Louis-Antoine de Bourbon, duc d'Angoulême

Louis-Antoine de Bourbon, duc d'Angoulême

Louis Antoine de Bourbon, Herzog von Angoulême, als Ludwig XIX. Prätendent auf den französischen Thron (* 6. August 1775 in Versailles; † 3. Juni 1844 in Görz), war der älteste Sohn von König Karl X. von Frankreich und somit seit 1824 Thronfolger (Dauphin) des französischen Königreichs - als letzter, der diesen traditionellen Titel führte. Von den Legitimisten wurde er als rechtmäßiger französischer König angesehen.

Leben

Louis Antoine de Bourbon, duc d’Angoulême

Der Herzog von Angoulême war der älteste Sohn des Grafen von Artois, des späteren König Karl X., und dessen Ehefrau, der Prinzessin Marie Therese von Savoyen. Er folgte 1789 seinem Vater ins Exil nach Turin, stellte sich 1792 in Deutschland an die Spitze des Emigrantenkorps und begab sich nach dessen Auflösung nach Edinburgh, darauf nach Blankenburg am Harz und schließlich nach Mitau, wo er sich im Juni 1799 mit der einzigen Tochter Ludwigs XVI., Prinzessin Marie Thérèse Charlotte von Frankreich, vermählte. Im Jahr 1806 ging er nach England, wo die meisten der vor Napoleon flüchtigen Bourbonen auf dem Schloss Hartwell (Hartwell House in Aylesbury bei Oxford) ein Asyl gefunden hatten.

Als 1814 die Alliierten in Frankreich einrückten, erschien er am 2. Februar im britisch-spanischen Hauptquartier zu Saint-Jean-de-Luz und sammelte hier viele Anhänger des legitimen Königtums um sich. Unter dem Schutz des englischen Heers zog er am 12. März in Bordeaux ein, proklamierte Ludwig XVIII. als König und verkündigte Amnestie, Religionsfreiheit und Abhilfe aller gerechten Beschwerden. Nach der Herstellung der Monarchie der Bourbonen wurde er zum Admiral von Frankreich und Generalobersten der Kürassiere und Dragoner und nach Napoleons Rückkehr 1815 zum Generalleutnant von Frankreich ernannt.

Er zog mit Linientruppen und Nationalgarden nach dem Süden gegen Napoleon, erkämpfte bei Montélimar und Loriol einige Vorteile über die Bonapartisten, wurde aber am 6. April bei Saint-Jacques zurückgedrängt, von seinen Truppen verlassen und bei Pont-Saint-Esprit von Grouchy gefangen. Nach sechs Tagen auf Befehl Napoleons freigelassen, ging er nach Madrid und bereitete an der französischen Grenze einen Einfall in Frankreich vor.

Sein Onkel warf ihm vor, dass er Napoleons Herrschaft der Hundert Tage zu verantworten hätte. Er verzieh ihm erst 1815 nach Napoleons zweitem Untergang und dessen Verbannung auf die Insel Sankt Helena, als er erneut vom Wiener Kongress als König von Frankreich eingesetzt wurde.

Ludwig XIX. alias Louis Antoine, duc d’Angoulême

Nach der Schlacht bei Waterloo zog Angoulême in Bordeaux und Toulouse ein. Im Jahr 1823 erhielt er im Namen seines Onkels und der Heiligen Allianz den Oberbefehl über die zur Unterdrückung der spanischen Revolution bestimmte französische Invasionsarmee. Die Heilige Allianz war ein lockeres Bündnis europäischer Herrscher um die konservative Monarchie aufrechtzuerhalten, notfalls mit Waffengewalt. Nach außen hin gab die Heilige Allianz andere Ziele vor, angeblich hätten sich die Staaten dazu verpflichtet, ihre Politik an den christlichen Geboten des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe auszurichten und sich gegenseitig Beistand zu leisten. Mitglieder waren unter anderem Zar Alexander I. von Russland, der den Plan für dieses Bündnis entworfen hatte, sowie Kaiser Franz I. von Österreich, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen und natürlich König Ludwig XVIII. von Frankreich.

Der Herzog von Angoulême sollte die absolutistische Königsmacht in Spanien wiederherstellen und dafür die liberalen Kräfte ausmerzen.

Während der durch Napoleon erzwungenen Abwesenheit Ferdinands VII. setzten die Cortes von Cádiz 1812 in Spanien eine liberale Verfassung in Kraft. Ferdinand VII. hob diese Verfassung bei seiner Rückkehr nach Spanien im Jahr 1814 sofort wieder auf. Nach einem Pronunciamiento und Unruhen in Madrid sah sich Ferdinand VII. im März 1820 genötigt die Verfassung von Cádiz aus dem Jahr 1812 wieder in Kraft zu setzen. Herzog Louis Antoine von Angoulême überschritt am 6. April 1823 den Bidasoa und rückte ohne bedeutenden Widerstand am 24. Mai 1823 in Madrid ein. Erst vor Cádiz musste er am 30. August 1823 den Trocadero mit Gewalt erstürmen, wofür er zum Fürsten von Trocadero ernannt wurde. Angoulême besiegte die Liberalen und verhalf König Ferdinand VII. 1823 dazu, wie zwischen 1814 und 1820, absolutistisch und ohne jede Einschränkung durch eine Verfassung oder ein Parlament regieren zu können. Vergeblich bemühte der Herzog von Angoulême sich, den Gewalttaten der rachsüchtigen Royalisten entgegenzuwirken; selbst seine Proklamation von Andujar (8. August) und sein Wunsch, dass eine allgemeine Amnestie erlassen würde, wurden nicht beachtet.

Grab „König Ludwig XIX.“ in Kostanjevica

Mit dem Tod von Ludwig XVIII. 1824 wurde sein Vater, der Graf von Artois, als Karl X. neuer König von Frankreich, Angoulême führte fortan den Titel eines Dauphin. 1830 brach die Julirevolution aus, in deren Verlauf Karl X. abdanken musste. Der Dauphin, der nun als Ludwig XIX. nachfolgen hätte sollen, verzichtete ebenfalls - nachdem er theoretisch für zwanzig Minuten rechtmäßiger König von Frankreich war - auf den Thron, und zwar zugunsten seines Neffen Henri, duc de Bordeaux, des Sohnes seines 1820 ermordeten jüngeren Bruders Charles Ferdinand, Herzog von Berry. Die Hoffnung Karls X. und des bisherigen Dauphins, damit den Thron womöglich für die eigene Dynastie zu retten, erfüllte sich jedoch nicht, da in Frankreich nunmehr Louis Philippe aus dem Hause Orléans folgte.

Louis Antoine folgte dem abgedankten König ins Exil nach Holyrood, 1832 nach Prag und 1836 nach Görz, wo er unter dem Titel eines Grafen von Marnes mit seiner Frau in völliger Zurückgezogenheit lebte und am 3. Juni 1844 starb, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Er wurde im Kloster Kostanjevica in Nova Gorica im heutigen Slowenien beigesetzt.


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