Loop Quantum Gravity

Loop Quantum Gravity

Die Theorie der Schleifenquantengravitation (engl. loop quantum gravity), auch Loop-Quantengravitation oder Loop-Theorie genannt, ist ein Ansatz für eine Theorie der Quantengravitation, d. h. eine Theorie zur Vereinigung der Quantenphysik mit der allgemeinen Relativitätstheorie. Diese Vereinigung ist eine der größten Herausforderungen der heutigen Physik. Dabei wird der Raum als dynamisches quantenmechanisches Spin-Netzwerk beschrieben, das durch Diagramme aus Linien und Knoten dargestellt werden kann. Eine Konsequenz aus dieser Theorie wäre die Quantisierung von Raum und Zeit im Bereich der Planck-Länge (ca. 10−35 m) bzw. Planck-Zeit (ca. 10−43 s). Die Welt im Kleinsten verlöre die im Alltag angenommene Kontinuität. Dabei wird auch die Gravitation quantisiert.

Die Theorie der Schleifenquantengravitation ist die am weitesten entwickelte Alternative zur Stringtheorie. Bereits Anfang der 1970er Jahre schlug Roger Penrose Spin-Netzwerke für eine Theorie der Quantengravitation vor (Twistor-Theorie). Seine Idee wurde Anfang der 1990er Jahre wieder aufgegriffen und erfolgreich weiterentwickelt, worüber an der LOOPS05 Konferenz[1] (Berlin, Oktober 2005) des Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik – u. a. von Lee Smolin und Carlo Rovelli – ausführlich berichtet wurde[2][3].

Inhaltsverzeichnis

Motivation

Die gleichzeitige Anwendung der allgemeinen Relativitätstheorie und der Quantentheorie auf Objekte von der Größenordnung der Planckskala führt zu Widersprüchen. So hätte beispielsweise jedes Objekt, das kleiner wäre als die Plancklänge, aufgrund der Unschärferelation so viel Energie bzw. Masse, dass es zu einem Schwarzen Loch kollabieren würde. Theoretische Physiker gehen daher davon aus, dass die Relativitätstheorie und die Quantentheorie bei diesen Größenordnungen in einer übergeordneten Theorie aufgehen, die beide Theorien im Sinne des Korrespondenzprinzips als Grenzfall enthält. Die Schleifenquantengravitation, ebenso wie die Stringtheorie, verhindert durch entsprechende Konzepte der Raum-Zeit-Struktur das Auftreten von beliebig kleinen Strukturen.

Beschreibung der Theorie

Strukturveränderungen im Spin-Netzwerk

Im Rahmen der Schleifenquantengravitation ist der Raum kein Hintergrund für das in ihn eingebettete Geschehen, sondern selbst ein dynamisches Objekt, das den Gesetzen der Quantenmechanik gehorcht. Ein Quantenzustand des Raumes wird dabei durch ein Netz von Knoten beschrieben, die mit Linien verbunden sind. Den Knoten werden bestimmte Eigenschaften zugeordnet, die mathematisch denen des Spins von Elementarteilchen ähneln. Jedem Knoten lässt sich in gewissem Sinne ein Elementarvolumen zuordnen. Die Knotenabstände entsprechen der Planck-Länge. Damit enthält ein Kubikzentimeter 1099 Knoten. Zum Vergleich sei erwähnt, dass das sichtbare Universum dagegen lediglich 1085 Kubikzentimeter enthält.

Man beachte, dass man sich dieses Netz nicht in den Raum eingebettet vorstellen sollte. Ein Raum als Behälter für das Netz existiert nicht. Das Netz selbst ist der Raum. Zwischen den Netzknoten befindet sich ebenso wenig Raum wie sich im Zwischenraum zwischen den Sandkörnern einer Düne Sand befindet.

Elementarteilchen entsprechen Netzknoten mit bestimmten Eigenschaften. Die Bewegung von Teilchen entspricht dabei einer Verschiebung entsprechender Knotentypen im Netz.

Spin-Schaum als Beschreibung der Strukturveränderung des Raums in Abhängigkeit von der Zeit

Durch das Hinzufügen der Zeit als der vierten Dimension werden aus den Knoten Linien in der Raumzeit, und aus den Linien, die die Knoten verbinden, Flächen. Man spricht daher von einem Spin-Schaum der Raumzeit. Dem Fortschreiten der Zeit entsprechen fortlaufend strukturelle Veränderungen im Netz wie die Vereinigung von Knoten oder die Entstehung mehrerer Knoten aus einem einzigen. Ebenso wie beim Raum sind diese Veränderungen im Netz nicht eingebettet in eine Zeit, sondern sie stellen den Zeitfluss selbst dar. Im Bild des Spin-Schaumes bedeutet das, dass die Schaumflächenstücke nicht in Richtung der Zeitachse beliebig ausgedehnt sind, sondern wie bei einem Schaum üblich in alle Richtungen etwa gleich groß sind und an den Berührungskanten mit ihren Nachbarn enden.

Diese Spin-Netze, auch Graphen genannt, sind gewissen strukturellen Regeln unterworfen und entsprechen einer Art Kurzschrift im Rahmen des zugehörigen mathematischen Formalismus. Sie haben damit zwar eine gewisse oberflächliche Ähnlichkeit mit den Feynman-Diagrammen, mit denen die Wechselwirkungen zwischen Teilchen beschrieben werden, sie sind jedoch strukturell grundsätzlich völlig verschieden. Im Prinzip wird dabei die Raumzeit mit kombinatorischen Konzepten betrachtet.

Namensgebung

Ihren Namen verdankt die Schleifenquantengravitation einer Formulierung der Allgemeinen Relativitätstheorie, die der indisch-amerikanische Physiker Abhay Ashtekar 1986 vorschlug und die in vieler Hinsicht Maxwells Theorie des Elektromagnetismus ähnelt. Von dieser übernimmt sie das Konzept der Feldlinien. Sowohl in der Maxwell-Theorie als auch in den verwandten Theorien wie der Quantentheorie der starken Wechselwirkung, d. h. der Quantenchromodynamik, können geschlossene Feldlinien auftreten.

Im gleichen Jahr, 1986, formulierten Ted Jacobson und Lee Smolin die sogenannte Wheeler-De-Witt-Gleichung der Quantenkosmologie entsprechend dem Konzept von Ashtekar um. Dabei fanden sie eine Klasse von exakten Lösungen dieser Gleichungen, die Wilson-Loops, oder kurz die 'Loops' der Schleifenquantengravitation.

Ausgangspunkte der Theorie

Ausgangspunkt der Schleifenquantengravitation sind zwei Grundprinzipien der allgemeinen Relativitätstheorie:

  • Die so genannte Hintergrundunabhängigkeit: Darunter versteht man die Annahme, dass die Geometrie der Raumzeit auf mikroskopischer Ebene dynamisch ist.
  • Die so genannte Diffeomorphismus-Invarianz: Damit bezeichnet man den Umstand, dass in der allgemeinen Relativitätstheorie beliebige Koordinatensysteme zur Beschreibung der Raumzeit gleich gut geeignet sind, sofern dabei gewisse Voraussetzungen hinsichtlich der Differenzierbarkeit erfüllt sind.

Dabei ist die Hintergrundunabhängigkeit das bedeutendere der beiden Prinzipien. Durch sie unterscheidet sich die Schleifenquantengravitation von der Stringtheorie, deren Gleichungen in einer klassischen Raumzeit formuliert sind.

Bisherige Erfolge der Theorie

Die Schleifenquantengravitation ist in der Lage, einige bereits bekannte bzw. vermutete Phänomene korrekt zu beschreiben:

Überprüfbare Vorhersagen der Theorie

  • Aus der Schleifenquantengravitation folgt, dass die Lichtgeschwindigkeit von der Wellenlänge des Lichtes abhängt. Die Abweichungen von dem üblichen Wert fallen besonders dann ins Gewicht, wenn die Wellenlänge vergleichbar mit den Knotenabständen und damit der Plancklänge wird, so dass die Photonen gewissermaßen die Quantenstruktur der Raumzeit spüren. Selbst für höchstenergetische kosmische Strahlung beträgt der relative Unterschied jedoch lediglich etwa ein Milliardstel. Ein solcher Effekt hätte Laufzeitunterschiede der verschiedenen spektralen Strahlungsanteile bei kosmischen Gammastrahlenausbrüchen zur Folge. Der am 11. Juni 2008 gestartete Gammastrahlen-Satellit GLAST (Gamma-ray Large Area Space Telescope) wäre in der Lage, diese Laufzeitunterschiede bei Ausbrüchen in einer Entfernung von mehreren Milliarden Lichtjahren nachzuweisen.
  • Nach der derzeitigen Theorie sollte die Reichweite von Protonen mit kinetischen Energien über 1019 Elektronenvolt im Weltraum aufgrund von Streuung an Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung so gering sein, dass sie die Erde nicht erreichen können. Im Widerspruch dazu hat jedoch das japanische Agasa-Experiment bereits mehrere solcher Protonen nachgewiesen. Im Rahmen der Schleifenquantengravitation liegt die Schwelle für diese Streuung jedoch bei höheren Protonenenergien in Übereinstimmung mit der experimentellen Datenlage.
  • Aus der Schleifenquantengravitation folgt eine bestimmte spektrale Struktur der erwähnten Hawking-Strahlung schwarzer Löcher. Eine experimentelle Untersuchung dieser Strahlung liegt jedoch in weiter Ferne.

Offene Fragen der Theorie

Der derzeitige Stand der Schleifenquantengravitation lässt eine Reihe von wichtigen Fragen offen:

  • Noch ist es nicht gelungen, die allgemeine Relativitätstheorie als Grenzfall im Sinne des Korrespondenzprinzips aus der Schleifenquantengravitation herzuleiten.
  • Man geht davon aus, dass die Schleifenquantengravitation gewisse Korrekturen der speziellen Relativitätstheorie für Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit zur Folge hat, deren Natur jedoch noch unbekannt ist.
  • Eine wichtige Aufgabe einer erfolgreichen Theorie der Quantengravitation ist die Vereinigung oder gar Herleitung aller Grundkräfte der Physik. Auch dieses Problem konnte bisher noch nicht gelöst werden.

Kritik an der Theorie

Die Schleifenquantengravitation wird kontrovers diskutiert. Dabei wird auch die Schlüssigkeit vieler ihrer beanspruchten Erfolge und Vorhersagen angezweifelt. Kritik an der Schleifenquantengravitation wird vor allem von Vertretern der Stringtheorie formuliert und zwar insbesondere mit den folgenden Argumenten:

  • Es sei nicht klar, wie sich das oberhalb der Planck-Länge kontinuierliche und stetige Verhalten der Raumzeit als Grenzwert des diskreten Netzes von Knoten ergäbe.
  • Die Beschreibung der Raumzeit als diskretes Netzwerk von Knoten bevorzuge ein Bezugssystem und widerspräche damit der speziellen Relativitätstheorie und sei eine Renaissance des Äthers der vorrelativistischen Physik.
  • Die Verletzung der CP-Invarianz in der Schwachen Wechselwirkung ließe sich im Rahmen der Schleifenquantengravitation nicht erklären.
  • Diese Theorie erkenne die konstante Geschwindigkeit des Lichtes im Vakuum nicht an und sage eine minimal größere Geschwindigkeit für Photonen mit extrem kurzen Wellenlängen voraus.

Einzelnachweise

  1. LOOPS05 Konferenz - Ausführliche Berichterstattung - Viele Folien, Berichte und Ton-Aufzeichnungen zum Herunterladen (Menupunkt Programme)
  2. Siehe dazu die Folien und Vorträge von Lee Smolin an der LOPPS05 Konferenz
  3. Siehe dazu die Folien und Vorträge von Carlo Rovelli an der LOPPS05 Konferenz

Literatur

  • Carlo Rovelli: Quantum Gravity. Dezember 2003. (Entwurf, pdf)
  • Lee Smolin: Three Roads to Quantum Gravity. Basic Books, New York 2001. ISBN 0-465-07835-4
  • Lee Smolin: Quanten der Raumzeit. in: Spektrum der Wissenschaft. Heidelberg 2004,3, S.54–63. ISSN 0170-2971
  • Carlo Rovelli: What is Time? What is Space? Di Renzo Editore, Roma 2006. ISBN 88-8323-146-5
  • Thomas Thiemann: Introduction to modern canonical quantum general relativity. 5 Okt. 2001. (pdf)
  • Rüdiger Vaas: Tunnel durch Raum und Zeit. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2006 (2. Aufl.). ISBN 3-440-09360-3
  • Francesco Cianfrani, Giovanni Montani: Towards Loop Quantum Gravity without the Time Gauge. in: Physical review letters. New York 102.2009, 091301. ISSN 0031-9007
  • Martin Bojowald: Zurück vor den Urknall. S.Fischer, Frankfurt/M 2009. ISBN 3-10-003910-6
  • Johann Grolle: Eine Zeit vor unserer Welt. in: Der Spiegel. Hamburg 2009,14, 128ff. ISSN 0038-7452
Kritik

Weblinks


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