Lorasifar

Lorasifar
Strukturformel
Strukturformel von Lorazepam
Allgemeines
Freiname Lorazepam
Andere Namen
  • IUPAC: (RS)-7-Chlor-5- (2-chlorphenyl)-3-hydroxy -2,3-dihydro-1H-1,4- benzodiazepin-2-on
  • (±)-7-Chlor-5- (2-chlorphenyl)-3-hydroxy -2,3-dihydro-1H-1,4- benzodiazepin-2-on
  • rac-7-Chlor-5- (2-chlorphenyl)-3-hydroxy -2,3-dihydro-1H-1,4- benzodiazepin-2-on
  • Latein: Lorazepamum
Summenformel C15H10Cl2N2O2
CAS-Nummer 846-49-1
PubChem 3958
ATC-Code

N05BA06

DrugBank DB00186
Arzneistoffangaben
Wirkstoffklasse
Fertigpräparate
  • Lorazepam® (D)
  • Lorasifar® (D)
  • Tolid® (D)
  • Somagerol® (D)
  • Temesta® (CH,A)
  • Tavor® (D)
  • Merlit® (A)
Verschreibungspflichtig: Ja, teilweise BtMG
Eigenschaften
Molare Masse 321,16 g·mol−1
Aggregatzustand

Feststoff [1]

Schmelzpunkt

166–168 °C [1]

pKs-Wert

13 [2]

Löslichkeit

Wasser: 80 mg·l−1 [2]

Sicherheitshinweise
Gefahrstoffkennzeichnung [1]

Xn
Gesundheits-
schädlich
R- und S-Sätze R: 63
S: 36/37
Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln
LD50
WGK 3 (stark wassergefährdend) [1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Lorazepam ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Benzodiazepine, der als hochwirksames Anxiolytikum, Antikonvulsivum und Sedativum in der Intensivmedizin und Psychiatrie eingesetzt wird.

Inhaltsverzeichnis

Chemie und Stereoisomerie

(R)-Form (links) und (S)-Form (rechts)


Die Synthese ist in der Literatur beschrieben.[3] Lorazepam ist ein chiraler Arzneistoff mit einem Stereozentrum und ist als Racemat, also als 1:1-Mischung der spiegelbildlichen (R)- und der (S)-Form, im Handel.

Pharmakologische Eigenschaften

Aufnahme und Verteilung im Körper (Pharmakokinetik)

Lorazepam wird vom Körper nach jeglicher Art der Applikation (oral, sublingual, intravenös, intramuskulär) schnell und fast vollständig aufgenommen. Der Wirkungseintritt liegt bei wenigen Minuten nach intravenösen Injektionen, 30 bis 45 Minuten nach oraler/sublingualer Applikation sowie bei bis zu einer Stunde nach intramuskulären Injektionen.

Die Wirkungsdauer hängt von der Dosierung ab und liegt normalerweise bei 6 bis 12 Stunden. Die Halbwertszeit von Lorazepam in Patienten mit normalen Leberfunktionen beträgt zwischen 11 und 18 Stunden. Deshalb sind oft zwei bis vier Tagesdosen nötig.

Klinische Angaben

Anwendungsgebiete (Indikationen)

Lorazepam hat unter den Benzodiazepinen eine mittlere Plasmahalbwertszeit von 12–16 Stunden. Die Wirkung tritt relativ schnell ein (Resorptionshalbwertszeiten zwischen 11 und 40 min bei oraler Gabe). Allerdings besteht dadurch auch ein stark erhöhtes Abhängigkeitsrisiko. Wie alle Benzodiazepine sollte es nur in akuten Notsituationen angewandt und eine regelmäßige Einnahme über einen längeren Zeitraum vermieden werden.

Lorazepam wird verabreicht zur:

  • Behandlung von Unruhestörungen (speziell Panikattacken)
  • Kurzzeitbehandlung von Insomnie, besonders wenn diese mit starken Unruhezuständen verbunden sind
  • Behandlung von Symptomen verbunden mit Alkoholentzügen und Opiatentzügen
  • Langzeitbehandlung von sonst resistenten Formen der Epilepsie sowie generelle Akutbehandlung
  • Intensive Therapie des Status epilepticus
  • Intensive Therapie von katatonen Zuständen alleine/oder mit Haloperidol
  • Behandlung eines akuten Deliriums, bevorzugterweise zusammen mit Haloperidol
  • Unterstützende Therapie bei Unwohlsein/Erbrechen häufig in Verbindung mit einer Krebs-Chemotherapie, gewöhnlich zusammen mit Firstline Antiemetika wie 5-HT3-Antagonisten
  • Unterstützende Therapie gegen Übelkeit mit regelmäßigem Erbrechen
  • Als eine Vormedikation,

Art und Dauer der Anwendung

Die tägliche Dosis variiert stark.

Katatonie mit der Unfähigkeit zu sprechen, spricht auf Lorazepam oral oder langsam intravenös injiziert an. Die Katatonie kann wiederkehren, und eine Behandlung über ein paar Tage könnte notwendig sein. Mitunter wird Haloperidol begleitend verabreicht.

Die Kontrolle eines Status epilepticus benötigt langsame intravenöse Injektionen. Patienten sollten genauestens ob des Auftretens von Atemnot und hypotonen Auswirkungen beobachtet werden.

In jedem Fall muss die Dosierung individuell erfolgen, speziell bei älteren und geschwächten Patienten, bei denen die Gefahr größer ist, den Patienten zu stark zu sedieren. Die Sicherheit und Effektivität von Lorazepam bei Kindern unter 18 Jahren ist nicht gut erforscht, es wird jedoch benutzt, um aufeinanderfolgende Krampfanfälle zu behandeln. Bei höheren Dosierungen (bevorzugterweise intravenös) ist der Patient häufig nicht in der Lage, sich an unschöne Ereignisse (anterograde Amnesie) wie therapeutische Eingriffe (Endoskopien usw.) zu erinnern. Dieser Effekt ist erwünscht. In der Palliativmedizin, v. a. zum Einsatz im Hospizdienst, ist dieses Medikament gut einsetzbar, da eine gewünschte Anxiolyse, abschirmende Sedierung und Entspannung erzielt wird.

Aufgrund der unabsehbaren Residualwirkungen von Lorazepam wie Müdigkeit, Schwindelgefühle und niedrigem Blutdruck sollte der Patient nach der Injektion des Medikamentes normalerweise nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden, bevor zwölf Stunden vorüber sind oder eine verlässliche Person ihn in Obhut nehmen kann (Familie, Freunde usw.). Auch sollte der Patient zwölf Stunden nach Verabreichen des Medikaments weder Auto fahren noch Maschinen bedienen.

Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit

Es gibt klare Hinweise für auf Benzodiazepine zurückzuführende Risiken auf den menschlichen Fötus. Lorazepam sollte in der Schwangerschaft nur bei absoluter Notwendigkeit verwandt werden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten aufgefordert werden, wenn sie eine Schwangerschaft vermuten, ihren Arzt anzusprechen, damit die Einnahme von Lorazepam abgebrochen werden kann.[4]

Nachteile

Lorazepam kann, wie andere Benzodiazepine, psychisch oder physisch abhängig machen. Entzugserscheinungen, ähnlich im Auftreten wie die von Alkohol, Barbituraten und Heroin wurden nach abrupter Einstellung beobachtet, deshalb ist eine schrittweise Absetzung über einen Zeitraum von Wochen oder Monaten, abhängig von der Zeit, in der es eingenommen wurde, sowie der Dosierung, empfohlen.

Die Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs, der Abhängigkeit und der Entzugserscheinungen ist bei Lorazepam wegen seiner kurzen Halbwertszeit, höheren Potenz und stärkeren Bindung an den GABA-Rezeptor-Komplex wesentlich höher als bei anderen Benzodiazepinen. In diesem Zusammenhang verhält es sich wie Alprazolam (kurze Halbwertzeit und hohe Potenz) und Clonazepam (lange Halbwertzeit und hohe Potenz). Alprazolam besitzt jedoch im Gegensatz zu Lorazepam zumindest einen wirksamen Metaboliten, wodurch der Benutzer die Beendigung der Wirkdauer des Wirkstoffes als weniger unangenehm empfindet und damit die Koppelung zwischen Medikament und Patient weniger stark ausgeprägt ist. Dies führt zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit von psychischer Abhängigkeit.

Eine Langzeittherapie kann zu kognitiven Defiziten führen, die bei Behandlungsabbruch jedoch reversibel sind.

Lorazepam kann, falls bei Schwangerschaft eingenommen, unter Umständen das ungeborene Kind schädigen, doch wurde das selten beobachtet. Nahe dem Geburtszeitpunkt verabreicht, kann Lorazepam beim Säugling eine Myotone Dystrophie und Entzugserscheinungen auslösen.

In einigen Fällen können Benzodiazepine paradoxe Effekte auslösen, wie gesteigerten Antrieb und Aggression. Einige Ärzte denken, diese Effekte könnten durch eine Enthemmung ausgelöst werden und deshalb bei Patienten, die aufgrund von vorher existierenden Persönlichkeitsstörungen möglicherweise unter dem Durchschnitt der Enthemmung liegen, häufiger auftreten. Paradoxe Effekte werden besonders häufig während einer Anwendung bei Manie und Schizophrenie beobachtet.

Missbrauch

Hauptartikel: Missbrauch von Benzodiazepinen

Menschen mit einer für eine Sucht anfälligen Persönlichkeit und mit Erfahrungen beim Missbrauch von Substanzen neigen eher dazu, Medikamente wie Lorazepam zu missbrauchen. Es wird als hochpotentes Benzodiazepin dazu benutzt die Wirkung von Stimulanzien abzustimmen oder bei einem durch LSD ausgelösten schlechten Trip zu helfen, sowie zusammen mit anderen Halluzinogenen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Lorazepam in der Drogenszene benutzt wird, um die euphorischen Effekte von Opiaten wie Heroin zu verstärken. Heroin und andere Drogen können mit Lorazepam geschnitten sein, dies ohne Wissen des Anwenders. Die Risiken beim Einsatz zusammen mit einem Opiat sind Atemdepression und sogar Atemstillstand. Am häufigsten wird Lorazepam eingenommen, um sich zu entspannen, zu „chillen“. Viele nehmen daher das Medikament als „chill pill“ ein, was zur Abhängigkeit führen kann.

Geschichtliches

Lorazepam wurde 1963 von American Home Products (heutiger Name: Wyeth) patentiert und ist unter dem Markennamen Tavor® und als Generikum im Handel. Lorazepam ist als verkehrsfähiger und verschreibungsfähiger Stoff im BtmG 1981 Anlage III (zu § 1 Absatz 1) gelistet.

Der wohl prominenteste mit diesem Wirkstoff behandelte Patient im deutschsprachigen Raum dürfte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Uwe Barschel sein, der am 11. Oktober 1987 in einem Genfer Hotel tot aufgefunden wurde. Sein täglicher Konsum betrug zuletzt durchschnittlich 10 mg.[5]

2005 wurden in Deutschland über 1 Millionen Packungen Tavor® verordnet. Es stand damit auf Platz 4 der meistverordneten Psychopharmaka.[6]

Handelsnamen und Darreichungsformen

Wichtiger Hinweis: Handelsnamen und Darreichungsformen von Arzneistoffen unterliegen keiner Standardisierung. Sie können sich daher in einzelnen Ländern unterscheiden.

Lorazepam wird unter anderem unter den Handelsnamen Tavor® (Hersteller: Wyeth), Tolid® (Hersteller: Dolorgiet), Ativan®, duralozam® (Hersteller: Merck), Merlit (AT)®, Temesta® (CH) und Laubeel® (Hersteller: Desitin) vertrieben. Daneben sind Lorazepam-Produkte von verschiedenen Generika-Herstellern auf dem Markt.

Für Patienten, die unzureichend schlucken können, und in der Notfallmedizin gibt es mit Tavor®Expidet und Temesta®Expidet® eine sublinguale Verabreichungsform. Die Sofortlöslichkeit verhindert bei Non-Compliance-Patienten ein Zurückhalten im Mund. Die sublinguale Form wird aber nicht schneller resorbiert als die herkömmlichen Tabletten.[7]

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Sicherheitsdatenblatt für Lorazepam – Sigma-Aldrich 25.12.2007
  2. a b Lorazepam bei DrugBank
  3. Axel Kleemann, Jürgen Engel, Bernd Kutscher und Dietmar Reichert: Pharmaceutical Substances, 4. Auflage (2000), 2 Bände erschienen im Thieme-Verlag Stuttgart, ISBN 978-1-58890-031-9; seit 2003 online mit halbjährlichen Ergänzungen und Aktualisierungen.
  4. Fachinformation des Arzneimittel-Kompendium der Schweiz: Lorasifar®, Stand der Information: März 2000
  5. Stern: Uwe Barschel: Deal mit Todesfolge, Nr. 38/2007
  6. http://www.epsy.de/psychiatrie/psychopharmaka.htm
  7. „Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie“, Benkert&Hippius, 5. Auflage, 2005, ISBN 3-540-21893-9

Weblinks

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