- Loadstone
-
Loadstone-GPS Aktuelle Version: 0.72
(21. April 2009)Betriebssystem: Symbian Kategorie: Navigationssoftware Lizenz: GPL loadstone-gps.com Loadstone-GPS ist eine freie Navigationssoftware, die blinden Menschen eine satellitengestützte Orientierung ermöglicht.
Der Name „Loadstone“ ist das englische Wort für Magneteisenstein, ein natürliches Magnetgestein, dass schon seit sehr langer Zeit von Menschen für die Herstellung von Kompassen verwendet wird.
Inhaltsverzeichnis
Loadstone-GPS
Das Loadstone-Projekt entwickelt eine Open-Source-Software zur Nutzung von satellitengestützter Navigation für blinde und stark sehbehinderte Menschen. Die Software ist kostenlos und läuft zurzeit auf nahezu allen Geräten von Nokia mit der S60-Benutzeroberfläche unter fast allen Versionen des Symbian-Betriebssystems. Über Bluetooth wird dabei ein GPS-Empfänger mit dem Handy gekoppelt.
Die Entwickler von Loadstone-GPS sind alle blind und kommen aus Vancouver, Amsterdam und Glasgow. Viele Anwender aus der ganzen Welt beteiligen sich mit Verbesserungsvorschlägen, da sie genau wissen, welche Funktionen sie im Alltag für ihre Mobilität am meisten benötigen. Das Projekt wurde 2004 von den Privatpersonen Monty Lilburn und Shawn Kirkpatrick initiiert und nach ersten Entwicklungserfolgen im Mai 2006 öffentlich bekannt gemacht. So fanden weitere Freiwillige ihren Weg in das Projekt. Seitdem wurde die Software immer weiter verbessert. Seit Version 0.70 ist das Programm signiert, wodurch die Installation auf Nokiageräten der dritten Edition wesentlich erleichtert wurde. Die aktuelle Version 0.71 unterstützt in Nokia-Mobiltelefone integrierte GPS-Empfänger. Eine umfangreiche englischsprachige Anleitung sowie verschiedene Online-Tools wurden entwickelt und die Programm-Oberfläche in mehrere Sprachen übersetzt. Zum jetzigen Zeitpunkt stellen die technische Komplexität und das Fehlen von mehrsprachigen Anleitungen für viele Interessierte aber noch ein großes Problem dar. Das Unternehmen Nokia ignoriert das Loadstone-Projekt bislang und gewährt den Entwicklern keine Unterstützung.
Das Programm steht unter der GNU General Public License (GPL) und wurde bislang nur durch private Mittel der Entwickler und durch Spenden blinder und sehbehinderter Anwender finanziert.
Funktionsweise der Loadstone-Software
Zum jetzigen Zeitpunkt ist Loadstone für blinde Menschen sehr nützlich, um die Lage bestimmter Punkte ermitteln zu können. Daher eignet es sich momentan am besten für Wege oder Gebiete, die man bereits kennt oder sich einmalig mit einem sehenden Helfer erarbeitet. Dazu geht man zu den gewünschten Stellen und speichert dann die Punktkoordinaten mit selbst gewählten Namen in der Software. Dann kann einem das Programm später unter anderem sagen, welche dieser Punkte sich im Bezug zum aktuellen Standort wie weit entfernt und in welcher Himmelsrichtung befinden. Das erleichtert die Orientierung sehr, so dass sich die Mobilität beim Einsatz eines weißen Langstockes oder eines Blindenführhunds mit Hilfe der Satellitennavigation sehr verbessern lässt und das Sicherheitsgefühl und der Bewegungsradius der betroffenen Personen steigt.
Sinnvolle Orientierungspunkte können beispielsweise sein:
Straßenkreuzungen, Abzweigungen, mehrere einzelne Routenpunkte für bestimmte Wege, Taxistände, Bahnhöfe und Haltestellen des öffentlichen Nahverkehrs, Geschäfte, Restaurants, Arztpraxen und jegliche Gebäude, Wohnungen von Freunden, Hotels und Ferienhäuser am Urlaubsort, wichtige Punkte auf weitläufigen Plätzen oder dem Campus einer Universität, abzweigende Pfade oder eine Bank im Wald/Park, bestimmte Stellen am Strand oder irgendwo sonst in der Natur.Beim Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel können blinde Menschen die richtige Ausstiegsstation selbständig ermitteln, da moderne GPS-Empfänger meist auch innerhalb von Verkehrsmitteln noch einige Satellitensignale empfangen und zur Positionsbestimmung auswerten können.
Sehende Besitzer der entsprechenden Nokiatelefone können Loadstone übrigens zusammen mit einem Bluetooth-GPS-Empfänger auch für die Freizeitbeschäftigung Geocaching nutzen. Da bei diesem Spiel sehr vielfältige Aufgaben zu bewältigen sind, können auch blinde und sehbehinderte Menschen gut im Team integriert werden und ihren Teil zur Lösung beitragen.
Import von Koordinatendaten
Selbst erstellte Punkte können zwar prinzipiell auch über eine Online-Datenbank mit anderen Loadstone-Anwendern ausgetauscht werden, aber in der Praxis funktioniert das wegen der momentan zu wenigen weltweit verstreuten Benutzern noch nicht gut. Die Loadstone-Gemeinschaft versucht aber, Koordinaten aus den verschiedensten freien Quellen wie dem OpenStreetMap-Projekt zu importieren und ist außerdem auf der Suche nach einem Sponsor, der eine Lizenz für kommerzielle Kartendaten erwirbt und dem Projekt und damit den blinden Loadstone-Anwendern weltweit zur Verfügung stellt. Ein Anbieter von digitalem Kartenmaterial ist beispielsweise die von TomTom gekaufte Firma Tele Atlas. Der andere große Anbieter heißt NAVTEQ und wurde von Nokia übernommen.
In Deutschland gibt es Bestrebungen, blinden und sehbehinderten Menschen die sehr genauen & detailreichen Geodaten der Vermessungsämter für Zwecke der Navigation und Information kostenlos und in einer geeigneten Form im Sinne des Behindertengleichstellungsgesetzes zur Verfügung zu stellen. Das Katasteramt aus dem Landkreis Soest hat 2006 die Initiative Nav4blind begründet. In dieser Kooperationsgemeinschaft soll ein genaues Navigationssystem für blinde und stark sehbehinderte Menschen entwickelt werden. Dabei sollen unter anderem die genauen und umfangreichen Daten des amtlichen Liegenschaftskatasterinformationssystems, kurz ALKIS in Kombination mit dem Korrekturdienst SAPOS eine sehr genaue Positionsbestimmung ermöglichen.[1] Das Katasteramt des Landkreises Soest beteiligt sich außerdem zusammen mit anderen Nav4blind-Partnern wie OFFIS und Siemens C-Lab am europäischen Forschungsprojekt Haptimap. Die Firma Navteq gehört ebenfalls zu diesem Projekt, in dem multimodale Benutzerschnittstellen für Landkarten, standortbezogene Dienste und Navigationsgeräte für behinderte und ältere Menschen entwickelt werden sollen. Haptimap wird mit 6,6 Millionen Euro durch das siebte europäische Forschungsrahmenprogramm gefördert. [2]
GPS-Empfänger
Ein Navigationsprogramm wie Loadstone benötigt Satellitendaten, um daraus die aktuelle Position zu errechnen und dann Informationen über die Richtung und Entfernung zum nächsten Routenpunkt auszugeben. Sehenden Menschen genügt dabei meist eine Genauigkeit von 10 bis 20 Metern, da sie ihre Umgebung schnell mit den Augen wahrnehmen können und deshalb die Anweisungen ihres Navigationssystems intuitiv umsetzen. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist die Genauigkeit bei der geographischen Positionsbestimmung jedoch ein wesentlich wichtigerer Faktor. Wünschenswert wäre eine exakte Lokalisierung mit einer Genauigkeit von 1 bis 2 Meter. Ein wesentlicher Nachteil von aktuellen GPS-Empfängern bei der Nutzung durch Fußgänger ist die zunehmend nachlassende Genauigkeit bei langsamen Geschwindigkeiten. Das liegt daran, dass die Empfänger-Software bei schneller Bewegung wie beim Auto fahren leichter kalkulieren kann, wo sich der Nutzer in den nächsten Sekunden wahrscheinlich befinden wird, da die Daten über die aktuelle Geschwindigkeit und bisherige Richtung die Berechnung erleichtern.
Für blinde Fußgänger wären Geräte ideal, die bei langsamer Bewegung und im Stillstand möglichst genaue Positionsbestimmungen erlauben. Ein zusätzlich integrierter Kompass würde es dem blinden Fußgänger ermöglichen, sich aus dem Stand heraus direkt in Richtung des nächsten Routenpunkts oder Ziels zu wenden. Die Richtungsangaben könnten dann bereits vor dem losgehen rechts, 3 Uhr oder 90 Grad lauten. Zurzeit muss man erstmal einige Meter in eine Richtung gehen, bevor die Navigationssoftware aufgrund der Ortsveränderung die aktuelle Ausrichtung erkennt. Danach muss man dann eventuell wieder zurück gehen.
Durch einen Schrittzähler oder ein Kreiselinstrument (Gyroskop) könnte die Position auch dann noch bestimmt werden, wenn keine Satellitensignale verfügbar sind (Unterführungen, Gebäude).
Für eine möglichst genaue Positionsbestimmung können neben den Signalen des amerikanischen GPS-Systems auch die der russischen GLONASS-Satelliten und künftig irgendwann sogar die des europäischen Galileo-Projekts genutzt werden. Wenn die Korrekturdaten von EGNOS einmal auch für Fußgänger verfügbar sind, ließe sich eine wesentlich präzisere Ortsbestimmung durchführen. Zurzeit können die EGNOS-Signale in Deutschland fast nur von Luftverkehrsfahrzeugen gut empfangen werden.
Blind bedienbare Mobilgeräte
Blinde Menschen können einen Computer mit Hilfe einer Screenreader-Software benutzen. Seit einigen Jahren gibt es solche Lösungen auch für die Betriebssysteme mobiler Geräte. Mit solch einem Screenreader-Programm können blinde Menschen fast alle Funktionen ihres Handys und zusätzlich installierte Anwendungen wie Loadstone-GPS auch ohne das Display bedienen. Die Ausgabe der Informationen erfolgt mittels synthetischer Sprache oder einer kleinen portablen Braillezeile. Zurzeit gibt es Screenreader-Programme für die Betriebssysteme Symbian und Windows Mobile, während an lösungen für Android und für die Blackberrys von RIM noch gearbeitet wird: [3]
- Im Jahr 2001 brachten die deutschen Programmierer Torsten Brand und Marcus Gröber die Software Talx für die Communicator-Serie von Nokia auf den Markt. Als Sprachsynthesizer wurde dabei die unter blinden PC-Anwendern sehr oft genutzte ETI-Eloquence verwendet. Später verkauften sie ihre Firma an das Unternehmen ScanSoft, das 2005 die Firma Nuance Communication und deren Namen übernahm. Nuance Communications vertreibt die Software nun als Talks für S60 Symbian-Telefone.[4] 2009 wurde Talks auch auf die Plattform Windows Mobile portiert.
- Seit dem Jahr 2004 gibt es den Screenreader Mobile Speak von der spanischen Firma Code Factory, der ebenfalls auf S60 Symbian-Handys läuft. Später entwickelten sie dort noch Mobile Speak Pocket für das Betriebssystem Windows Mobile.[5]
- Seit 2007 gibt es außerdem die Software Pocket Hal von der Firma Dolphin, die auf Telefonen und PDAs mit Windows Mobile genutzt werden kann. Wahrscheinlich ist die Entwicklung aber schon wieder eingestellt worden.
- Bei Google arbeitet man an einem Screenreader für das Betriebssystem Android. [6]
- Nokia will Bedürfnisse behinderter Menschen erforschen, um dann unter anderem auch ein spezielles Mobiltelefon für blinde Menschen auf den Markt zu bringen. [7]
- Die kanadische Firma Humanware entwickelt in Zusammenarbeit mit der spanischen Firma Code Factory den Orator für die Blackberry-Mobiltelefone von RIM.
Möglichkeiten blind bedienbarer Mobilgeräte:
Für blinde und sehbehinderte Menschen sind bedienbare Mobilgeräte eine große Chance, um neben der Orientierung und Navigation selbständig überall über das Internet an wichtige Informationen zu kommen, über Mobilfunknetze oder WLAN per Telefon/E-Mail/SMS zu kommunizieren oder Hilfestellung bei der Lokalisierung zu bekommen. Künftig werden standortbezogene Dienste wie Fahrplanauskünfte oder die Bereitstellung eines der vielen mit Ortskoordinaten verknüpften Wikipedia-Artikel zu einer in der Nähe gelegenen Sehenswürdigkeit oder Ortschaft ermöglicht werden.Eine eingebaute Kamera könnte zur Farberkennung von Gegenständen (beispielsweise Kleidung) oder dem Lesen von gedruckter Schrift mittels Texterkennungssoftware (OCR) und zum lesen von Barcodes eingesetzt werden sowie außerdem eine Möglichkeit bieten, von anderen Personen über das Netz sehende Unterstützung bei Problemen zu bekommen. Mit der RFID-Technologie lassen sich mit Transpondern versehende Gegenstände oder Orte identifizieren und mit individuell erstellten Informationen verknüpfen, so dass neben vielen anderen denkbaren Einsatzmöglichkeiten beispielsweise Medikamentenpackungen unterschieden und der Nutzer den Inhalt des Beipackzettels erfahren könnte.
Für blinde und stark sehbehinderte Menschen aus den ärmeren Ländern unserer Welt könnte durch billige und robuste Mobilgeräte mit Sprachausgabe ebenfalls ein Zugang zu Orientierung, Navigation, Kommunikation, Information und Bildung ermöglicht werden, wodurch ganz neue Chancen für die Integration und den Arbeitsmarkt eröffnet würden. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass es weltweit circa 124 Millionen sehbehinderte und 37 Millionen blinde Menschen gibt. Dazu zählen 1400000 blinde Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. [8] Die vereinten Nationen (UN) haben im Rahmen der GAID (Global Alliance for ICT & Development) zusammen mit Partnern eine Initiative namens G3ICT gestartet, die die weltweite Einbeziehung von behinderten Menschen in die Informationsgesellschaft zum Ziel hat. [9]
In zahlreichen Ländern der Erde sind landgestützte Telefone oder feste Internetanschlüsse selten. Es gibt dort aber fast überall Mobilfunknetze. In diesen Gegenden leben sehr viele sehende Menschen, die weder lesen noch schreiben können. Diese Personen würden wahrscheinlich ebenfalls von sprechenden Lösungen profitieren. Das Bildungsprojekt „One Laptop per child“ vermittelt einen Eindruck von den Möglichkeiten, die sich für die Menschen aus Schwellen- und Entwicklungsländern durch freie Open Source Software in Kombination mit bezahlbarer und optimierter Hardware eröffnen.
Siehe auch: Verantwortung von Unternehmen
Weblinks
- Website des Loadstone-Projekts
- Informationen zu Loadstone im Blind Wiki
- Deutschsprachige Kurzanleitung von Jürg Cathomas (Word-Dokument)
- Am 15. Januar 2008 veröffentlichte Forum Nokia einen Artikel über die Loadstone-Entwickler.
Kommerzielle Navigationslösungen für blinde Menschen
Im Juni 2007 brachte die schwedische Firma Wayfinder Systems AB das auf Nokiageräten laufende Programm Wayfinder Access auf den Markt. Es handelt sich dabei um eine Variante ihrer eher auf Autofahrer ausgerichteten Navi-Software Wayfinder Navigator, die zusätzlich einige für blinde Menschen nützliche Informationen über die Umgebung zugänglich macht und deren Bedieneroberfläche für Screenreader-Software in einigen Bereichen optimiert wurde. Für die Nutzung ist eine Internetverbindung des Gerätes notwendig.
Die Sendero Group vertreibt schon seit einigen Jahren eine Navi-Lösung, die allerdings nur auf speziellen, sehr teuren PDAs für Blinde der Firma Humanware läuft. Die Nutzer kommen hauptsächlich aus dem englischsprachigem Raum.
Die spanische Firma Code Factory arbeitet an der Anwendung Mobile Geo für das Betriebssystem Windows Mobile. Die Software wird mit dem SDK der Sendero Group entwickelt, befindet sich aber noch im Beta-Stadium. Code Factory ist einer der beiden wichtigen Anbieter von Screenreader-Lösungen für Mobilgeräte.
GW Micro bietet für sein speziell auf Blinde ausgerichtetes Gerät Voice Sense die Software Sense Nav an, die mit dem SDK der Sendero Group entwickelt wurde. Die benötigte Hardware ist im deutschsprachigen Raum anscheinend nicht verbreitet.
Seit einigen Jahren vertreibt die kanadisch-neuseeländische Firma Humanware das System Trekker, dass auf einem handelsüblichen, mit einer Spezialtastatur für den Touchscreen ausgerüsteten PDA läuft. In Deutschland hat der Generalimporteur bislang circa 100 Geräte verkauft.
Einzelnachweise
- ↑ Heise-Meldung vom 12. Juni 2008 zu Nav4blind
- ↑ Informationen zum europäischen Forschungsprojekt Haptimap
- ↑ Heise-Meldung vom 13. März 2009: Mobilfunk-Branche entdeckt blinde Menschen als Kunden
- ↑ Informationen über Talks auf der Nuance Website
- ↑ Website von Code Factory
- ↑ Artikel aus der New York Times vom 3. Januar 2009: For the Blind, Technology Does What a Guide Dog Can’t
- ↑ Artikel aus der indischen Economic Times vom 13. Dezember 2008: Nokia plans to design handsets for disabled
- ↑ WHO Datenblatt über Ursachen und Verbreitung von Blindheit und Sehbehinderungen (englisch)
- ↑ Heise-Meldung vom 4. März 2007 zu GAID und G3ICT
Wikimedia Foundation.