- Lingua Franka
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Als Lingua Franca (ital. für „fränkische Sprache“) bezeichnet man:
- in der ursprünglichen und engeren Bedeutung eine bestimmte Pidgin-Sprache auf romanischer Basis, die im Mittelalter durch den Sprachkontakt zwischen Romanen und Sprechern nichtromanischer Sprachen, insbesondere des Arabischen, entstand und als Handels- und Verkehrssprache bis ins 19. Jahrhundert vorwiegend an der Süd- und Ostküste des Mittelmeers verbreitet war.
- in der erweiterten Bedeutung jede andere Sprache, die zwischen den Sprechern verschiedener Sprachgemeinschaften als Verkehrssprache verwendet wird (so wie etwa Latein, Französisch und Englisch in der europäischen Geschichte[1]) und dabei aufgrund ihrer sekundärsprachlichen Verwendungen gewissen Veränderungen und Vereinfachungen, aber nicht notwendig auch einer Pidginisierung unterliegt.
Der folgende Artikel behandelt nur die romanisch basierte Pidgin-Sprache Lingua Franca, zur weiteren Bedeutung des Terminus siehe den Artikel Verkehrssprache.
Inhaltsverzeichnis
Schreibung und Pluralbildung
Im Deutschen üblich ist die Großschreibung "Lingua Franca" oder auch die gemischte Schreibweise "Lingua franca". Wenn der Begriff in der erweiterten Bedeutung gebraucht und dann der Plural benötigt wird, bildet man diesen im Deutschen gemäß der italienischen Wortherkunft in der Form "die Lingue Franche", oder auch nach englischem Vorbild in der Form "die Lingua Francas". Vergleichsweise selten tritt im Deutschen als Pluralform auch die ebenfalls aus dem Englischen übernommene Form "die Linguas Francas" auf.
Romanisch basierte Lingua Franca
Italienisch „franco, franchi“, ursprünglich Bezeichnung für (Nord-)Italiener und Franzosen, wurde durch die Kreuzzüge und das lateinisch-fränkische Reich in Byzanz in der Bedeutung erweitert zu „Westeuropäer, Abendländer, Katholik(en)“ und in dieser Bedeutung von Arabern, Türken, Griechen, Persern, Slawen und Rumänen übernommen. Die Bezeichnung „lingua franca“ scheint nach dem Arabischen in Andalusien geprägt worden zu sein, wo durch den Geographen Ibn Khurradadbih belegt ist, dass Lingua Franca (al lugha al-ifranjiyya) gegen Spanisch (andalusiyya) und Griechisch (rumiyya) abgegrenzt wurde. Als alternative Bezeichnung ist seit dem 19. Jahrhundert der vermutlich unter französischem Einfluss in Algerien entstandene Ausdruck „(langue) sabir“ verbreitet (Erstbeleg 1859, abweichend schon bei Molière) sowie, seltener, „petit mauresque“ (Erstbeleg 1830). Bei „lingua franca“, „parlare franco“, „sapere franco“ und den Entsprechungen besonders in griechischen Quellen ist je nach dem Abgrenzungskontext und in Analogie zur allgemeinen Bedeutungsentwicklung von „franco, franchi“ auch mit abweichenden Bedeutungen wie „Französisch“, „Italienisch“ oder „westliche Sprache“ zu rechnen.
Bei der Lingua Franca handelt es sich nicht um eine Mischsprache oder verunstaltete Einzelsprache oder von Sprecher zu Sprecher sich veränderndes Radebrechen, sondern um ein echtes Pidgin auf romanischer Basis mit arabischen, türkischen, persischen, griechischen und slawischen Einflüssen, das in seinem lexikalischen Grundbestand und seiner grammatischen Struktur trotz seiner weiten Verbreitung und jahrhundertelangen Verwendung eine bemerkenswerte Geschlossenheit aufweist. Die in mancher Literatur verbreitete Behauptung, dass die Basis ein zwischen Genua und Marseille gesprochenes Provenzalisch gewesen sei, ist linguistisch falsch und auch aus geschichtlich-geographischen Gründen nicht haltbar. Die Lingua Franca ist dabei eine Sekundärsprache geblieben, hat sich also nicht zu einer als Muttersprache übernommenen Kreolsprache weiterentwickelt. Die Bedingungen für den Gebrauch waren Handelskontakte, militärische Kontakte, vermischte Siedlung und -- von nicht zu unterschätzender Bedeutung -- Piraterie und die Präsenz von romanischen Sklaven in arabisch/türkischem und griechischem Sprachgebiet. Ob oder in welchem Maße Romanen die Lingua Franca auch untereinander als Verkehrssprache gebrauchten, ist auf Grundlage der erhaltenen Quellen nicht sicher zu entscheiden.
Die Lingua Franca ist in den Quellen durch metasprachliche Beschreibungen z.B. in Reiseberichten, durch Zitate und durch fachsprachliche Termini z.B. in der nautischen Sprache bezeugt, fand auch vereinzelt für literarische Texte (den anonymen Contrasto della Zerbitana von 1284/1305, Gigio Artemio Giancarlis La Zigana, gedruckt 1548, in geringerem Umfang u.a. auch bei Fazio degli Uberti, Goldoni, Molière, Calderón, Lope de Vega) Verwendung, hat sich jedoch nicht als Schriftsprache etabliert. Entsprechend schwierig sind die Bedingungen für die Untersuchung ihrer genaueren geschichtlichen Entwicklung und geographischen Differenzierung. Bei der letzteren kann man zumindest ansatzweise bei den Belegen für Nordafrika eine vorherrschend spanische Basis im westlichen Nordafrika und eine vorherrschend italienische Basis im östlichen Nordafrika feststellen, die bei Algier zusammentreffen. Im Zusammenhang mit der Eroberung Algeriens durch die Franzosen wurde die dortige Lingua Franca durch den verstärkten französischen Sprachkontakt und durch Handbücher wie das Dictionnnaire de la langue franque ou petit mauresque (Marseille 1830) französisiert, blieb jedoch als solche bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch in Gebrauch.
Siehe auch
Anmerkungen
- ↑ Vgl. Joachim Grzega: "Latein - Französisch - Englisch: Drei Epochen europäischer Sprach- und Wortschatzgeschichte", in: Grzega, Joachim, EuroLinguistischer Parcours: Kernwissen zur europäischen Sprachkultur, Frankfurt: IKO, S. 73-114. ISBN 3-88939-796-4.
Literatur
- Guido Cifoletti: La lingua franca barbaresca. Il Calamo, Rom 2004 (= Lingue, culture e testi, 7), ISBN 88-88039-71-6
- Christian Foltys: Die Belege der Lingua Franca. in: Neue Romania 1 (1984), S. 1-37; katalan. Übs. La lingua franca, consideracions crítiques, mit einer Einleitung und Anmerkungen von Carles Castellanos, Documenta Universitaria, Girona 2006 (= Vademecum, 1; ISBN 84-93495-99-9)
- Laura Minervini: La lingua franca mediterranea. Plurilinguismo, mistilinguismo, pidginizzazione sulle coste del Mediterraneo tra tardo medioevo e prima età moderna. In: Medioevo Romanzo 20 (1996), S. 231-301
Weblinks
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