- Lotrecht
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Die Lotrichtung (unexakt auch das Lot) ist die örtliche Richtung des Schwerevektors, der durch ein langes Schnurlot realisiert werden kann. Der Schwerevektor steht senkrecht auf den Niveauflächen des Erdschwerefeldes und ist die Resultierende aus der Gravitation der Erde und der Fliehkraft ihrer Rotation.
Ein anderes Wort ist Vertikale oder Lotrechte. Der allgemeine Sprachgebrauch sieht sie auch als Normale zur idealisierten Erdoberfläche. Da diese aber keine Ebene, sondern gekrümmt verläuft (annähernd eine Kugelkalotte), ist „Vertikale“ und „vertikal“ ebenfalls nur eine relative, auf den jeweiligen Standort bezogene Aussage.
- Dieses Konzept ist eng mit dem geometrischen Begriff der Orthogonalität verbunden, sodass mit den Ausdrücken auch – unabhängig von der Bezugsebene – die Orthogonale bezeichnet wird.
Gemeinsam ist allen Vertikalen, dass sie die Richtung der Schwerkraft anzeigen. Entgegen weitverbreiteter Ansicht treffen sie sich jedoch nicht im Erdmittelpunkt, sondern weichen bis 0,2° davon ab (siehe Erdabplattung).
Der obere Schnittpunkt der Lotrichtung mit der Himmelskugel heißt Zenit, der untere Nadir. Beide Wörter sind arabischen Ursprungs.
Die Horizontale (auch die Waagrechte oder der mathematische Horizont) ist eine gedachte Ebene senkrecht zur Lotrichtung. Für kleine Strecken (z.B. Körperkanten bis zu 50 Meter) ist die tatsächliche Krümmung der Horizontalen vernachlässigbar. Genähert ist sie die Oberfläche der Erdkugel, genauer des Geoids, was bei der Betrachtung längerer Strecken beachtet werden muss. Die Erdkrümmung macht auf 1 km bereits 8 cm aus und wächst annähernd quadratisch (10 km => 8 m).
Inhaltsverzeichnis
Physikalische Definition
Physikalisch betrachtet ist die Lotrichtung auf einem rotierenden Körper eine Folge seiner Gravitation und (in geringerem Ausmaß) der Fliehkraft. Deshalb weist sie im allgemeinen Fall nicht zum Mittelpunkt. Die Rotation (und die daraus folgende Fliehkraft und Abplattung) verursacht eine Ablenkung, die bei der Erde bis 0,2° beträgt und am Saturn fast 10°. Um diesen Betrag ist die (geo)zentrische Breite kleiner als die geografische.
Genauer betrachtet, ist die Lotrichtung keine Gerade, sondern eine Raumkurve. Sie durchstößt als Lotlinie alle Niveauflächen des Schwerefeldes senkrecht. Die Lotkrümmung lässt sich durch aufwendige Messungen feststellen (siehe Gravi- bzw. Gradiometrie) oder rechnerisch durch Modellierung von Massen des Geländes (Topografie) und des geologischen Untergrundes. Die Krümmung beträgt im Flachland etwa 1", im Hochgebirge jedoch über 10", was einige cm bis dm pro km ausmacht.
Astronomische und geografische Koordinaten
Aus der Lotrichtung bzw. der Lage des Zenits am Sternhimmel lassen sich genaue Werte für die astronomische Breite und Länge bestimmen. Der Unterschied zur geografischen Breite und Länge ist die sogenannte Lotabweichung, die von den Unregelmäßigkeiten des Erdschwerefeldes verursacht wird. Sie bilden ein wichtiges Koordinatensystem für die Geowissenschaften - speziell die Geodäsie.
Hingegen bilden Horizont und Lotrichtung ein topozentrisches horizontales Koordinatensystem, das für den Alltag die größte Bedeutung besitzt und auch „natürliches Koordinatensystem“ genannt wird.
Messung und Genauigkeiten
Die Messung der Lotrichtung erfolgt:
- im Bauwesen mit Schnurlot (Senkblei) oder Lattenrichter, bzw. 90° dazu Wasserwaage und Nivellier - auf etwa 0,1° bis 0,001° genau;
- in der Geodäsie mit Theodolit und Spezialgeräten wie Astrolab oder Zenitkamera - Genauigkeit 1" bis 0,1" (in Verbindung mit Lotsensoren wie Libellen oder Kompensatoren
- in der Physik mit einer Vielfalt von Instrumenten und Genauigkeiten;
- in der Geodynamik als Lotrichtungsschwankung mit speziellen Instrumenten in aufgelassenen Tunneln oder Bergwerken unter Tage (Vertikal- und Horizontalpendel) auf ± 0,01" und genauer.
Etymologie
„Lotrichtung“ leitet sich von der Lotschnur ab, „Senkrechte“ vom Senkblei, „Waagrechte“ vermutlich von "Waage" als Synonym für eine im Gleichgewicht befindliche Wasseroberfläche - siehe auch Wasserwaage als ursprüngliches Messgerät für diesen Zweck. „Horizontale“ bezieht sich auf die Ebene des Horizonts und hat auch mit weiter Sicht zu tun. In der Medizin bezeichnet vertical jene Linie, die vom Scheitel zur Sohle zieht. „Vertikale“ entstammt dem lateinischen (Vertex „Scheitel(punkt)“; dieselbe Bedeutung liegt dem „Zenit“ zugrunde).
Literatur
- F. Ackerl: Geodäsie und Fotogrammetrie, Band 1 und 2, Fromme 1950 und 1956
- G. Gerstbach: Bedeutung eines Geo-Informationssystems für die Erdmessung. Lotrichtung und Dichtemodell, Geowiss. Mitt. Band 27 (GeoLIS I), p.9-15, TU Wien 1986
- K. Ledersteger: Astronomische und Physikalische Geodäsie, JEK Band V, J.B.Metzler-Verlag, Stuttgart 1968
- W.Torge: Geodesy, 3. Auflage, 416p., Verlag deGruyter, Berlin/ New York 2001
Weblinks
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