Anti-Zionismus

Anti-Zionismus
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Antizionismus bezeichnet politische und religiöse Ansichten, die sich gegen den Zionismus und den Staat Israel richten. Sie sind verschieden motiviert und begründet und nicht an bestimmte Parteien und Ideologien gebunden.

Europäischer Antisemitismus nach 1945 ist in der Regel ebenso durchgehend antizionistisch wie der Islamismus und der Antisemitismus in islamischen Ländern. Viele Antizionisten betonen den Unterschied ihrer Überzeugung zum Antisemitismus, während ihre Kritiker Gemeinsamkeiten beider Ideologien betonen.

Inhaltsverzeichnis

Jüdische Gegner des Zionismus

Der Zionismus, die jüdische Nationalbewegung, war nie einheitlich; in ihm gab es stets heftige Konflikte sowohl um die künftige Gestalt des angestrebten Judenstaates als auch um den besten Weg, ihn zu erreichen. So vertraten erhebliche Teile der zionistischen Bewegung bis 1947 und darüber hinaus das Konzept eines binationalen Staates mit gleichen Rechten für in Palästina ansässige Araber und Juden. Erst seitdem alle arabischen Staaten den UN-Teilungsplan für Palästina 1947 ablehnten, setzte sich in der Zionistischen Weltorganisation das Konzept eines mehrheitlich jüdischen Staates, der nach seiner Gründung einen Interessenausgleich mit den Palästinensern und Arabern anstreben solle, durch.

Die meisten europäischen Juden lehnten den Zionismus bis etwa 1938 ab, da er ihren Zielen der Emanzipation, innerstaatlichen Gleichberechtigung und sozialen Integration von Juden in die europäischen Zivilgesellschaften widersprach und deren Unerreichbarkeit voraussetzte. Sie kritisierten die Übereinstimmung der Ziele von Zionisten und Antisemiten, die einer Vertreibung aller Juden aus Europa entgegenkomme.

Liberale Juden sahen sich als Bürger ihrer Nationalstaaten mit gleichberechtigter Konfession, vergleichbar mit Protestanten und Katholiken. Sie strebten nach voller Anerkennung in den vom Christentum dominierten Gesellschaften und zeichneten sich daher oft durch besonderen Patriotismus aus. Dabei lehnten sie weder eine Ansiedelung osteuropäischer Juden in Palästina noch eine gesamtjüdische Solidarität ab, aber den zionistischen Standpunkt, dass Juden eine „Nation in den Nationen“ seien. Denn dieses Bild vertraten auch die Volkstums-Ideologen, um Juden auszugrenzen und ihnen die vollen Staatsbürgerrechte zu verweigern. Im Deutschen Reich wandte sich etwa der 1893 gegründete liberale Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens (CV) dagegen, dass die Zionisten die Bindung an das Land Israel als Hauptkennzeichen des jüdischen Glaubens ansahen.

Teile des orthodoxen Judentums empfinden die Schaffung eines jüdischen Staates als Gotteslästerung und Bruch der Tora. Nur Gott könne die Juden aus der Diaspora befreien, worauf sie bis zur Ankunft des Messias nur warten könnten. Um den Siedlervereinen der Chowewe Zion („Zionsfreunde“) mit solchen theologischen Argumenten entgegenzutreten, gründete sich 1912 in Kattowitz die Agudat Jisra’el. Heute vertreten die Satmar und Neturei Karta eine ähnliche Haltung.

Teile der israelischen Linken lehnen den Zionismus auch seit Israels Staatsgründung ab. Moshe Zuckermann etwa vertritt einen Post-Zionismus und eine Ein-Staaten-Lösung des Nahostkonflikts. Er geht davon aus, dass Israel entweder demokratisch bleibt, dann aber den israelischen Palästinensern volle Rechte zugestehen muss und in absehbarer Zeit kein mehrheitlich jüdischer Staat mehr sei, also damit auch kein zionistischer Staat. Oder Israel verhalte sich undemokratisch und gerate dadurch in einen inneren Konflikt, an dem es zerbreche. Eine ähnliche Position vertritt der israelische Publizist und Gründer von Gush Shalom Uri Avnery. Die meisten Postzionisten wollen den Staat Israel nicht abschaffen und bestreiten nicht sein Existenzrecht.

Bekannte jüdische Zionismuskritiker außerhalb Israels sind Noam Chomsky und Norman Finkelstein in den USA.

Arabisch-islamischer Antizionismus

Der arabische Antizionismus wurzelt im Panarabismus, dessen Vertreter nach dem Ersten Weltkrieg gegen die von Großbritannien erlaubte Besiedlung Palästinas durch jüdische Siedler vorgingen. Dies führte in den 1930er Jahren zu mehrfachen Aufständen und Pogromen an palästinischen Juden. Der Großmufti Mohammed Amin al-Husseini verbündete sich mit den Nationalsozialisten, lieferte jüdische Einwanderer an den Holocaust aus und erhielt ihre Erlaubnis zur späteren Judenvernichtung in Palästina.

Seit 1948 bekämpften die arabischen Staaten das von den Vereinten Nationen verbriefte Existenzrecht Israels. Sechs arabische Staaten eröffneten den Palästinakrieg gegen Israel direkt nach dessen Staatsgründung, um den jüdischen Staat zu vernichten. Im Kriegsverlauf flohen etwa 710.000 palästinische Araber aus ihren Wohngebieten oder wurden von israelischem Militär vertrieben; zugleich wurde fast die gesamte jüdische Bevölkerung aus den meisten arabischen Staaten vertrieben.

Seit 1993 erkannten die meisten Staaten der Arabischen Liga Israel jedoch de facto an und haben diplomatische Beziehungen zu ihm aufgenommen. Doch auch in diesen Staaten gibt es oft starke islamistische Oppositionsgruppen wie die Muslimbruderschaften, die die Anerkennung Israels ablehnen und ihre Regierungen deshalb bekämpfen. Syrien und Iran haben Israel bis heute nicht anerkannt, der Iran drohte unter der jetzigen Regierung Mahmud Ahmadinedschad sogar mehrfach mit der Vernichtung Israels.

Nach dem Sechstagekrieg 1967 bildeten sich Palästinensergruppen, von denen die 1988 gegründete Hamas, der Islamische Dschihad und die libanesische Hisbollah die Zerstörung Israels anstreben und offen propagieren. Die 1964 gegründete PLO verfolgte bis 1993 ebenfalls dieses Ziel. Die islamistischen Gruppen werden von den Regierungen Syriens und des Iran finanziell, militärisch und ideologisch unterstützt. Um ihren auch auf Mittel des Terrors zurückgreifenden Kampf gegen Israel zu begründen, verweisen sie u.a. auf die israelische Besetzung von Teilgebieten Palästinas, Israels dortige Siedlungspolitik, ein fehlendes Rückkehrrecht für Flüchtlinge, die Annexion Ostjerusalems, die Absperrung ihrer Gebiete und Israels militärische Maßnahmen gegen sie.

Der Antizionismus ist heute besonders in den islamischen Staaten und vielen Dritte-Welt-Staaten verbreitet und enthält oft Elemente des europäischen Antisemitismus. Dennoch gibt es kritische Gegenbewegungen im arabischen Raum. Kurden im Nordirak als auch iranische Oppositionelle und Kommunisten sind oft prozionistisch eingestellt.

Sowjetischer Antizionismus

Die Sowjetunion gehörte nach 1945 zu den stärksten Befürwortern des UN-Teilungsplans für Palästina, also der Gründung Israels als eines jüdischen Staates und eines davon getrennten Palästinenserstaates. So erinnerte der damalige sowjetische UN-Botschafter Andrej Gromyko am 14. Mai 1947 vor der UNO an den Holocaust und die Leiden der ihn überlebenden Juden. Dass kein europäischer Staat die Juden vor den Nationalsozialisten habe schützen können und wollen, gebe ihnen alles Recht auf einen eigenen Staat. Im November ergänzte er: Der von der UNO vorgeschlagene Teilungsplan sei im Interesse der arabischen Palästinenser. Sofort nach seiner Staatsgründung 1948 erkannte die Sowjetunion Israel an.

Bei den Säuberungen unter Josef Stalin kam es auch zu Kampagnen gegen jüdische Amtsträger, die auch antisemitische Motive aufgriffen und etwa von Juden als „Wurzellosen Kosmopoliten“ und einer jüdischen „Ärzteverschwörung“ sprachen und dabei den Verfolgten unter anderem auch Zionismus vorwarfen. Seit dem Suezkrieg 1956 ordnete sie den Zionismus als eine Form von bourgeoisem Nationalismus ein und bekämpfte ihn, indem sie die arabischen Staaten der Region - besonders Ägypten unter Gamal Abdel Nasser - ideologisch und militärisch gegen Israel unterstützte.

1983 stellte sich in Moskau das Antizionistische Komitee der sowjetischen Öffentlichkeit vor. Der Zionismus sei eine „gefährliche Abart der bürgerlichen Ideologie“, weil sie den „Anspruch der nationalen Exklusivität, des auserwählten Volkes“ beinhalte. Seit dem Einmarsch Israels in den Libanon 1982 sei deutlich geworden, dass der Zionismus „die Ideen und Methoden des Hitlerfaschismus wiederbelebt“ und seine Verbrechen denen der Nazis glichen.[1]

Siehe auch: Geschichte der Juden in Russland

Antizionismus in den Vereinten Nationen

Nach dem Sechstagekrieg erreichte die Arabische Liga bei der UNO einige antiisraelische Resolutionen, die von einer Staatenmehrheit befürwortet wurden. 1975 verabschiedete die UN-Vollversammlung die UN-Resolution 3379, die Zionismus als eine Form des Rassismus verurteilte und alle Staaten aufrief, ihn zu bekämpfen. Alle Ostblockstaaten, alle islamischen Staaten und die meisten blockfreien Staaten stimmten für diese Resolution, nur 25 Staaten stimmten dagegen. Der spätere UN-Generalsekretär Kofi Annan bezeichnete dies 1998 als Tiefpunkt in der Geschichte der Vereinten Nationen.[2] 1991 nahm die UN-Vollversammlung die Resolution zurück.

Bei der dritten Weltrassismuskonferenz der UNO in Durban, Südafrika, vom 31. August bis 8. September 2001 versuchten die arabischen und islamischen Staaten erneut, Zionismus als Rassismus anzuprangern. Nach dem vorübergehenden Auszug der Vertreter Israels und der USA kam eine gemeinsame Abschlusserklärung zustande, die diese Verurteilung vermied, aber dem Nahostkonflikt unter dem Thema Rassismus eigene Passagen widmete. Sie erinnerte daran, dass der Holocaust nie vergessen werden dürfe (Punkt 51) und erkannte das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung „ohne fremde Besatzung“ (63) und „Rückkehr in ihre Heimat“ (65) sowie das Recht aller Staaten der Region „einschließlich Israels“ auf „Sicherheit“ (63) an.[3] Syriens Versuch, statt Zionismus Kolonialismus mit Rassismus gleichzusetzen, wurde abgelehnt.[4] Eine Resolution von 3.000 parallel tagenden Nichtregierungsorganisationen vom 3. September 2001 verurteilte Israel als Apartheidsstaat.[5]

Christlicher Antizionismus

Die europäischen Großkirchen und viele der Freikirchen vertraten bis 1945 fast durchgehend eine Substitutionstheologie, die die Enterbung des erwählten Gottesvolkes Israel und Ersetzung durch die Kirche behauptete, weil Juden Jesus Christus als Messias mehrheitlich abgelehnt hatten. Die biblischen Land-, Volk- und Zukunftsverheißungen an Israel seien seit der Kreuzigung Jesu, an der die Juden kollektiv und ewig schuldig seien, auf die Kirche übergegangen. Eine nationale und territoriale Zukunft könne das Judentum deshalb nicht haben.

Auf dem Hintergrund dieses traditionellen Antijudaismus lehnte die Römisch-Katholische Kirche ebenso wie die meisten evangelischen Kirchen Europas den Zionismus und sein Ziel eines Judenstaates in Palästina von Beginn an als gegen den Willen Gottes gerichtetes säkulares Vorhaben ab. Theodor Herzl berichtete von einer Privataudienz bei Pius X. im Januar 1904, der Papst habe ihm zur Besiedlung Palästinas gesagt: Sanktionieren können wir das niemals. Die Kirche werde die Juden im Heiligen Land mit Missionaren empfangen.

Erst mit dem Aufschwung nationaler und internationaler Missionsgesellschaften entstand der christliche Zionismus, der in der Umsiedlung der Diasporajuden nach Palästina eine mögliche „Lösung der Judenfrage“ sah. Auch er ging meist von antijudaistischen Prämissen einer Minderwertigkeit des Judentums aus.

Der christliche Antijudaismus wurde seit 1945 durch intensive Neubesinnung in der christlichen Theologie Europas und Nordamerikas allmählich zurückgedrängt, bestimmt aber weiterhin große Teile der kirchlich geprägten Bevölkerungen dieser Regionen. Seit 1993 erkennt der Vatikan das Existenzrecht Israels an und hat diplomatische Beziehungen zu ihm aufgenommen. In den Kirchen arabischer und fernöstlicher Staaten gibt es weiterhin starke antizionistische Strömungen.

Antizionismus bei linksgerichteten Gruppen

Seit Gründung der PLO 1964, die ihren arabisch-palästinensischen Nationalismus mit dem Marxismus-Leninismus verknüpfte, und vor allem seit dem Sechs-Tage-Krieg 1967, der mit israelischen Gebietseroberungen endete, solidarisieren sich viele linksgerichtete Gruppen mit den Palästinensern gegen Israel. Dieses betrachteten sie nun als Statthalter und Brückenkopf des US-Imperialismus im Nahen Osten. Damit ordneten sie den Nahostkonflikt in ihr antagonistisches Weltbild des überlegenen, von den USA geführten Kapitalismus auf der einen, der unterlegenen um Befreiung kämpfenden Völker der Dritten Welt auf der anderen Seite ein.[6]

Viele Gruppen, die einen Antiimperialismus vertraten, lehnten den Staat Israel als solchen ab und unterstützten auch palästinensische Terroranschläge gegen ihn. Die Rote Armee Fraktion lobte die Geiselnahme von neun israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 1972 in München durch die Gruppe „Schwarzer September“ als wegweisenden Antifaschismus. In ihrer Erklärung dazu sprach sie von „Israels Nazi-Faschismus“ und vom „Ausrottungskrieg“ Israels gegen die Palästinenser unter dem „Himmler Israels“ (Mosche Dayan). Indem die israelische Regierung die Forderungen der Geiselnehmer zu erfüllen verweigerte, habe sie ihre Sportler „verheizt wie die Nazis die Juden“.[7]

Auch die Revolutionären Zellen sprachen in ihren Bekennerschreiben 1978/79 vom „faschistischen Genozid am palästinensischen Volk“ und vom „Holocaust an den Palästinensern“. Sie nannten als künftige Anschlagsziele in Deutschland „zionistische Zentralen etwa wie die jewish agency, die von hier aus die israelische Siedlungspolitik strategisch plant und vorbereitet oder der jüdische Nationalfond, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, über ein engmaschiges Netz von Spenden und Stiftungen, in das sämtliche Juden integriert sind, jedes Jahr Millionenbeträge nach Israel zu transferieren, um damit die Errichtung von zionistischen Wehrdörfern und -siedlungen zu finanzieren.“ Die dort lebenden Familien dienten den Zionisten als lebende Schutzschilde, um Notwehranschläge der Palästinenser „nach uralter und bewährter zionistischer Strategie als ‘antisemitische Ausfälle’ denunzieren zu können“. Der Kampf gegen den Zionismus sei jedoch „der entschiedenste Kampf gegen jeglichen Antisemitismus. Denn genauso wie er die faschistischen Verbrechen bekämpft, bekämpft er die Verbrechen des israelischen Staates an den Palästinensern, die selbst Semiten sind.“[7]

Kritik

Allgemein

Laut Seymour Martin Lipset entgegnete Martin Luther King einem Studenten, der Zionisten hart kritisiert hatte, 1968:[8]

„Don't talk like that! When people criticize Zionists they mean Jews. You are talking anti-Semitism.“

Sonstige Aussagen Kings zum Antizionismus sind unbekannt und nicht schriftlich dokumentiert. Mündlich bezeugt ist lediglich eine Aussage Kings, dass Frieden für Araber und Israelis eine wichtige Aufgabe sei und Israels Existenzrecht und territoriale Integrität gesichert werden müsse. Ein oft zitierter Brief an einen antizionistischen Freund ließ sich nicht belegen und ist wahrscheinlich gefälscht.[9]

Jean Améry betrachtete den elitären Antizionismus der Linken als banalen Antisemitismus. Er sagte 1969 öffentlich:[10]

„Der Antisemitismus war einst der Sozialismus der dummen Kerle. Heute steht er im Begriff, ein integrierender Bestandteil des Sozialismus schlechthin zu werden, und so macht jeder Sozialist sich selber freien Willens zum dummen Kerl. Der Antisemitismus ist wieder ehrbar geworden, aber es gibt keinen ehrbaren Antisemitismus!“

Der Literaturhistoriker Hans Mayer schrieb 1975 in seinem Hauptwerk „Außenseiter“:[11]

„Wer den „Zionismus“ angreift, aber beileibe nichts gegen „die Juden“ sagen möchte, macht sich und anderen etwas vor. Der Staat Israel ist ein Judenstaat. Wer ihn zerstören möchte, erklärtermaßen oder durch eine Politik, die nichts anderes bewirken kann als solche Vernichtung, betreibt den Judenhaß von einst und von jeher.“

Henryk M. Broder wies 1976 auf einen als Antizionismus getarnten Antisemitismus bei vielen linksgerichteten Gruppen hin. Er richte sich wie der klassische Antisemitismus als Ressentiment in Form der Bekämpfung Israels gegen die Existenz von Juden. Er müsse stärker beachtet werden als ewiggestrige Außenseiterpositionen einiger versprengter Rechtsextremisten.[12] Broders Buch Der ewige Antisemit von 1986 erweiterte seine Kritik auf Teile der deutschen Friedensbewegung und den Umgang vieler etablierter Medien mit dem Nahostkonflikt. Broder zufolge erfüllt Antizionismus heute dieselbe soziologische Funktion, die bis zum Holocaust der „ehrbare Antisemitismus“ erfüllt habe: Er gebe latenten Judenfeinden Gelegenheit, sich als Fürsprecher unterdrückter Minderheiten - der Palästinenser - darzustellen und damit ihre Judenfeindschaft offen auszuleben. Dabei spiele ein unbewusstes Bedürfnis nach Schuldverschiebung eine große Rolle. Indem Antizionisten sich rhetorisch für die „Opfer der Opfer“ einsetzten, setzten sie die Opfernachfahren des Holocaust mit dessen Tätern gleich, um so letztlich als Täternachfahren selbst die Opferrolle einzunehmen und sich von einer empfundenen Kollektivschuld am Holocaust zu entlasten. Dabei ersetzten sie alte antisemitische Klischees durch neue: Anstelle einer jüdischen Rasse bekämpften sie den jüdischen Nationalismus, um so den Staat Israel und damit die Hoffnung aller Juden auf geschützte Existenz nach dem Holocaust zu treffen.[13]

Der französische Philosoph Alain Finkielkraut schrieb 1982 im Zusammenhang der Reaktionen auf den ersten Libanonkrieg Israels:[14]

„Der doktrinäre Antisemitismus hätte kaum fortbestehen können, ohne sich einen neuen Namen zu geben, aber das eben hat er getan. Und diese Ersetzung des Juden durch den Zionisten ist mehr als nur ein rhetorischer Kunstgriff. Was sich darin anzeigt, ist eine sehr bezeichnende Mutation des totalitären Denkens: Heutzutage werden keine Völker mehr verfolgt, sondern Ideologien, es gibt keine Untermenschen mehr, sondern nur noch Handlungen des Imperialismus.“

Der Deutsche Bundestag erklärte am 4. November 2008 aus Anlass des 70. Jahrestages der „Reichskristallnacht“:[15]

„Grund zur Sorge gibt, dass Antisemitismus in allen Schichten der Bevölkerung zu finden ist. Oft geht er mit Antiamerikanismus und Antizionismus einher. Die Solidarität mit Israel ist ein unaufgebbarer Teil der deutschen Staatsräson. Wer an Demonstrationen teilnimmt, bei denen Israelfahnen verbrannt und antisemitische Parolen gerufen werden, ist kein Partner im Kampf gegen den Antisemitismus. Die Solidarisierung mit terroristischen und antisemitischen Gruppen wie der Hamas und der Hisbollah sprengt den Rahmen zulässiger Kritik an der israelischen Politik.“

Übernahme von Antizionismus bei rechten Gruppen

Unter anderen Alfred Schobert kritisiert Antizionisten, da ihre Veröffentlichungen neben Antizionisten auch von Antisemiten aufgegriffen werden. So wurde etwa Finkelsteins Kritik, dass der Holocaust auch zur Rechtfertigung der israelischen Besetzung im Nahen Osten diene, auch von Holocaustleugnern genutzt. Chomsky soll der National-Zeitung 2002 ein Interview gegeben haben, welches nach Chomskys Aussage gefälscht ist. Schobert wirft Chomsky vor, jedoch nicht genügend gegen unter anderem diese Vereinnahmung durch die Fälschung vorgegangen zu sein.[16]

Siehe auch

Literatur

  • Henryk M. Broder: Der ewige Antisemit - Über Sinn und Funktion eines beständigen Gefühls. (1. Auflage 1986) Berliner Taschenbuch-Verlags-GmbH, 2. Auflage, Berlin 2006, ISBN 3-8333-0304-2
  • Micha Brumlik: Vernunft und Offenbarung. Religionsphilosophische Versuche. Philo Verlag, Berlin 2001 (darin die Zionismuskritik Hannah Arendts, Rezension in der taz)
  • Klaus Holz: Die Gegenwart des Antisemitismus. Islamische, demokratische und antizionistische Judenfeindschaft, Hamburger Edition, HIS Verlag, Hamburg 2005, ISBN 3936096597
  • Joel Kotek: Au nom de L'antisionisme. L'image des juifs et d'Israel dans la caricature depuis la seconde Intifada Brüssel/Paris: Editions Complexe, 2002, 2004, ISBN 287027999x (nur in frz. Sprache, deutsch: Im Namen des Antizionismus. Das Bild der Juden und Israels in den Karikatur(en) seit der 2. Intifada. Zahlreiche Bildbeispiele aus arabischen Medien)
  • Bernhard Schmid: Der Krieg und die Kritiker. Die Realität im Nahen Osten als Projektionsfläche für Antideutsche, Antiimperialisten, Antisemiten und andere. Münster 2006, ISBN 978-3-89771-029-0
  • Moshe Zuckermann: Zweierlei Israel. konkret, Hamburg, ISBN 3-930786-39-7
  • Moshe Zuckermann, Thomas Schmidinger, Karl Pfeifer, Stefan Moritz, Gerald Lamprecht: Antisemitismus, Antizionismus und Israelkritik. CLIO Verein für Geschichts- & Bildungsarbeit, 1. Auflage 2007, ISBN 3902542012
  • Micha Brumlik: Kritik des Zionismus. Europäische Verlagsanstalt, Hamburg 2007, ISBN 978-3-434-50609-6
  • Léon Poliakov: Vom Antizionismus zum Antisemitismus. ça-ira-Verlag, 2. Auflage, ISBN 3924627312

Weblinks

Einzelnachweise

  1. zitiert nach Henryk M. Broder: Der ewige Antisemit, 2. Auflage 2006, S. 307ff
  2. Holocaustreferenz: Ist der Zionismus jüdischer Rassismus? Eine bedauerliche UN-Resolution
  3. World Conference against Racism, Racial Discrimination, Xenophobia and Related Intolerance: Declaration (pdf)
  4. Netzeitung 8. September 2001: Einigung bei der Rassismus-Konferenz
  5. Swissinfo, 3. September 2001: Durban: Umstrittene Kritik an Israel
  6. d-a-s-h.org: Die ideologischen Grundlagen des Antizionismus in der Linken
  7. a b Thomas Müller: Über den Antisemitismus der Linken Bochumer StudentInnenzeitung, November 2000
  8. Seymour Martin Lipset: The Socialism of Fools: The Left, the Jews and Israel, Encounter magazine, December 1969; zitiert bei Tim Wise (Zmag.org, 21. Januar 2003): Fraud fit for a King: Israel, Zionism, and the misuse of MLK
  9. Tim Wise (Zmag.org, 21. Januar 2003): Fraud fit for a King: Israel, Zionism, and the misuse of MLK; Jewish-American History on the Web: “Letter to an Anti-Zionist Friend”
  10. zitiert nach Arno Lustiger: Judenhass heute (Die Welt, 29. November 2008)
  11. Hans Mayer: Aussenseiter. Suhrkamp, 1. Auflage 2007, ISBN 3518419021
  12. Henryk M. Broder: Antizionismus - Antisemitismus von links? in: Politik und Zeitgeschichte Band 24, 1976 (S. 31-46)
  13. Henryk M. Broder: Der ewige Antisemit, 2. Auflage 2006, S. 66-70
  14. Alain Finkielkraut: Avenir d'une négation: réflexion sur la question du génocide (1982), englisch: The Future Of A Negation: Reflexion On The Genocide Issue, deutsch zitiert bei Henryk M. Broder, Der ewige Antisemit S. 100
  15. Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern (Deutscher Bundestag, 16. Wahlperiode, Drucksache 16/10775, 4. November 2008)
  16. Alfred Schobert: Nothing to worry about? Aus Anlass eines "Interviews mit dem jüdischen Philosophen Chomsky" in der National Zeitung

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