Lotario de' Conti

Lotario de' Conti
Papst Innozenz III. (Fresko im Benediktinerkloster Subiaco, Latium, um 1219)

Innozenz III. (geboren als Lotario dei Conti di Segni, eingedeutscht Lothar von Segni; * Ende 1160/Anfang 1161 auf Kastell Gavignano; † 16. Juli 1216 in Perugia) gilt als der bedeutendste Papst des Mittelalters. Der Name Innozenz bedeutet „der Unschuldige“ (lateinisch).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Aufstieg

Lotario di Segni wurde um die Jahreswende 1160/61 auf dem Kastell Segni in Gavignano (etwa 60 km südöstlich von Rom) als Sohn des Grafen Trasimondo aus dem Hause Conti und der Claricia Scotti geboren. An die schulische Ausbildung im St.-Andreas-Kloster in Rom schlossen sich Studien an der Pariser Universität beim berühmten Theologen Pierre von Corbeil und ein Studium der Rechte in Bologna 1178–1187 an. Auf die Weihe zum Subdiakon durch Papst Gregor VIII. persönlich im November 1187 folgte 1190 der Aufstieg zum Kardinaldiakon von Santi Sergio e Bacco.

Lotario di Segni galt als einer der besten Kirchenrechtler seiner Zeit. Während seiner Zeit als Kardinaldiakon entstanden die Schriften De quadripartita specie nuptiarum, De missarum mysticis und De misera conditionis humanae. De misera conditionis humanae (‚Über den elenden Zustand des Menschen‘), verfasst 1194–1195, enthielt bereits die theoretischen Grundlagen seiner späteren Ausführungen zum Pontifikat („Was Recht ist, was gebührt, was nützt“).

In De misera conditionis humanae behandelte Lotario die Unvollkommenheit des menschlichen Daseins („Aus Erde geformt, in Schuld empfangen, zur Strafe geboren, tut der Mensch Böses, das nicht gestattet ist, Schändliches, das sich nicht geziemt, Eitles, das nicht nützt, und wird schließlich zur Nahrung des Feuers, zur Speise der Würmer, zu einem Haufen Fäulnis“) und betonte zugleich den Vorrang des Klerus vor den Laien. Insbesondere die Einordnung des Papstes als dem gewöhnlichen Menschen übergeordnet („Der Papst jedoch ist geringer als Gott, aber größer als der Mensch“) zeugt von großem Bewusstsein der eigenen Bedeutung, sah er sich selbst doch auch als vicarius Christi, als Statthalter Christi auf Erden, nicht mehr nur als Stellvertreter Petri.

Papsttum

Am 8. Januar 1198 wurde Lotario im zweiten Wahlgang zum Papst gewählt. Seine Weihe erfolgte am 22. Februar, er nahm den Namen Innozenz III. an. Zwar mokierte sich Walther von der Vogelweide 1201 über das geringe Alter des neuen Papstes („Owê, der bâbest ist ze junc. Hilf, hêrre, dîner cristenheit“),[1] Innozenz war mit einem Wahlalter von 37 Jahren aber sogar etwas älter als einige seiner Vorgänger im Amt.

Nach seinem Amtsantritt widmete Innozenz III. seine Zeit vor allen Dingen der juristischen Fixierung des Papsttums und seiner endgültigen Etablierung als auch weltlicher Macht. Dieses Ziel versuchte Innozenz vor allem durch die Ausweitung des territorialen Besitzes des Kirchenstaates zu erreichen. Unter seiner Regie weitete sich der kirchliche Besitz durch Rekuperationen in Mittelitalien auf die doppelte Größe aus. Zu den wichtigsten Gebieten, die er für das Patrimonium Petri beanspruchte, zählten die Toskana, die Mark Ancona und das Herzogtum Spoleto. Im Inneren sicherte er die Herrschaft durch geschickte Familienpolitik bzw. Nepotismus ab.

Noch 1198 rief Innozenz den Vierten Kreuzzug aus, der allerdings das Heilige Land nie erreichte. Durch die Plünderung von Zara 1202 und von Konstantinopel 1204 erhielt der Kreuzzug zudem eine große politische Brisanz und innerchristliches Konfliktpotenzial und trug beträchtlich zum endgültigen Schisma zwischen katholischer und orthodoxer Kirche bei.

Innozenz profitierte in besonderem Maße von dem sich im Deutschen Reich seit 1198 entwickelnden Thronstreit zwischen Philipp von Schwaben und Otto IV., der bis zu seinem Tode weite Teile seines Handelns bestimmte. Nach dem Tod Kaiser Heinrichs VI. war Friedrich II. als dessen Sohn zum deutschen König gewählt, jedoch im Reich nicht anerkannt worden. Stattdessen kam es zur Doppelwahl Philipps von Schwaben und Ottos von Braunschweig. Friedrich selbst erhielt unter der Vormundschaft des Papstes 1198 die Krone von Sizilien.[2] Innozenz schlug aus diesen deutschen Streitigkeiten zwischen Welfen und Staufern Kapital, er sicherte sich Ländereien für den Kirchenstaat und bestand darauf, dass der Papst bei der Kaiserwahl das letzte Wort haben sollte (Dekret Venerabilem 1202).

1201 ergriff Innozenz für Otto als Kaiser Partei, der ihm im Gegenzug Schutz versprach, während die meisten deutschen Fürsten hinter Philipp standen. Nach der Ermordung Philipps 1208 war Otto zunächst König der welfischen Opposition und wurde dann am 4. Oktober 1209 von Papst Innozenz in Rom zum deutschen Kaiser gekrönt. Als Otto jedoch sein Schutzversprechen brach und Teile des Kirchenstaates eroberte (1210), sprach Innozenz den Kirchenbann über ihn aus. Auf seine Anregung trafen sich dann die deutschen Fürsten im September 1211 in Nürnberg, wo sie Friedrich II. erneut zum König wählten. Dieser dankte dem Papst seine Initiative mit der Goldenen Bulle von Eger, welche den Kirchenstaat in seiner bestehenden Form rechtlich anerkannte.[3]

Durch sein europaweites Engagement für die Stärkung der Kirche hatte es Innozenz bis 1212 zum Oberlehnsherrn von Aragon, Portugal, Sizilien, Bulgarien und sogar England[4] gebracht. Auf theologischem Gebiet befürwortete Innozenz die Kreuzzüge und verfolgte eine Politik der Förderung neu gegründeter Orden wie der Dominikaner, der Franziskaner und der Brüder vom Orden des Heiligen Geistes. Zugleich ging er mit harter Hand gegen Ketzerbewegungen vor.

Innozenz galt als unerbittlicher Gegner der Häresie. Die Häretiker sollten der päpstlichen Linie folgen oder exkommuniziert werden. Dies war auch das Vorspiel der 1233 eingerichteten Inquisition. Innozenz sorgte für die massive Verfolgung der Katharer und anderer Abweichler in allen päpstlich kontrollierten Staaten. Bereits im Jahre 1199 hatte er ein Verbot der Lektüre der Bibel bei nicht kirchlichen Zusammenkünften erlassen, das direkt gegen Gruppen wie die Waldenser und Katharer gerichtet war. Auf den Synoden von Toulouse und Tarragona wurde Laien der Besitz von Bibelübersetzungen verboten.

Unter der Führung des Simon IV. von Montfort erfolgte dann von 1209 bis 1229 der Albigenserkreuzzug, bei dem die Kirche auf Innozenz’ Geheiß eine tragende Rolle spielte. Besondere Erwähnung finden in diesem Zusammenhang immer wieder die Massaker an den Katharern von Béziers und Minerve. Allerdings machte Innozenz sich auch um die Integration bestimmter zeitweise häresieverdächtiger Gruppen verdient (z. B. Humiliaten, Franziskaner (anerkannt 1210) und Dominikaner).

Im November 1215 eröffnete Innozenz das Vierte Laterankonzil, wo er zum Fünften Kreuzzug in das Heilige Land aufrief und 70 in der katholischen Kirche teilweise bis heute geltende Edikte verabschieden ließ. Er starb am 16. Juli 1216 im Alter von 55 Jahren in der Nähe von Perugia und wurde in der dortigen Kathedrale beigesetzt. 1891 wurde sein Leichnam nach Rom überführt und von Papst Leo XIII. in San Giovanni in Laterano beigesetzt.

Werke (Auswahl)

  • De misera humanae conditionis. Neu herausgegeben von Michele Maccarone. Lugano 1955.
  • Acta Innocentii pp III. Herausgegeben von Theodosyj Haluscynskyi. Rom 1944.
  • Regestum Innocentii III papae super negotio Romani imperio. Herausgegeben von Friedrich Kempf. Rom 1947.
  • The letters of Pope Innocent III concerning England and Wales. Herausgegeben von Christopher R. Cheney. Oxford 1967.
  • Die Register Innozenz’ III. Herausgegeben von Othmar Hageneder. 2 Bände, Graz 1964, Rom 1979.

Literatur

  • Thomas Frenz (Hrsg.): Papst Innozenz III. Weichensteller der Geschichte Europas. Interdisziplinäre Ringvorlesung an der Universität Passau. Steiner, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07433-3.
  • Helene Tillmann: Papst Innocenz III. Röhrscheid, Bonn 1954.

Weblinks

Anmerkungen

  1. Zu Walther von der Vogelweide und Innozenz III. siehe Karl Burdach: Der Kampf Walters von der Vogelweide gegen Innocenz III. und das IV. Laterankonzil. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte. Band 55, 1936.
  2. Dazu Friedrich Baethgen: Die Regentschaft Papst Innozenz III. im Königreich Sizilien. Kraus, Nendeln 1977 (Nachdruck der Ausgabe Heidelberg 1914).
  3. Dazu Manfred Laufs: Politik und Recht bei Innozenz III. Kaiserprivilegien, Thronstreitregister und Egerer Goldbulle in der Reichs- und Rekuperationspolitik Papst Innozenz’ III. Böhlau, Köln/Wien 1980, ISBN 3-412-02179-2.
  4. Dazu Christopher R. Cheney: Pope Innocent III and England. Hiersemann, Stuttgart 1976, ISBN 3-7772-7623-5.



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