des Verliebten kreisen fast ununterbrochen um die geliebte Person. Durch diesen Stresszustand, der anscheinend sogar das Immunsystem stärken soll, kann es auch kommen, dass die Betroffenen vorübergehend ebenfalls unter Verdauungsproblemen, wie Durchfall leiden. Obwohl dieser Zustand am Anfang eher beängstigend als erfreulich wirkt, wird, sobald sich herausstellt, dass die Verliebtheit auf Gegenseitigkeit beruht, das Ganze als sehr positive Erfahrung gewertet.

Ethnologie

Bei den Makassar-Stämmen wird Verliebtheit mit allen ihren körperlichen Nebenwirkungen als typisches Phänomen der Jugend, sogar als Krankheit angesehen. Betroffene sind überzeugt, deswegen dringend einen Heiler für eine Therapie dagegen aufsuchen zu müssen. Liebe dagegen in der im „westlichen Kulturkreis“ bekannten Form kommt nicht vor, dagegen gibt es unter Paaren eine eigene Art wohlwollenden Respekts. [18]

Literatur

  • Gary Chapman: Die fünf Sprachen der Liebe. ISBN 3-86122-621-9.
  • Helen Fisher: Warum wir lieben. Patmos Verlag, 2005
  • Helen Fisher: Anatomie der Liebe. Droemer Knaur Verlag, 1993
  • Gabriele Froböse, Rolf Froböse Lust und Liebe - alles nur Chemie? Wiley-VCH; Auflage: 1 (Juni 2004) ISBN 3527308237
  • Manfred Hassebrauck und Beate Küpper: Warum wir aufeinander fliegen. Rowohlt 2002. ISBN 3-499-61347-6.
  • Bas Kast: Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt. S. Fischer 2004. ISBN 3-10-038301-X.

Weblinks

Quellen

  1. Aron, A.; Dutton, D.G.; Aron, E.N.; Iverson, A. (1989). Experiences of falling in love. Journal of Social and Personal Relationships, 6, 140-160.
  2. Duck, S.W. (1994).Meaningful relationships: Talking, sense, and relating. Thousand Oaks, CA: Sage.
  3. Aronson, E.; Wilson, T. D. & Akert, R. M. (2004). Sozialpsychologie (4.Aufl.). München: Pearson Studium, ISBN 3-8273-7084-1
  4. Dorothy Tennov: Love and limerence. The experience of being in love. Stein and Day, New York 1979, ISBN 0-8128-2328-1. Deutsche Übersetzung von Wolfgang Stifter u.d.T. Limerenz : über Liebe und Verliebtsein. Kösel, München 1981, ISBN 3-466-34050-0
  5. Dorothy Tennov: Über die romantische Liebe. Deutsch von Wolfgang Stifter. Heyne Verlag. München 1987, ISBN 3-453-00625-9
  6. Florian Rötzer 2005 Der Stoff zum Verlieben
  7. Hubert Erb 2004 Die Dumping-Preise eines liebeskranken Gehirns
  8. BNV-Bamberg 2003 Glück
  9. Gabriele und Rolf Froböse Lust und Liebe – alles nur Chemie? Wiley-VCH, Juni 2004, ISBN 3-527-30823-7
  10. ScienceDirect/ Zeitschrift:Psychoneuroendocrinology, Enzo Emanuelea et al 2005 Raised plasma nerve growth factor levels associated with early-stage romantic love University of Pavia, Pavia, Italy
  11. Psychologie Heute, 5. Dezember 2005
  12. Stephan Schleim 2005 Die Basis des Vertrauens
  13. Uvnäs-Moberg K., Arn I., Magnusson D., The psychobiology of emotion: the role of the oxytocinergic system, Int J Behav Med 2005, 12, 59-65.
  14. unipublik Roger Nickl 2007 DOSSIER HORMONE. Oxytocin (Psychologisches Institut UNI-Zürich)
  15. Bas Kast Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt. Fischer-Taschenbuch, Frankfurt 2006, ISBN 3-596-16198-3
  16. Wissenschaft.de 2004 Liebe macht Männer weiblicher – und Frauen männlicher
  17. Boehm, Thomas 2005 Qualitätskontrolle im Immunsystem. (Steuerung der Partnerwahl) Max-Planck-Institut für Immunbiologie, Freiburg, Beteiligte Abteilungen: Entwicklung des Immunsystems
  18. Sendung „Studiozeit“, 2. Juni 2005, Deutschlandfunk

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